Emanuel Kayser
Friedrich Heinrich Emanuel Kayser (* 26. März 1845 auf dem Rittergut Friedrichsberg, Groß Friedrichsberg bei Königsberg in Preußen; † 29. November 1927 in München) war ein deutscher Geologe und Paläontologe. Er war Rektor der Philipps-Universität Marburg.[1]
Leben
Weltweit bekannt wurde Emanuel Kayser u. a. durch das über Jahrzehnte hinweg „verbreitetste Geologie-Lehrbuch deutscher Zunge“,[2] welches englische Übersetzungen erfuhr. Durch seine Werke hat Kayser nicht nur „tiefen Einfluss auf mehrere Generationen Geologen“ in Deutschland,[3] sondern auch über Deutschland hinaus gehabt.[4]
Emanuel Kayser förderte von Beginn an die Entwicklung der Hypothese Alfred Wegeners zur Kontinentaldrift.
Zwischen 1896 und 1909 führte Kayser einen wissenschaftlichen Disput mit Svante Arrhenius über die Bedeutung des CO2-Gehaltes der Atmosphäre für den Klimawandel und ihren Einfluss auf die Eiszeiten.[5]
Emanuel Kayser befasste sich vor allem mit der Stratigraphie, Paläontologie und Tektonik des Paläozoikums, besonders im Harz und im Rheinischen Schiefergebirge. Er forschte und publizierte aber auch zu Frankreich und Italien, den Vereinigten Staaten, China, Brasilien, Argentinien, zur Türkei, zum südlichen Afrika, zu Böhmen und zu den Polarregionen.
Emanuel Kayser war von 1910 bis 1920 der erste Vorsitzende der von ihm 1910 mitbegründeten Geologischen Vereinigung[6], welche seit 2015 den Namen Deutsche Geologische Gesellschaft – Geologische Vereinigung trägt. Seit 1910 gab die Geologische Vereinigung die Geologische Rundschau heraus. Vom Jahr 1999 an erscheint diese unter dem Titel International Journal of Earth Sciences.
Kayser begründete 1882 die Paläontologischen Abhandlungen (später: Geologische und Paläontologische Abhandlungen), welche er – bis 1897 mit Wilhelm Dames – herausgab.
Herkunft und Familie
Emanuel Kayser wurde als erstes von fünf Kindern des Ritterguteigentümers Johann Jacob August Heinrich Kayser (* 12. Juni 1817 in Königsberg; ⚭ 5. September 1843, † 28. Januar 1910, in Tirol bei Meran; dieser Sohn des Notars August Imanuel Kayser * 17. Februar 1785 in Treptow an der Rega; † 12. Oktober 1858 und der Wilhelmine Henriette Amalie Kayser, geb. von Schaffstaedt, * 12. Juni 1789 in Brandenburg a. H.; † Königsberg 5. April 1867) und seiner Ehefrau Amalie Dorothea Kayser, geb. von Metz (genannt Amélie, * 10. Juli 1812 in Smolensk; † 4. Dezember 1880 in Berlin, Tochter des aus dem Elsass eingewanderten Majors der Kaiserlich Russischen Armee, Friedrich von Metz († St. Petersburg 1819) und der Elisabeth Beate Marie von Metz, geb. von Wachten (* 19. November 1784 in Estland; † 31. Mai 1862 in Halle a. S., der späteren Vorsteherin der Kaiserlichen Moskauer Erziehungsanstalt)) geboren.[1][7][8], Elisabeth von Metz war die Tochter des Majors Johann Reinhold von Wachten (* 1743, † 11.7.1797 Alt-Karkel, Ermes, Livland) und der Friederike Elisabeth Catharina von Wachten, geb. Freiin von Ungern-Sternberg (* 1751, ⚭ 26.3.1777 Ermes, Livland, † 1823).
Amélie von Metz wurde 1841 und 1842 während einer Kur im schlesischen Gräfenberg vom Maler Ernst Meyer umworben, der ihr das sogenannte „Schneeskizzenbuch“ verehrte.[9]
Das Geschlecht der von Metz nahm großen Anteil an den Geschicken seiner Heimatländer und zeichnete sich besonders auf militärischem Gebiet aus. Der ältere Bruder der Mutter Emanuel Kaysers, Carl Friedrich von Metz (russisch: Фёдор Фёдорович Мец, Fedor Fedorowitsch von Metz, * 5.1.1805 in Luhde, Livland, † 6.12.1861 in Sankt Petersburg), seit 1855 General der Kaiserlich Russischen Armee, stand lange dem Kadettenhaus Zarskoje Selo bei St. Petersburg vor. Sein Sohn Friedrich von Metz (* 24.1.1842, † 13.11.1914 in Sankt Petersburg) erhielt in der Kaiserlich Russischen Armee 1904 ebenfalls den Rang eines Generals.
Der Bruder der Mutter der Amélie von Metz war der General der Kaiserlich Russischen Armee Hans Otto von Wachten (russ. Otto Ivanovich Vakhten, Отто Иванович Вахтен, * 21.6.1786 in Homeln, † 15.7.1874 in Reval).
Die ältere Schwester der Amélie von Metz, Elisabeth von Metz, heiratete den russischen Schriftsteller, Literaturkritiker und Journalisten Xenophon Alexejewitsch Polewoi.
Emanuel Kayser war als erstes Kind der Familie das älteste der fünf Geschwister Elisabeth, Anna, Marie sowie des jüngsten Kindes, des Physikers Heinrich Kayser.
Seine jüngste Schwester war die Malerin Marie Kayser, verheiratete Reimer (* 18. November 1851 in Bingen; † 7. Januar 1916 in Marburg), viertes Kind der Familie, Ehefrau des Heinrich Georg Reimer, dieser der Sohn des Verlegers und Buchhändlers Dietrich Reimer sowie Neffe des Historikers und Literaturnobelpreisträgers Theodor Mommsen.[10] Sie illustrierte unter anderem die Publikationen Otto Völckers und Emanuel Kaysers.
Im Jahr 1878 heiratete Emanuel Kayser Marie Henriette Margarethe Charlotte Eleonore, geb. Hand. Aus der Ehe gingen die vier Kinder Cäcilie, Wolfgang, Maria Theresia und Gerhard hervor. Emanuel Kayser wurde zudem Schwiegervater des mit seiner Tochter Maria Theresia verheirateten Architekten, Filmarchitekten und Autors Otto Völckers[11] sowie des mit seiner Tochter Cäcilie verheirateten Rechtshistorikers, Strafrechtlers und Professors an der Philipps-Universität Marburg, Woldemar August Engelmann.[12]
Werdegang
Emanuel Kayser verbrachte seine ersten Lebensjahre in Bingen am Rhein. Er wurde aufgrund einer durch Charlotte von Preußen, der russischen Zarin Alexandra Fjodorowna, 1854 bis zur Promotion gewährten Pension für die Ausbildung in das von seiner Großmutter Elisabeth Maria von Metz, geb. von Wachten, geleitete Kaiserliche Erziehungshaus in Moskau aufgenommen. Der Aufenthalt in Moskau, der zur Vorbereitung der Aufnahme in das Dritte Gymnasium und des anschließenden Besuchs der Rechtsschule mit dem Ziel der Aufnahme in den diplomatischen Dienst geplant war, musste 1857 aus gesundheitlichen Gründen beendet werden. Gleichwohl ermöglichte die Vertrautheit mit der russischen Sprache und Kultur es Kayser, während seines gesamten späteren Lebens als wichtiger Mittler zwischen den westeuropäischen und russischen Wissenschaften und Kulturen zu fungieren.[13]
Ab 1858 besuchte Kayser das Humanistische Gymnasium in Wiesbaden, ab 1860 das Pädagogium in Halle, wo er 1863 die Reifeprüfung ablegte.
Ab dem Sommersemester 1864 bis 1869 studierte Emanuel Kayser. Zunächst Naturwissenschaften an der Friedrichs-Universität Halle (1864–1866) u. a. Experimentalphysik bei Carl Hermann Knoblauch, Chemie bei Heinrich Wilhelm Heintz und Mineralogie bei Heinrich Girard, dann an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (1866–1867) Chemie bei Robert Wilhelm Bunsen, Physiologie bei Hermann von Helmholtz und Physik bei Gustav Robert Kirchhoff, und schließlich in Berlin von 1867 bis 1869 Mineralogie bei Gustav Rose, Geologie und Paläontologie bei seinem Hauptlehrer Ernst Beyrich und Geologie bei Justus Roth. Am 31. Januar 1870 wurde er an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin (Ernst Beyrich) mit einer Arbeit über die Kontaktmetamorphose der körnigen Diabase im Harz zum Dr. phil. promoviert.[14]
Im Jahr 1871 wurde Kayser Privatdozent der Geologie an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin. Nach seiner am 30. April 1872 an der Humboldt-Universität zu Berlin erfolgten Habilitation wurde Emanuel Kayser 1872 zunächst Privatdozent an der Berliner Bergakademie Berlin, der heutigen Technischen Universität Berlin, und 1882 ebendort Titularprofessor.[1] Von 1873 bis 1885 war er zudem Landesgeologe bei der Preußischen Geologischen Landesanstalt[15] mit Lehrverpflichtung für die Allgemeine Geologie. Für die Preußische Geologische Landesanstalt bearbeitete er zahlreiche Blätter der Preußischen Geologischen Karte. Er wurde nach seinem Ausscheiden 1885 deren auswärtiger Mitarbeiter und blieb als solcher bis zu seiner Emeritierung tätig.
Im Jahr 1885 folgte Emanuel Kayser dem Ruf der Philipps-Universität Marburg auf den Lehrstuhl als ordentlicher Professor für Geologie und Paläontologie[1] als Nachfolger Wilhelm Dunkers. Emanuel Kayser verblieb an der Philipps-Universität Marburg bis 1917. Einen 1890 an ihn ergangenen Ruf auf den Lehrstuhl für Geologie und Paläontologie der Albertus-Universität Königsberg lehnte Emanuel Kayser, ebenso wie einen 1892 erfolgten Ruf der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau, ab.[16]
Im Jahr 1897 war Emanuel Kayser Rector Magnificus und 1898 Prorektor der Philipps-Universität Marburg. In den Jahren 1893 und 1909 war Emanuel Kayser Dekan der Philosophischen Fakultät der Philipps-Universität Marburg. Nach seinem 32-jährigen Ordinariat wurde er 1917 emeritiert.[1]
Seinen zehnjährigen Ruhestand verlebte er in München.
Emanuel Kayser entwickelte und pflegte über Jahrzehnte ein enges internationales Netzwerk akademischer Kontakte und Freundschaften, so etwa zum Direktor der Geologischen Reichsanstalt Russlands, Leiters des Mineralogischen Instituts der Russischen Akademie der Wissenschaften, Professors und Leiters der Bergakademie Theodosius Tschernyschew, dem Gründer und erstem Direktor des Museu Paulista in Brasilien, Hermann von Ihering, dem ersten Präsidenten der US-amerikanischen Paleontological Society, Präsidenten der Geological Society of America und Direktor des Naturkundemuseums in Albany, John Mason Clarke, dessen Nachfolger in diesen Ämtern, Charles Schuchert (Yale University), den französischen Geologen und Paläontologen Jules Gosselet und Charles Barrois (Universität Lille) sowie dem schwedischen Physiker Knud Ångström (Universität Uppsala), zu den deutschen Geologen und Paläontologen Wilhelm von Branco, Adolf von Koenen und Eduard Holzapfel, dem deutschen Geologen und Geographen Ferdinand von Richthofen und dem Schweizer Geologen Albert Heim, dem Direktor des Mineralogischen Museums der russischen Akademie der Wissenschaften Friedrich Schmidt, dem Mineralogen Paul Heinrich von Groth und dem deutschen Geologen Karl August Lossen.
Die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina wählte ihn 1883 zum Mitglied.[17] Im Jahr 1891 wurde er als korrespondierendes Mitglied in die Londoner Geological Society aufgenommen, 1892 als korrespondierendes Mitglied in die Russische Akademie der Wissenschaften in Sankt Petersburg,[18] 1909 als erster Nicht-Amerikaner korrespondierendes Mitglied in die Geological Society of America, 1915 als Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1916 als korrespondierendes Mitglied in die Geologiska Föreningen in Stockholm,[19] 1917 als korrespondierendes Mitglied in die Preußische Akademie der Wissenschaften,[20] ab 1922 war er korrespondierendes Mitglied der Geologischen Gesellschaft von China.
Von 1910 bis 1920 war er Vorsitzender der Geologischen Vereinigung, die er 1910 gegründet hatte.
1882 bis 1897 war er mit Wilhelm Dames Herausgeber der Paläontologischen Abhandlungen (später: „Geologische und Palontäologische Abhandlungen“). Veröffentlicht wurden u. a. Monographien zum Archaeopteryx lithographica (auch bezeichnet als: Archaeopteryx macrura, Archaeopteryx siemensii, Archaeornis siemensi), den Urvogel der Juraformation und herausragenden Beitrag der Paläontologie zur Evolutionsforschung, welcher im Berliner Naturkundemuseum ausgestellt ist.[21]
1884 und 1885 war er der Chefredakteur der Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft, in der er bereits seit 1869 regelmäßig veröffentlicht hatte.
Seit 1873 war Kayser für die Königlich-Preußische Geologische Landesanstalt (seit 1919: Preußische Geologische Landesanstalt) tätig, zunächst von 1873 bis 1885 als einer der ersten fünf Landesgeologen, von 1885 bis 1915 während seiner Professur an der Philipps-Universität Marburg als auswärtiger Mitarbeiter.[22]
Zu seinen Schülern gehörten seine Assistenten, Doktoranden, Privatdozenten und Habilitanden Fritz Drevermann (1899–1905) und Fritz Herrmann (1909–1913), seine Habilitanden Theodor Lorenz (1904–1907) und Rudolf Richter, sein Habilitand und Privatdozent Karl Erich Andrée (1910–1915), sein Privatdozent Hans Cloos (1914–1917) seine Assistenten Ernst Hüffner, August Denckmann, Paul Gustav Krause und Paul Dienst und sein Doktorand Werner Paeckelmann.
Während der Monate Mai bis Juli 1912 war der damals siebzehnjährige Aldous Huxley Emanuel Kaysers persönlicher Gast in Marburg und wurde von ihm auf u. a. auf langen Exkursionen in die deutsche Kultur eingeführt. Huxley verarbeitete seinen langen Besuch in seinen Briefen, einem heute in der Universität der Stanford University befindlichem Skizzenbuch,[23] in welchem er neben dem kulturellen Leben in Kaysers Familie auch Kaysers Umfeld, so dessen Hund skizzierte, und in den Erzählungen „Nuns at luncheon“ and „The Nun’s Tragedy“.[24][25] In Emanuel Kaysers Lebenserinnerungen wird der junge Huxley im Gegensatz zu vielen zahllosen anderen ausländischen Gästen jedoch nicht erwähnt.[26]
Werk
Emanuel Kayser befasste sich vor allem mit der Stratigraphie, Paläontologie und Tektonik des Paläozoikums, besonders im Harz und im Rheinischen Schiefergebirge. Er forschte und publizierte aber auch zu Frankreich, Italien, New York, China,[27] Südamerika, dort insbesondere Argentinien und Brasilien, zum südlichen Afrika sowie zur Türkei.[22]
Emanuel Kayser war der erste Paläontologe, der Fossile der die argentinischen Prä-Kordilleren beschrieb.[28]
Emanuel Kayser beschrieb zudem als einer der ersten Autoren überhaupt die Devonischen Ablagerungen Paranás im Süden Brasiliens[29] und die Paläontologie Chinas, wie die Brachiopoden des Kambriums, die devonischen Versteinerungen des südwestlichen China, devonische wie auch karbonische Versteinerungen von Tschau-Tien (Sichuan-Becken) und zudem die Oberkarbonische Fauna von Loping[30].
Neben seinen zahlreichen Einzelarbeiten ist Kayser durch seine über Deutschland hinaus berühmten Bücher, insbesondere das – bis zu seinen Lebzeiten in acht Auflagen erschienene – zu einem vierbändigen Handbuch angewachsene „Lehrbuch der Geologie“ sowie seinen einbändigen kurzen Abriss – zu Lebzeiten in fünf Auflagen erschienen – berühmt geworden. Das von Emanuel Kayser verfasste Lehrbuch war das über Jahrzehnte hinweg „verbreitetste Geologie-Lehrbuch deutscher Zunge“[2], es wurde als „das beste deutsche Lehrbuch der Geologie“,[31] „das zuverlässigste Lehrbuch der Erde“, bezeichnet,[16] dem „sich in deutscher Sprache kein Werk, in fremder nur ganz wenige an die Seite stellen können, geschweige denn es übertreffen“.[31] Durch seine Werke hat Kayser „tiefen Einfluss auf mehrere Generationen deutscher Geologen“[3] gehabt. Sein „Lehrbuch der Geologie“ (wie auch sein „Abriss der Geologie“) wurden vom Präsidenten der Geological Society of America und der Paleontological Society, dem Yale Professor Charles Schuchert aufgrund des „Reichtums an wertvoller Information“ als „von unermesslichen Einfluss auf Studenten und Geologen, nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern“ bewertet,[4] Emanuel Kayser wurde durch Schuchert als „Germany’s great writer of geological text books“ und „the leader of the text-book writers“[32] gewürdigt.
Emanuel Kaysers Lehrbuchs der Geologie (vol. II) erschien in einer englischen Übersetzung und herausgegeben von Philip Lake (University of Cambridge) unter dem Titel Textbook of Comparative Geology im Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten in mehreren Auflagen.[33]
Noch im Jahr 1981 wurde Emanuel Kayser „als weit über Deutschland hinaus geachteter Geologe und Paläontologe“ beschrieben.[34]
Der „Abriss der Geologie“ ist zunächst von Roland Brinkmann, später von Werner Zeil und Karl Krömmelbein in Neuauflagen, zuletzt in zwei Bänden, bis zur 14. Auflage 1991 fortgeführt worden.
Emanuel Kayser war 1912 der Erste, der einzige Geologe und überhaupt einer der Wenigen, die Alfred Wegeners Hypothese zur Kontinentalverschiebung unterstützten[35][36]. Emanuel Kayser hatte Alfred Wegener bereits als Dekan der Philosophischen Fakultät besondere Aufmerksamkeit geschenkt und den unbekannten Bewerber am 21. Februar 1909 seinen Fakultätskollegen nachdrücklich schriftlich für das Habilitationsverfahren empfohlen. Allein aufgrund des Einsatzes „des hoch geachteten Kollegen“ Kayser wurde die Habilitation Wegeners bereits am 8. März 1909 von der Fakultät beschlossen.[34] Wegener erhielt die Idee des Auseinanderreißens und Verdriftens von Kontinenten beim Durchblättern des neuen Handatlasses des Schülers von Emanuel Kayser, Karl Andrée, in den Weihnachtstagen des Jahres 1910 und der dort erkennbaren geographischen Homologie zwischen Afrika und Südamerika.[37] Kayser ermutigte Wegener aufgrund seiner eigenen Zweifel an der bis dahin herrschenden Meinung, seine Idee der Kontinentalverschiebung zu publizieren und ließ ihm während der Ausarbeitung das benötigte erhebliche Datenmaterial durch seinen Privatdozenten Hans Cloos zukommen. Auf Anregung Kaysers hielt Wegener auf der Tagung der Geologischen Vereinigung, deren Gründer und derzeitiger Präsident Kayser war, am 6. Januar 1912 in Frankfurt im Senckenberg-Museum seinen ersten öffentlichen Vortrag zu dem Thema.[34][38][31] [39] Wegener bat Emanuel Kayser dann, ihm die Möglichkeit zur Publikation seiner Hypothese zu gewähren, was ihm Kayser erneut ermöglichte, indem er ihm die Veröffentlichung einer gekürzten und an den geologischen Fakten orientierten Fassung seines Erstvortrages in der Geologischen Rundschau, der Zeitschrift von Kaysers Geologischer Vereinigung einräumte.[38] Die von Emanuel Kayser geförderte Arbeit Alfred Wegeners erschien unter dem Titel die „Entstehung der Kontinente“ in der Geologischen Rundschau 3 (1912), S. 276–292. Wegener stützte sich bei der Ausarbeitung seiner Arbeit auf zwei „den modernen Wissenstand widergebende Lehrbücher“. Es waren dies „die 1909 erschienene 4. Auflage“ von Emanuel Kaysers Lehrbuch und Maurycy Pius Rudzkis „Die Physik der Erde“ von 1911.[37] „Emanuel Kayser, in the front rank of science“[38] wird als „Wegener’s great geological guide“[38] beschrieben. Emanuel Kaysers Geologisches Institut in Marburg versorgte Wegener zudem nach dessen eigener brieflicher Aussage vom Januar 1912 völlig selbstlos auf Anordnung Kaysers mit neun Zehnteln der für seine Ausarbeitung der „Entstehung der Kontinente“ erforderlichen Daten.
Zwischen 1896 und 1909 führte Kayser, unterstützt von Knud Ångström und seinem Bruder Heinrich Kayser einen wissenschaftlichen Disput mit Svante Arrhenius über einen Zusammenhang zwischen der Zunahme des Kohlendioxidgehaltes der Luft nach großen Eruptionsperioden sowie der Bildung von Kohlenlagern und der Kohlensäureabnahme und ihrem Zusammenhang mit Eiszeiten. Einen solchen Zusammenhang konnte Kayser auch mit physikalischen Gründen erfolgreich zurückweisen.[5][22][16]
In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung um den Artbegriff stellte er sich 1870 an die Seite der noch um wissenschaftliche Anerkennung ringenden Auffassung Darwins.[22][40]
Einer der mit 63 kg größten in Deutschland je gefundenen Meteoriten und zugleich der schwerste Meteorit, dessen Fall je in Deutschland beobachtet wurde, der Meteorit von Treysa, ein Oktaedrit (IIIB), fiel am 3. April 1916; Emanuel Kayser als Direktor des Geologisch-Paläontologischen Instituts und der Direktor des Physikalischen Instituts der Philipps-Universität Marburg, Franz Richarz, konnten nach Auslobung einer Belohnung von 300 Reichsmark am 5. März 1917 die von Kayser in seinen Lebenserinnerungen beschriebene Fundstelle in Rommershausen nördlich von Treysa besichtigen und den durch den Förster Hupmann gefundenen Meteoriten sichern.[41]
Zu seinen Schülern gehörten seine Assistenten, Doktoranden, Privatdozenten und Habilitanden Fritz Drevermann (1899–1905) und Fritz Herrmann (1909–1913), seine Habilitanden Theodor Lorenz (1904–1907) und Rudolf Richter, sein Habilitand und Privatdozent Karl Andrée (1910–1915), später Professor für Geologie und Paläontologie sowie Rektor der Albertus-Universität in Königsberg, sein Privatdozent Hans Cloos (1914–1917) und seine Assistenten Ernst Hüffner, August Denckmann, Paul Gustav Krause und Paul Dienst.
Ehrungen
Ehrenmitgliedschaften
- 1877 Korrespondierendes Mitglied Société Geòlogique du Nord
- 1883 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina – Sektion Geologie und Paläontologie
- 1891 Korrespondierendes Mitglied der Londoner Geological Society
- 1892 Korrespondierendes Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg
- 1902 Ehrenmitglied der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft
- 1909 Korrespondierendes Mitglied der Geological Society of America
- 1909 Verleihung des Titels Geheimer Regierungsrat
- 1910 Mitbegründer der Geologischen Vereinigung
- 1915 Mitglied Bayerische Akademie der Wissenschaften
- 1916 Korrespondierendes Mitglied der Geologiska Föreningen in Stockholm
- 1917 Korrespondierendes Mitglied in der Preußischen Akademie der Wissenschaften
- 1918 Ehrenmitglied der Gesellschaft zu Beförderung der Gesamten Naturwissenschaften in Marburg
- 1921 1. Ehrenmitglied der Deutschen Geologischen Gesellschaft[42]
- 1922 Korrespondierendes Mitglied Geologische Gesellschaft von China[22]
- 1926 Ehrenmitglied des Nassauischen Vereins für Naturkunde[43]
Geographische Bezeichnungen
- Posthum: Kayser Bjerg, ein Berg in Grönland (Hall Land) mit den Koordinaten 81° 33′ N, 58° 58′ W , Fundort von Armfüßern der Gattung Pentamerus aus dem Unteren Silur, wurde nach Emanuel Kayser benannt[44][45]
- Emanuel Creek, Westaustralien, Kimberley Division, Fundort von Nautiloideen der Gattung Hemichoanella aus dem Unteren Ordovizium (Emanuel limestone)[46]
- Emanuel Formation, Westaustralien, Fundort von Conodonten der Gattung Protoprioniodus aus dem Unteren Ordovizium[47]
- Kayser-Leith area (North Dakota)
Gattungs- und Artnamen
- Cnidaria (Nesseltiere)
- Rugosa (Tetracorallia)
- Lophophyllidium kayseri
- Scleractinia (Steinkorallen)
- Paracyathus kayserensis Vaughan – Caryophylliidae
- Brachiopoda (Armfüßer)
- Chonetes (Chonetes) cf. kayseri Paeckelmann
- Coeloterorhynchus kayseri
- Coelotherorhynchus kayseri Rigaux
- Cyrtiopsis kayseri Grabau
- Dipleura kayseri
- Enteletes kayseri Waagen
- Eoorthis kayseri Walcott (Orthis Plectorthis kayseri Walcott) – Orthida
- Glossinulus kayseri
- Gypidula (Plicogypa) kayseri Peetz
- Kayserella Hall & Clarke
- Kayserella emanuelensis Veevers
- Kayserella lepida Biernat
- Kayserella costatula Lenz
- Kayseria lens Davidson[48]
- Orthothetes (Orthothetina) kayseri[49]
- Parapugnax ex gr. kayseri (Rig.)
- Pentamerus kayseri Peetz
- Plebejochonetes kayseri
- Plicogypa cf. kayseri
- Productella cf. kayseri Paeck
- Productorthis kayseri Kozlowski
- Pugnax kayseri Tschernyschew 1902 / Rigaux
- Skenidioides kayseri
- Streptorhynchus kayseri Schellwien / Bed / Schenk
- Stropheodonta kayseri
- Uncinulus kayseri Barrois
- Mollusca (Weichtiere)
- Bivalvia (Muscheln)
-
- Goniophora kayseri
- Nucula kayseri Clarke
- Ctenodonta (Palmoneilo) kayseri
- Cyrtodonto kayseri Beushausen[50]
- Gosseletia (Cyrtodontopsis) kayseri Frech[51] (Cyrtodontopsis syn. Gosseletia (Cyrtodontopsis))[52]
- Tellinites
- Tellinites (Koenenia) kayseri
- Tellinites gibbosa var. kayseri Beushausen
- Palaeoneilo kayseri Beushausen[53]
- Cephalopoda (Kopffüßer)
- Ammonoidea (Ammoniten)
- Goniatitida (Goniatiten) und Ceratitida (Ceratiten)
- Alpinites kayseri Bogoslovskiy/Schindewolf
- Discoclymenia kayseri
- Goniatites kayseri (syn. Mesobeloceras kayseri Holzapfel)
- Pericyclus kayseri Schmidt
- Posttornoceratidae
- Wedekindoceras kayseri Schindewolf (Wedekindoceras syn. Discoclymenia)[54]
- Neocomitidae
- Tirnovella kayseri[55]
- Orthocerida
- Palorthoceras kayseri Kröger, Beresi & Landing 2007[56]
- Nautiloidea (Nautiloideen)
- Nautilus kayseri Loczy
- Gastropoda (Schnecken)
- Neritimorpha
- Platyceras kayseri
- Lahnospira kayseri Ulrich (syn. Pleurotomaria kayseri Ulrich) – Vetigastropoda[57]
- Naticopsis kayseri Holzapfel
- Trilobita (Trilobiten)
-
- Angelina kayseri
- Ostracoda (Ostrakoden)
- Cushmanidea kayserensis Krutak
- Hemichordata (Kiemenlochtiere): Graptolithina (Graptolithen)
- Monograptus kayseri
- Conodonta (Conodonten)
- Bizignathus kayseri (Bisch. & Zieg.)
- Gnathostomata (Kiefermäuler)
- Acanthodii (Acanthodei syn. Acanthodii): Acanthoessidae
- Machaeracanthus kayseri Kegel[64]
- Diplocercides kayseri von Koenen
- Plantae (Pflanzen)
- Actinostrobites kayseri Schindehütte[65]
- Ilsaephytum kayseri Weiss[66][67][68]
- Plantae: Lomandroideae
- Murchisonia kayseri Spitz, Lomandroideae
- Loranthaceae (Riemenblumengewächse)
- Agelanthus kayseri (Adolf Engler)[69]
- Loranthus kayseri (Adolf Engler)[70][71]
- Orchidaceae: Orchideae (Orchideen)
Schriften
- Lehrbuch der Allgemeinen Geologie. Stuttgart 1893, 8. Auflage 1924 (Lehrbuch der Geologie, 4 Bände, 1. und 2. Band: Allgemeine Geologie), Digitalisat, 6. Auflage, Enke 1921
- Lehrbuch der Geologischen Formationskunde, Stuttgart 1891, 8. Auflage 1923, Digitalisat der 2. Auflage 1902 (Lehrbuch der Geologie in zwei Teilen, II. Teil: Geologische Formationskunde)
- Abriß der Allgemeinen und Stratigraphischen Geologie, Stuttgart 1915, 5. Auflage 1925
- Textbook of Comparative Geology (Übers. Philip Lake), Cambridge, S. Sonnenschein & Co.; New York: MacMillan & Co. 1893, 2. Auflage 1925, Digitalisat, Macmillan 1893
- "Die Brachiopoden aus Mittel – und Ober-Devon der Eifel". Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft, XXIII, S. 491–647.
- Über primordiale und untersilurische Fossilien aus der Argentinischen Republik, in: Alfred Wilhelm Stelzner (Hrsg.), Beiträge zur Geologie und Paläontologie der Argentinischen Republik, Teil 2: Paläontologie, Kassel: Theodor Fischer 1876, Digitalisat
- „Beiträge zur Kenntnis einiger paläozoischer Faunen Süd-Amerikas“ in: Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft 49, S. 274–311, 6 Tafeln
- Alguns fósseís paleozóicos do Estado do Paraná. In: Revista do Museu Paulista 4, 1900, S. 300–311, 2 Tafeln
- „Cambrische Brachiopoden von Liau-Tung“. In: Ferdinand von Richthofen, China, Bd. 4, Berlin, 1883, S. 34–36
- Palaeontological Notes. Am. Journ. of Sc. v. XXIX. 1885, p. 114.
- Note on some palaeozoic Pteropoda. Am. Journ. of Sc. vol. XXX, 1885, p. 17.
- Classification of the Cambrian system of North America. Am. J. Sc. XXXII. 1886. p. 138–157.
- The Cambrian System in the United States and Canada. Bullet. of the Philosoph. Soc. of Washington, vol VI, 1883, p. 89–102
- Palaeozoic Rock of Central Texas. Amer. Journ. Sc. 3. s. XXVIII. 1884. p. 431–433.
- Fauna of the „Upper Taconic“ of Emmons in Washington County, N. Y. Mit einer Tafel. Amer. Journ. XXXIV. 1887. 187–199.
- The Taconic system of Emmons and the use of the name Taconic in geological nomenclature. Am. Journ. Science. Vol. XXXV. 229–242, 307–327, 394–401. 1888. Mit 1 geolog. Karte und 1 Profilskizze.
- Fauna of the „Upper Taconic“ of Emmons in Washington County, N. Y. Am. Journ. Sc. Vol. 34. 187–199. September 1887. Mit 1 palaeont. Tafel.
- Descriptive notes of new genera and species from the Lower Cambrian or Olenellus-Zone of North America Proceed. of the U. St. National Museum. XII. 33–46. Washington 1889.
- Precarboniferous Strata in the Grand Cañon of the Colorado. Amer. Journ. Sc. XXVI, 1883, p. 437–442
- Studien aus dem Gebiete des Rheinischen Devons: H. 1-4. // In: Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft: 1. Das Devon der Gegend von Aachen. 1870. Bd. 22. S. 841–852; 2. Die devonischen Bildungen der Eifel. 1871. Bd. 23. S. 289–376; 3. Die Fauna des Roteisensteins von Brilon. 1872. Bd. 24. S. 653–700; 4. Über die Fauna des Nierenkalks vom Enkeberge und der Schiefer von Nehden bei Brilon und über die Gliederung des Oberdevons im Rheinischen Schiefergebirge. 1873. Bd. 25. S. 602–674.
- Die Fauna der ältesten Devon-Ablagerungen des Harzes, 1878
- Die Fauna des Hauptquarzits und der Zorger Schiefer des Unterharzes, 1889
- "Zur Arrhenius – Frech’schen Kohlensäure – Hypothese", Centralblatt für Mineralogie, Geologie und Paläontologie, 1908, S. 553–556.
- Die Fauna des Dalmanitensandstein von Kleinlinden bei Gießen, Schriften der Gesellschaft zur Beförderung der Gesamten Naturwissenschaften, Marburg, Band 13, Marburg 1896, 42 S.
- mit Werner Paeckelmann: Geologische Karte von Preußen und benachbarten Bundesstaaten, Blatt Niederwalgern, Königlich Preußische Geologische Landesanstalt (Hrsg.), Berlin 1915
- mit Werner Paeckelmann: Geologische Karte von Preußen und benachbarten Bundesstaaten, Blatt Marburg, Königlich Preußische Geologische Landesanstalt (Hrsg.), Berlin 1915
- mit Heinrich Lotz: Geologische Karte von Preußen und benachbarten Bundesstaaten, Blatt Ober-Scheld, Königlich Preußische Geologische Landesanstalt (Hrsg.), Berlin 1907
- Geologische Karte von Preußen und benachbarten Bundesstaaten, Blatt Oberheldrungen, Königlich Preußische Geologische Landesanstalt (Hrsg.), Berlin 1900
- Geologische Karte von Preußen und benachbarten Bundesstaaten, Blatt Weissensee, Königlich Preußische Geologische Landesanstalt (Hrsg.), Berlin 1900
- Geologische Karte von Preußen und benachbarten Bundesstaaten, Blatt Greussen, Königlich Preußische Geologische Landesanstalt (Hrsg.), Berlin 1900
- Geologische Karte von Preußen und benachbarten Bundesstaaten, Blatt Artern, Königlich Preußische Geologische Landesanstalt (Hrsg.), Berlin 1900
- Geologische Karte von Preußen und benachbarten Bundesstaaten, Blatt Leimbach, Königlich Preußische Geologische Landesanstalt (Hrsg.), Berlin 1900
- Geologische Karte von Preußen und benachbarten Bundesstaaten, Blatt Hettstedt, Königlich Preußische Geologische Landesanstalt (Hrsg.), Berlin 1900
- Geologische Karte von Preußen und benachbarten Bundesstaaten, Blatt Cönnern, Königlich Preußische Geologische Landesanstalt (Hrsg.), Berlin 1900
- Geologische Karte von Preußen und benachbarten Bundesstaaten, Blatt Lauterberg, Königlich Preußische Geologische Landesanstalt (Hrsg.), Berlin 1900
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Weblinks
- Literatur von und über Emanuel Kayser im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Geologische Vereinigung (mit Bild)
- Kayser, Friedrich Heinrich Emanuel. Hessische Biografie. (Stand: 11. November 2021). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
Einzelnachweise
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- Richter, Rudolf: Emanuel Kayser. In: Geologische Vereinigung (Hrsg.): Geologische Rundschau. Band 19. Gebrüder Borntraeger, Berlin 1928, S. 155–160.
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