Kernenergie in Schweden
Derzeit (Stand Januar 2022) sind in Schweden noch sechs der ursprünglichen 12 Atomkraftreaktoren im Betrieb.[1] Der erste kommerziell genutzte Reaktorblock ging 1971 in Betrieb. Die Kernenergie trug 2020 29,8 %[2] zur Gesamtstromerzeugung in Schweden bei.
Kernkraftwerke in Schweden: In Betrieb stillgelegt |
Geschichte
In Schweden wurde der Reaktorblock Ågesta am 1. Mai 1964 als erster in Betrieb genommen. Das Kernkraftwerk Ringhals ist mit seinen vier Reaktorblöcken und einer installierten Bruttoleistung von 3.697 MW das leistungsstärkste. Der Reaktorblock Forsmark 3 ist mit einer Bruttoleistung von 1.212 MW der leistungsstärkste.
Nach der partiellen Kernschmelze im US-amerikanischen Kernkraftwerk Three Mile Island 2 im Jahr 1979 folgte in Schweden im März 1980 eine Volksabstimmung über die Zukunft der Kernenergie. Mit 58,1 Prozent sprachen sich die Wähler für einen weiteren begrenzten Ausbau von Kernkraftwerken aus. Infolgedessen beschloss das schwedische Parlament 1980, dass keine weiteren Kernkraftwerke gebaut werden sollen. Die damals im Bau befindlichen sechs Reaktoren wurden dennoch fertiggestellt. Der Ausstieg aus der Kernenergie sollte bis 2000 abgeschlossen sein. Diese Frist wurde auf 2010 verlängert und im Jahr 2009 ganz aufgehoben.
Nach der Katastrophe von Tschernobyl im Jahr 1986 wurde erneut über die Risiken von Kernenergie diskutiert. Der schwedische Reichstag beschloss 1997, einen der beiden Reaktoren des Kernkraftwerkes Barsebäck bis zum 1. Juli 1998 abzuschalten und den zweiten noch vor dem 1. Juli 2001, jedoch unter der Bedingung, dass die Energieproduktion bis dahin ausgeglichen ist. Der Block 1 im Kernkraftwerk Barsebäck wurde am 30. November 1999 abgeschaltet und Block 2 folgte am 1. Juni 2005.
1998 beschloss die Regierung, keine weiteren Wasserkraftwerke zu bauen, um die inländischen Wasserressourcen zu schützen.
Der Ausstieg aus der Kernenergie wird in Schweden weiterhin kontrovers diskutiert. Als 2006 die konservative Regierung unter Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt ihr Amt antrat, versuchte diese, den Ausstieg abzubrechen, musste zunächst jedoch nach Protesten davon ablassen.
Am 5. Februar 2009 verabschiedete die Regierung dann ein Energieprogramm, das neben dem massiven Ausbau der Windenergie und einer Senkung des gesamten Energieverbrauchs auch den Neubau von Atomkraftwerken wieder erlauben soll. Neue Reaktoren dürfen dabei nur als Ersatz für stillgelegte Kraftwerke an bestehenden Standorten gebaut werden. Anders als in einigen deutschen Medien[3][4] gemeldet, gibt es jedoch keine konkreten Neubaupläne. Mit dem Programm schloss die Regierung auch staatliche Unterstützung für den Neubau von Atomkraftwerken aus.[5][6] Am 17. Juni 2010 bestätigte der schwedische Reichstag den Beschluss.[7]
Im Juni 2014 kündigte Schweden die Erhöhung der von Kernkraftwerksbetreibern zu entrichtende Gebühr für die Endlagerung von Atommüll an. Diese soll nach den Plänen um 73 % steigen. Hintergrund ist, dass die Kosten für die Endlagerung bisher deutlich unterschätzt worden waren.[8] Seit Oktober 2014 wird das Land durch eine Koalition der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Schwedens und der Umweltpartei/Die Grünen regiert. Zwar hat diese Partei den Atomausstieg noch nicht politisch wieder eingeführt, jedoch wurde die sogenannte "Effektsteuer", die Atomreaktoren nach ihrer theoretischen und nicht der tatsächlichen Leistungsfähigkeit besteuert, um ein Sechstel erhöht. Nachdem die größten schwedischen Stromanbieter Vattenfall und e.On daraufhin eine marktbedingte Abschaltung von vier Reaktoren an den Standorten Oskarshamn und Ringhals bis zum Jahr 2020 angekündigt haben, sah es aus als würden die Zeichen in Schweden wieder auf Atomausstieg stehen. 2016 hat sich die gleiche Koalitionsregierung allerdings entschlossen, die Effektsteuer 2019 wieder abzuschaffen und bis zu zehn alte Reaktoren durch neue zu ersetzen.[9]
Am 17. Juni 2017 fuhr der Betreiber des AKWs Oskarshamn Block 1 der Anlage herunter und gab am 19. Juni 2017 bekannt, dass der Reaktorblock dauerhaft stillgelegt werde.[10]
Liste der Kernkraftwerke in Schweden
Die Kernenergie hatte in Schweden 2011 einen Anteil von 40 Prozent an der Gesamtstromerzeugung;[11] laut IAEA liegt der Anteil derzeit bei 40,33 % (Stand: Dezember 2019).
Name | Block |
Reaktortyp | Modell | Status | Netto- leistung in MW |
Brutto- leistung in MW |
Baubeginn | Erste Netzsyn- chronisation |
Kommer- zieller Betrieb (geplant) |
Abschal- tung (geplant) |
Einspeisung in TWh |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Ågesta | 1 | PHWR | – | Stillgelegt | 10 | 12 | 01.12.1957 | 01.05.1964 | 01.05.1964 | 02.06.1974 | 0,40 |
Barsebäck | 1 | BWR | AA-II | Stillgelegt | 600 | 615 | 01.02.1971 | 15.05.1975 | 01.07.1975 | 30.11.1999 | 93,82 |
2 | BWR | AA-II | Stillgelegt | 600 | 615 | 01.01.1973 | 21.03.1977 | 01.07.1977 | 31.05.2005 | 108,04 | |
Forsmark | 1 | BWR | AA-III, BWR-2500 | In Betrieb | 986 | 1022 | 01.06.1973 | 06.06.1980 | 10.12.1980 | – | 266,40 |
2 | BWR | AA-III, BWR-2500 | In Betrieb | 1116 | 1156 | 01.01.1975 | 26.01.1981 | 07.07.1981 | – | 260,78 | |
3 | BWR | AA-IV, BWR-3000 | In Betrieb | 1159 | 1195 | 01.01.1979 | 05.03.1985 | 18.08.1985 | – | 284,05 | |
Oskarshamn | 1 | BWR | AA-I | Stillgelegt | 473 | 492 | 01.08.1966 | 19.08.1971 | 06.02.1972 | 19.06.2017 | 110,27 |
2 | BWR | AA-II | Stillgelegt | 638 | 661 | 01.09.1969 | 02.10.1974 | 01.01.1975 | 22.12.2016 | 154,00 | |
3 | BWR | AA-IV, BWR-3000 | In Betrieb | 1400 | 1450 | 01.05.1980 | 03.03.1985 | 15.08.1985 | – | 276,07 | |
Ringhals | 1 | BWR | AA-I | Stillgelegt | 881 | 910 | 01.02.1969 | 14.10.1974 | 01.01.1976 | 31.12.2020[13] | 209,66 |
2 | PWR | WH 3LP | Stillgelegt | 907 | 963 | 01.10.1970 | 17.08.1974 | 01.05.1975 | 30.12.2019[14] | 211,01 | |
3 | PWR | WH 3LP | In Betrieb | 1062 | 1117 | 01.09.1972 | 07.09.1980 | 09.09.1981 | – | 244,28 | |
4 | PWR | WH 3LP | In Betrieb | 1102 | 1171 | 01.11.1973 | 23.06.1982 | 21.11.1983 | – | 235,75 |
Forschungsreaktoren
- R0 (Reaktor) – Forschungsreaktor in Studsvik September 1959–1972
- R1 (Reaktor) – Forschungsreaktor KTH (Königliche Technische Hochschule), Valhallavägen, Stockholm 1954–1970
- R2 (Reaktor) – Forschungsreaktor in Studsvik 1960–2005
- R4 (Reaktor) – Marviken östlich von Norrköping, 1970 stillgelegt, bevor er gestartet wurde (en)
Endlager Forsmark
Siehe auch
Einzelnachweise
- https://taz.de/Schweden-nimmt-AKW-vom-Netz/!5737893/
- Beitrag der Atomkraft zur Stromerzeugung in Schweden im Jahr 2020. IAEA, abgerufen am 8. Januar 2022.
- Der Spiegel - Wende in der Energiepolitik - Schweden baut wieder Atomkraftwerke (Zugriff am 5. Februar 2009)
- Frankfurter Allgemeine Zeitung - Schweden baut neue Kernkraftwerke - Der Ausstieg aus dem Ausstieg (Zugriff am 5. Februar 2009)
- A sustainable energy and climate policy for the environment, competitiveness and long-term stability. Positionspapier der Regierung Schwedens, 6. Februar 2009.
- http://www.dn.se/nyheter/valet-2010/riksdagen-rostade-ja-till-ny-karnkraft Artikel der schwedischen Tageszeitung DN zum Gesetz, Zugriff: 10. Mai 2011
- Schweden steigt aus Atom-Ausstieg aus. auf: Spiegel Online. 17. Juni 2010.
- Sweden plans big rise in fees to nuclear decommissioning fund. In: The Economic Times. 27. Juni 2014. Abgerufen am 3. Juli 2014.
- Tagesschau vom 10. Juni 2016 - Schweden will doch wieder Kernenergie
- http://www.nuklearforum.ch/de/aktuell/e-bulletin/schweden-oskarshamn-1-stellt-betrieb-endgueltig-ein Oskarshamn-1 stellt Betrieb endgültig ein, Nuklearforum Schweiz, 23. Juni 2017, Zugriff: 26. Juni 2017
- Kernenergie Weltreport 2011. (PDF 0,5 MB) atw - International Journal for Nuclear Power, S. 273, abgerufen am 6. Dezember 2019.
- Sweden. IAEA, abgerufen am 9. Dezember 2019 (englisch).
- Schweden legt weitereren Atomreaktor still. Deutschlandfunk, 31. Dezember 2020, abgerufen am 1. Januar 2021.
- Ringhals nuclear power plant. Vattenfall; abgerufen am 20.12.2019