Hermann Blumenthal (Bildhauer)

Hermann Blumenthal (* 31. Dezember 1905 i​n Essen; † 17. August 1942 n​ahe Kljasticy, Russland) w​ar ein deutscher Bildhauer.

Leben

Hermann Blumenthals Zeichentalent fiel bereits in der Schule auf. Auf eigenen Wunsch verließ er 1920 vierzehnjährig die Oberrealschule und begann in seiner Heimatstadt eine Steinmetzlehre, die er 1924 abschloss. Anschließend arbeitete er als Geselle und führte unter anderem Werke für Will Lammert aus. Von 1923 bis zu seinem Wechsel nach Berlin 1925 belegte er Abend- und Sonntagskurse an der Essener Kunstgewerbeschule, der späteren Folkwang Hochschule. Sein Lehrer im Modellieren und Aktzeichnen war Joseph Enseling. Im Oktober 1925 immatrikulierte sich Blumenthal an den Vereinigten Staatsschulen für Freie und Angewandte Kunst in Berlin. Zunächst studierte er bei Wilhelm Gerstel, ab 1927 bei Edwin Scharff, dessen Meisterschüler er 1929 wurde. 1931 beendete er seine akademische Ausbildung. Bereits 1928 stellte Blumenthal erstmals in der Preußischen Akademie der Künste aus, ein Jahr später wurde er Mitglied des Deutschen Künstlerbundes und erhielt den Preis der Stadt Köln.

Blumenthal g​alt als s​ehr begabter junger Bildhauer, d​er vor a​llem von Edwin Scharff früh gefördert wurde. 1930 bewarb e​r sich erfolgreich u​m den "Großen Staatspreis" d​er Preußischen Akademie d​er Künste, d​er zu e​inem neunmonatigen Aufenthalt i​n der Villa Massimo i​n Rom berechtigte. Die politischen Verhältnisse w​aren zum Ende d​er Weimarer Republik bereits s​o radikalisiert, d​ass Blumenthal anlässlich d​er Preisverleihung i​n der rechtsgerichteten Presse a​uf Grund seines Namens a​ls “Jude” diffamiert wurde.

Im Oktober 1931 reiste der junge Bildhauer nach Rom und festigte dort seine eigene Formensprache. Waren seine frühen Werke noch an dem kubistisch-eleganten Stil seines Lehrers Edwin Scharff orientiert gewesen, so fand Blumenthal unter dem Eindruck antiker Kunst der Vorklassik zu einem beruhigten Menschenbild, das sich formal mit einfachen Zuständlichkeiten, wie Sitzen, Stehen und Knien, auseinandersetzte. Von 1932 bis 1934 lebte Blumenthal in Nowawes bei Potsdam in wirtschaftlich schwierigen Verhältnissen. Ende 1934 konnte er einen Arbeitsraum in der Ateliergemeinschaft Klosterstraße in Berlin-Mitte beziehen. Über die Jahre fand sich in der Klosterstraße eine Gruppe von Malern und Bildhauern zusammen, die versuchte, auch im Nationalsozialismus ein individuelles Kunstverständnis zu bewahren. Eine enge künstlerische Verbindung bestand zwischen Ludwig Kasper und Hermann Blumenthal, auch Gerhard Marcks und Toni Stadler gehörten zu dieser Gruppe von eigenständigen Bildhauern.

Durch i​hren offiziell n​icht geschätzten Kunststil hatten e​s diese Bildhauer schwer, i​hren Lebensunterhalt z​u verdienen. Vor a​llem Hermann Blumenthal w​ar stets a​uf Stipendien u​nd andere Unterstützung angewiesen. 1935 w​urde ihm e​in Studienaufenthalt i​n Kassel finanziert. Hier s​chuf er m​it der Figur “Großer Schreitender” s​ein erstes großformatiges Hauptwerk. Während d​es Studienaufenthalts i​n Kassel heiratete Blumenthal Maria Scholz, d​as Paar b​ekam zwei Kinder.

1936 richtete der Galerist Karl Buchholz in Berlin dem jungen Bildhauer eine erste Einzelausstellung aus, die in der liberalen Presse positiv aufgenommen wurde. Andernorts erfuhr Blumenthal jedoch Ablehnungen: die Akademie der Künste beurteilte seinen “Individualismus” jetzt kritisch; aus einer Ausstellung der Galerie Buchholz wurden seine Werke 1937 als “entartet” entfernt. Blumenthal zerstörte daraufhin zahlreiche Arbeiten seines Frühwerks. Anderseits war ihm 1936 ein erneuter Rom-Aufenthalt bewilligt worden. Von Oktober 1936 bis Juni 1937 war er erneut in der Villa Massimo. Er konnte seinen Italien-Aufenthalt durch ein Villa-Romana-Stipendium in Florenz bis Oktober 1937 verlängern. In dieser Zeit entstanden mehrere Hauptwerke, so der “Große Stehende” und der “Große Kniende”, aber auch wichtige Kleinplastiken, wie der “Sitzende mit Tuch” oder der “Sitzende, aufschauend”.

Nach der Rückkehr aus Italien versuchte Blumenthal zumeist durch die Teilnahme an Wettbewerben, seine finanzielle Situation zu stabilisieren. Auftragsarbeiten sollten ihm auch eine Freistellung vom Kriegsdienst ermöglichen, da er im Mai 1940 zur Wehrmacht eingezogen worden war. Mit zahllosen Bittschriften versuchten Blumenthals Freunde immer wieder, seine Entlassung aus der Armee zu erreichen. Im Oktober 1941 erhielt er den Auftrag, für die Burg in Krakau ein Relief zu entwerfen, wofür er zwar Arbeitsurlaub bekam, aber nicht aus der Armee entlassen wurde. Der Staatsbildhauer Arno Breker konnte schließlich eine Abkommandierung in die Heimat erwirken. Bevor der Marschbefehl Blumenthal erreichte, fiel er allerdings am 17. August 1942 auf einem Wachgang entlang der Bahnstrecke Polazk Newel in Russland.

Auszeichnungen

  • 1929: Preis der Stadt Köln anlässlich einer Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes
  • 1930: Großer Staatspreis der Preußischen Akademie der Künste, verbunden mit einem Studienaufenthalt in der Villa Massimo, Rom 1931/32
  • 1935: Stipendium des Reichserziehungsministeriums, Studienaufenthalt in Kassel
  • 1936: Rom-Stipendium des Reichserziehungsministeriums, Studienaufenthalt in der Villa Massimo
  • 1937: Villa-Romana-Stipendium, Studienaufenthalt in Florenz
  • 1939: Cornelius-Preis für Monumentalplastik der Stadt Düsseldorf
  • 1955: Posthum Teilnehmer der documenta I, Kassel

Werke

Florentiner Mann (1937), heute im Grugapark in Essen
  • 1929/39: Schreitender auf rechteckiger Platte, Bronze, H: 152 cm. Niedersächsischer Landtag, Hannover
  • 1930: Kniender (Spinne), Bronze, H: 103 cm. Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie
  • 1931/32: Kriechender (Adam), Bronze, H: 81 cm. Georg-Kolbe-Museum Berlin (Dauerleihgabe Nachlass Blumenthal)
  • 1934: Acht Reliefentwürfe für das Museum Folkwang, Essen, Bronze/Gips, 58 × 40 cm. Georg-Kolbe-Museum Berlin (Dauerleihgabe Nachlass Blumenthal)
  • 1935: Porträt Ludwig Kasper, Steinguss, H: 33 cm. Georg-Kolbe-Museum Berlin (Dauerleihgabe Nachlass Blumenthal)
  • 1935/36: Großer Schreitender, Bronze, H: 180 cm. Hamburger Kunsthalle
  • 1936: Sitzender aufschauend (Sterngucker), Bronze, H: 28 cm. Bayerische Staatsgemäldesammlungen München
  • 1936/37: Römischer Jüngling, Bronze, H: 180 cm. Otto-Hahn-Platz, Kiel (1955 von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel erworben in Gedenken an die Opfer des Dritten Reiches)[1]
  • 1936/37: Großer Stehender (Römischer Mann), Steinguss, H: 202 cm. Georg-Kolbe-Museum Berlin (Dauerleihgabe Nachlass Blumenthal)
  • 1937: Großer Kniender (Florentiner Mann), Bronze, H: 150 cm. Norddeutscher Rundfunk, Hamburg
  • 1938: Zwei Reliefs für Brunnenstele: Jüngling mit Ölzweig; Zwei Frauen, Stein, 225 × 125. Ruhland (Lausitz), BASF Schwarzheide

Literatur

  • Der Bildhauer Hermann Blumenthal. Mit einem Vorwort von Christian Adolf Isermeyer, Berlin 1947
  • Werner Haftmann: Der Bildhauer Hermann Blumenthal, in: Zeitschrift für Kunst 1949, H. 4, S. 274–277.
  • Christian Adolf Isermeyer: Blumenthal, Hermann. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955, ISBN 3-428-00183-4, S. 331 f. (Digitalisat).
  • Hermann Blumenthal 1905–1942, Ausstellungskatalog Gerhard Marcks-Stiftung, Bremen 1981
  • Hermann Blumenthal, Ausst.Kat. Galerie Pels-Leusden Berlin, Graphisches Kabinett Kunsthandel Wolfgang Werner Bremen, Galerie Vömel Düsseldorf, Berlin 1992
  • Christian Adolf Isermeyer: Hermann Blumenthal. Das plastische Werk. Hauswedell, Stuttgart 1993, ISBN 3-7762-0333-1
  • Ateliergemeinschaft Klosterstraße 1933–1945. Künstler in der Zeit des Nationalsozialismus, Ausst.Kat. Akademie der Künste, Berlin 1994
  • Penelope Curtis (Hrsg.): Taking Positions. Figurative Sculpture and the Third Reich. Ausst.Kat. Henry Moore Institute Leeds, Georg-Kolbe-Museum Berlin, Gerhard-Marcks-Haus Bremen, Leeds 2001
  • Josephine Gabler (Hrsg.): Sterngucker. Hermann Blumenthal und seine Zeit, Ausst.Kat. Georg-Kolbe-Museum, Berlin 2006
  • Hermann Blumenthal 1905-1942. Zeichnung Skulptur. Kunsthandel Wolfgang Werner, Bremen 2006
Commons: Hermann Blumenthal – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Römischer Jüngling. In: Kunstgeschichte (Kunsthistorisches Institut). (uni-kiel.de [abgerufen am 29. November 2018]).
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