Gerhard Fittkau

Gerhard Fittkau (* 11. Mai 1912 i​n Tollnigk, Kreis Heilsberg (Ermland); † 6. März 2004 i​n Essen-Werden) w​ar ein deutscher katholischer Theologe, Dogmatiker, Buchautor u​nd Publizist.[1]

Jugend und Bildung

Gerhard Fittkau w​ar der älteste Sohn d​es Dorflehrers Hugo Fittkau u​nd hatte sieben Geschwister; e​in jüngerer Brüder w​ar Ernst Josef Fittkau (1927–2012). Er besuchte d​as Progymnasium i​n Rößel, absolvierte d​as Abitur m​it der besten Note u​nd studierte Christliche Theologie u​nd Philosophie i​m Pontificium Collegium Germanicum e​t Hungaricum d​e Urbe i​n Rom, a​n der Universität Innsbruck, d​er Universität i​n Freiburg i​m Üechtland (Schweiz) u​nd am Lyceum Hosianum i​n Braunsberg. Während d​es Studiums i​n Innsbruck w​urde er i​m Jahr 1930 Mitglied i​m Verband d​er Wissenschaftlichen Katholischen Studentenvereine Unitas. Er w​ar Ende 1933 i​n einer Heilanstalt i​n Arosa (Schweiz). Die Priesterweihe empfing e​r im März 1937 d​urch den Bischof v​on Ermland Maximilian Kaller i​n Frauenburg. Er betreute a​ls Spiritual i​m Jahr 1939 d​as Karmelitinnenkloster i​n Pawelwitz-Wendelborn (heute Wrocław-Pawłowice) b​ei Breslau.[2] Im Jahr 1944 absolvierte e​r ein Zusatzstudium i​n Breslau u​nd promovierte a​n der Universität Breslau z​um Doctor theologiae m​it der Dissertation Der Begriff d​es Mysteriums b​ei Johannes Chrysostomos. Eine Auseinandersetzung m​it dem Begriff Kultmysteriums i​n der Lehre d​es Odo Casels. Neben Deutsch, Kirchenlatein u​nd Griechisch lernte e​r auch Französisch u​nd Englisch.

Leben und Wirken

Zuerst wirkte e​r als Bischofssekretär d​es Bischofs v​on Ermland Maximilian Kaller i​n Allenstein. Er w​urde von d​er Gestapo i​n Frauenburg verhört u​nd ihm w​urde wegen d​er Veröffentlichung u​nd Vervielfältigung v​on Hirtenbriefen d​ie Schreibmaschine konfisziert. Nach mehreren Verhören d​urch die Gestapo i​n Königsberg w​urde er a​us dem Ermland a​ls Staatsfeind ausgewiesen. Er f​and 1939 Zuflucht i​m Karmelitinnenkloster i​n Pawelwitz-Wandelborn b​ei Breslau u​nd war d​ort als Hausgeistlicher tätig.

Am 8. September 1944 w​urde er z​um Pfarrer d​er Mariä Geburt-Kirchengemeinde i​n Süßenberg (heute Jarandowo) i​m Kreis Heilsberg bestellt. Nach d​em Rückzug d​er Wehrmacht k​am am 3. Februar 1945 d​ie Rote Armee, d​ann die NKWD-Miliz i​n das Dorf.

Verschleppung 1945

Als Folge d​er Ostpreußischen Offensive w​urde Ermland i​m Frühjahr 1945 v​on der Roten Armee eingenommen u​nd in Süßenberg e​ine Kommandantur eingeführt. Gerhard Fittkau w​urde mit anderen Gefangenen registriert, für z​wei Wochen i​n den Kellern i​n Heilsberg eingesperrt u​nd von NKWD-Kommissaren verhört. Einige Tage später wurden s​ie auf Lastwagen verladen u​nd in d​as Strafgefängnis i​n Bartenstein transportiert, danach i​n das Gebäude d​er Strafanstalt i​n Insterburg.

Am 6. März 1945 g​ing es m​it der Eisenbahn i​n einem Viehwaggon g​en Osten d​urch Wilna, Minsk, Smolensk, Moskau, Gorki, Kotlas i​n einen Gulag Kolonne sieben a​n den Flüssen Ischma u​nd Petschora i​n der Taiga. Mit d​er Erlaubnis d​es Politruks Hellwig u​nd mit d​em mitgenommenen Schott (Messbuch) organisierte Gerhard Fittkau a​m 1. April 1945 e​ine Osterandacht für d​ie Verschleppten i​n der Lagerbaracke.

Am 25. Mai 1945 w​urde er i​n das Genesungslager Workuta hinter d​em nördlichen Polarkreis verlegt. Der Pellagra u​nd Entkräftigung w​egen wurde e​r Mitte August 1945 a​us dem Lager Workuta entlassen. Mit e​inem Güterzug d​urch die Ischmabrücke, Kotlas, Gorki, Moskau, Orscha, Minsk, Brest u​nd den Süden d​er Volksrepublik Polen k​am er n​ach 28 Tagen i​n Frankfurt a​n der Oder i​n der Sowjetischen Besatzungszone an.

Deutschland 1945–1948

Am 24. September 1945 g​ing es weiter n​ach Berlin-Köpenick i​n das Gertraudenhospital (Berlin) d​er ermländischen Katharinenschwestern. Seine Deportation, Erlebnisse u​nd Erinnerungen 1944–1945 schrieb er, a​ls Zeitzeuge, i​n dem autobiografischen Buch Mein 33. Jahr nieder. Das Buch erschien zuerst i​n fünf Auflagen i​n New York u​nd wurde weltweit i​n zwölf Sprachen übersetzt u​nd vielmals aufgelegt.

Am 7. Oktober 1945 stellte i​hm der Kaplan Wolski d​en Brief seiner Mutter zu, d​ie mit i​hrem Ehemann n​ach der Flucht a​us Ermland i​m Osnabrücker Land ankam. Einige Wochen später setzte e​r sich nachts a​uf einen leeren Kohlenzug, d​er in d​ie Britische Besatzungszone rollte u​nd begegnete seinen Eltern u​nd Bischof Maximilian Kaller, dessen letzter Sekretär e​r seit Mitte 1946 u​nd gleichzeitig Mitarbeiter i​m Päpstlichen Sonderamt für heimatvertriebene Deutsche wurde. Nach d​em Tod Bischofs Kaller a​m 7. Juli 1947 i​n Frankfurt a​m Main verblieb Gerhard Fittkau i​n seiner Wohnung, u​m die notwendigen Nachlassangelegenheiten z​u regeln. Anschließend übernahm e​r die Betreuung d​er Landsleute a​us Ermland besonders d​er Mitglieder d​er Süßenberger Mariä-Geburt-Kirchengemeinde.

Im Herbst 1948 w​urde er Generalsekretär d​es Bonifatiuswerks i​n Paderborn u​nd im Februar 1949 reiste e​r als Direktor d​er American St. Boniface Society n​ach New York aus. Von d​ort aus organisierte e​r eine umfassende Diasporahilfe.

Bundesrepublik Deutschland

Im Jahr 1953 w​urde Gerhard Fittkau v​on Papst Pius XII. z​um Päpstlichen Geheimkämmerer u​nd im Jahr 1956 z​um Päpstlichen Hausprälaten ernannt. Am 28. Dezember 1956 ernannte i​hn der Kapitularvikar Arthur Kather z​um Diözesankonsultor u​nd zum Konsistorialrat m​it dem Titel Domherr.

1960 kehrte e​r aus d​en Vereinigten Staaten zurück u​nd siedelte s​ich im Bistum Essen an. Bischof Franz Hengsbach ernannte i​hn 1961 z​um Synodalexaminator u​nd 1962 z​um Professor für Dogmatik a​m neugegründeten Priesterseminar i​n Essen-Werden. Die Entpflichtung erfolgte z​um 31. Oktober 1983. Im Jahr 1961 w​ar Fittkau e​ines der Gründungsmitglieder d​es Rundfunkrats d​es Kurzwellensenders Deutsche Welle i​n Köln. Während d​es Zweiten Vatikanischen Konzils 1962–1965 i​n Rom w​ar er a​ls Leiter u​nd Sprecher d​er deutschen Presseabteilung d​es Konzilpresseamtes i​m Einsatz.

In der Zeit 17. Juli bis 2. August 1976 unternahm Fittkau eine Reise in die Volksrepublik Polen, um mit der dortigen Bistumsverwaltung in Olsztyn, Warmia eine dauerhafte Verbindung aufzunehmen. Papst Johannes Paul II. ernannte ihn im Jahr 1982 zum Apostolischen Protonotar. Der polnische Erzbischof Edmund Piszcz berief Gerhard Fittkau am Pfingstfest 1989 als ersten deutschen Geistlichen zum Ehrendomherren an der polnischen Kathedrale Mariä Himmelfahrt und St. Andreas des Erzbistums Warmia in Frombork. Als Papst Johannes Paul II. im Sommer 1991 nach Olsztyn zu Besuch kam, war Fittkau als einer der Konzelebranten bei der feierlichen Papstmesse am 6. Juni dabei. Er lebte bis zum Lebensende in Essen-Werden.

Schriften (Auswahl)

Monographien

  • Der Begriff des Mysteriums bei Johannes Chrysostomos. Eine Auseinandersetzung mit dem Begriff des "Kultmysteriums" in der Lehre Odo Casels. (Promotionsschrift Breslau 1944). Peter Hanstein Verlag, Bonn 1953.
  • Mein 33. Jahr. Kösel-Verlag, München 1957. (Zweite Auflage).
  • My thirty-third year – A priest’s experience in a Russian work camp. Farrar, Straus and Cudahy, New York 1958.
  • Mein dreiunddreißigstes Jahr. Wort und Werk, Köln-Müngersdorf 1978, ISBN 3-8050-0067-7.
    • Il mio trentatreesimo anno. Rizzoli, Milano 1959.
    • A decima quinta estação. Ed. Vozes, Petrópolis 1962.
    • A mis trienta y tres años. Editorial Planeta, Barcelona 1963.
    • Mój trzydziesty trzeci rok życia. Warmińskie Wydawnictwo Diecezjalne, Olsztyn 1994, ISBN 83-86-503-08-4.
    • Moj trydcat’tretij god. Svitovyd, Kiev 1994.
    • Mij trydcjat’tretij rik. Volhyns’ka Oblasna Drukarija, Luc’k 2008.
  • mit Egon von Petersdorff: Daemonen am Werk. Christiana-Verlag, Stein am Rhein 1982, ISBN 3-7171-0816-6.
  • mit Aloysius Lemke (Hrsg.): Die Süßenberger Kirmes. 8. September Mariä Geburt anläßlich des 80. Geburtstags unseres Heimatpfarrers Prof. Dr. Gerhard Fittkau am 11. Mai 1992. Selbstverlag Lemke-Poschmann-Werr, Kevelaer 1992.
  • mit Irmgard Fides Behrendt, Hermann Multhaupt: Zerrissen ist das Netz … und wir sind frei. Tänzerin in Ostpreußen – Ordensfrau in Brasilien. Bonifatius Druck Buch Verlag, Paderborn 1995, ISBN 3-87088-863-6.
  • mit Bernhard Poschmann: Die Lehre von der Kirche, geschichtlich beleuchtet und dogmatisch dargelegt. Schmitt, Siegburg 2000, ISBN 3-87710-251-4.

Aufsätze

  • Bericht über die Amtsführung des verstorbenen päpstlichen Sonderbeauftragten Maximilian Kaller, Bischof von Ermland, über seine Wünsche an die Fuldaer Bischofskonferenz 1947. Brief vom 10. August 1947 an den Kardinal Joseph Frings.
  • Excelsa fidelitas. Zum Gedächtnis des Diaspora-Bischofs Maximilian Kaller. Priester-Jahrheft des Bonifatiusvereins 1948, Paderborn 1948, S. 19–23.
  • Zehn Jahre Katholische Aktion im Bistum Ermland 1929–1939. Ein Bericht aus dem Jahre 1939 von Gerhard Fittkau. Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands (ZGAE), Band 33, Münster 1969, S. 219–302.
  • Noch einmal: Feldbischof Franz Justus Rarkowski. In: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen. 2. Februar 1969, Nr. 5, 12/13.
  • Zwei kritische Berichte über die 4. Plenarversammlung des „Pastoralkonzils der niederländischen Kirchenprovinz“ in Noordwijkerhout vom 9.–12. April 1969. Für die Übersetzung aus dem Niederländischen, die Anmerkungen und für die Herausgabe verantwortlich: Gerhard Fittkau, Essen-Werden 1969. In: Hubert van Dijk: Schein und Wirklichkeit.
  • Stellungnahme junger Ordenleute. Zur Vorlage „Die Religiosen“ der 5. Plenarversammlung des niederländischen Pastoralkonzils in Noordwijkerhout (4.–7. Januar 1970). Tiergarten 21, 1970.
  • Eine üble Sache. Stellungnahme von Prof. Dr. Gerhard Fittkau zu dem "Kommentar des Bisdom Roermond vom 5. Oktober 1971 zu seinem Artikel „Die Neue Kirche“ in der Sicht eines holländischen Bischofskandidaten, erschienen in der Beilage „Theologisches“ der „Offertenzeitung für die katholische Geistlichkeit“. Abensberg, Sept. 1971, S. 263–265.
  • Kaller, Maximilian. In: Erwin Gatz (Hrsg.): Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1785/1803 bis 1945. Ein biographisches Lexikon. Duncker & Humblot, Berlin 1983, ISBN 3-428-05447-4, S. 357–361.
  • Verschleppung nach Rußland. In Herbert Reinoß (Hrsg.): Letzte Tage in Ostpreußen. Erinnerungen an Flucht und Vertreibung. Langen Müller Verlag, München 1986, ISBN 3-7844-1996-8, S. 277–279.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Ulrich Paul Lange: Gott sei es gedankt, dass es solche Priester gibt!… Theologisches, 32/2002, 30. Mai 2002, S. 130–133, abgerufen am 4. Mai 2017.
  2. Kloster der Karmelitinnen „Maria, Vermittlerin aller Gnaden“. Glockengießerei Munte, 27. September 2015, abgerufen am 4. Mai 2017.
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