Referendum über den Status der Krim
Das Referendum über den Status der Krim (russisch общекрымский референдум, ukrainisch загальнокримський референдум, krimtatarisch Umum Qırım referendumu) fand am 16. März 2014 in der zur Ukraine gehörenden Autonomen Republik Krim statt. Hintergründe des Referendums sind die Entwicklungen in der Ukraine infolge der Euromaidan-Proteste sowie militärische Angriffe von russischen Truppen ab dem 20. Februar 2014 zur Annexion der Krim.
Das Referendum wurde von einer Regierung unter Führung von Sergei Aksjonow von der Vier-Prozent-Kleinpartei Russische Einheit, die am 27. Februar 2014 handstreichartig die Macht übernommen hatte, angesetzt. Bei der Abstimmung im Regionalparlament waren nach Augenzeugenberichten maskierte bewaffnete Männer anwesend. Der Termin der Abstimmung wurde zweimal vorgezogen (erst vom 25. Mai auf den 30. März und dann auf den 16. März[1]).
Zur Wahl standen zwei Optionen; man konnte jedoch nicht für den Status quo vor Beginn der Annexion stimmen. Der Medschlis des Krimtatarischen Volkes sprach sich für einen Boykott des Referendums aus. Die Völkerrechtlerin Anne Peters bezeichnete den nicht den Vorgaben der Venedig-Kommission entsprechenden Vorgang einen „Missbrauch des Referendumsinstruments“.[2]
Vorgeschichte
Entmachtung des Ministerpräsidenten Anatolij Mohiljow und Abstimmung über Referendum
Am frühen Morgen des 27. Februar 2014 besetzten schwerbewaffnete Kräfte das Gebäude des Regionalparlaments der Krim in Simferopol, hissten die russische Flagge und errichteten Barrikaden.[3]
Die folgende Sondersitzung fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.[4][5]
Zutritt zu der Parlamentssitzung erhielten nur Abgeordnete, die von Aksjonow eingeladen wurden.[6] Diese wurden durchsucht und mussten ihre Mobiltelefone abgeben.[7] Es wird bezweifelt, dass diese Gruppe Parlamentarier frei nach ihrem Gewissen abgestimmt hat, da sich währenddessen schwer bewaffnete Männer in den Flügeln des Gebäudes befanden.[6]
Laut der Pressesprecherin des Parlaments sollen 61 von 64 anwesenden Abgeordneten für ein Referendum über die Unabhängigkeit der Krim gestimmt haben. Einer anderen Darstellung zufolge seien bei der Abstimmung 81 Abgeordnete anwesend gewesen, von denen 78 für die Erklärung gestimmt haben sollen, 19 Abgeordnete seien der Abstimmung ferngeblieben.[8] Nach Recherchen des Aftenposten seien jedoch 36 Abstimmungsberechtigte anwesend gewesen, und damit zu wenige, um die Beschlussfähigkeit herzustellen (mindestens 51 Mitglieder). Auch seien Stimmen von Parlamentsmitgliedern gezählt worden, die nicht anwesend waren.[7] Dies habe mindestens 10 der abgegebenen Stimmen betroffen, für die aus dem Safe des Parlaments entwendete Duplikate der Stimmkarten verwendet worden seien. Manche Abgeordnete, deren Stimmen registriert wurden, seien nicht einmal in Simferopol gewesen.[9]
Die Darstellungen der verschiedenen verfügbaren Quellen über Zahl der anwesenden Abgeordneten und Abstimmungsergebnis differieren also massiv. Am 24. Januar 2015 sprach der Separatistenführer Igor Girkin im russischen Fernsehen davon, dass die „Volkswehr die Abgeordneten einsammeln musste, damit sie Gesetze beschließen“.[10]
In der gleichen Sitzung wurde der seit November 2011 amtierende Ministerpräsident der Krim, Anatolij Mohiljow, von der Partei der Regionen abgesetzt und Sergei Aksjonow (Russische Einheit) gewählt, dessen Partei bei der letzten Wahl 4 % der Stimmen erhalten hatte.[11]
Stattfinden sollte das Referendum am 25. Mai 2014, zeitgleich mit den Präsidentschaftswahlen in der Ukraine.[12] Am 1. März 2014 verkündete Aksjonow jedoch, das Unabhängigkeitsreferendum bereits am 30. März abhalten zu wollen.[13] Am 6. März beschloss das Parlament der Autonomen Republik Krim eine erneute Vorverlegung des Termins auf den 16. März.[14]
Entwicklungen bis zum Referendum
Der Medschlis des krimtatarischen Volkes gab bekannt, er halte das Referendum für illegal, und rief die krimtatarische Bevölkerung zum Boykott auf.[15][16] Die ukrainische Regierung unter Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk (AVV) in Kiew erklärte den Machtwechsel in Simferopol für illegal.
Die Regierung in Kiew bezeichnete das geplante Referendum der Krim ebenfalls als illegal und nicht mit der ukrainischen Verfassung vereinbar – die Regierung der Krim überschreite damit ihre verfassungsmäßigen Kompetenzen. Interimspräsident Oleksandr Turtschynow erließ daher ein Dekret zur Annullierung der Entscheidung des Parlaments der Autonomen Republik Krim,[17] worauf dieses wiederum mit dem Hinweis reagierte, nur das Verfassungsgericht der Ukraine sei befugt, seine Beschlüsse außer Kraft zu setzen.[18] Der deutsche Völkerrechtler Stefan Talmon bezeichnete die Entscheidung des Krimparlaments als „verfassungs- und völkerrechtlich unerheblich, weil sie nicht mit der Verfassung der Ukraine in Einklang steht“.[19][20]
Russlands Präsident Wladimir Putin erklärte zuvor, dass Russland zwar keinen Anschluss der Krim plane, aber das Volk der Halbinsel darüber frei entscheiden könne.[21] Am 28. Februar brachte die Partei Gerechtes Russland eine Gesetzesvorlage in die russische Duma ein, die die Annexion ausländischer Gebiete vereinfachen soll, bei denen keine funktionierende Zentralregierung vorhanden ist.[22][23]
Der Stadtrat von Sewastopol, das der Autonomen Republik Krim nicht angehört, stimmte am 6. März 2014 ebenfalls für den Beitritt zu Russland und für die Teilnahme am Referendum vom nun abermals vorgezogenen Termin am 16. März.[24][25]
Am 11. März 2014 beschloss das Krimparlament die Schritte, die eingeleitet werden sollen, sollte in dem Referendum für eine Abspaltung von der Ukraine gestimmt werden. Die Unabhängigkeit der Krim inklusive Sewastopols als Republik Krim soll zunächst erklärt werden, um dann ein Aufnahmegesuch an die Russische Föderation zu stellen.[26] Man wolle ein demokratischer, säkularer und multiethnischer Staat werden und berufe sich unter anderem auf das Rechtsgutachten zur Gültigkeit der Unabhängigkeitserklärung Kosovos des Internationalen Gerichtshofs vom 22. Juli 2010, wonach eine einseitige Unabhängigkeitserklärung nicht gegen das Völkerrecht verstoße.[27] Bei der Verkündung des Gutachtens im Jahre 2010 bezeichnete Russland die Ausführungen des IGHs als „juristisch nicht sauber und rein politisch“.[28] Zudem betonte der IGH bei seiner Empfehlung, dass die Abspaltung nach einer Empfehlung eines UN-Sonderbeauftragten stattgefunden hat. Eine solche Empfehlung gibt es für die Krim nicht.[29]
Am 11. März 2014 wurde vom Parlament der Krim mit 78 von 81 anwesenden Abgeordneten die dem Referendum vorgreifende Unabhängigkeitserklärung der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol verabschiedet.[8][30] Die Regierung der Krim kündigte zudem an, im Falle einer Loslösung von der Ukraine die auf der Krim befindlichen ukrainischen Flottenstützpunkte und Kraftwerke zu beschlagnahmen. Diese Schritte nahm die Regierung in Kiew zum Anlass, die Regierung der Krim ultimativ aufzufordern, das Referendum bis zum 12. März abzusagen.[31]
Am 13. März 2014 erörterte das ukrainische Verfassungsgericht die Gültigkeit der Entscheidung des Krimparlaments über die Durchführung des Referendums.[32] Das geplante Referendum wurde am 14. März 2014 für unzulässig erklärt.[33]
Das Krimparlament lud die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ein, das Referendum zu beobachten.[34] Die OSZE lehnte die Beobachtung ab, weil das Referendum verfassungswidrig sei und keine Einladung des ukrainischen Staates vorliege.[35] OSZE-Militärbeobachter waren zuvor an der Einreise auf die Krim selbst durch bewaffnete Kräfte gehindert worden.[36]
In den Tagen vor dem Referendum gab es eine großangelegte Kampagne für den Beitritt zur Russischen Föderation. Auf Wahlplakaten wurde die Krim mit einem Hakenkreuz und Stacheldraht einer Krim in den Farben der russischen Flagge gegenübergestellt.[37] Auf anderen waren Parolen zu lesen wie „Der Faschismus wird nicht durchkommen. Alle zum Referendum.“[38]
Laut Angaben von Girkin unterstützten die ukrainischen Polizisten und Soldaten das Referendum nicht. Sie gehorchten weiterhin den Befehlen der ukrainischen Staatsführung.[39]
Ablauf der Wahl
Wahlmodus
Am 16. März 2014 begann das Referendum zum Status der Krim. Rund 1,5 Millionen Wahlberechtigte konnten in 1200 Wahllokalen eine aus zwei Optionen (jeweils in den Sprachen Russisch, Ukrainisch und Krimtatarisch aufgeführt) auswählen:[40]
- Sind Sie für eine Wiedervereinigung der Krim mit Russland mit den Rechten eines Subjekts der Russischen Föderation?
- Sind Sie für eine Wiederherstellung der Gültigkeit der Verfassung der Republik Krim von 1992 und für einen Status der Krim als Teil der Ukraine?
Dieses Vorgehen ignoriert erstens die Definition der Venedig-Kommission, deren Prinzip eine JA- oder NEIN-Auswahl vorgibt. Zweitens verletzt die Fragestellung das Prinzip der Eindeutigkeit; Tatsache ist, dass während des Jahres 1992 zwei verschiedene Verfassungen in Kraft waren, womit die zweite Option doppeldeutig ist.[41] Ob die Halbinsel bei einer Rückkehr zu einer Verfassung von 1992 unabhängig bliebe oder ob es nur um eine Ausweitung der Autonomierechte bei Verbleib im ukrainischen Staatsverband ginge, geht aus den Fragen des Referendums nicht hervor. Wer aber eine Änderung der Verfassung ablehnen wollte, konnte dies nicht kund tun. Eine Wahlmöglichkeit für den Status quo, also für das Verbleiben in der Ukraine ohne die Wiederherstellung einer Verfassung von 1992, gab es nicht.[42][43][44]
Ablauf der Wahl und Wahlbeteiligung
Die rund 1205 Wahllokale öffneten unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen um 8.00 Uhr Ortszeit und schlossen um 19.00 Uhr Ortszeit.
Wenige Stunden nach der Öffnung der Wahllokale erklärte Sergei Aksjonow im russischen Fernsehen, dass die Wahlbeteiligung bereits bei annähernd 50 Prozent liege. Michail Malyschew, der Leiter der Wahlkommission der Autonomen Republik Krim, bestätigte um ca. 12:00 Uhr Ortszeit eine Wahlbeteiligung von 42,27 Prozent oder 670.631 Wählern.[45]
Wie in der Ukraine üblich, wurden transparente Wahlurnen und Stimmzettel ohne Umschläge verwendet. Es blieb den Wählern überlassen, ihre Stimmzettel zu falten oder nicht (und damit offen abzustimmen).[46][47]
Das Dokument des Kopenhagener Treffens der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa der Konferenz über die Menschliche Dimension der KSZE vom 29. Juni 1990 schreibt in Punkt 5.1 und 7.4 geheime Abstimmungen vor.[48] Russland und die Ukraine wurden 1992 KSZE-Mitglieder.
Offizielles Wahlergebnis
Der Leiter der Wahlkommission, Michail Malyschew, gab ein vorläufiges Ergebnis bekannt, wonach 95,5 Prozent der abgegebenen Stimmen sich für eine Wiedervereinigung der Krim mit Russland mit den Rechten eines Subjekts der Russischen Föderation aussprachen. Für eine Wiederherstellung der Gültigkeit der Verfassung der Republik Krim von 1992 und für einen Status der Krim als Teil der Ukraine hätten 3,5 Prozent gestimmt, und 1,0 Prozent seien ungültige Stimmzettel gewesen. Die Wahlbeteiligung habe rund 82 Prozent betragen.
Nach späteren Angaben der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti sprachen sich 96,77 % der Abstimmenden – entsprechend 1,233 Millionen Stimmen – für einen Anschluss an Russland aus; die Wahlbeteiligung habe 83,1 % betragen.[49] Insbesondere die Krimtataren boykottierten mehrheitlich die Abstimmung.[50]
Reaktionen
Umgang mit ausländischen Journalisten
Ausländische Journalisten wurden vor dem Referendum bedrängt. Die ganze Woche über kam es zu Zwischenfällen, bei denen Reporter von prorussischen Milizen angegriffen, geschlagen und ihrer Ausrüstung beraubt wurden. Am Abend vor der Abstimmung stürmten Bewaffnete das Hotel Moskva (in Simferopol) und durchsuchten Zimmer von Reportern.[1]
Diplomatie
Die Vertreter der G8-Staaten (außer Russland) sowie die Präsidenten des Europarates und der EU-Kommission erklärten am 12. März 2014, das geplante Referendum der Krim nicht anzuerkennen. Eine russische Annexion der Krim würde die Charta der Vereinten Nationen, Russlands Verpflichtungen aus der Helsinki-Schlussakte von 1975, aus dem Freundschaftsvertrag und dem Flottenstationierungsvertrag mit der Ukraine von 1997 und aus dem Budapester Memorandum von Dezember 1994 verletzen.[51]
Das Europäische Parlament unterstützte dies am 13. März 2014 in einer nichtlegislativen Entschließung.[52] Es fordert den unverzüglichen Rückzug derjenigen russischen Streitkräfte, die rechtswidrig auf dem Gebiet der Ukraine stationiert sind. Die russischen Vorwürfe seien unbegründet. Die Abgeordneten forderten die ukrainische Regierung auf, die Rechte von Angehörigen nationaler Minderheiten, einschließlich der Rechte der russischsprachigen Ukrainer, uneingeschränkt zu schützen. Sie verlangten die Einführung einer neuen, weitreichenden Sprachenregelung, durch die alle Minderheitensprachen gefördert werden. Die zwischen dem Europäischen Parlament und der russischen Staatsduma sowie dem Föderationsrat bestehende Zusammenarbeit könne nicht wie bisher fortgeführt werden.
Am 15. März legte Russland sein Veto gegen eine Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen ein, die das Unabhängigkeitsreferendum der Krim am 16. März als ungültig bezeichnen sollte. Die UNO-Vetomacht China enthielt sich der Stimme, die übrigen Mitglieder des Rates stimmten dafür.[53] Als Grund für das Veto gab der ständige Vertreter Witali Tschurkin an, dass es sich bei der im Resolutionstext genannten Übergangsregierung der Ukraine nicht um die am 21. Februar vereinbarte „Übergangsregierung der nationalen Einheit“ handele. Die unterlassene Entwaffnung der noch radikaleren Organisation „Rechter Sektor“ bezeichnete Tschurkin als weiteren Verstoß gegen das Abkommen vom 21. Februar.[54] Dass China sich durch seine Enthaltung nicht auf die Seite Russlands gestellt hatte, führten westliche Diplomaten auf den Verstoß des Referendums auf der Krim gegen die von China im UN-Sicherheitsrat vertretenen Grundprinzipien der territorialen Integrität und der Nichteinmischung zurück.[55] Der Vertreter der Vetomacht Frankreich, Gérard Araud, bezeichnete das Veto Russlands als russische Niederlage.[53]
Nach der Abstimmung betonte die deutsche Bundesregierung, dass das Referendum, die Unabhängigkeitserklärung und die Aufnahme der Krim in die Russische Föderation internationalem Recht widerspreche.[56][57]
Am 18. März erklärte das kasachische Außenministerium, das Referendum sei der freie Ausdruck des Willens der Bevölkerung, und begrüßte das Vorgehen der Russischen Föderation.[58] Die argentinische Präsidentin Kirchner verglich das Referendum mit dem vor einem Jahr auf den Falkland-Inseln stattgefundenen Referendum und gab die Passage zum Selbstbestimmungsrecht der Völker aus der UN-Charta wieder.[59] Das Falkland-Referendum hatte sie selbst als „Parodie“ bezeichnet und bereits im Vorfeld nicht anerkannt.[60][61][62]
Mit großer Mehrheit beschloss die UN-Vollversammlung am 27. März 2014 eine nicht-bindende Resolution, in welcher das Referendum als „ungültig“ bezeichnet wird („[…] Underscores that the referendum held in the Autonomous Republic of Crimea and the city of Sevastopol on 16 March 2014, having no validity […]“). Für diese Resolution stimmten 100 Staaten, dagegen stimmten 11 Staaten (darunter: Russland, Nordkorea, Syrien, Kuba, Weißrussland) und 58 Länder enthielten sich (darunter: China und Kasachstan).[63][64][65] Danach behauptete Russlands ständiger UN-Vertreter Witali Tschurkin, dass der Westen eine Vielzahl der Staaten, die für die Resolution gestimmt haben, im Vorfeld der Abstimmung unter erheblichen Druck (besonders wirtschaftlicher Natur) gesetzt habe. Jedoch nannte Tschurkin keine Beispiele von angeblich erpressten Staaten.[66][67][68]
Menschenrechtsrat beim russischen Präsidenten
Ende April 2014 veröffentlichte der Menschenrechtsrat beim russischen Präsidenten einen Bericht über „Probleme der Krimbevölkerung“. Laut dem Bericht hätten „50 bis 60 Prozent der Stimmbürger für den Anschluss gestimmt, bei einer Wahlbeteiligung von 30 bis 50 Prozent“. Viele derjenigen, die für einen Anschluss gestimmt hätten, hätten eigentlich mit ihrer Stimme „gegen die Willkür und Korruption der vom gestürzten Präsidenten Wiktor Janukowitsch ernannten Regionalführung“ protestieren wollen. Der Menschenrechtsrat besuchte die Krim Mitte April 2014 mit einer Delegation, der auch die Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina angehörte.[69][70] Auf der Website des Menschenrechtsrates war zunächst von nur 30 % Wahlbeteiligung die Rede. Diese Angabe verschwand wenig später wieder von der Webseite; ein anderer Bericht nannte die oben angegebenen Anteile.[71]
Weitere Einschätzungen
Nach dem Historiker Andreas Kappeler dürfte eine Mehrheit der Bevölkerung für einen Anschluss gestimmt haben, viele „in der Hoffnung auf einen höheren Lebensstandard“. Zusätzlich erwähnt er, dass das Referendum internationalen Standards nicht genügt habe und die Ergebnisse gefälscht worden seien.[72][73] Historiker wiesen auch vor der Annexion auf diesen „Sonderfall“ des 60-prozentigen russischen Bevölkerungsanteils (Andreas Umland) hin oder benannten die „ziemlich einmalige“ (Anne Applebaum) Bevölkerungszusammensetzung mit einer großen "Anzahl pensionierter sowjetischer Militärs"[74] und Rentnern aus der ehemaligen Sowjetunion.[75][76]
Völkerrechtliche Einschätzungen
Anne Peters bezeichnete den nicht den Vorgaben der Venedig-Kommission entsprechenden Vorgang einen „Missbrauch des Referendumsinstruments“.[2] Die Venedig-Kommission hatte die Vorgänge in einer Untersuchung in folgenden Punkten verurteilt:[77]
- Das Referendum stand im Widerspruch zur ukrainischen Verfassung;
- die Fragestellung war mehrdeutig;
- es gab Berichte über extensiven Wahlbetrug;
- es ist keine neutrale, unabhängige Wahlwerbung vor dem Referendum in nur 10 Tagen zwischen Ankündigung und tatsächlicher Abhaltung möglich gewesen;
- eine unabhängige Wahlbeobachtung ist nicht möglich gewesen.
- das Referendum hat in einem nicht befriedeten Gebiet stattgefunden.
Der letzte Punkt war nach Meinung von Peter Hilpold der gravierendste.[78]
Luzius Wildhaber seinerseits fasste zusammen: „Das Krim-Plebiszit war somit illegal und manipuliert.“[73]
Literatur
- Anne Peters: Das Völkerrecht der Gebietsreferenden. Das Beispiel der Ukraine 1991–2014. In: Osteuropa Nr. 5–6/2014, S. 101–134.
Weblinks
Einzelnachweise
- Krim-Referendum: Putins Scheinsieg, Spiegel Online, 16. März 2014.
- The Crimean Vote of March 2014 as an Abuse of the Institution of the Territorial Referendum, Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law; University of Basel – Faculty of Law, 8. Juli 2014.
- Umbruch in der Ukraine: Kiew warnt Russland vor Truppenbewegungen, FAZ vom 26. Februar 2014.
- Andrew Higgins: Grab for Power in Crimea Raises Secession Threat, NYT vom 27. Februar 2014, abgerufen am 10. März 2014.
- Christian Rothenberg: Der kuriose Aufstieg Aksjonows – Putins Handlanger auf der Krim, n-tv vom 6. März 2014, abgerufen am 4. April 2014.
- Simon Shuster: Putin’s Man in Crimea Is Ukraine’s Worst Nightmare, Time Magazine vom 10. März 2014, abgerufen am 4. April 2014 (englisch).
- Per Kristian Aale: Voting fraud secured pro-Russian majority in Crimean parliament (Memento vom 9. März 2014 im Internet Archive), Aftenposten vom 9. März 2014 (englisch).
- Vor Referendum über Russland-Beitritt: Krim erklärt sich formell für unabhängig, Spiegel Online, 11. März 2014.
- Alissa de Carbonnel: RPT-INSIGHT-How the separatists delivered Crimea to Moscow, Reuters vom 13. März 2014, abgerufen am 4. April 2014 (englisch).
- Putins „Schütze“ entlarvt Krim-Separatisten, n-tv.de, 26. Januar 2015, abgerufen am 26. Januar 2015.
- RP Online: Referendum auf der Krim. Stimmzettel: Russland duldet keinen Platz für ein „Njet“. 14. März 2014
- Crimean parliament sacks regional government, approves referendum, RT News vom 27. Februar 2014, abgerufen am 12. März 2014
- Sergei L. Loiko: New Crimea leaders move up referendum date, LA Times vom 1. März 2014, abgerufen am 6. März 2014
- Tim Sullivan und Yuras Karmanau: Crimea Referendum Vote On Joining Russia Scheduled For March 16, Huffington Post vom 6. März 2014, abgerufen am 6. März 2014
- Crimean Tatar Leader Tells People To Stay At Home, Avoid Confrontations. Rferl.org, 2. März 2014, abgerufen am 7. März 2014.
- Statement of Mejlis of the Crimean Tatar People as Regard to Announcement of «Crimean Referendum» by Verkhovna Rada of Autonomous Republic of Crimea. Medschlis des Krimtatarischen Volkes, 6. März 2014, abgerufen am 18. März 2014 (englisch).
- Kiew bezeichnet Referendum als illegal. Neuer Zürcher Zeitung, abgerufen am 12. März 2014.
- Ukrainischer Übergangspräsident verbietet Krim-Referendum (Memento vom 7. März 2014 im Internet Archive)
- Völkerrechtler zur Situation auf der Krim: „Krim hat allein nichts zu entscheiden“. tagesschau.de, 7. März 2014, abgerufen am 8. März 2014.
- Interview zur Krise in der Ukraine: „Putins Argumente sind fadenscheinig“. tagesschau.de, 5. März 2014, abgerufen am 8. März 2014.
- Krim-Parlament für Anschluss an Russland, NZZ vom 6. März 2014
- Russian Lawmakers Push to Simplify Annexing New Territories (Memento vom 1. März 2014 im Internet Archive)
- Crimean Lawmakers Coordinate With Russians To Push Annexation
- Депутаты Севастопольского городского совета приняли решение об участии населения города в проведении общекрымского референдума (Memento vom 11. März 2014 im Internet Archive)
- Stadtrat von Sewastopol stimmt für Beitritt zu Russland (Memento vom 7. März 2014 im Internet Archive)
- Steven Erlanger und David M. Herszenhorn: Air Links Are Severed as Russia Tightens Its Grip on Crimean Peninsula, NYT vom 11. März 2014, abgerufen am 11. März 2014
- Парламент Крыма принял Декларацию о независимости АРК и г. Севастополя (Memento vom 11. März 2014 im Internet Archive)
- FAZ.NET mit wie.: Bosnische Serben drohen ebenfalls mit Abspaltung. In: FAZ.net. 23. Juli 2010, abgerufen am 13. Oktober 2018.
- Unabhängigkeitserklärung des Kosovos nicht völkerrechtswidrig. In: FAZ.net. 22. Juli 2010, abgerufen am 13. Oktober 2018.
- Stuttgarter Nachrichten: Krim-Regierung will ukrainische Schiffe beschlagnahmen vom 11. März 2014
- Parlament in Kiew stellt Krim-Regierung Ultimatum. Frankfurter Allgemeine Zeitung, abgerufen am 12. März 2014.
- ПРЕС-СЛУЖБА КОНСТИТУЦІЙНОГО СУДУ УКРАЇНИ (Memento vom 13. März 2014 im Webarchiv archive.today)
- Справа 1-13/2014 (Memento vom 14. März 2014 im Internet Archive)
- Crimean Parliament Sends OSCE Invitation To Monitor Referendum
- OSCE Chair says Crimean referendum in its current form is illegal and calls for alternative ways to address the Crimean issue
- Bewaffnete verweigern OSZE-Beobachter Zugang zur Krim Die Zeit vom 7. März 2014
- Die sieben wichtigsten Fragen zum Krim-Referendum, Focus am 13. März 2014
- Nervosität vor dem Referendum, Deutsche Welle vom 14. März 2014.
- Wir haben sie zur Abstimmung getrieben, NZZ
- Der Stimmzettel für das Krim-Referendum, Wiener Zeitung am 15. März 2014
- Christian Marxsen: The Crimea Crisis – An International Law Perspective (= Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Band 74, Nr. 2). 2014, S. 367–391 (PDF).
- Richard Balmforth: No room for 'Nyet' in Ukraine's Crimea vote to join Russia. In: Reuters, 11. März 2014.
- Kateryna Choursina und Andrea Dudik: Crimea Referendum Offers Taste of Democracy 'Under Guns. In: Bloomberg Businessweek, 10. März 2014.
- tagesschau.de (Memento vom 15. März 2014 im Internet Archive)
- Hohe Beteiligung am Krim-Referendum. In: Südtirol news. 16. März 2014, archiviert vom Original am 19. März 2014; abgerufen am 2. April 2014 (14:44 MEZ).
- Krim-Referendum. Mehrheit für Beitritt zu Russland. heute.de, 16. März 2014, archiviert vom Original am 16. März 2014; abgerufen am 2. April 2014 (Newsticker, Meldung von 12:13 Uhr MEZ).
- Das Referendum auf der Krim im Rückblick. sueddeutsche.de, 16. März 2014, abgerufen am 2. April 2014 (Fotoserie).
- Dokument des Kopenhagener Treffens der Konferenz über die Menschliche Dimension der KSZE. (PDF, 69 kB) S. 4, 5, 7, abgerufen am 2. April 2014: „5.1: Freie Wahlen werden in angemessenen Zeitabständen in geheimer Abstimmung oder durch ein gleichwertiges freies Abstimmungsverfahren unter Bedingungen abgehalten, die die freie Äußerung der Meinung der Wähler bei der Wahl ihrer Vertreter tatsächlich gewährleisten […] 7.1: …in angemessenen Zeitabständen freie Wahlen abhalten, wie das Gesetz es vorschreibt…“
- Krim-Referendum: 96,77 Prozent stimmen für Wiedervereinigung mit Russland – Endergebnis. RIA Novosti, 17. März 2014, archiviert vom Original; abgerufen am 17. März 2014.
- Steffen Honig: Magdeburger Experte: Krimtataren fürchten russische Herrschaft. Volksstimme, 18. März 2014, abgerufen am 18. März 2014.
- Statement of G-7 Leaders on Ukraine
- Parlament verurteilt Invasion der Krim und fordert Rückzug aller Streitkräfte
- Russia vetoes U.N. resolution against Crimea referendum, Reuters vom 15. März 2014, abgerufen am 15. März 2014.
- Vitaly Churkin: dissidents in Ukraine are threatened with violence (Memento vom 15. März 2014 im Internet Archive), Kharkov News Agency, 15. März 2014.
- La résolution sur la Crimée rejetée à l’ONU, Le Monde vom 15. März 2014, abgerufen am 15. März 2014
- www.bundeskanzlerin.de
- tagesschau.de (mit vielen weiteren Links)
- Kazakhstan affirmed Crimean referendum (Memento vom 19. März 2014 im Internet Archive), Kharkov News Agency, 18. März 2014.
- Argentina President supports Crimea choice (Memento vom 19. März 2014 im Internet Archive), Kharkov News Agency, 18. März 2014.
- Falklandinseln stimmen über Zugehörigkeit zu Großbritannien ab. dpa, 10. März 2013, abgerufen am 27. März 2014.
- Falklands referendum: Islanders vote on British status. BBC News, 10. März 2013, abgerufen am 27. März 2014 (englisch).
- Kirchner nennt Referendum auf Falklandinseln „Parodie“ (Memento vom 8. April 2014 im Internet Archive), Zeit Online, 13. März 2013. Abgerufen am 27. März 2014.
- http://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=A/68/L.39
- http://www.un.org/News/Press/docs//2014/ga11493.doc.htm
- Ukraine-Krise: UN-Vollversammlung verurteilt Annexion der Krim. In: Zeit Online. 27. März 2014, abgerufen am 1. April 2014.
- Russia criticizes U.N. resolution condemning Crimea’s secession. Reuters, 28. März 2014, abgerufen am 2. April 2014 (englisch).
- West pressures 50 countries over UN vote: Russia. PressTV, 30. März 2014, abgerufen am 2. April 2014 (englisch).
- UN vote shows Russia far from isolated – Churkin. Russia Today, 28. März 2014, abgerufen am 2. April 2014 (englisch).
- Christian Weisflog: Krim-Referendum stark gefälscht. Neue Zürcher Zeitung, 5. Mai 2014, abgerufen am 5. Mai 2014.
- Проблемы жителей Крыма. Menschenrechtsrat beim russischen Präsidenten, 21. April 2014, abgerufen am 5. Mai 2014 (russisch, Bericht „Probleme der Krimbevölkerung“).
- Krim-Krise. Website beweist Wahlfälschung. Archiviert vom Original am 9. Mai 2014; abgerufen am 10. Mai 2014.
- Andreas Kappeler: Kleine Geschichte der Ukraine. Beck, München 2014, ISBN 978-3-406-67019-0, S. 354.
- Luzius Wildhaber: Krim, Ostukraine und Völkerrecht (PDF).
- Julia Korbik, Thore Barfuss: "Wo bist du, Europa?" Die amerikanisch-polnische Pulitzer-Preisträgerin Anne Applebaum hat eine ganz eigene Perspektive auf Europa. Ein Gespräch mit Julia Korbik und Thore Barfuss über Großmächte und russisches Geld. In: The European. 1. Mai 2015, abgerufen am 4. März 2022.
- „Wo bist du, Europa?“, The European, 1. Mai 2015.
- Die Schwarzmeerflotte wird von Putin bloss vorgeschoben, SRF, 4. März 2014.
- Venedig-Kommission: Opinion on “whether the decision taken by the Supreme Council of the Autonomous Republic of Crimea in Ukraine to organise a referendum on becoming a constituent territory of the Russian Federation or restoring Crimea’s 1992 Constitution is compatible with constitutional principles”, 21. März 2014, Opinion 762/2014, CDL-AD(2014)002 (online).
- Peter Hilpold: Die Ukraine-Krise aus völkerrechtlicher Sicht: ein Streitfall zwischen Recht, Geschichte und Politik, SZIER, Heft 2/2015, S. 177 (PDF).