Pyrzyce
Pyrzyce (deutsch Pyritz) ist eine Kleinstadt in der polnischen Woiwodschaft Westpommern und Sitz der gleichnamigen Stadt- und Landgemeinde Gmina Pyrzyce. Die Stadt mit 13.000 Einwohnern ist auch Kreisstadt des Powiat Pyrzycki.
Pyrzyce | |||
---|---|---|---|
| |||
Basisdaten | |||
Staat: | Polen | ||
Woiwodschaft: | Westpommern | ||
Powiat: | Pyrzyce | ||
Gmina: | Gmina Pyrzyce | ||
Fläche: | 38,79 km² | ||
Geographische Lage: | 53° 9′ N, 14° 54′ O | ||
Höhe: | 44 m n.p.m. | ||
Einwohner: | |||
Postleitzahl: | 74-200 | ||
Telefonvorwahl: | (+48) 91 | ||
Kfz-Kennzeichen: | ZPY | ||
Wirtschaft und Verkehr | |||
Straße: | DK 3 Świnoujście ↔ Jakuszyce | ||
DW 106 Rzewnowo ↔ Pyrzyce | |||
DW 122 Krajnik Dolny ↔ Piasecznik | |||
Nächster int. Flughafen: | Stettin-Goleniów | ||
Geographische Lage
Die Stadt liegt im Zentralsüden Pommerns, nahe der alten Grenze zu Brandenburg in Hinterpommern, und gehört zum Einzugsgebiet von Stettin, das nur 48 Kilometer nördlich entfernt liegt. Zu den weiteren Nachbarstädten gehören Stargard (Stargard in Pommern) im Nordosten und Gorzów Wielkopolski (Landsberg an der Warthe) im Süden.
Die Stadt ist von drei Seiten von Feuchtgebieten umgeben.
Geschichte
Auf Bischof Otto von Bamberg beruht die erste geschichtliche Erwähnung von Pyritz. Im Jahre 1125 taufte dieser dort die ersten Pommern. Die älteste Kirche in Pyritz war bereits 1250 vorhanden, 1256 wurde das Augustinerinnenkloster und 1281 das Franziskanerkloster erwähnt. 1263 wurde Pyritz das Magdeburger Stadtrecht verliehen. Durch den Vertrag von Pyritz vom 26. März 1493, mit dem Pommern das Erbfolgerecht Brandenburgs anerkennen musste, rückte die Stadt in das Licht überregionalen Interesses. Ein großer Brand zerstörte 1496 beinahe die ganze Stadt, eine ähnliche Katastrophe ereignete sich genau hundert Jahre später, und noch einmal wurde Pyritz 1634 während des Dreißigjährigen Krieges Opfer einer Feuersbrunst. Zur Mitte des 18. Jahrhunderts wurden Teile der Befestigungsanlagen, die bereits um 1300 bestanden (siehe unten), beseitigt und durch Bepflanzungen, aus denen sich später Promenaden entwickelten, ersetzt.
Ab 1848 war Pyritz Sitz des Landratsamtes für den Landkreis Pyritz. Mit der Befestigung der Chausseen nach Stettin 1850 und nach Küstrin 1856 und dem Eisenbahnanschluss 1882 nahm auch Pyritz Anteil am wirtschaftlichen Aufschwung dieser Epoche. 1863 ging eine Gasanstalt in Betrieb, 1898 wurde ein Schlachthof errichtet und 1900 entstand ein zunächst privat betriebenes Wasserwerk, das 1913 an die Stadt verkauft wurde. Am Anfang des 20. Jahrhunderts hatte Pyritz zwei evangelische Kirchen (darunter die große, 1851–53 restaurierte Moritzkirche), eine Synagoge, ein Gymnasium, ein evangelisches Schullehrerseminar, ein Fräuleinstift, ein Amtsgericht und war Industriestandort.[1]
Anfang der 1930er Jahre hatte die Gemarkung der Stadt Pyritz eine Flächengröße von 30,9 km², und auf dem Gemeindegebiet standen insgesamt 826 Wohnhäuser an sechs verschiedenen Wohnorten:[2]
- Augustenhof
- Gädtkes Ziegelei
- Karlshof
- Pyritz
- Wasserwerk
- Ziegelei Klaustein
Im Jahr 1925 wurden 9.069 Einwohner gezählt, die auf 2.648 Haushaltungen verteilt waren.[2]
Die wachsende Bedeutung der Stadt ließ sich an den ständig steigenden Einwohnerzahlen ablesen: Während 1830 nur 4.100 Menschen in der Stadt lebten, waren es hundert Jahre später rund 9.000 Einwohner, und zur letzten Erhebung im Jahre 1936 wurde eine Einwohnerzahl von 10.800 genannt.
Bis 1945 gehörte die Stadt Pyritz zum Landkreis Pyritz im Regierungsbezirk Stettin der Provinz Pommern.
Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs rückte Pyritz Ende Januar 1945 in den Blickpunkt der Kriegsberichterstattung, weil hier zu dieser Zeit entlang der Stadtgrenzen die deutsch-sowjetische Kriegsfront verlief und heftige Kämpfe stattfanden. Ende Februar 1945 besetzte die Rote Armee Pyritz. Sie unterstellte den Ort der Verwaltung der Volksrepublik Polen. Diese benannte ihn in Pyrzyce um, vertrieb die Einwohner und besiedelte ihn an deren Stelle mit Polen.
Demographie
Jahr | Einwohner | Anmerkungen |
---|---|---|
1740 | 2.095 | [3] |
1782 | 2.122 | davon 77 Juden[3] |
1791 | 2.323 | davon 72 Juden[4] |
1794 | 2.325 | davon 72 Juden[3] |
1812 | 2.855 | davon 18 Katholiken und 20 Juden[3] |
1816 | 3.126 | davon 28 Katholiken und 80 Juden[3] |
1831 | 4.151 | davon 31 Katholiken und 203 Juden[3] |
1843 | 4.704 | davon 42 Katholiken und 203 Juden[3] |
1852 | 5.795 | davon 30 Katholiken und 213 Juden[3] |
1861 | 6.501 | davon 23 Katholiken und 209 Juden[3] |
1875 | 7.442 | [5] |
1880 | 8.123 | [5] |
1890 | 8.247 | davon 79 Katholiken und 263 Juden[5] |
1905 | ca. 8.600 | meist Evangelische[1] |
1925 | 9.085 | davon 8.655 Protestanten, 130 Katholiken und 88 Juden[2] |
1933 | 10.084 | davon 9.739 Evangelische, 178 Katholiken und 87 Juden[5] |
1939 | 11.287 | davon 10.515 Evangelische, 270 Katholiken und 27 Juden[5] |
Sehenswürdigkeiten
Die Stadt war von Wehrmauern mit Wehrtürmen umgeben von denen noch einige heute erhalten sind. Es handelt sich hierbei um Backsteinbauten mit einem Fundament aus Feldsteinen. Diese Stadtbefestigung wurde in vier Etappen erbaut:
- bis 1301: Errichtung des Mauerrings mit Wachtürmen und Pforten
- Mitte 14. Jh.: Umbau von zwei Pforten zu Toren, und drei Wachtürmen zu Wehrtürmen
- 15. Jh.: Bau von drei weiteren Wehrtürmen, Maueraufbau
- 16. Jh.: Ausbau der Befestigungen, Abschluss der Arbeiten
Die Befestigung hatte im Endausbau eine Länge von 2250 Metern und bestand aus der Wehrmauer mit einer Höhe zwischen sieben und neun Metern, zwei Toren, 44 Wachtürmen, acht überhängende Wachtürme und sechs Wehrtürmen. Zur Befestigung gehörte auch eine Doppelwallanlage und bis zu 25 Meter breite Festungsgräben die aus vier künstlichen Seen über Schleusenanlagen geflutet werden konnten.
Der Stadtbrand von 1634 ist in der Hammey, einem Stadttor in Form eines Gattertores, ausgebrochen. Die Hammey wurde anschließend wohl nicht wieder aufgebaut; jedenfalls fehlt sie in dem Stadtplan von 1723.[6]
Die heute noch erhaltenen Teile der Anlage sind (von Norden im Uhrzeigersinn): Brama Szczecińska (Stettiner Tor), Baszta Pijacka (Trinkerturm), Baszta Śpiącej Królewny, Baszta Mnisza, Brama Bańska (Bahner Tor), Mury i Czatownie, Baszta Prochowa, Baszta Lodowa (Eisturm) und Baszta Sowia. Viele der Bauten wurden im Zweiten Weltkrieg beschädigt oder zerstört, durch umfangreiche Sanierungen konnten die Befestigungsanlagen erhalten werden.
Bis zu ihrer Zerstörung während der Kämpfe im Jahre 1945 trug die Stadt Pyritz den Beinamen Pommersches Rothenburg. Der Name Rothenburgs ob der Tauber wird heute noch auf Orte übertragen, deren mittelalterliche Stadtkerne und Ortsbilder bis zu unseren Zeiten überdauert haben.
Verkehr
Der Bahnhof Pyrzyce war Knotenpunkt der Bahnstrecke Stargard–Godków, der Bahnstrecke Pyrzyce–Głazów und der Strecken der ehemaligen Pyritzer Bahnen.
Politik
Wappen
Blasonierung: „In Silber ein von zwei Zinnentürmen beseitetes, offenes, blaues Stadttor, über dem der rote Greif schreitend schwebt, im Torbogen schwebt eine rote Rose mit goldenem Butzen.“[7]
Das Hauptsiegel ist nur aus unsicherer Zeichnung bekannt. Das Secretvm Bvrgensivm in Piriz des 14. Jahrhunderts ist dadurch merkwürdig, dass vier Türme, vom Unterrande fächerförmig, also schief stehend aufsteigen, von denen die drei ersten Zinnen zeigen, der linke Eckturm aber spitzbedacht ist, über den vorderen drei schreitet der Greif. Die Rose, die das Münzzeichen war, fehlt diesem Siegel noch, erscheint aber seit dem mit 1543 datierten Siegel stets im Tore.[8]
Städtepartnerschaften
- Bad Sülze (Deutschland, Mecklenburg-Vorpommern)
- Goleniów (Gollnow) (Polen)
- Korbach (Deutschland, Hessen)
- Seebad Ueckermünde (Deutschland, Mecklenburg-Vorpommern)
- Vysoké Mýto (Hohenmaut) (Tschechien)
- Złocieniec (Falkenburg), Polen[9]
Persönlichkeiten
Ehrenbürger
- Karl Gützlaff (1803–1851), Missionar in Fernost, (Ehrenbürger 1850)
Söhne und Töchter der Stadt
- Joachim Stephani (1544–1623), deutscher Rechtswissenschaftler und Professor an der Universität Greifswald
- Matthias Stephani (1570–1646), deutscher Rechtswissenschaftler und Professor an der Universität Greifswald
- Franz von Güntersberg (1618–1679), brandenburgischer Geheimer Rat, Hauptmann im Amt Rügenwalde, Dekan des Domkapitels Cammin
- Samuel Starck (1649–1697), deutscher lutherischer Theologe und Professor an der Universität Rostock
- Carl Friedrich Ferdinand von Strantz (1774–1852), österreichischer und preußischer Offizier, Ritter des Pour le Mérite
- Ludwig von Strantz (1780–1856), preußischer Generalleutnant und Kommandant von Breslau
- Karl Gützlaff (1803–1851), Missionar in Fernost
- Friedrich Brunold (1811–1894, eigentlicher Name August Ferdinand Meyer), märkischer Dichter
- Salomon Neumann (1819–1908), Arzt und Gründer der Berliner „Hochschule für die Wissenschaft des Judentums“
- Bernhard Stoewer (1834–1908), deutscher Mechaniker und Unternehmer
- August Munckel (1837–1903), Reichstags- und Landtagsabgeordneter
- Gustav Jacobsthal (1845–1912), deutscher Musikwissenschaftler und Komponist
- Gustav Hirschfeld (1847–1895), deutscher Klassischer Archäologe
- Otto Gerstenberg (1848–1935), deutscher Unternehmer und Kunstsammler, Generaldirektor der Victoria-Versicherung
- Wilhelm Gemoll (1850–1934), deutscher Lexikograph, Herausgeber eines griechisch-deutschen Wörterbuches
- Paul Strübing (1852–1915), deutscher Internist und Hochschullehrer
- Fritz Pfuhl (1853–1913), deutscher Lehrer und Botaniker
- Otto Hintze (1861–1940), deutscher Historiker
- Selma von Lengefeld (1863–1934), deutsche Akademikerin und Frauenrechtlerin
- Karl Krösell (1865–1933), deutscher Politiker und Reichstagsabgeordneter (DRP)
- Hans Völcker (1865–1944), deutscher Maler
- Hans Weddo von Glümer (1867 – nach 1915), deutscher Bildhauer
- Georg Meyer-Steglitz (1868–1929), deutscher Bildhauer, Bruder des Bildhauers Martin Meyer-Pyritz
- Martin Meyer-Pyritz (1870–1942), deutscher Bildhauer, wurde wegen seiner gelungenen Tierplastiken als ‚Tiermeyer‘ bekannt, Bruder des Bildhauers Georg Meyer-Steglitz
- Emil Gesche (1871–1966), deutscher Kaufmann und Honorarkonsul auf Madeira
- Robert Grabow (1885–1945), deutscher Politiker (DNVP), Oberbürgermeister von Rostock
- Robert Sennecke (1885–1940), deutscher Pressefotograf und Marathonläufer
- Siegfried Marseille (1887–1944), deutscher Generalmajor und Kommandeur einer Standort-Kommandantur
- Otto Eckert (1891–1940), deutscher evangelischer Geistlicher, führendes Mitglied der Deutschen Christen
- Kurt Schulze (1894–1942), deutscher Widerstandskämpfer (Rote Kapelle)
- Karl Eckert (1895–nach 1935), deutscher Theologe und Politiker (NSDAP), MdL
- Robert Schulz (1900–1974), deutscher Politiker (NSDAP) und SS-Brigadeführer
- Friedhelm Kemper (1906–1990), deutscher Politiker (NSDAP)
- Ernst Karl Rößler (1909–1980), deutscher Pfarrer, Organist, Komponist und Orgelsachverständiger
- Margarete Neumann (1917–2002), deutsche Schriftstellerin und Lyrikerin
- Hartmut Gese (* 1929), deutscher evangelischer Theologe, Professor für Altes Testament
- Jost Delbrück (1935–2020), deutscher Völkerrechtler und Präsident der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
- Bernd Faulenbach (* 1943), deutscher Historiker, Honorarprofessor an der Ruhr-Universität Bochum
- Paweł Januszewski (* 1972), polnischer Leichtathlet
Weitere Persönlichkeiten, die mit der Stadt in Verbindung stehen
- Eugen Lasch (1870–1911), deutscher Musiker und Komponist, von 1904 bis 1911 Lehrer, Organist der Mauritiuskirche und städtischer Musikdirektor
- Arnold Koeppen (1875–1940), deutscher Lehrer und Schriftsteller, von 1903 bis 1930 Konrektor des Lyzeums
Galerie
- Das Bahner Tor (Brama Banska) im Süden der Befestigungsanlage
- Teil der Wehrmauer und die Baszta Sowia im Norden der Befestigungsanlage
- Übersicht über die noch erhaltenen Teile der Befestigungsanlage
- Rathaus
Literatur
- Ludwig Wilhelm Brüggemann: Ausführliche Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes des Königl. Preußischen Herzogthums Vor- und Hinter-Pommern. Teil II, Band 1: Beschreibung der zu dem Gerichtsbezirk der Königl. Landescollegien in Stettin gehörigen Hinterpommerschen Kreise. Stettin 1784, S. 86–97.
- Gustav Kratz: Die Städte der Provinz Pommern - Abriß ihrer Geschichte, zumeist nach Urkunden. Berlin 1865, S. 311–319 (Volltext).
- Heinrich Berghaus: Landbuch des Herzogtums Pommern und des Fürstentums Rügen. Teil II, Band 3, Anklam 1868, S. 489–572 (Volltext)
- Immanuel Meyer-Pyritz: Pyritz – das Antlitz der siebenhundertjährigen Stadt. In: Baltische Studien N.F. Bd. 49, Hamburg 1962/63, S. 133–140 (Volltext)
- 12. Programm des Gymnasiums der Stadt Pyritz. Pyritz 1871 (Digitalisat).
- 13. Programm des Gymnasiums der Stadt Pyritz. Pyritz 1872 (Digitalisat).
Weblinks
- Die Stadt Pyritz im ehemaligen Kreis Pyritz in Pommern (Gunthard Stübs und Pommersche Forschungsgemeinschaft, 2011)
- Geschichte der Stadt
- Website der Stadt und Gemeinde (polnisch)
Fußnoten
- Meyers Konversations-Lexikon. 6. Auflage, Band 16, Bibliographisches Institut, Leipzig und Wien 1909, S. 481.
- http://stadt.pyritz.kreis-pyritz.de/
- Gustav Kratz: Die Städte der Provinz Pommern - Abriß ihrer Geschichte, zumeist nach Urkunden. Berlin 1865, S. 317.
- Christian Friedrich Wutstrack, Hrsg.: kurze historisch-geographisch-statistische Beschreibung des königlich-preußischen Herzogtums Vor- und Hinterpommern. Stettin 1793, Übersichtstabelle auf S. 736.
- Michael Rademacher: Landkreis Pyritz. Online-Material zur Dissertation. In: treemagic.org. 2006 .
- Hans-Jürgen Daunicht: Das Geheimnis der Pyritzer Hammey. In: „Pommern. Zeitschrift für Kultur und Geschichte“, 2/2011, ISSN 0032-4167, S. 8–9.
- Deutsches Städtebuch - Handbuch städtischer Geschichte von Erich Keyser, Herausgegeben 1939 vom W. Kohlhammer Verlag Stuttgart Band I Nordostdeutschland Seite 215–217
- Deutsche Ortswappen von Otto Hupp, Herausgegeben 1925 von der Kaffee-Handels-Aktiengesellschaft Bremen
- http://www.pyrzyce.um.gov.pl/