County-Klasse (1924)
Die County-Klasse war eine Klasse Schwerer Kreuzer der britischen Royal Navy, die in der Zeit zwischen dem Ersten- und dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurde und die während des Zweiten Weltkrieges zum Einsatz gelangte. Zugleich war es nach der Monmouth- oder auch County-Klasse von 1901 die zweite Klasse in der Geschichte der Royal Navy, die diese Bezeichnung erhielt. Die Einheiten der County-Klasse waren beinahe alle nach britischen Grafschaften (Countys) oder nach Städten benannt. Einzige Ausnahme war der Kreuzer HMAS Australia, der den Namen des australischen Kontinents trug. Insgesamt wurden bis 1930 13 Kreuzer dieses Typs in Dienst genommen. Drei der Schiffe wurden an die Royal Australian Navy übergeben, zwei davon unmittelbar nach der Indienstnahme, einer 1943 als Ersatz für einen in Verlust geratenen Kreuzer. Die County-Klasse wird in drei Untergruppen unterteilt, so entfallen sieben Schiffe auf die sogenannte Kent-Unterklasse, vier auf die London-Klasse und zwei auf die Norfolk-Untergruppe. Die beiden Einheiten des Norfolk-Typs waren zugleich die letzten gebauten Schiffe der County-Klasse. Während des Zweiten Weltkrieges gingen insgesamt drei Einheiten dieses Typs verloren, alle auf dem Pazifischen Kriegsschauplatz.
Die HMS Berwick (im November 1942), die erste auf Kiel gelegte Einheit der County-Klasse. | ||||||||||||||
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Technische Details und Modifikationen
Die Schweren Kreuzer der County-Klasse waren das Ergebnis der Washingtoner Flottenkonferenz von 1922, auf der festgelegt worden war, dass Kreuzer maximal 10.000 ts verdrängen und höchstens mit 203-mm-Geschützen bewaffnet werden dürften. Im Kontext dieses Flottenvertrages wurden ab 1923 die Pläne für einen neuen Kreuzer für die Royal Navy ausgearbeitet, weswegen die Schiffe der County-Klasse auch als klassische „Washington-Kreuzer“ angesehen werden. Die ursprünglichen Forderungen von Seiten der Marine hatten ein Schiff mit einer Höchstgeschwindigkeit von 33 kn, 203-mm-Geschützen in Zwillingstürmen und einem hohen Freibord, zwecks einer guten Seetüchtigkeit, umrissen.[1] Es zeigte sich indessen bald, dass all diese Forderungen auf der Basis einer Standardverdrängung von maximal 10.000 ts nur schwer zu realisieren waren, wenn denn der Panzerschutz nicht allzu gravierend unter den Vorgaben leiden sollte. In diesem Zusammenhang reduzierte die Royal Navy ihre Forderungen hinsichtlich der Höchstgeschwindigkeit bald auf nur mehr 31,5 kn.[2] Ursprünglich war geplant gewesen, 17 Einheiten dieses Typs zu bauen. Angesichts von Etatengpässen musste sich die britische Marine indessen ab 1924 mit dem Bau von zunächst nur sieben Schiffen zufriedengeben. Sechs weitere Schiffe, in zwei Untergruppen unterteilt, wurden in den Jahren 1925 und 1926 bewilligt.
Bewaffnung
Die Kreuzer der County-Klasse verfügten über acht 203-mm-Geschütze L/50 Mark VIII in vier Doppeltürmen, wobei je zwei Türme vor und achtern der Hauptaufbauten standen. Diese ab 1923 entwickelten Geschütze konnten bei einer maximalen Rohrerhöhung von 45 Grad eine 116,1 Kilogramm schwere Granate über eine Höchstreichweite von etwa 28 km feuern. Die Feuergeschwindigkeit lag bei etwa vier bis fünf Schuss pro Minute. Für gewöhnlich lag die Dotierung bei 125 bis 150 Granaten pro Geschütz.
Die Flugabwehrbewaffnung setzte sich zunächst aus vier einzeln aufgestellten 102-mm-Geschützen L/45 Mark V, wobei je zwei Kanonen auf beiden Schiffsseiten standen, und vier ebenfalls in Einzellafetten stehenden 40-mm QF-Flak zusammen. Dazu kamen noch acht 12,7-mm-Fla-Maschinengewehre in zwei Vierlingslafetten. Diese Bewaffnung wurde im Verlauf der Dienstzeit und besonders während des Zweiten Weltkrieges mehrfach verändert und verstärkt.
Es gilt hierbei anzumerken, dass die Modifikation der leichten und mittleren Bewaffnung der Schiffe der County-Klasse, beziehungsweise der Schiffe der direkten Untergruppen, zumeist nicht einheitlich erfolgte. So erhielt etwa der Schwere Kreuzer HMS Kent 1932 vorübergehend zwei zusätzliche einzeln lafettierte 102-mm-Geschütze Mark V beiderseits des vorderen Schornsteins, musste aber auf eine Umrüstung auf Zwillings-Turmschilde bis 1938 warten. HMS Cornwall und HMS Berwick wurden indessen bereits (als erste Einheiten der County-Klasse) 1936/37 auf acht 102-mm-Geschütze Mark XVI in Doppellafetten umgerüstet (die anstelle der vier 102-mm-Kanonen Mark V an Bord kamen). Der Kreuzer HMS Norfolk hingegen erhielt seine 102-mm-Zwillingslafetten erst 1941 im Rahmen eines längeren Werftaufenthaltes.
Die leichte Flugabwehrbewaffnung bestand zunächst aus 40-mm-Flak und acht 12,7-mm-Fla-Maschinengewehren. Diese Ausstattung wurde ab Mitte der 1930er-Jahre ebenfalls stark modifiziert. Bis 1941 wurden auf allen Schiffen die einzeln aufgestellten 40-mm-Flak ausgebaut und durch bis zu 16 40-mm-Flak in zwei Achtfachlafetten Mark VIII ersetzt. Diese knapp 16 Tonnen schweren Lafetten, umgangssprachlich auch als „Chicago-Klaviere“ bezeichnet, konnten pro Minute rein rechnerisch bis zu 920 40-mm-Geschosse verfeuern (im Durchschnitt etwa 115 Schuss pro Rohr). Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges, zumeist zwischen 1940 und 1942, kamen die 12,7-mm-Maschinengewehre von Bord und wurden durch einzeln aufgestellte 20-cm-Oerlikon-Flak ersetzt, wobei sich je Schiff zwischen acht und zwölf Rohre an Bord befanden. Daneben besaßen einige Schiffe der County-Klasse, darunter auch die HMS Sussex, zeitweilig sogenannte UP-Batterien, die allerdings bis 1942 wieder von Bord kamen.
Die Torpedobewaffnung, bestehend aus acht 533-mm-Torpedorohren in zwei Vierlingssätzen, indessen war bei allen Einheiten identisch. Zugleich waren die Schiffe der County-Klasse die ersten in der Royal Navy, die Vierlingsrohrsätze erhielten.[5] Hingegen bereitete der relative hohe Freibord, obgleich der Seetüchtigkeit dienlich, beim Abschuss der Torpedos Probleme, da die vom Niveau des Oberdecks abgefeuerten Torpedos infolge der Höhe öfters Beschädigungen an den Steuerelementen erlitten. Zwischen 1942 und 1944 wurden auf den meisten Schiffen die Torpedorohre entfernt.
Das Gewicht der gesamten Bewaffnung betrug 1.172 ts, womit es zugleich das Gewicht des gesamten Panzerschutzes (1.025 ts) übertraf.
Radarausstattung und Flugzeugausrüstung
Die Radarausrüstung variierte von Schiff zu Schiff, gleichwohl hingegen befand sich an Bord der meisten Einheiten ab dem Spätjahr 1941 ein auf 10-cm-Welle arbeitendes Radar des Typs 273, das zur Seezielbeobachtung diente (die Reichweite lag bei rund 40 km). Des Weiteren kamen ab 1941 ein Luftwarnradar des Typs 279 (bis zu 175 km Reichweite) sowie ein Feuerleitradar des Typs 285 für die schweren Flugabwehrkanonen an Bord (die Reichweite lag bei etwa 15 km; als erste Einheit erhielt die Kent im Januar 1941 eine derartige Radaranlage).[6]
Alle Einheiten der County-Klasse führten etwa ab 1931 einen Flugzeugkatapult achtern des dritten Schornsteins an Bord mit sich. Zunächst mit veralteten Maschinen des Typs Fairey IIIF oder Fairey Flycatcher ausgerüstet, befanden sich seit 1937 zumeist Wasserflugzeuge des Typs Supermarine Walrus an Bord. Fast alle Kreuzer gaben ihre Flugzeugausstattung bis 1943/44 von Bord.
Maschinenanlage
Die Antriebsanlage der Schiffe der County-Klasse bestand aus acht ölbefeuerten Admiralty-Kesseln vom 3-Trommel-Typ und vier Parsons-Getriebeturbinen (eine Ausnahme stellten die Berwick und die beiden 1929 und 1933 an Australien abgegebenen Einheiten dar, die als einzige Schiffe Turbinen vom Brown-Curtis-Typ erhielten), welche vier Wellen ansteuerten. Die Maschinenleistung lag durchschnittlich bei 80.000 WPS, obgleich indessen die Maschine anfangs für bis zu 100.000 WPS ausgelegt worden war. Die Höchstgeschwindigkeit der Schiffe der County-Klasse gemäß der Werftvorgaben lag bei rund 31,5 kn, wobei jedoch diese Geschwindigkeit von einigen Schiffen und im Rahmen von Geschwindigkeitstests später übertroffen wurde. So erreichten etwa die Einheiten der London-Unterklasse bei Testfahrten eine Höchstgeschwindigkeit von 32,25 kn (Shropshire bis zu 32,6 kn). Allerdings waren bei diesen Schiffen, im Gegensatz zum Kent-Typ, die Torpedowulste weggelassen worden.[7] Der Vorrat an Heizöl lag normalerweise bei 3.200 bis 3.400 ts, womit die Kreuzer eine Reichweite von bis 13.000 Seemeilen besaßen (bei 12 kn Marschgeschwindigkeit).
Panzerung
Die Dicke des Seitenpanzers lag bei 51 bis 114 mm, wobei die Stärke nahe der Munitionsräume zwischen 76 und 114 mm betrug. Zudem wurden die Munitionskammern von 76 mm starken Querschotten geschützt. Dies sollte einen Schutz gegen in einem Winkel von 40 Grad einfallende 203-mm-Granaten bieten. Auf Höhe der Maschinenanlage betrug die Stärke des Seitenpanzers 51 mm, während die Rauchfänge einen 102 mm starken Schutz aufwiesen. Das Panzerdeck war durchschnittlich 25 mm dick, lediglich über den Maschinenräumen betrug die Stärke 38 mm. Die Kommandobrücke und die Türme sowie die Barbetten der Hauptartillerie waren indessen mit 25 mm nur leicht gepanzert. Insgesamt betrug das Gewicht des Panzerschutzes 1.025 ts. In den 1930er-Jahren erwog man die grundlegende Modernisierung der britischen Schweren Kreuzer. Aber nur die HMS London wurde von März 1939 bis März 1941 umfassend modernisiert. Die Flak-Bewaffnung und die Panzerung wurden erheblich verbessert und das Aussehen der Colony-Klasse angeglichen. Allerdings wurde kriegsbedingt auf die Erneuerung der Antriebsanlage verzichtet.
Einheiten der County-Klasse
Erste Gruppe (auch Kent-Klasse)
Die Schiffe dieser Untergruppe waren von Beginn an mit Torpedowulsten ausgestattet und führten zudem die 203-mm-Hauptbewaffnung in 205 Tonnen schweren Doppeltürmen Mark I, die eine Rohrerhöhung von bis zu 70 Grad erlaubten. Die Standardverdrängung betrug rund 10.900 ts.
Schiff | Bauwerft | Kiellegung | Indienststellung | Anmerkungen und Verbleib |
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HMS Berwick | Fairfield Shipbuilders, Govan, Vereinigtes Königreich | 15. September 1924 | 2. Februar 1928 | Erste auf Kiel gelegte Einheit der County-Klasse. Im Dezember 1940 in Gefecht mit deutschem Schweren Kreuzer Admiral Hipper verwickelt. Nach dem Kriegsende außer Dienst gestellt (1946) und ab dem 12. Juli 1948 in Blyth abgewrackt. |
HMS Cornwall | HMNB Devonport, Plymouth, Vereinigtes Königreich | 9. Oktober 1924 | 6. Januar 1928 | Erste Einheit der County-Klasse, die in Dienst genommen wurde. Zumeist im Indischen Ozean und in Ostasien eingesetzt, dabei Versenkung des deutschen Hilfskreuzers Pinguin am 8. Mai 1941 nahe der Seychellen. Am 5. April 1942 südwestlich von Ceylon durch Bombentreffer japanischer Flugzeuge versenkt (198 Tote). |
HMS Cumberland | Vickers-Armstrong, Barrow-in-Furness, Vereinigtes Königreich | 18. Oktober 1924 | 8. Januar 1928 | 1939 zeitweilig auf das deutsche Panzerschiff Admiral Graf Spee angesetzt. Nach dem Kriegsende Versuchs- und Ausbildungsschiff; 1956 Einbindung in den Kriegsfilm Panzerschiff Graf Spee (als Schwerer Kreuzer HMS Exeter). 1958 außer Dienst gestellt und ab dem 3. November 1958 in Newport abgewrackt. |
HMS Kent | Chatham Dockyard, Chatham, Vereinigtes Königreich | 15. November 1924 | 25. Juni 1928 | Im September 1940 durch Lufttorpedotreffer italienischer Flugzeuge vor Sallum schwer beschädigt. Reparatur bis September 1941. Zwischen 1942 und 1944 zur Sicherung von Nordmeer-Konvois herangezogen. Nach dem Kriegsende als Zielschiff genutzt. Ab dem 31. Januar 1948 in Troon verschrottet. |
HMS Suffolk | HMNB Portsmouth, Portsmouth, Vereinigtes Königreich | 30. November 1924 | 7. Februar 1928 | Im April 1940 vor Norwegen bei deutschem Luftangriff durch Bombentreffer schwer beschädigt. Reparatur bis Februar 1941. Beschattung des deutschen Schlachtschiffes Bismarck im Mai 1941. Ab dem 24. Juni 1948 in Newport abgewrackt. |
HMAS Australia | John Brown & Company, Clydebank, Vereinigtes Königreich | 26. August 1925 | 24. April 1928 | Nach der Fertigstellung an die Royal Australian Navy übergeben, ab 1933 in australischen Gewässern im Einsatz. 1940 Teilnahme am britischen Angriff auf Dakar. Im Januar 1945 durch einen Bomben- und vier Kamikaze-Treffer schwer beschädigt. Nach der Außerdienststellung (1954) ab April 1955 in Barrow-in-Furness verschrottet. |
HMAS Canberra | John Brown & Company, Clydebank, Vereinigtes Königreich | 9. September 1925 | 10. Juli 1928 | Zweiter an die Royal Australian Navy übergebener Kreuzer der County-Klasse; ab 1929 in australischen Gewässern eingesetzt. Am 8./9. August 1942 in der Nachtschlacht bei Savo Island von japanischen Kriegsschiffen schwer beschädigt (84 Tote) und am 9. August 1942 von dem amerikanischen Zerstörer USS Selfridge durch Artillerie- und Torpedobeschuss selbst versenkt. |
Zweite Gruppe (auch London-Klasse)
Die zweite Gruppe der County-Klasse besaß weitgehend die gleichen technischen Daten wie die Schiffe der ersten Gruppe; allerdings war ihre Brücke um 4,6 Meter nach achtern = verschoben im Gegensatz zur Kent-Klasse.[8] Indessen jedoch war die Standardverdrängung geringer (etwa 9.900 ts), was auf das Fehlen der Torpedowulste und auf eine etwas schwächere Panzerung zurückzuführen war. Gleichwohl ermöglichte dies den Schiffen der London-Gruppe einen Geschwindigkeitszuwachs von durchschnittlich etwa 0,75 kn, weswegen die Kreuzer dieser Unterklasse mit bis zu 32,6 kn als die schnellsten Schiffe der County-Klasse gelten.
Die HMS London wurde von März 1939 bis März 1941 auf der Staatswerft in Chatham umfassend modernisiert. Die Flak-Bewaffnung und die Panzerung wurden erheblich verbessert und das Aussehen der Colony-Klasse angeglichen. Allerdings wurde kriegsbedingt auf die Erneuerung der Antriebsanlage verzichtet.
Schiff | Bauwerft | Kiellegung | Indienststellung | Anmerkungen und Verbleib |
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HMS Devonshire | HMNB Devonport, Plymouth, Vereinigtes Königreich | 16. März 1926 | 19. März 1929 | Versenkte am 22. November 1941 nördlich Ascension den deutschen Hilfskreuzer Atlantis. Bis 1943 im Indischen Ozean eingesetzt, dabei Teilnahme an der Operation Ironclad (alliierte Besetzung Madagaskars). Ab dem 12. Dezember 1954 in Newport abgewrackt. |
HMS London | HMNB Portsmouth, Portsmouth, Vereinigtes Königreich | 22. Februar 1926 | 5. Februar 1929 | Zumeist im transatlantischen Konvoisicherungsdienst eingesetzt. Dabei im Juni 1941 Aufbringung der deutschen Versorgungsschiffe Egerland und Babitonga (beide Schiffe konnten sich einer Kaperung durch Selbstversenkung entziehen). 1942 Teil der Fernsicherung des Konvois PQ 17. Ab Januar 1950 in Barrow-in-Furness verschrottet. |
HMS Sussex | Hawthorn, Leslie & Company, Newcastle upon Tyne, Vereinigtes Königreich | 1. Februar 1927 | 26. März 1929 | Im September 1940 bei deutschem Luftangriff auf Glasgow durch Bombentreffer schwer beschädigt; Schiff kenterte im Hafen. Aufwändige Reparatur bis September 1942. 1943/44 Einsatz im Indischen Ozean, zumeist als Sicherungsschiff für WS-Geleitzüge. Ab Februar 1950 in Dalmuir abgewrackt. |
HMS Shropshire | William Beardmore and Company, Glasgow, Vereinigtes Königreich | 24. Februar 1927 | 12. September 1929 | Übergabe an die Royal Australian Navy am 25. Juni 1943 als Ersatz für den im August 1942 versenkten Kreuzer Canberra. Außerdienststellung 1949; ab dem 20. Januar 1955 in Dalmuir abgewrackt. |
Dritte Gruppe (auch Norfolk-Klasse)
Die beiden Einheiten dieser Gruppe wurden mit dem neuen 203-mm-Zwillingsturm Mark II ausgerüstet, der mit rund 220 Tonnen Gewicht etwa 15 Tonnen schwerer war als die Mark-I-Türme der vorangegangenen Unterklassen und der auch nur eine maximale Rohrerhöhung von 50 Grad aufwies, indessen jedoch eine höhere Feuergeschwindigkeit aufwies. Ursprünglich hätten von dieser Unterklasse zwei weitere Einheiten gebaut werden sollen (HMS Northumberland und HMS Surrey). Infolge von Etatproblemen und Sparplänen wurden die Bauaufträge für die beiden Schiffe jedoch am 14. Januar 1930 annulliert, noch bevor der Bau begonnen worden war.[9]
Schiff | Bauwerft | Kiellegung | Indienststellung | Anmerkungen und Verbleib |
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HMS Dorsetshire | HMNB Portsmouth, Portsmouth, Vereinigtes Königreich | 21. September 1927 | 30. September 1930 | Beteiligung an der Versenkung des deutschen Schlachtschiffes Bismarck im Mai 1941. Am 5. April 1942 südwestlich von Ceylon von japanischen Flugzeugen durch Bombentreffer versenkt (234 Tote). |
HMS Norfolk | Fairfield Shipbuilders, Govan, Vereinigtes Königreich | 8. Juli 1927 | 30. Juni 1930 | Zumeist im transatlantischen Konvoisicherungsdienst eingesetzt. Beteiligung an der Versenkung des deutschen Schlachtschiffes Scharnhorst im Dezember 1943, dabei selbst durch Artillerietreffer beschädigt. Ab Januar 1950 in Newport abgewrackt. |
Aufgabenfelder und Einsätze
Die Kreuzer der County-Klasse sahen während des Zweiten Weltkrieges vor allem Einsätze als Sicherungsschiffe von Truppentransport- und Nordmeerkonvois, darunter die sogenannten WS-Truppentransport-Konvois, deren Aufgabe eine Verstärkung der britischen Truppenkontingente in Indien und im Nahen Osten war. Im Zusammenhang mit dem Konvoi WS-5A geriet im Dezember 1940 der Kreuzer Berwick dabei mit dem deutschen Schweren Kreuzer Admiral Hipper ins Gefecht (und wurde beschädigt, wenngleich indessen der deutsche Kreuzer den Angriff auf den stark gesicherten Geleitzug abbrach).
Im Mai 1941 beschattete die Suffolk mit ihren Radar, obgleich dieses nicht richtig funktionierte, das deutsche Schlachtschiff Bismarck während dessen Atlantikunternehmung. Nur wenige Tage später, am 27. Mai 1941, war der zusammen mit der Home Fleet operierende Kreuzer Dorsetshire an der Versenkung der Bismarck beteiligt. Einen weiteren Einsatz eines Kreuzers der County-Klasse gegen ein deutsches Schlachtschiff gab es im Dezember 1943 während des deutschen Vorstoßes gegen den Nordmeergeleitzug JW-55B. Hierbei kam die Norfolk mit dem Schlachtschiff Scharnhorst ins Gefecht, erlitt jedoch zwei schwere Artillerietreffer, wobei unter anderem der hintere, überhöhte Hauptartillerieturm des Kreuzers außer Gefecht gesetzt wurde. Gleichwohl beschädigte ein Treffer der Norfolk im Gegenzug das Radar des deutschen Schiffes.
Zudem wurden die Kreuzer auch zur Sicherung britischer Flugzeugträgerverbände eingesetzt und zeitweilig auch in die Suche nach deutschen Hilfskreuzern und Blockadebrechern eingebunden, wobei 1941 unter anderem die Hilfskreuzer Pinguin und Atlantis versenkt werden konnten. Der Kontext des Einsatzes der County-Klasse gegen deutsche Handelsstörer hatte bereits 1939 zum Ansatz des Kreuzers Cumberland gegen das im Südatlantik operierende deutsche Panzerschiff Admiral Graf Spee geführt, wobei es jedoch zu keiner Gefechtsberührung kam, da das deutsche Schiff zuvor von der eigenen Besatzung in der La Plata-Mündung versenkt wurde.
Die an die Royal Australian Navy übergebenen Einheiten nahmen an fast allen größeren Schlachten des Pazifikkrieges teil, so beispielsweise an der Schlacht um Guadalcanal (wobei die Canberra versenkt wurde), an der alliierten Kampagne gegen Neubritannien 1943/44, an der Schlacht im Golf von Leyte sowie am Kampf um Okinawa 1945. Die Schiffe übernahmen zumeist Sicherungs- und Beschießungsaufgaben, wurden jedoch auch in direkte Kampfhandlungen verwickelt, so nahm etwa die Shropshire 1944 an der Schlacht in der Straße von Surigao teil.
Verluste
Insgesamt drei Schiffe der County-Klasse gingen während des Zweiten Weltkrieges verloren, alle auf dem pazifischen Kriegsschauplatz. So fielen die Dorsetshire und die Cornwall am 5. April 1942, während des japanischen Vorstoßes in den Indischen Ozean, südwestlich von Ceylon trägergestützten japanischen Bombern zum Opfer. Beide Schiffe wurden von je zehn bis 15 Bomben getroffen und sanken, wobei insgesamt über 400 britische Seeleute den Tod fanden. Ein weiterer Kreuzer, die australische Canberra, wurde in der Nacht des 8./9. August 1942 in der Nachtschlacht bei Savo Island von japanischen Kreuzern durch Artilleriefeuer schwer beschädigt, wobei 84 Besatzungsangehörige ums Leben kamen, und musste im Verlauf des 9. August 1942 von einem amerikanischen Zerstörer selbst versenkt werden, da kaum Aussichten auf eine Bergung des brennenden Wracks bestanden und die Alliierten zudem weitere japanische Angriffe befürchteten.
Ferner wurden mehrere Schiffe schwer beschädigt, so die Sussex, die am 17. September 1940, während der Kreuzer in Glasgow im Dock lag, bei einem deutschen Luftangriff von einer Bombe getroffen wurde. Der Treffer verursachte einen schweren Brand, der die Munitionsräume bedrohte, weswegen der Befehl zur Flutung der vom Feuer gefährdeten Bereiche gegeben wurde. Da der Kreuzer indessen sich nicht im Verschlusszustand befunden hatte, lief der Rumpf auf einer Länge von 140 m voll und die Sussex kenterte im Dock. Die Bergung und Reparatur des Schiffes zog sich über zwei Jahre hin. Ebenfalls schwer beschädigt durch Bombentreffer wurde die Suffolk während der deutschen Besetzung Norwegens; während heftiger deutscher Luftangriffe am 17. April 1940 erhielt der Kreuzer einen direkten Treffer ins Heck, der die Ruderanlage zerstörte. Das Schiff erreichte mit überspültem Achterdeck und nur unter großen Mühen zwei Tage später Scapa Flow und musste beinahe für ein Jahr in die Werft.
Gleichwohl hingegen erwiesen sich die Schiffe der County-Klasse als durchaus standfest. So überstand die Australia im Januar 1945, während der Kämpfe im Golf von Lingayén, an einem einzigen Tag vier Kamikaze- und einen Bomben-Treffer, wobei unter anderem ein zehn Quadratmeter großes Loch in die Steuerbordseite des Schiffes gerissen wurde. Allerdings wurden bei diesen Angriffen beinahe 100 Seeleute getötet oder verwundet.
Verbleib
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden die Schiffe der County-Klasse relativ schnell außer Dienst gestellt und zum Abwracken freigegeben. Einerseits litt das Vereinigte Königreich noch unter den finanziellen Belastungen des Krieges und andererseits war man angesichts dieser Folgekosten und den damit verbundenen Etatengpässen auch nicht länger bereit, Schiffe, die noch dem klassischen und im beginnenden Atom- und Raketenzeitalter zunehmend obsolet werdenden Konzept des reinen Artilleriekreuzers angehörten, weiterhin zu finanzieren. Infolgedessen wurden die Kent, die Berwick und die Suffolk bereits 1948 für die Verschrottung freigegeben. Bis 1950 folgten beinahe alle anderen Schiffe. Lediglich die Devonshire, die unter anderem im Juni 1953 an der Flottenparade anlässlich der Krönung Elisabeths II. teilnahm, und die Cumberland, die 1951 umgebaut und noch bis 1958 als Testschiff für Dekontaminationsversuche und für diverse Rohrwaffensysteme von der Royal Navy genutzt wurde, sahen noch eine nennenswerte Einsatzzeit in den 1950er-Jahren. Mit der Cumberland wurde ab November 1958 schließlich der letzte Kreuzer der County-Klasse abgewrackt.
Trivia
Der Kreuzer Cumberland, welcher 1939 tatsächlich zeitweilig an der Suche nach der Admiral Graf Spee beteiligt war, hatte 1956 eine Rolle in dem britischen Kriegsfilm Panzerschiff Graf Spee. Er spielte sich dabei selber. Zur Darstellung des britischen Schweren Kreuzers HMS Exeter (ein Schiff der York-Klasse), welcher 1939 in der Schlacht am Rio de la Plata gegen das deutsche Panzerschiff gekämpft hatte und diverse Schäden erlitt, wurde die HMS Jamaica herangezogen. Während die Cumberland zum Zeitpunkt der Gefechte noch vier Doppeltürme mit 203-mm-Geschützen besaß, war sie in den 1950er-Jahren nur noch mit drei Türmen ausgerüstet (zwei vor den Aufbauten in überhöhter Aufstellung, ein Turm achtern der Hauptaufbauten).[10] Im Film ist dies aber kaum zu erkennen, da die Artilleriebewaffnung der Cumberland, die zu diesem Zeitpunkt als Versuchsschiff fuhr, stark verändert worden war. So befand sich etwa achtern anstelle der beiden 203-mm-Zwillingstürme ein voll automatisierter Doppelturm mit 76,2-mm-Mehrzweckwaffen.
Die ab 1928 gebauten Schweren Kreuzer der Canarias-Klasse der Spanischen Marine waren eine Abwandlung der County-Klasse.
Literatur
- Angus Konstam, Angus /Paul Wright: British Heavy Cruisers 1939–1945. Osprey Publishing, Oxford 2012.
- Leo Marriot: Treaty Cruisers: The First International Warship Building Competition. Leo Cooper Limited, London 2005.
- Mike J. Whitley: Kreuzer im Zweiten Weltkrieg. Klassen, Typen, Baudaten. Motorbuch Verlag, Stuttgart 1997.
Weblinks
Fußnoten
- Mike J. Whitley: Kreuzer im Zweiten Weltkrieg. Klassen, Typen, Baudaten. Motorbuch Verlag, Stuttgart 1997, S. 95.
- Whitley: Kreuzer. S. 95.
- Es handelt sich hierbei indessen nicht um Geschütze des Typs Mark V, wie im Bildverweis angegeben, sondern um Zwillingsgeschütze Mark XVI.
- http://www.horncombe.net/hms_london/HMS_London.html
- http://navalhistory.flixco.info/H/120548/8330/a0.htm
- Whitley: Kreuzer. S. 99.
- Hugh und David Lyon; Siegfried Greiner: Kriegsschiffe von 1900 bis heute Technik und Einsatz. Buch und Zeit Verlagsgesellschaft mbH, Köln 1979, S. 48.
- Whitley: Kreuzer. S. 104.
- Fascinating trivia (and any goofs) connected with the film. The Powell & Pressburger Pages, abgerufen am 7. April 2020.