Kimbern
Die Kimbern oder Zimbern (früher auch Cimbern geschrieben; lateinisch Cimbri; altgriechisch Κίμβροι Kímbroi) waren ein germanischer Volksstamm, der mutmaßlich aus dem nördlichen Jütland stammte (siehe auch Himmerland). Gemeinsam mit den Teutonen und Ambronen zogen sie um das Jahr 120 v. Chr. aus ihrem Siedlungsgebiet im Norden Mitteleuropas nach Süden (Kimbernkriege).
Quellen
Wesentliche Informationen über die Kimbern, Teutonen und Ambronen stammen aus dem Leben des Marius, einer Biographie des Marius vom griechischen Geschichtsschreiber Plutarch.[1] Die Römer benutzen um 100 v. Chr. das Wort Germanen nicht für die Kimbern und Teutonen, auch wenn sie heute zu selbigen gezählt werden. Sie sprachen von den Cimbri Teutonique. Der Begriff Germanen wurde wahrscheinlich zuerst von dem Griechen Poseidonios im 30. Buch seiner Historien (ca. 80 v. Chr.), später dann von Gaius Julius Caesar für die Stämme jenseits des Rheins verwendet. Plutarch hatte sein Kimbernbild wahrscheinlich aus den Memoiren des Sulla, des Catulus, des Publius Rutilius Rufus sowie den Historien des Poseidonios.[2]
Nach Plutarch waren 300.000 kampffähige Männer im Tross. Allerdings wird diese Zahl von vielen heutigen Historikern angezweifelt. Bei 300.000 kampffähigen Männern müsste das gesamte ziehende Volk der Kimbern über eine Million Menschen betragen haben. Es wird aber für das gesamte Gebiet zwischen Rhein und Elbe nur eine Bevölkerung von drei bis vier Millionen angenommen. Viele Forscher gehen deshalb davon aus, dass die römischen Geschichtsschreiber stark übertrieben haben und die Kimbern insgesamt nur eine Kopfstärke von 150.000 hatten. Viele historische Quellen zu den Kimbern gelten als unglaubwürdig, dienten sie doch dazu, den Feldherrn Marius als Retter Italiens darzustellen.
Caesar bezeichnete später den Stamm der Aduatuker als „Nachkommen der Kimbern und Teutonen“. Danach seien die Aduatuker Nachfahren der 6000 Mann Schutzwache, die bei den Plünderungszügen der Kimbern und Teutonen 113/105 v. Chr. zur Bewachung ihres Hab und Gutes zurückgelassen worden waren. Nach zahlreichen, viele Jahre andauernden Auseinandersetzungen mit den Nachbarstämmen hätten sie nach einem Friedensschluss das Gebiet um die befestigte Stadt am Mont Falhize zum Wohnsitz gewählt.[3]
Tacitus erwähnte die Kimbern im 37. Kapitel seiner Germania.[4]
Nähere Darstellung
Auszug aus dem ursprünglichen Siedlungsgebiet
Die antiken Quellen geben eine Sturmflut als Ursache für die Auswanderung der Kimbern, Teutonen und Ambronen an. Doch vermutlich kamen Klimaveränderungen hinzu. Nach einer Wärmephase zwischen 2000 und 800 v. Chr. kühlte sich das Klima in Nordeuropa ab. Als Folge davon kam es zu Ernteausfällen und Hungersnöten, die die Bevölkerung dazu zwangen, nach fruchtbarem Land zu suchen. Ihr Zug nach Süden führte sie nach Böhmen, wo sie auf die Boier gestoßen sein müssen, Schlesien und Mähren, dann ins Gebiet der Skordisker im Donau-/Savegebiet und schließlich in die Ostalpen, wo Noriker und Taurisker ansässig waren.[5]
Erstes Treffen mit den Römern/Schlacht bei Noreia
Im Jahre 113 v. Chr. trafen Kimbern, Teutonen und Ambronen in der heutigen Steiermark zum ersten Mal auf Römer. Der römische Konsul Gnaeus Papirius Carbo ließ die Alpenpässe sperren, um die Germanen am Marsch in Richtung Rom zu hindern. Obwohl die Germanen versprachen, friedlich weiterzuziehen und nach Siedlungsland zu suchen, lockten die Römer sie in eine Falle: Carbo gab ihnen Führer mit, die ihnen angeblich behilflich sein sollten, geeignetes Siedlungsland zu finden. Von Carbo hatten die Führer jedoch die Anweisung, einen längeren Umweg zu machen, damit er sie aus dem Hinterhalt angreifen konnte. Während die Kimbern in der Nähe von Noreia rasteten, griffen zwei römische Legionen mit einer Stärke von 12.000 Mann an. Sie wurden in der Schlacht von den Germanen vernichtend geschlagen. Nur ein einsetzendes Gewitter konnte das römische Heer vor der totalen Vernichtung retten: Aus Angst, der Gott Donar könnte den Himmel einstürzen lassen, flohen die Germanen. Historische Quellen hierfür sind insbesondere Appian und Strabo.
Weiterzug nach Gallien
Darauf zogen die Kimbern, Teutonen und Ambronen über Helvetien nach Gallien, wo sie im Jahre 109 v. Chr. nahe der italienischen Grenze wiederum siegreich waren, diesmal gegen Marcus Iunius Silanus. Die Tiguriner, ein helvetischer Stamm, der sich ihnen angeschlossen hatte, schlugen 107 v. Chr. die Römer unter Lucius Cassius Longinus (Schlacht bei Agen). 105 v. Chr. folgte ein weiterer Sieg gegen Quintus Servilius Caepio in der Nähe von Arausio (Orange).
Weiterzug auf die Iberische Halbinsel und nach Italien
Eine mehrere Jahre dauernde Wanderung nach Westen brachte die Stämme bis auf die Iberische Halbinsel, bevor sie sich wieder Richtung Italien wandten. Hier trennten sich die Teutonen und Ambronen von den Kimbern. Erstere zogen von Westen, letztere von Norden nach Italien ein. Diese Trennung sollte das Schicksal der Stämme besiegeln.
Der Untergang der Kimbern und Teutonen
102 v. Chr. wurden die Teutonen (unter Teutobodus oder Teutobuches) und Ambronen von Gaius Marius bei Aquae Sextiae (heute Aix-en-Provence) besiegt, 101 v. Chr. unterlagen die Kimbern (unter Boiorix) in der Poebene bei Vercellae den Truppen des Marius und denen des Quintus Lutatius Catulus mit über 50.000 Soldaten.
Historische Bedeutung der Kimbern
Die Kimbern stellen mit ihrem Zug durch Europa die erste einer langen Reihe von Konfrontationen zwischen den Germanen und dem Römischen Reich dar. Zu dieser Zeit brachte Rom sie aber eher mit den Galliern als mit den Germanen in Verbindung. Erst Caesar, der alle Völker östlich des Rheins als Germanen ansah, verwendete diesen Begriff ca. 50 Jahre später in seinem Werk De Bello Gallico. Dies kann jedoch durchaus als nachträgliche politische Namensgebung aufgefasst werden.[6]
Die Beschreibung der Kimbern prägte das antike, aber auch das moderne, klischeehafte Germanenbild vom blonden, großen und wilden Volk. Zeitzeugenberichte existieren nicht. Plutarch beschreibt sie jedoch als überaus zahlreich, schrecklich anzuschauen und mit lauter Stimme, beinahe tiergleich. Der Zug der Kimbern wird in der Antike durchweg als barbarischer Raubzug beschrieben. Dies muss aus heutiger Sicht allerdings kritisch betrachtet werden. So sieht die moderne Forschung den Zug der Kimbern eher als Migrationsbewegung einzelner Stämme auf der Suche nach Siedlungsland denn als Raubzug.[7]
Die Bedeutung der Kimbern und Teutonen für die Sprachwissenschaft
Der Name der Kimbern und Teutonen wird bei römischen Schriftstellern ausnahmslos als cimbri teutonique wiedergegeben, was aus linguistischer Sicht überraschend ist. Zu erwarten wäre vielmehr die Schreibung *chimbri theudonique, jedenfalls wenn im Heimatgebiet dieser Völker um 120 v. Chr. die Erste Lautverschiebung bereits vollzogen gewesen wäre.[8] Diese bewirkte nämlich u. a. die Veränderung von anlautend „k“ zu „ch“ und „t“ zu „th“. Auch der Diphthong eu im Stammesnamen teutoni ist archaisch, in später überlieferten germanischen Texten und Inschriften, einschließlich der bei antiken Schriftstellern als Fremdwörter überlieferten germanischen Lexeme und Namen, erscheint indogermanisch *eu durchgehend als iu.[9]
Diese Beobachtung hat zusammen mit einigen weiteren Hinweisen zu dem Schluss geführt, dass das von den Kimbern und Teutonen gesprochene Idiom die Erste Lautverschiebung noch nicht vollzogen hatte, sondern es sich dabei um (spätes) Prägermanisch und nicht um eine Form der in der Literatur als „urgermanisch“ bezeichneten Sprache handelt.[10]
Literatur
- Bruno Bleckmann, Die Germanen. C.H. Beck, 2009, ISBN 978-3-406-58476-3.
- Wolfram Euler, Konrad Badenheuer: Sprache und Herkunft der Germanen – Abriss des Protogermanischen vor der Ersten Lautverschiebung. London/Hamburg 2009, ISBN 978-3-9812110-1-6.
- Günter Neumann, Thomas Grünewald, Jes Martens: Kimbern. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage. Band 16, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2000, ISBN 3-11-016782-4, S. 493–504.
- Walter Pohl: Die Germanen. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2004, S. 11 f., ISBN 3-486-56755-1
- Anders D. Børglum, Cristiano Vernesi, Peter K. A. Jensen, Bo Madsen, Annette Haagerup, Guido Barbujani: No signature of Y chromosomal resemblance between possible descendants of the Cimbri in Denmark and Northern Italy, in: American Journal of Physical Anthropology 132 II (2007), S. 278–284
- Christian Liebhardt: Der Zug der Kimbern und Teutonen: Hintergründe, Ablauf und Rückschlüsse. Saarbrücken, 2013.
- Alexander Sitzmann, Friedrich E. Grünzweig: Altgermanische Ethnonyme. Ein Handbuch zu ihrer Etymologie unter Benutzung einer Bibliographie von Robert Nedoma. Herausgegeben von Hermann Reichert. Fassbaender, Wien 2008, ISBN 978-3-902575-07-4. (Philologica Germanica, 29)
Weblinks
Anmerkungen
- Plutarch: Marius
- Vgl. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Bd. 23, S. 215.
- De bello Gallico, II 29: consensu eorum omnium pace facta hunc sibi domicilio locum delegerant
- Tacitus: Germania (Memento des Originals vom 29. September 2007 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Vgl. POHL (2004), S. 11 f.
- Vgl. Sebastian Brather: Ethnische Interpretation in der frühgeschichtlichen Archäologie In: Reallexikon der germanischen Altertumskunde. Walter de Gruyter 2004. ISBN 3-11-018040-5, S. 180 (Google Books).
- Vgl. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Bd. 23, S. 215.
- Euler 2009, S. 12 f.
- Vgl. Euler 2009, S. 77 und 79
- Euler 2009, S. 66–73.