Teurnia
Das Municipium Teurnia (spätantik auch: Tiburnia) war eine römische Stadt in Oberkärnten unweit der heutigen Bezirkshauptstadt Spittal. In der Spätantike war sie auch Sitz eines Bischofs und Hauptstadt der römischen Provinz Noricum mediterraneum (Binnennorikum). Tiburnia ist heute noch ein Titularerzbistum.
Geschichte der Stadt
Die Ruinen des antiken Teurnia befinden sich auf dem Lurnfeld am Holzer Berg im Ortsteil St. Peter in Holz der Gemeinde Lendorf, vier Kilometer westlich von Spittal an der Drau. Bereits 1100 v. Chr. wurde dort am Holzer Berg gesiedelt. Ca. 50 n. Chr. entstand hier die römische Stadt mit Forum, Marktbasilika, Kapitolstempel, Thermenanlage, Wohnterrassen und Tempel des keltischen Heilgottes Grannus.
Teurnia war eine der größten Städte im norischen Reich. In ihrer Blütezeit hatte die Stadt 30.000 Einwohner. In der Spätantike ging die Bevölkerungszahl zurück; man gab die Wohnterrassen auf und nutzte die Hänge, da sie für die Landwirtschaft unbrauchbar geworden waren, als Friedhöfe. Zur gleichen Zeit wurde die Befestigungsmauer errichtet. Die Einwohner Teurnias waren im 4. Jahrhundert bereits Christen. Von ca. 400 bis zu ihrem Untergang 610 war die Stadt auch Bischofssitz. Aus der Vita Severini des Eugippius von 511 erfahren wir, dass Severin mit einem Bischof von Tiburnia/Teurnia namens Paulinus in Kontakt stand.[1] Aufgrund der Tatsache, dass er Mahnschreiben an Gemeinden seiner Diözese verschickte, war Paulinus wohl Metropolit Binnennorikums. Teurnia kann folglich als (nach Virunum) jüngere Hauptstadt der Provinz betrachtet werden. Letztmals wurden Stadt und Diözese 591 in einem Brief der venetischen und rätischen Bischöfe genannt.
Ausgrabungen
Der Holzer Berg war schon im Mittelalter als Fundort antiker Überreste bekannt. Viele Spolien von Bauten der Umgebung haben hier ihren Ursprung. Im Laufe der Neuzeit stieg das Interesse an den römischen Funden, doch erst spät erkannte man in der Stätte die schriftlich überlieferte Stadt Teurnia. Professionell ausgegraben wurde die Stadt seit der zufälligen Entdeckung der Friedhofskirche im Jahre 1908. Das Stiftermosaik des Statthalters Ursus in der rechten Seitenkapelle der dreischiffigen Basilika ist fast vollständig erhalten. Das Mosaik zeigt in zwölf Bildern miteinander verknüpfte christologische, mythologische und biblische Symbole sowie die Stifterinschrift eines Ursus und dessen Frau Ursina.
1984 entdeckte der jetzige Ausgrabungsleiter Franz Glaser die frühchristliche Bischofskirche, die heute überdacht und den Besuchern zugänglich ist. Die Bischofskirche hatte man zuvor unter der mittelalterlichen Pfarrkirche vermutet; Glaser schloss jedoch anhand historischer Vergleiche auf die tatsächliche Lage an der westlichen Stadtmauer. Die Kirche stammt vom Beginn des 5. Jahrhunderts und wurde nach einem Brand am Beginn des 6. Jahrhunderts dreischiffig und mit drei Apsiden wieder aufgebaut. Analog zur Situation am Hemmaberg könnte die Bischofskirche als Versammlungsort der katholischen Gemeinde gedient haben, während in der Friedhofskirche die Arianer ihre Gottesdienste abhielten. Neben der Bischofskirche wurde das spätantike bischöfliche Hospitium (Gästehaus) gefunden; es ist jedoch heute wieder mit Erde überdeckt. Weitere Ausgrabungen sind im Gange.
Die Wasserversorgung von Teurnia erfolgte über eine Distanz von ca. 3 km aus Quellen am Hühnersberg. Wahrscheinlich gab es eine römerzeitliche Aquäduktbrücke über das Lendorfer Moos. Verschiedene Mauerfunde sind dokumentiert.[2] Nach einer aktuellen Rekonstruktion könnte die Wasserversorgung als Freispiegelkanal ausgeführt gewesen sein. Auf dem Areal liegt als Außenstelle des Landesmuseums Kärnten das Römermuseum Teurnia, in dem zahlreiche Artefakte aus der römerzeitlichen Stadt ausgestellt sind. In der Nähe des Museums befinden sich die konservierten Reste eines römerzeitlichen Stadthauses, das als Besonderheit ein einfaches Hypokaustum in Ypsilonform aufweist. Besucher erhalten durch Schaukästen auf dem gesamten Gelände Erklärungen zur Geschichte der Stadt und zu den Grabungen.
Der Rundgang umfasst die folgenden Stationen:
- 1. Schautafeln an der Zuwegung
- 2. Forum und Tempelbauinschriften
- 3. Kirche St. Peter (frühmittelalterliche Gründung, später gotisch überbaut und mit Fresken aus dem 14. und 15. Jahrhundert)
- 4. Römermuseum
- 5. Stadtvilla (Ursprung aus dem 1. Jahrhundert n. Chr., um 400 n. Chr. überbaut)
- 6. Bischofskirche (nur Reste der Fundamente)
- 7. Westtor der Stadtmauer (um 400 n. Chr. zum Schutz in der Völkerwanderungszeit)
- 8. Reste einer frühchristlichen Friedhofskirche
Literatur
- Franz Glaser: Teurnia: Römerstadt und Bischofssitz, Verlag des Geschichtsvereins, Klagenfurt 1992
- Franz Glaser: Frühchristliche Denkmäler in Kärnten, Verlag des Geschichtsvereins, Klagenfurt 1996
- Franz Glaser: Römermuseum Teurnia – Texte und Zeichnungen, Verlag des Geschichtsvereins, Klagenfurt 2002
- Christian Gugl: Archäologische Forschungen in Teurnia. Die Ausgrabungen in den Wohnterrassen 1971–1978. Die latènezeitlichen Funde vom Holzer Berg (= Sonderschriften des Österreichischen Archäologischen Institutes 33), Wien 2000, ISBN 3-900305-30-7
- Michael Huber (Hrsg.): Mitteilungen des Kuratoriums pro Teurnia (1989–1991); Mitteilungen zur frühchristlichen Archäologie in Österreich (1992–1994); Vereinsmitteilungen – Kuratorium pro Teurnia (1995–2006); Teurnia-Mitteilungen (seit 2007). (= jährliches Mitteilungsheft des Vereins Kuratorium pro Teurnia)
- Rudolf Egger: Teurnia. Die römischen und frühchristlichen Altertümer Oberkärntens (1924, 8. erw. Auflage 1979)
Einzelnachweise
- Eugippi vita Sancti Severini, commemoratorium XXI.
- Axel Huber: Überlegungen zur Wasserversorgung von Teurnia. Ein römische Quellfassung in Seeboden. In: Geschichtsverein für Kärnten (Hrsg.): Carinthia I. 208. Jahrgang. Klagenfurt 2018, S. 67–94.