Raidelbach
Raidelbach ist ein Ortsteil der Gemeinde Lautertal im südhessischen Kreis Bergstraße.
Raidelbach Gemeinde Lautertal (Odenwald) | |
---|---|
Höhe: | 410 m ü. NN |
Fläche: | 1,98 km²[1] |
Einwohner: | 110 (30. Jun. 2013)[1] |
Bevölkerungsdichte: | 56 Einwohner/km² |
Eingemeindung: | 31. Dezember 1970 |
Eingemeindet nach: | Gadernheim |
Postleitzahl: | 64686 |
Vorwahl: | 06254 |
Geographische Lage
Raidelbach liegt im Vorderen Odenwald im Quellgebiet des gleichnamigen Baches auf einer landwirtschaftlich genutzten Hochfläche (400–430 m) und östlich der Kerngemeinde Reichenbach. Die Ortslage besteht im Wesentlichen aus einigen verstreut angesiedelten Bauernhöfen und etlichen weiteren Wohnhäusern.
Die nächstgelegenen Ortschaften sind im Westen Reichenbach, im Nordwesten Lautern, im Norden Gadernheim, im Osten Kolmbach, im Südosten Glattbach und im Süden Breitenwiesen.
Geschichte
Von den Anfängen bis zum 18. Jahrhundert
Die früheste erhalten gebliebene urkundliche Erwähnung als Reilenbach als Zubehör der Burg Schönberg stammt aus dem Jahr 1339. Der Ort entstand im Einflussbereich des Reichsklosters Lorsch, das gefördert durch viele Schenkungen im 9.–12. Jahrhundert zu den größten und mächtigsten Benediktinerabteien Deutschlands zählte. Als nach dem Niedergang des Klosters 1232 Kaiser Friedrich II. die Reichsabtei Lorsch dem Erzbistum Mainz und seinem Bischof Siegfried III. von Eppstein zur Reform überstellte, befand sich das Gebiet des späteren Amtes Schönberg, wozu auch Raidelbach gehörte, bereits im Besitz der Pfalzgrafen.[2] Im 14. Jahrhundert gehörte Raidelbach zur Thalzent des pfälzischen Amtes Lindenfels, das dem Oberamt Heidelberg unterstand.
Das Dorf entstand aus einzelnen Häusern bei doppelseitiger Tallage, wo 1439 sieben Bewohner 30 fl. Schatzung an die Kellerei Lindenfels entrichten mussten. Davon erhielt der Schultheiß 10 fl.[3] Was auf sieben Hubengüter schließen lässt. Einen weiteren Hinweis auf die Größe von Raidelbachs datiert aus dem Jahr 1488, als die Kurpfalz von 32 Huben in den Dörfern Gadernheim, Lautern und Reilenbach „Bede“, „Hubhafer“ und zwei Drittel des großen und kleinen Zehnten bezog. Außerdem übte die Kurpfalz damals in diesen Dörfern „Hauptrecht (Abgabe beim Tod an den Leibherrn), Herdrecht (Abgabe beim Tod an den Grundherrn), Frevel (Geldstrafe und Bußgeld) und Unfälle (Recht auf havarierte Ladung)“ aus.[4] Die Hohe Gerichtsbarkeit über den Ort wurde durch die Zent Heppenheim ausgeübt, deren oberster Richter der 1267 erstmals erwähnte Burggraf auf der Starkenburg (über Heppenheim) war. Raidelbach gehörte damals mit Lautern zum pfälzischen Dorfgericht in Gadernheim.[3] Aus dem Jahr 1601 ist überliefert, dass die drei Dörfer ein Dorfgericht mit einem Schultheißen haben und das Haingericht in Reichenbach abgehalten wurde. 1607 wurde zum ersten Mal im neuen Rathaus in Gadernheim durch den Amtmann des Amtes Schönberg Gericht gehalten.
In der Nachbarschaft von Raidelbach hatte sich inzwischen die Grafschaft Erbach etabliert, wie aus einer Urkunde von 1339 hervorgeht. Dort bewittumt der Schenk Konrad von Erbach seine Ehefrau Kunigunde, geb. von Brugge, mit Willen seines Lehensherren Pfalzgraf Rudolf, mit einem Viertel der Burg Schönberg, zu der Gefälle in Schönberg, Elmshausen, Wilmshausen, Gronau, Zell und Reilenbach gehören.[3] Die Grafschaft Erbach, gehörte ab 1500 zum Fränkischen Reichskreis und die Schenken zu Erbach, wurden 1532 in den Reichsgrafenstand erhoben.
Im Zuge der Bayrischen Fehde wurden im Jahr 1504 die Burg Schönberg und das ganze Tal der Lauter durch die Truppen des Landgrafen Wilhelm verwüstet. Dieser führte als Vollzieher der gegen die Kurpfalz verhängten Reichsacht ein Feldzug gegen die Kurpfalz und seine Verbündete, zu denen auch die Grafen von Erbach zählten.
Im 16. Jahrhundert hielt die Reformation auch im Odenwald Einzug. Bis 1544 hatten die Grafen von Erbach für ihre Grafschaft das lutherische Glaubensbekenntnis eingeführt, und auch die pfälzischen Herrscher sympathisierten offen mit dem lutherischen Glauben aber erst unter Ottheinrich (Kurfürst von 1556 bis 1559) erfolgte der offizielle Übergang zur lutherischen Lehre. Die Untertanen hatten ihren Herrschern damals auch in Glaubensfragen zu folgen. Kirchlich gehörte Raidelbach vor der Reformation zum Bensheimer Landkapitel und wurde nach der Reformation Teil des Kirchspiels Reichenbach.[5]
Da es im Grenzgebiet zwischen der Kurpfalz und der Grafschaft Erbach mehrere Vorfälle durch die unübersichtliche Gebietszugehörigkeit gab, einigten sich am 4. Juni 1561 der Pfälzer Kurfürst Friedrich III. mit den Brüdern Georg, Eberhard und Valentin, Grafen von Erbach, über einen Gebietstausch. Dadurch kamen die zur Pfälzer Thalzent gehörigen Dörfer Lautern, Gadernheim und Raidelbach (Reilenbach) sowie der Anteil an Reichenbach an die Grafschaft Erbach und die erbachischen Dörfer Mittershausen, Mitlechtern, Scheuerberg, Schannenbach, Knoden, Breitenwiesen sowie Oberlaudenbach an die Pfalz. Dort bildeten sie die Neu-Zent des Amts Lindenfels. Die erbachischen Dörfer blieben aber weiter pfälzisches Lehen. Die erbachische Verwaltung und Niedere Gerichtsbarkeit erfolgte jetzt durch das Amt Schönberg, die Hoher Gerichtsbarkeit blieb hingegen bei der Zent Heppenheim.
Nach den Verwüstungen in der Bayrischen Fehde konnte sich das Amt Schönberg bis zum Dreißigjährigen Krieg, der 1618 begann, erholen. Besonders in den letzten Friedensjahren war eine rege Bautätigkeit in Schloss Schönberg und den Dörfern zu verzeichnen. Spätestens 1622 hatte aber auch das Amt Schönberg unter dem Krieg zu leiden, als von ligistische Truppen das Amt mehrfach überfallen und ausplündert wurde. Mitte der 1630er Jahre folgte mit dem Schwedisch-Französischen Krieg das blutigste Kapitel des Dreißigjährigen Krieges. Aus der Region berichteten die Chronisten aus jener Zeit: „Pest und Hunger wüten im Land und dezimieren die Bevölkerung, sodass die Dörfer öfters völlig leer stehen“. Als im Jahre 1648 Friede geschlossen wurde, war die Bevölkerung in der Region auf ein Viertel geschrumpft, etliche Dörfer waren über Jahre menschenleer. Nach kurzer Friedenszeit folgten die französischen Reunionskriege, die für die Region neue Heimsuchungen brachten. Im Herbst 1696 wurde im Pfälzischen Erbfolgekrieg das Schloss Schönberg überfallen. Erst mit dem Frieden von Rijswijk, 1697, zogen sich die Franzosen hinter den Rhein zurück.[6]
Im Jahr 1717 kam es zur Teilung des Erbacher Grafenhauses und Schloss Schönberg wurde Sitz der jüngeren Linie Erbach-Schönberg unter Graf Georg August zu Erbach-Schönberg. Dieser erhielt die Ämter Schönberg und König und der Hälfte der Herrschaft Breuberg. Die Linie Erbach-Schönberg machte die Burg zu ihrem Wohnsitz, wodurch sie ihren heutigen Schlosscharakter erhielt.
Raidelbach wird hessisch
Das ausgehende 18. und beginnende 19. Jahrhundert brachte Europa weitreichende Änderungen. Infolge der Napoleonischen Kriege wurde das Heilige Römische Reich (Deutscher Nation) durch den Reichsdeputationshauptschluss von 1803 neu geordnet. Dieses letzte Gesetzeswerk des Alten Reiches setzte Bestimmungen des Friedens von Luneville um und leitete damit das Ende des Alten Reiches ein. Unter Druck Napoléons gründete sich 1806 der Rheinbund, dies geschah mit dem gleichzeitigen Reichsaustritt der Mitgliedsterritorien. Dies führte am 6. August 1806 zur Niederlegung der Reichskrone, womit das Alte Reich aufhörte zu bestehen. Am 14. August 1806 erhob Napoleon die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, gegen den Beitritt zum Rheinbund und Stellung hoher Militärkontingente an Frankreich, zum Großherzogtum, andernfalls drohte er mit Invasion. Durch die Rheinbundakte wurde die Grafschaft Erbach mediatisiert und zum größten Teil in das neu gegründete Großherzogtum Hessen eingegliedert, dazu gehörte auch das „Amt Schönberg“. Das Amt blieb vorerst als standesherrschaftliches Amt erhalten.
Bereits am 9. Dezember 1803 wurde durch eine Ausführungsverordnung das Gerichtswesen in der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt neu organisiert. Für das Fürstentum Starkenburg wurde das „Hofgericht Darmstadt“ als Gericht der zweiten Instanz eingerichtet. Die Rechtsprechung der ersten Instanz wurde durch die Ämter bzw. Standesherren vorgenommen. Das Hofgericht war für normale bürgerliche Streitsachen Gericht der zweiten Instanz, für standesherrliche Familienrechtssachen und Kriminalfälle die erste Instanz. Übergeordnet war das Oberappellationsgericht Darmstadt. Damit hatten die Zente und die mit ihnen verbundenen Zentgerichte endgültig ihre Funktion eingebüßt. Die Bestimmungen galten auch im 1806 gegründeten Großherzogtum Hessen.
Nach der endgültigen Niederlage Napoléons regelte der Wiener Kongress 1814/15 auch die territorialen Verhältnisse für Hessen und die Zugehörigkeit der Grafschaft Erbach zum „Fürstentum Starkenburg“ des Großherzogtums Hessen bestätigt. Daraufhin wurden 1816 im Großherzogtum Provinzen gebildet und dabei das vorher als „Fürstentum Starkenburg“ bezeichnete Gebiet in „Provinz Starkenburg“ umbenannt. Im Jahr 1814 wurde die Leibeigenschaft im Großherzogtum aufgehoben und es erhielt mit der am 17. Dezember 1820 eingeführten Verfassung des Großherzogtums Hessen eine konstitutionelle Monarchie, in der der Großherzog aber noch große Machtbefugnisse hatte. Die noch bestehenden standesherrlichen Rechte wie Niedere Gerichtsbarkeit, Zehnten, Grundzinsen und andere Gefälle blieben aber teilweise noch bis 1848 bestehen.
1821/22 wurden im Rahmen einer umfassenden Verwaltungsreform die Amtsvogteien in den Provinzen Starkenburg und Oberhessen des Großherzogtums aufgelöst und Landratsbezirke eingeführt, wobei 1822 das Amt Schönberg dem Landratsbezirk Lindenfels zugeteilt wurde. Im Rahmen dieser Reform wurden auch Landgerichte geschaffen, die jetzt unabhängig von der Verwaltung waren. Die Landgerichtsbezirke entsprachen in ihrem Umfang den Landratsbezirken und für den Landratsbezirk Lindenfels war das Landgericht Fürth als Gericht erster Instanz zuständig. Für das Amt Schönberg wurde die Niedere Gerichtsbarkeit im Namen der Standesherren durch den Landrat ausgeübt. Erst 1826 gingen alle Funktionen des ehemaligen standesherrschaftlichen Amts Schönberg an die Landesinstitutionen über.[7] Diese Reform ordnete auch die Administrative Verwaltung auf Gemeindeebene. So war die Bürgermeisterei in Gadernheim auch für Raidelbach und Lautern zuständig. Entsprechend der Gemeindeverordnung vom 30. Juni 1821 gab es keine Einsetzungen von Schultheißen mehr, sondern einen gewählten Ortsvorstand, der sich aus Bürgermeister, Beigeordneten und Gemeinderat zusammensetzte.[8]
Die Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen berichtet 1829 über Raidelbach:
»Raidelbach (L. Bez. Lindenfels) luth. Filialdorf; auch Railbach liegt 1 St. von Lindenfels, gehört dem Grafen von Erbach-Schönberg hat 9 Häuser und 77 Einw., die bis auf 9 Reform. lutherisch sind. Der Ort theilt sich in Ober- und Niederraidelbach. – Im Jahr 1561 kam Raidelbach tauschweise von Churpfalz an Erbach und 1806 unter Hess. Hoheit.«[9]
1832 wurden die Verwaltungseinheiten weiter vergrößert und es wurden Kreise geschaffen. Nach der am 20. August 1832 bekanntgegebenen Neugliederung sollte es in Süd-Starkenburg künftig nur noch die Kreise Bensheim und Lindenfels geben; der Landratsbezirk von Heppenheim sollte in den Kreis Bensheim fallen. Noch vor dem Inkrafttreten der Verordnung zum 15. Oktober 1832 wurde diese aber dahingehend revidiert, dass statt des Kreises Lindenfels neben dem Kreis Bensheim, der Kreis Heppenheim als zweiter Kreis gebildet wurde, zu dem jetzt Raidelbach gehörte. Mit der Grossherzoglichen Regierungsverordnung Nr. 37 vom 31. Dezember 1839 wurde mit Wirkung zum 15. Januar 1840 Raidelbach dem Kreis Bensheim zugeschlagen.[10] Darin wurde weitere Orte des Zeller- und Schönberger-Tals vom Kreis Heppenheim getrennt und dem Kreis Bensheim angegliedert.
1842 wurde das Steuersystem im Großherzogtum reformiert und der Zehnte und die Grundrenten (Einnahmen aus Grundbesitz) wurden durch ein Steuersystem ersetzt, wie es in den Grundzügen heute noch existiert. Ab 1839 wurde die Nibelungenstraße von Bensheim ins Lautertal bis Lindenfels ausgebaut und damit ein wichtiger Betrag zur Verbesserung der Infrastruktur des vorderen Odenwaldes geschaffen. Eine weitere Verbesserung wurde durch die Eröffnung der Main-Neckar-Bahn 1846 erreicht, die Bensheim zunächst mit Langen, Darmstadt und Heppenheim verband und wenig später bis Frankfurt und Mannheim reichte.[11]
Im Neuestes und gründlichstes alphabetisches Lexicon der sämmtlichen Ortschaften der deutschen Bundesstaaten von 1845 finden sich folgender Eintrag:
»Raidelbach (Ober- und Unter-Raidelbach). – Dorf, zur evangel. Pfarrei Reichenbach, resp. katholischen Pfarrei Lindenfels gehörig. – 9 H. 77 evangel. Einw. – Grossherzogthum Hessen. – Provinz Starkenburg. – Kreis Bensheim. – Landger. Zwingenberg. – Hofger. Darmstadt. – Das Dorf Raidelbach, zur Standesherrschaft der Grafen von Erbach-Schönberg gehörig, zerfällt in Oder- und Nieder-Raidelbach und ist im Jahre 1806 der großherzogl. hessischen Souveränität unterworfen worden. Früher, vor dem J. 1561, wo der Ort erst an das Haus Erbach vertauscht worden, gehörte derselbe zu Churpfalz.«[12]
Infolge der Märzrevolution 1848 wurden mit dem „Gesetz über die Verhältnisse der Standesherren und adeligen Gerichtsherren“ vom 15. April 1848 die standesherrlichen Sonderrechte endgültig aufgehoben.[13] Darüber hinaus wurden in den Provinzen, die Kreise und die Landratsbezirke des Großherzogtums am 31. Juli 1848 abgeschafft und durch „Regierungsbezirke“ ersetzt, wobei die bisherigen Kreise Bensheim und Heppenheim zum Regierungsbezirk Heppenheim vereinigt wurden. Bereits vier Jahre später, im Laufe der Reaktionsära, kehrte man aber zur Einteilung in Kreise zurück und Raidelbach wurde wieder Teil des Kreises Bensheim.[14]
Die im Dezember 1852 aufgenommenen Bevölkerungs- und Katasterlisten[15] ergaben für Raidelbach:[16] Lutherisches Filialdorf mit 74 Einwohnern. Die Gemarkung besteht aus 809 Morgen, davon 443 Morgen Ackerland, 181 Morgen Wiesen und 169 Morgen Wald.
In den Statistiken des Großherzogtums Hessen werden, bezogen auf Dezember 1867, für das Filialdorf Raidelbach mit der Bürgermeisterei in Gadernheim, 10 Häuser, 88 Einwohnern, der Kreis Bensheim, das Landgericht Zwingenberg, die evangelische Pfarrei Reichenbach mit dem Dekanat in Lindenfels und die katholische Pfarrei Lindenfels des Dekanats Heppenheim, angegeben. Das zuständige Steuerkommissariat war Zwingenberg der Destriktseinnehmerei Bensheim und Obereinnehmerei Bensheim. Die Dominalienverwaltung bestand aus dem Rentamt Lindenfels, dem Forstamt Jugenheim mit der Oberförsterei Ernsthofen.[17]
1867 wurde das Großherzogtum Hessen in seinen südlich des Mains gelegenen Landesteilen Mitglied des Norddeutschen Bundes und 1871 des Deutschen Reiches.
Zeit der Weltkriege
Am 1. August 1914 brach der Erste Weltkrieg aus, der im ganzen Deutschen Reich der positiven wirtschaftlichen Entwicklung ein Ende setzte. Als nach der deutschen Niederlage am 11. November 1918 der Waffenstillstand unterschrieben wurde, hatte auch Raidelbach viele Gefallene zu beklagen. Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler Reichskanzler, was das Ende der Weimarer Republik und den Beginn der nationalsozialistischen Diktatur bedeutete. Die hessischen Provinzen Starkenburg, Rheinhessen und Oberhessen wurden 1937 nach der 1936 erfolgten Auflösung der Provinzial- und Kreistage aufgehoben. Zum 1. November 1938 trat eine umfassende Gebietsreform auf Kreisebene in Kraft. In der ehemaligen Provinz Starkenburg war der Kreis Bensheim besonders betroffen, da er aufgelöst und zum größten Teil dem Kreis Heppenheim zugeschlagen wurde, was auch Raidelbach betraf. Der Kreis Heppenheim übernahm die Rechtsnachfolge des Kreises Bensheim und erhielt den neuen Namen Landkreis Bergstraße.[18][19]
In der Endphase des Zweiten Weltkrieges erreichen die amerikanischen Verbände Mitte März 1945 den Rhein zwischen Mainz und Mannheim. Am 22. März überquerte die 3. US-Armee bei Oppenheim den Rhein und besetzte am 25. März Darmstadt. In den ersten Stunden des 26. März 1945 überquerten amerikanische Einheiten bei Hamm und südlich von Worms den Rhein von wo sie auf breiter Front gegen die Bergstraße vorrücken. Am 27. März standen die amerikanischen Truppen in Lorsch, Bensheim und Heppenheim und einen Tag später waren Aschaffenburg am Main sowie der westliche und nördliche Teil des Odenwaldes besetzt.
Nachkriegszeit und Gegenwart
Im Jahr 1961 wurde die Gemarkungsgröße mit 202 ha angegeben, davon waren 169 ha Wald.[19]
Im Zuge der Gebietsreform in Hessen ließ sich am 31. Dezember 1970 die Gemeinde Raidelbach gemeinsam mit Kolmbach freiwillig nach Gadernheim eingemeindet.[20] Genau ein Jahr später wurde der Verbund dieser drei Orte wieder aufgelöst. Gadernheim und Raidelbach wurden zu Gründungsgemeinden der Gemeinde Lautertal, in der sie am 31. Dezember 1971 aufgegangen sind, während Kolmbach zu Lindenfels kam.
Gerichte in Hessen
Die erstinstanzliche Gerichtsbarkeit lag während der Zugehörigkeit zu Hessen bis 1822 beim standesherrlichen Amt Schönberg. 1822 kam es zu einer Übereinkunft zwischen dem Staat und dem Grafen von Erbach-Schönberg. Die Aufgaben der Verwaltung und der Rechtsprechung wurden getrennt. Die Verwaltung kam zum Landratsbezirk Lindenfels, für die Rechtsprechung wurde das Landgericht Schönberg eingerichtet. Diese relativ kleine Einheit hatte aber nur kurz Bestand und wurde 1826 dem Bezirk des Landgerichts Fürth zugeschlagen. Bereits 1839 wechselte die Zuständigkeit für Raidelbach erneut: Gerichtlich kam es zum Landgericht Zwingenberg, verwaltungsseitig zum Kreis Bensheim.
Anlässlich der Einführung des Gerichtsverfassungsgesetzes mit Wirkung vom 1. Oktober 1879 wurden die bisherigen großherzoglich hessischen Landgerichte durch Amtsgerichte an gleicher Stelle ersetzt, während die neu geschaffenen Landgerichte als Obergerichte fungierten. Erstinstanzlich zuständig war nun das Amtsgericht Zwingenberg im Bezirk des Landgerichts Darmstadt.[21]
Am 1. Mai 1902 wurde das Amtsgericht Bensheim neu errichtet und die Orte Bensheim, Elmshausen, Gadernheim, Gronau, Lautern, Raidelbach, Reichenbach, Schönberg, Wilmshausen und Zell bildeten den neuen Gerichtsbezirk.[22]
Einwohnerentwicklung
Quelle: Historisches Ortslexikon[19]
• 1439: | 7 Bewohner |
• 1961: | 65 evangelische (= 97,01 %), 2 katholische (= 2,99 %) Einwohner |
Raidelbach: Einwohnerzahlen von 1829 bis 2013 | ||||
---|---|---|---|---|
Jahr | Einwohner | |||
1829 | 77 | |||
1834 | 77 | |||
1840 | 75 | |||
1846 | 67 | |||
1852 | 74 | |||
1858 | 82 | |||
1864 | 83 | |||
1871 | 80 | |||
1875 | 77 | |||
1885 | 89 | |||
1895 | 95 | |||
1905 | 87 | |||
1910 | 84 | |||
1925 | 89 | |||
1939 | 82 | |||
1946 | 130 | |||
1950 | 124 | |||
1956 | 85 | |||
1961 | 67 | |||
1967 | 60 | |||
1970 | 63 | |||
1980 | ? | |||
2000 | ? | |||
2013 | 110 | |||
Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: Die Bevölkerung der Gemeinden 1834 bis 1967. Wiesbaden: Hessisches Statistisches Landesamt, 1968. Weitere Quellen: [19][1] |
Verkehr
Durch Raidelbach verlaufen die Kreisstraßen K 210 und K 55, die in bzw. bei Gadernheim von der als Nibelungenstraße bekannten Bundesstraße 47 abzweigen und über Breitenwiesen und Knoden nach Schannenbach führen.
Weblinks
- Ortsteil Raidelbach. In: Webauftritt der Gemeinde Lautertal.
- Raidelbach, Landkreis Bergstraße. Historisches Ortslexikon für Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Literatur über Raidelbach In: Hessische Bibliographie[23]
- Das Lautertal wird hessisch. (Memento vom 22. November 2015 im Internet Archive) Verschönerungsverein Reichenbach.
Einzelnachweise
- Ortsteil Raidelbach. In: Webauftritt der Gemeinde Lautertal. Abgerufen im August 2020.
- Wilhelm Müller: Hessisches Ortsnamenbuch - Starkenburg, Darmstadt 1937, S. 641–642
- Wilhelm Müller: Hessisches Ortsnamenbuch - Starkenburg, Darmstadt 1937, S. 569
- Wilhelm Müller: Hessisches Ortsnamenbuch - Starkenburg, Darmstadt 1937, S. 209–210
- Gustav Simon: Die Geschichte der Dynasten und Grafen zu Erbach und ihres Landes, Verlag Brönner, Frankfurt a. M. 1858, S. 147ff (online bei Google Books)
- Manfred Schaarschmidt: Die Geschichte Schönbergs. Januar 2003, archiviert vom Original am 27. März 2009; abgerufen am 15. Oktober 2015.
- Bekanntmachung, die Verwaltung der landräthlichen Geschäfte und der Justiz erster Instanz in dem vormaligen Amte Schönberg betr. vom 7. Juli 1826. In: Großherzoglich Hessisches Ministerium des Inneren und der Justiz. (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1826 Nr. 17, S. 178 (Online bei der Bayerischen Staatsbibliothek).
- M. Borchmann, D. Breithaupt, G. Kaiser: Kommunalrecht in Hessen. W. Kohlhammer Verlag, 2006, ISBN 3-555-01352-1, S. 20 (Teilansicht bei google books).
- Georg W. Wagner: Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen: Provinz Starkenburg. Band 1. Carl Wilhelm Leske, Darmstadt Oktober 1829, S. 193 (Online bei Google Books).
- Bezirksveränderung hinsichtlich der Kreise Bensheim und Heppenheim, … vom 26. Dezember 1839. In: Großherzoglich Hessisches Ministerium des Inneren und der Justiz (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1839 Nr. 37, S. 480 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 72,2 MB]).
- Schlagzeilen aus Bensheim zum 175-jährigen Bestehen des „Bergsträßer Anzeigers“ 2007. (PDF 8,61 MB) Ein furchtbarer Weg durchs Tal. S. 38, archiviert vom Original am 5. Oktober 2016; abgerufen am 28. Dezember 2014.
- Johann Friedrich Kratzsch: Neuestes und gründlichstes alphabetisches Lexicon der sämmtlichen Ortschaften der deutschen Bundesstaaten, Naumburg 1845, Band 2, S. 381 (online bei Hathi Trust, digital library)
- Gesetz über die Verhältnisse der Standesherren und adeligen Gerichtsherren vom 7. August 1848. In: Großherzog von Hessen (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1848 Nr. 40, S. 237–241 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 42,9 MB]).
- Verordnung, die Eintheilung des Großherzogtums in Kreise Betreffend vom 12. Mai 1852. In: Großherzoglich Hessisches Ministerium des Inneren (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt 1852 Nr. 30. S. 224–229 (Online bei der Bayerischen Staatsbibliothek digital [PDF]).
- Wolfgang Torge: Geschichte der Geodäsie in Deutschland. Walter de Gruyter, Berlin, New York 2007, ISBN 978-3-11-019056-4, S. 172 (Teilansicht bei google books).
- Philipp Alexander Ferdinand Walther: Das Großherzogthum Hessen nach Geschichte, Land, Volk, Staat und Oertlichkeit. Jonghans, Darmstadt 1854, S. 297 (online bei google books)
- Alphabetisches Verzeichniss der Wohnplätze im Grossherzogtum Hessen, 1869, S. 52 (online bei google books)
- Schlagzeilen aus Bensheim zum 175-jährigen Bestehen des „Bergsträßer Anzeigers“. (PDF; 9,0 MB) Die Entstehung des Kreises Bergstraße. 2007, S. 109, archiviert vom Original am 5. Oktober 2016; abgerufen am 9. Februar 2015.
- Raidelbach, Landkreis Bergstraße. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 8. Mai 2018). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Eingliederung der Gemeinden Kolmbach und Raidelbach in die Gemeinde Gadernheim im Landkreis Bergstraße vom 5. Januar 1971. In: Der Hessische Minister des Innern (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1971 Nr. 3, S. 110, Punkt 116 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 5,5 MB]).
- Verordnung zur Ausführung des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes und des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze vom 14. Mai 1879. In: Großherzog von Hessen und bei Rhein (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1879 Nr. 15, S. 197–211 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 17,8 MB]).
- Bekanntmachung, die Errichtung eines Amtsgerichts in Bensheim betreffend vom 26. März 1902. In: Großherzogliches Ministerium der Justiz (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1902 Nr. 19, S. 154 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 29,1 MB]).
- Info: Bitte auf Vorlage:HessBib umstellen, um auch nach 2015 erfasste Literatur zu selektieren!