Steamcracken
Steamcracken (engl. Dampfspalten) ist ein Verfahren der Petrochemie, bei dem durch thermisches Cracken längerkettige Kohlenwasserstoffe (Naphtha, aber auch Propan, Butan und Ethan sowie Gasöl und Hydrowax) in Gegenwart von Wasserdampf in kurzkettige Kohlenwasserstoffe umgewandelt werden. Es entstehen vor allem Wasserstoff, Methan, Ethen und Propen als Hauptprodukt, Butene, Pyrolysebenzin (engl.: pygas) sowie ein teerähnlicher Rückstand (ECR, engl. ethylene cracker residue). Das Steamcracken dient der Herstellung von Zwischenprodukten, die zu Kunststoffen, Lacken, Lösungsmitteln oder Pflanzenschutzmitteln u. Ä. weiterverarbeitet werden. Ein Steamcracker zählt zu den kompliziertesten Anlagen der Petrochemie.[1]
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Rohstoffe
- Naphtha („Standard“-Feed, auch Recycle (siehe Pyrolysebenzin), Siedebereich kann stark variieren: ≈25 – ≈180 °C)
- Raffineriegas, Feed für die Gasöfen (mit hohem Ethananteil, auch Recycle/siehe Produkte)
- Propan, Feed für die Gasöfen (wenn ökonomisch sinnvoll)
- Butan, Feed für die Gasöfen (wenn ökonomisch sinnvoll)
- Schweres Gasöl, Feed für spezielle Öfen zum Cracken von schwerem Feedstock (Siedebereich: ≈300 – ≈370 °C, ggf. hydriert)
- Hydrowax, Feed für spezielle Öfen zum Cracken von schwerem Feedstock (Siedebereich: ≈340 – ≈560 °C)
Verfahren
Als Edukt dient häufig das in der Erdölraffinerie anfallende Naphtha (bzw. Naphthafraktionen), daneben auch leichte Kohlenwasserstofffraktionen aus Begleitgasen der Ölförderung oder abgetrennte schwerere Fraktionen (C2+) aus Erdgas. Auch Gasöl und Hydrowax kommen zum Einsatz. Hierfür ist allerdings ein spezielles Ofendesign erforderlich.
Der eigentliche Cracker ist ein Rohrreaktor mit einer Rohrschlange von etwa 90–120 mm Innendurchmesser und 60–80 m Länge. Das Rohr besteht aus einer Chrom/Nickel-Legierung und befindet sich in einem Ofen, der durch Flammen beheizt wird. Das Design des Rohrreaktors (des Ofens) ist auf die Eigenschaften des Feeds zugeschnitten. Man unterscheidet zwischen Gasöfen (für Ethan, Propan, Butan), Naphthaöfen und Öfen für schweren Feedstock (Gasöl, Hydrowax). Das 100 °C heiße Sumpfprodukt wird bei etwa 12 bar in der Konvektionszone des Ofens auf 550–600 °C vorgewärmt. In dieser Zone wird auch 180–200 °C heißer Prozessdampf zugegeben (daher der Name Steamcracking). Der Prozessdampf dient dazu, eine Partialdruckerniedrigung der einzelnen Reaktionsteilnehmer herbeizuführen. Zusätzlich verhindert er (durch sein eingenommenes Volumen) teilweise eine Aneinanderlagerung der fertigen Reaktionsprodukte (Polymerisation der Alkene) und kühlt in der Konvektionszone das Anwärmerbündel ab. Nach der Konvektionszone erreicht das nunmehr vollständig gasförmige Sumpfprodukt die Strahlungszone. In dieser wird es bei circa 805–850 °C nun zu den niedermolekularen Kohlenwasserstoffen gecrackt. Die Verweilzeit τ beträgt etwa 0,2–0,4 s. Dabei entstehen wichtige Grundprodukte wie Ethen (Ethylen), Propen (Propylen), 1,2- und 1,3-Butadien, n- und i-Buten, Benzol, Toluol, Xylole. Ferner entstehen auch Wasserstoff und Methan sowie andere – zum Teil störende – Nebenprodukte wie Ethin (Acetylen), Propin (in Spuren), Propadien (in Spuren) sowie – als Bestandteil des Pyrolysebenzins – n-, i- und cyclo-Paraffine bzw. -Olefine, C9- und C10-Aromaten. Die schwerste Fraktion stellt der sogenannte Ethylen-Cracker-Rückstand dar, ein hocharomatisch, hocholefinischer Rückstand, der den Siedebereich ≈210–500 °C abdeckt.
Damit sich nun die neugebildeten Reaktionsprodukte nicht wieder zu viel größeren Molekülen zusammensetzen (Oligomerisierung), wird das heiße Spaltgas in einem Wärmeübertrager schlagartig auf ungefähr 350–400 °C abgekühlt (hierbei handelt es sich vielfach um einen Hochdruck-Speisewasserkühler). Anschließend wird das heiße Spaltgas zusätzlich mit Quenchöl auf 150–170 °C für die nachfolgende Fraktionierung abgekühlt.
Produkte
Ein typischer Naphtha-Steamcracker liefert folgende Produktströme (in Massen-%)
- Wasserstoffreiches Gas 2,0 % (ca. 50 % , 50 % Methan)
- Methanreiches Gas 15,4 % (fast reines Methan)
- Ethen 29,1 % (gewünschtes Hauptprodukt, einschließlich des hydrierten Ethins, s. u.)
- Ethan 3,9 % (wird normalerweise recycelt; erfordert im Vergleich zu Naphtha höhere Temperaturen)
- Propen 16,1 % (wichtigstes „Nebenprodukt“)
- Propan 1,2 % (wird normalerweise recycelt, bei fehlender Propan/Propen-Trennung wird es zusammen mit dem Propen verkauft)
- 1,3-Butadien 4,3 % (Nebenprodukt)
- Butengemisch 5,5 % (Nebenprodukt)
- Pyrolysebenzin 19,6 % (Nebenprodukt, Siedebereich: ~25–210 °C, beinhaltet u. a. Benzol, Toluol, Xylole, Ethylbenzol, Isopren, Cyclopentadien)
- Ethylen-Cracker-Rückstand 0,9 % (Nebenprodukt, Siedebereich: ~210–500 °C, schwefelhaltig, hocholefinisch, hocharomatisch)
- Kohlenstoffmonoxid ≈100–1000 ppm (z. Teil im wasserstoffreichen Gas)
- Kohlenstoffdioxid ≈30–500 ppm
- Schwefelwasserstoff (Spuren, je nach Schwefelgehalt des Einsatzstoffs)
Die Zusammensetzung des Spaltgases kann deutlich variieren, je nach Einsatz und Spaltbedingungen. Schwerere Feedstocks wie Gasöl oder Hydrowax erzeugen weniger Ethen und Wasserstoff, aber u. a. mehr Pyrolysebenzin und Ethylen-Cracker-Rückstand (bis zu 10 % und mehr ECR).
Trennung der Produkte
Der Produktstrom am Ofenaustritt enthält eine Vielzahl von Stoffen, die nun voneinander getrennt werden. Die Wertprodukte müssen dabei im Allgemeinen in einer sehr hohen Reinheit erzeugt werden. Die Stoffe, die man nicht als Produkt gewinnen möchte, werden zum Cracker zurückgeführt, verbrannt (Gase) oder als Halbfabrikat verkauft. Die Aufarbeitung ist extrem komplex und wird hier stark vereinfacht dargestellt.
Die Aufarbeitung beginnt mit der Ölwäsche und der Wasserwäsche, in denen das noch heiße Gas weiter abkühlt und schwere Verunreinigungen wie Koks und Teer abgeschieden werden. Die wichtigsten Trennschritte sind Rektifikationen (mehrstufige Destillationen). Für die Trennung der leichten Kohlenwasserstoffe sind Tieftemperaturrektifikationen bei hohem Druck erforderlich. Dazu wird das Spaltgas zunächst stufenweise auf ca. 30 bar verdichtet. In einer Laugewäsche werden die sauren Gase absorbiert. Ein adsorptiver Trockner entfernt Wasser. Die Abtrennung von Ethinspuren wäre äußerst schwierig, so dass stattdessen Ethin katalytisch zu Ethen hydriert wird.
Es folgt die stufenweise Kühlung des Spaltgases und eine Sequenz von Rektifikationen, in denen das Kohlenwasserstoffgemisch in Fraktionen unterschiedlicher Kohlenstoffzahl zerlegt wird. Die Reihenfolge der Trennschnitte ist von entscheidender Bedeutung für die Wärmeintegration, den apparativen Aufwand und damit die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens. Je nach örtlichen Gegebenheiten, Spaltgaszusammensetzung und gewünschten Produkten sind hier ganz unterschiedliche Lösungen denkbar und sinnvoll. Die einzelnen Fraktionen werden in weiteren Destillationen in die gesättigten und ungesättigten Kohlenwasserstoffe aufgetrennt.
Die Hauptprodukte, insbesondere Ethen und Propen, liegen nun in reiner Form vor. Die Butanderivate können für die unterschiedlichsten petrochemischen Verfahren verwendet werden (z. B. das iso-Buten zur Herstellung von MTBE bzw. ETBE, n-Butene zur Produktion von Alkylat). Das Pyrolysebenzin ist Ausgangsstoff für die Benzol- und Toluolgewinnung (siehe Pyrolysebenzin). Fraktionen, die nicht als Produkt gewünscht werden, insbesondere Alkane, lassen sich zum Cracker zurückführen. Die nicht zum Cracken geeigneten Fraktionen wie Methan oder Wasserstoff werden in den Cracköfen verbrannt und liefern den Energiebedarf des Verfahrens (Wasserstoff ist ein sehr wertvolles Zwischenprodukt und wird normalerweise an die Raffinerie zurückgeführt). Der teerähnliche Rückstand (ECR) wird entweder in einem Kraftwerk verbrannt, als Bindemittel zur Herstellung von Graphitelektroden (für die Aluminiumproduktion) verkauft oder zur Herstellung von Industrieruß verwendet.
Sonstiges
- Der Naphtha-Steamcracker der BASF FINA Petrochemicals Limited Partnership in Port Arthur in Texas, ist der größte Naphtha-Cracker der Welt. Er produziert seit Dezember 2001. Dieser Steamcracker hat eine Jahreskapazität von 920.000 Tonnen Ethen. An der Anlage sind 210 Mitarbeiter beschäftigt.[2]
- Den größten Ethan-Steamcracker der Welt, mit einer Jahreskapazität von 1,5 Mio. Tonnen Ethen, betreibt Borouge, ein Joint Venture der Borealis und der Abu Dhabi National Oil Company, in Ruwais, Abu Dhabi. Ein zweiter Ethan-Steamcracker der gleichen Kapazität befindet sich dort zurzeit in Bau. Lieferant beider Anlagen war Linde Engineering, ein Geschäftsbereich der Linde AG.
- Die BASF betreibt weltweit insgesamt fünf Steamcracker: zwei im Stammwerk in Ludwigshafen am Rhein, einen im Werk in Antwerpen, den größten in Port Arthur und einen weiteren in Nanjing, China.[3]
- In Deutschland betreibt die Dow Olefinverbund GmbH einen Naphtha-Steamcracker in Böhlen (Sachsen).
Literatur
- Arno Behr, David W. Agar, Jakob Jörissen: Einführung in die Technische Chemie. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2009, ISBN 978-3-8274-2073-2, S. 178 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
Einzelnachweise
- Vera Koester: Steamcracker. In: Magazine of Chemistry Europe. WILEY-VCH Verlag, 5. März 2019, abgerufen am 4. Januar 2021.
- Daten der Port Arthur Raffinerie (PDF; 146 kB).
- The Heart of the Verbund. In: basf.com. Abgerufen am 17. Juni 2020.