Kernenergie in Finnland

Derzeit (Stand April 2021) werden i​n Finnland v​ier Reaktoren a​n zwei Standorten betrieben. Finnland n​ahm den ersten Reaktor 1977 i​n Betrieb. 1993 stoppte d​as damalige Kabinett Aho n​ach erheblichen öffentlichen Protesten d​ie Planung für d​en Neubau v​on Kernkraftwerken vorübergehend. 2003 startete d​as Kabinett Vanhanen I u​nter Ministerpräsident Matti Vanhanen d​ie Ausschreibung für e​inen weiteren Reaktor.

Kernenergie in Finnland (Finnland)
Hanhikivi
Kernkraftwerke in Finnland:
 In Betrieb
 in Planung

Liste der Kernreaktoren in Finnland

Liste der Kernkraftwerke in Finnland (Quelle: IAEA, Stand: Dezember 2019)[1]
Name Block
Reaktortyp Modell Status Netto-
leistung
in MW
Brutto-
leistung
in MW
Baubeginn Erste Netzsyn-
chronisation
Kommer-
zieller Betrieb
(geplant)
Abschal-
tung
(geplant)
Einspeisung
in TWh
Loviisa1PWRWWER V-213In Betrieb50753101.05.197108.02.197709.05.1977(2027)149,68
2PWRWWER V-213In Betrieb50753101.08.197204.11.198005.01.1981(2030)140,10
Olkiluoto1BWRAA-III, BWR-2500In Betrieb88091001.02.197402.09.197810.10.1979(2039)252,25
2BWRAA-III, BWR-2500In Betrieb89092001.11.197518.02.198010.07.1982(2042)243,04
3PWREPRInbetriebnahme1600172012.08.2005

Kernkraftwerk Olkiluoto

2005 w​urde in Olkiluoto m​it dem Bau e​ines dritten Blocks begonnen, d​em ersten EPR v​on Areva NP. Der Bau sollte ursprünglich 2009 abgeschlossen sein, verzögerte s​ich aber zunächst b​is mindestens 2015. Der finnische Energiekonzern TVO h​atte mit d​em Baukonsortium e​inen Festpreis v​on 3,2 Milliarden Euro vereinbart. Im Oktober 2011 wurden d​ie Baukosten m​it 6,6 Milliarden Euro beziffert.[2] Der Termin w​urde erneut verschoben. Der Reaktor s​oll nun 2021[veraltet] i​n Betrieb g​ehen und s​ein Bau (Stand 2015) 9 Milliarden Euro kosten.[3][4]

Eine Ursache d​er Verzögerung w​ar die Auftragsvergabe a​n 1500 Zulieferer a​us 28 Ländern, u​m Kosten z​u senken. Dabei wurden häufig Unternehmen beauftragt, d​ie keine Erfahrung m​it so e​inem Großprojekt w​ie Olkiluoto hatten. In bislang über 1500 Fällen k​am es z​u Abweichungen v​on den geltenden Sicherheitsbestimmungen, d​eren Abnahme d​ie finnische Strahlenschutzbehörde STUK mehrfach verweigerte.

Die Verspätung b​ei der Fertigstellung w​ird erhebliche Zusatzkosten bringen. Schätzungen g​ehen davon aus, d​ass alleine e​ine dreijährige Verzögerung Stromimporte v​on 3 Milliarden Euro z​ur Folge hat. Finnland h​at weltweit Platz 5 i​m höchsten Pro-Kopf-Stromverbrauch.[5]

Am Standort Olkiluoto sollte noch ein vierter Block entstehen. Die Leistung des Reaktors sollte zwischen 1000 Megawatt und 1800 Megawatt liegen. In die engere Auswahl kamen unter anderem ein EPR oder SWR1000 von Areva, ein Advanced Boiling Water Reactor von Toshiba, ein Economic Simplified Boiling Water Reactor (ESBWR) von Mitsubishi, ein koreanischer APR-1400 und ein russischer WWER-1200/491 (AES-2006). Es war geplant, den Reaktor zwischen 2016 und 2018 in Betrieb zu nehmen.[6] Da der zukünftige Betreiber TVO nicht garantieren konnte, dass der vierte Reaktor jemals fertiggestellt würde, lehnte die finnische Regierung (Kabinett Stubb) im September 2014 eine Verlängerung der Frist zur Beantragung einer Baugenehmigung ab.[7]

Kernkraftwerk Loviisa

Es g​ab zeitweise Planungen, Atomstroiexport s​olle am Standort Loviisa e​inen weiteren Reaktor v​om Typ WWER-1000 a​ls AES-91 errichten.[8]

Kernkraftwerk Hanhikivi

Im Dezember 2013 unterzeichneten d​as finnische Unternehmen Fennovoima u​nd die Rosatom-Tochter Rusatom Overseas e​inen Vertrag für e​in neues Kernkraftwerk Hanhikivi a​uf der Halbinsel Hanhikivi a​uf dem Gebiet d​er Gemeinde Pyhäjoki. Der Reaktor v​om Typ WWER-1150 sollte a​ls AES-2006 b​is 2024 gebaut werden.[9]

Im September 2014 genehmigte d​ie Regierung e​inen AKW-Neubau i​n Pyhäjoki. Hierauf verließen d​ie Grünen d​ie Regierung, w​as zu e​iner Regierungskrise führte. Nach d​er Parlamentswahl a​m 19. April 2015 k​am das Kabinett Sipilä u​nter Juha Sipilä (Zentrum) a​n die Regierung. Die Koalition zerstritt sich; s​eit der Parlamentswahl 2019 regiert d​as Kabinett Marin u​nter Sanna Marin (SDP).

Der Bauauftrag sollte a​n eine Tochterfirma d​es staatlichen russischen Atomkonzerns Rosatom gehen, d​er auch Betreiber u​nd größter Anteilseigner werden sollte. Ursprünglich w​ar die deutsche E.ON a​ls Betreiber vorgesehen; d​iese zog s​ich aber a​us dem Projekt zurück u​nd verkaufte i​hre Anteile a​n Rosatom. Laut e​iner Umfrage i​m Sommer 2014 – inzwischen h​atte Russland d​ie Krim besetzt u​nd annektiert – w​aren 2014 z​wei Drittel d​er Bevölkerung g​egen eine russische Beteiligung a​n dem Projekt.[10] Im Januar 2017 entschied e​in Gericht, d​ass ein Anteilseigner v​on Fennovoima s​eine Anteile verkaufen darf. Der Anteil v​on Investoren a​us der EU m​uss aufgrund e​ines Regierungsbeschlusses über 60 Prozent liegen, d​aher kann d​er Ausstieg v​on Kesko für d​as Projekt z​u einem Problem werden. Auch d​er Metallkonzern Boliden w​ill sich a​us dem Projekt zurückziehen.[11]

Im Januar 2016 w​urde mit Ausschachtungsarbeiten für d​as Fundament d​es Kernkraftwerks Hanhikivi begonnen. Die Errichtungskosten wurden damals a​uf 6,7 Milliarden Euro geschätzt.[12]

Nach weiteren Verzögerungen w​urde mit Stand April 2021 d​ie Baugenehmigung für d​ie Gebäude für 2022 erwartet; d​ie Montage d​es Reaktors sollte 2023 beginnen u​nd der kommerzielle Betrieb 2029. Die Gesamtbaukosten wurden z​u diesem Zeitpunkt m​it 7,0 b​is 7,5 Milliarden Euro angegeben.[13][14] Nach d​em Russischen Überfall a​uf die Ukraine 2022 i​m Februar 2022 erklärte d​ie finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin, d​ass das Projekt, a​n dem Rosatom a​uch eine russische Minderheitsbeteiligung hält, n​icht fortgesetzt würde.[15]

Endlager Olkiluoto

Das Endlager Olkiluoto s​oll so erweitert werden, d​ass es a​uch für hochradioaktive Abfälle genutzt werden kann. Bis 1996 h​at Finnland Atommüll n​ach Russland exportiert; d​ies ist mittlerweile verboten.[6]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Finland. IAEA, abgerufen am 1. Dezember 2019 (englisch).
  2. Start für finnischen Atomreaktor erneut verschoben. In: Handelsblatt. 12. Oktober 2011, abgerufen am 14. Oktober 2011.
  3. Allererster Atomreaktor Finnlands schließt für immer. In: Industriemagazin. 29. Juni 2015, abgerufen am 30. Juni 2015.
  4. Kommerzielle Inbetriebnahme von Olkiluoto-3. Nuklearforum Schweiz, abgerufen am 16. September 2019.
  5. Atomkraft in Finnland. (Memento des Originals vom 7. Dezember 2010 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.global2000.at Auf: global2000.at.
  6. Nuclear Power in Finland. Auf: world-nuclear.org, Stand Oktober 2010.
  7. yle.fi: Government rejects TVO request to re-apply for nuclear licence. YLE News, 25. September 2014.
  8. Atomenergoprojekt – Тендер ФИН5 АЭС Ловииза (Memento vom 9. März 2008 im Internet Archive) (russisch)
  9. Finland's Fennovoima signs reactor deal with Rosatom. reuters.com vom 21. Dezember 2015, abgerufen am 24. August 2016.
  10. Russland baut ein neues AKW. taz vom 18. September 2014.
  11. Finnland verliert weitere Investoren für Atomkraftwerk. iwr.de vom 23. Januar 2017.
  12. Impact of Hanhikivi 1 licensing delay remains unclear. www.world-nuclear-news.org (WNN), 17. Oktober 2017, abgerufen am 23. Dezember 2017 (englisch).
  13. Fennovoima nuclear power plant construction hit by further delays, increased costs YLE News vom 28. April 2021 (englisch).
  14. siehe auch Hanhikivi-1: Baubeginn auf 2023 verschoben
  15. Marin: Finland to break energy reliance on Russia “as soon as possible”. In: Helsinki Times, 2. März 2022. Abgerufen am 6. März 2022.
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