Kunstsammlungen Chemnitz – Museum am Theaterplatz
Das Museum am Theaterplatz gehört zu den Kunstsammlungen Chemnitz. Es ist im 1909 eröffneten Gebäude des König-Albert-Museums untergebracht, das an der Südseite des Theaterplatzes seht.
Geschichte
Sammlungsbeginn Ende des 18. Jahrhunderts
Das Museum am Theaterplatz ist ein kunsthistorisches Museum mit einer seit 1866 entstandenen Sammlung. Zeitlich begann der Bestand der Malerei Ende des 18. Jahrhunderts und der der Skulpturen Mitte des 19. Jahrhunderts. Schwerpunkte der Grafik bilden das 19. und 20. Jahrhundert (Honoré Daumier, Karl Schmidt-Rottluff, Pablo Picasso, Wolfgang Mattheuer, Lyonel Feininger u. a.). Den heterogensten Bestand zeigt das Kunstgewerbe mit Koptischen Stoffen aus dem 4. bis 8. Jahrhundert und bedeutenden europäischen Textil-, Plakate- und Tapetensammlungen.
Das Museum besitzt die weltweit einzige museale Strumpfkollektion mit 4000 Exemplaren aus den Jahren 1880 bis 1910. Der finanzielle Wohlstand der Region fiel mit der Entstehung der Moderne zusammen. Karl Schmidt-Rottluff (1884–1976) wurde in Chemnitz geboren, Erich Heckel (1883–1970) und Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938) verbrachten ihre Schulzeit hier. Ebenso ist eine große Anzahl wertvoller Kunstwerke des Hauses mäzenatischem Handeln wohlhabender Chemnitzer Unternehmer und Kunstfreunden zu danken. Dazu gehört die Familie Vogel (Koptische Stoffe, 1899), Erich Goeritz (1127 Lithografien von Honoré Daumier, 1926), Familie Harald Loebermann (300 Arbeiten auf Papier von Lyonel Feininger, 2009) und Hartmut Koch (850 Werke von Wolfgang Mattheuer, 2002/2009). Meilensteine in der Rückkaufgeschichte von Kunstwerken waren unter anderem Kopf eines Denkers von Wilhelm Lehmbruck, Ausblick aus der Villa Romana von Max Beckmann oder Käte und Hugo Perls von Edvard Munch, die der Sammlung durch die Aktion der so genannten „Entarteten Kunst“ entzogen wurden.
Gemäldesammlung
Die Gemäldesammlung der Kunstsammlungen Chemnitz mit rund 1400 Werken reicht von der Kunst des späten 18. Jahrhunderts bis in die unmittelbare Gegenwart. Bereits in den 1920er Jahren wurde das Sammlungsspektrum auf die Entwicklung der deutschen Kunst mit dem Schwerpunkt der klassischen Moderne ausgerichtet. Werke der expressionistischen Künstlergruppe Die Brücke und ihres Mitglieds Karl Schmidt-Rottluff bestimmen den Bestand zum frühen 20. Jahrhundert. Gemälde der Zeitgenossen Ferdinand Hodler, Edvard Munch, Max Beckmann und Karl Hofer betonen den internationalen Rang der Chemnitzer Sammlung. Chronologisch setzt die Sammlung mit mehreren hundert Gemälden der Romantik aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen ersten Schwerpunkt vor allem in der Gattung Landschaftsmalerei. Die Maler Caspar David Friedrich, Carl Gustav Carus, Johan Christian Dahl, Carl Blechen und Ernst Ferdinand Oehme sind mit Werkbeispielen vertreten.
Um 1870 gelangten vor allem Jüngere in Kenntnis der französischen impressionistischen Malerei zu einer neuen künstlerischen Auffassung und setzten diese der vorherrschenden nazarenischen und Historienmalerei entgegen. In der Sammlung findet sich dazu eine umfangreiche Werkgruppe mit Gemälden unter anderem von Louis Eysen, Wilhelm Claudius, Wilhelm Trübner, Fritz von Uhde und Anderen. Gemälde der Hauptvertreter des deutschen Impressionismus, Max Liebermann, Lovis Corinth und Max Slevogt, markieren den Höhepunkt dieser umfangreichen, über fünf Jahrzehnte reichenden Kollektion. Das breite Spektrum an Malstilen um 1900 ist vor allem mit Werken des Symbolismus belegt, besonders von den in Dresden arbeitenden Künstlern Sascha Schneider, Oskar Zwintscher, Karl Mediz und Hans Unger. Die mit dem Expressionismus einsetzende Erneuerung der deutschen Kunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts führte in den Jahren der Weimarer Republik zu vielfältigen künstlerischen Tendenzen. In der Sammlung spiegelt sich das unter anderem in den Werken der Spätexpressionisten Georg Tappert, Wilhelm Rudolph und Max Kaus, und führt hin zu ersten abstrakten Auffassungen in Gemälden Fritz Winters und Max Ackermanns vom Beginn der 1930er Jahre.
Die umfangreiche Sammlung von Exponaten aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist einerseits von in der DDR entstandenen Werken und anderseits durch Beispiele westeuropäischer Kunst geprägt: Beide Richtungen sind durch gegenständlich als auch abstrakt arbeitende Künstler repräsentiert. Gemälde von Bernhard Heisig, Hartwig Ebersbach, Jörg Immendorff und Markus Lüpertz korrespondieren mit denen von Willy Wolff, K. O. Götz, Eberhard Göschel, Carsten Nicolai, Georg Baselitz, Imi Knoebel und Günther Förg.
Skulpturensammlung
Die Skulpturensammlung umfasst Bildwerke vom späten 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, wobei Werke deutscher Künstler überwiegen, die Plastiken der zeitgenössischen Kunst aber eine internationale Ausprägung aufweisen. Ein Schwerpunkt des Bestandes liegt auf Arbeiten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Thematisch wird das Gesicht der Sammlung durch figurative Kunst geprägt und zum Ende des 20. Jahrhunderts durch abstrakte Positionen erweitert. Die Bildgattung des Porträts durchzieht mit ihren Entwicklungslinien die gesamte Sammlung und beginnt mit einem Lauchhammer-Eisenguss von Joseph Mattersberger. Rund sechzig Jahre später vertritt der Kopf von Ernst Rietschel eine eher klassizistische Porträtauffassung.
Wegweisend für die Moderne werden Skulpturen des Franzosen Auguste Rodin. In der zweiten Dekade des 20. Jahrhunderts löst sich Wilhelm Lehmbruck ganz von der realistischen Darstellung einer spezifischen Person und konzentriert die Aussage auf den Gehalt des menschlichen Geistes. Lehmbrucks Steingussplastik „Kopf eines Denkers“ von 1918 ist eines der bedeutenden Meisterwerke der klassischen Moderne in den Kunstsammlungen Chemnitz. 1923 als Schenkung eines Chemnitzer Unternehmers für die gerade im Entstehen begriffene Sammlung zeitgenössischer Kunst erworben und 1937 infolge der Aktion „Entartete Kunst“ während des Nationalsozialismus aus dem Museum entfernt, konnte der Steinguss 1996 dank der Finanzierung durch öffentliche und private Stiftungen wieder erworben werden.
Im Sammlungsbestand spiegelt sich die Genese der Aktfigur vom klassischen Akt zur Körperstudie des 20. Jahrhunderts, anschaulich dargestellt in Werken von Edgar Degas, George Minne, Aristide Maillol, Georg Kolbe, Ernesto de Fiori, Hermann Blumenthal und Helmut Heinze. Seit den 1980er Jahren verwischen Malerbildhauer wie Georg Baselitz und Markus Lüpertz die Grenzen zwischen den Gattungen und bemalen ihre Skulpturen farbig. Unter den zeitgenössischen abstrakten Kunstwerken sind die Arbeiten von Günther Uecker und Tony Cragg zu nennen.
Genreübergreifendes
Seit dem Jahr 2016 wird eine umfangreiche Sammlung des russischen Avantgardisten Vladimir Tsarenkov[1] unter dem Titel Revolutionär! im Museum ausgestellt. Die rund 400 Exponate zeigen Werke von 110 Künstlern aus den Jahren 1907–1930, darunter Gemälde, Zeichnungen, Drucke, Skulpturen, Architekturmodelle, Theaterdekorationen, Textilmuster und Buchkunst. Es handelt sich unter anderem um Werke von Kandinsky, Malewitsch, El Lissitzky, Jawlenski, Iwan Puni, Michail Larionow, Alexander Deineka. Und auch Werke russischer Malerinnen sind vertreten: Dame mit Fächer (1910) von Marie Vassilieff, Ruderer (1912) von Natalja Gontscharowa, Malerische Architektonik (um 1916) von Ljubow Popowa, Farbkomposition (1921) von Alexandra Exter sowie weitere Darstellungen von Olga Rosanowa, Warwara Stepanowa und Nadeschda Udalzowa.[2]
Literatur
- Friedrich, Thomas: Kunstsammlungen Chemnitz, Museum Gunzenhauser. Hrsg. von Kunstsammlungen Chemnitz. Prestel, München u. a. 2007, ISBN 3-791-33841-2.
- Ingrid Mössinger, Brigitta Milde (Hrsg.): Revolutionär! Russische Avantgarde aus der Sammlung Vladimir Tsarenkov. Ausstellungskatalog. Kunstsammlungen Chemnitz. Sandstein Verlag, Dresden 2016, ISBN 978-3-95498-269-1.
Weblinks
Einzelnachweise
- Rachel Spence: Vladimir Tsarenkov and his stellar collection. The Russian collector began buying art and ceramics from his native country ‘for peanuts’ in the 1980s. In: ft.com. Financial Times, 23. September 2016, archiviert vom Original am 5. Januar 2017; abgerufen am 12. Juli 2018 (englisch).
- Ingeborg Ruthe: Ästhetische Revolte mit utopischem Ziel. In: Berliner Zeitung. 4. Januar 2017, S. 20.