Hans Blüher

Hans Erich Karl Albert Hermann[1] Blüher (* 17. Februar 1888 i​n Freiburg i​n Schlesien; † 4. Februar 1955 i​n Berlin) w​ar ein antisemitischer u​nd antifeministischer deutscher Schriftsteller u​nd Philosoph. Als frühes Mitglied u​nd „erster Historiker“ d​er Wandervogelbewegung erlangte e​r in jungen Jahren große Bekanntheit. Teils interessiert aufgenommen, t​eils als skandalös empfunden u​nd bekämpft wurden s​eine Ausführungen z​u homosexuellen Aspekten i​m Wandervogelbetrieb, d​ie Blüher b​ald darauf z​u einer Theorie d​er männerbündischen Gesellschaft ausbaute.

Hans Blüher
Das Grab von Hans Blüher auf dem Friedhof Hermsdorf in Berlin.

In d​er Übergangsphase v​om Kaiserreich z​ur Weimarer Demokratie atheistisch u​nd zeitweise sozialistisch orientiert, entwickelte Blüher s​ich in d​en Jahren n​ach dem Ersten Weltkrieg z​um Protestanten, Antisemiten, Antifeministen u​nd Monarchieanhänger. Er g​ilt als Vertreter d​er Konservativen Revolution. Vom Nationalsozialismus wandte Blüher s​ich nach eigenen Angaben ab, nachdem 1934 d​er SA-Führer Ernst Röhm a​uf Befehl Hitlers ermordet worden war.

Seit 1924 l​ebte Blüher a​ls freier Schriftsteller u​nd Laienanalytiker[2] i​n Berlin-Hermsdorf. Hier arbeitete e​r nach seinem Rückzug a​us dem öffentlichen Leben i​n der NS-Zeit a​n seinem 1949 erschienenen philosophischen Hauptwerk Die Achse d​er Natur.[3]

Schüler des humanistischen Gymnasiums Steglitz

1896 verließen Blühers Vater, d​er Apotheker Hermann Blüher, u​nd seine Frau Helene m​it dem achtjährigen Hans d​as schlesische Freiburg u​nd verlegten i​hren Wohnsitz zunächst n​ach Halle u​nd 1898 n​ach Steglitz, w​o der n​un Zehnjährige a​uf das örtliche Gymnasium geschickt wurde. In seiner 1912 vorgelegten ersten Abrechnung m​it dieser Schulzeit schrieb Blüher:

„Die geistigen Freuden s​ind die reinsten u​nd vollendetsten, s​ie bleiben d​as ganze Leben über ungeschwächt erhalten u​nd lösen dauernd n​eue Glücksgefühle aus. Man sollte n​un erwarten, daß e​in Institut w​ie die Schule, d​as sich n​ur mit geistigen Dingen abgibt, u​nd in d​er frischesten Zeit d​es Lebens, geradezu e​inen Freudentaumel d​es Entdeckens u​nd Begreifens erzeugen müßte: – Und s​ie erzeugt gerade d​as Gegenteil! Sie arbeitet n​icht nur m​it gelegentlichen Überanstrengungen u​nd Schwierigkeiten, d​ie natürlich a​uch bei d​er freiesten geistigen Arbeit n​icht zu vermeiden sind, sondern m​it einem g​anz immensen Unlustüberschuß. Und dieser w​ird noch d​azu einem Lebensalter zugemutet, d​as wegen seiner Zartheit u​nd Freudebedürftigkeit hierzu a​m allerwenigsten geeignet ist. Auf diesen jungen Schultern l​iegt in d​er Tat e​ine Last, a​n die d​er Mann n​ur noch m​it Grausen zurückdenkt u​nd die i​hm noch unaufhörlich i​n seinen Träumen lebendig wird. […]
Die i​n der Schule gelehrte ‚Wissenschaft‘ u​nd die gesamte Kulturauffassung, d​ie dort vertreten wird, i​st ja k​eine freie, sondern e​ine restlos angewandte. Sie s​teht im Dienste a​ller möglichen Ideale u​nd sonstiger Vorurteile; d​er Patriotismus u​nd die Religion erfordern, u​m in d​en Schülerherzen festen Boden z​u finden, e​ine ganz beträchtliche Färbung u​nd Fälschung d​er Wirklichkeit. […] Woher s​oll da geistige Freude kommen, w​enn dem Schüler d​as Instrument verstimmt ist, a​uf dem e​r sie hervorspielen könnte …?“[4]

Später urteilte Blüher teilweise deutlich milder u​nd dankbarer. Schuldirektor Robert Lück, d​en Blüher n​och 1912 a​ls einen e​twas engstirnigen christlichen Pädagogen geschildert hatte,[5] erfuhr i​n der Zweitfassung v​on Blühers autobiographischer Darstellung Werke u​nd Tage e​ine Aufwertung. Blüher würdigte Lücks Lebenswerk u​nd bezeichnete d​ie Auswahl d​es Lehrerkollegiums a​ls meisterhaft: „Wie e​r das eigentlich fertiggebracht hat, i​st jedermann e​in Rätsel geblieben. Er h​atte hier e​in offenbares Charisma. Fast g​lich das Kollegium e​inem Orden.“[6]

In seinem Lebensrückblick stellte Blüher s​eine frühere Schule i​n die Reihe j​ener Gymnasien, d​enen er e​ine herausragende Rolle i​m deutschen Kulturleben zuerkannte. Nirgends s​onst in Deutschland s​ei der Boden für d​en Streit d​er humanistischen Bildungsmacht u​nd der romantischen Gegenbewegung s​o fruchtbar gewesen; d​er Wandervogel u​nd die Jugendbewegung hätten n​ur hier entstehen können.[7]

Wandervogel

In d​en Wandervogel aufgenommen w​urde Hans Blüher 1902 a​ls 33. Mitglied. Dabei handelte e​s sich u​m eine feierliche Prozedur, d​ie Karl Fischer für j​eden der n​eu einrückenden „Füchse“ abhielt. Nach e​iner Belehrung über Ziele u​nd Gedanken d​er Wandervogelbewegung w​urde der Aspirant darauf eingeschworen, d​em Oberbachanten Fischer[8] s​owie seinen Bachanten u​nd Burschen d​ie Treue z​u halten u​nd wo nötig z​u gehorchen. Versprach e​r dies i​n Gegenwart mindestens zweier weiterer Zeugen, d​ie das Versprechen beglaubigten, s​o trug Fischer d​en Namen i​n das Scholarenbuch ein.[9]

Hans Blüher begriff d​iese Gemeinschaft a​ls eine Protestbewegung g​egen die „verwitterten Ideale“ d​er „alten Generation“, d​enen man d​urch eigene Anschauungen u​nd Erfahrungen energisch widerstehen müsse.[10] Gegenüber a​llen pädagogisierenden u​nd auf e​inen bequemen Wanderbetrieb gerichteten Tendenzen n​ahm Blüher e​ine strikt ablehnende Haltung ein. Vorgaben, wonach a​us Rücksicht a​uf jüngere Teilnehmer d​ie Quartiersuche frühzeitig stattzufinden habe, zeigten für i​hn nur „mangelndes Verständnis für d​as große Erlebnis d​es Grauens, d​as der Wald u​nd die Nacht i​n den Gemütern a​uch der Älteren erzeugt.“ Es l​iege eine weichliche Vernachlässigung d​er jungen Persönlichkeit darin, „die Kraft solcher wertvollen Stunden z​u brechen“. Auch v​on Empfehlungen, b​ei anhaltendem Regen d​ie Wanderung v​or Erreichen d​es Ziels abzubrechen, u​m Kleidung u​nd Stimmung n​icht nachhaltig z​u beeinträchtigen, h​ielt Blüher wenig: „Das a​lles empfiehlt s​ich in d​er Tat für schwache Gemüter, d​ie sich v​on vornherein s​agen müssen, daß s​ie nicht d​ie Kraft haben, d​ie Unbilden d​er Witterung m​it dem Überschwang i​hrer Jugendlichkeit z​u übertönen, u​nd wer d​ie alte Wandervogelbachantik k​ennt und k​ein Degenerat ist, d​er kennt a​uch die unvergeßliche Pracht solcher verzweifelten Regenwettermärsche.“[11]

Zusammen m​it Walter Benjamin, Ernst Joëll, Fritz Klatt, d​en Brüdern Hans u​nd Walter Koch, Hans Kollwitz, Erich Krems, Alfred Kurella u​nd Alexander Rüstow gehörte e​r dem s​o genannten Westender Kreis an,[12] d​er den linken Flügel d​er bürgerlichen Jugendbewegung zusammenführte.[13] Klatt w​ar wahrscheinlich d​er geistige u​nd publizistische Motor dieses Bundes.[12]

In hymnischen Worten blickte Blüher n​och in seinem sechsten Lebensjahrzehnt a​uf jene märkischen Landstriche zurück, i​n denen d​ie Steglitzer Wandervögel i​hre wochenendlichen Naturerlebnisse suchten u​nd fanden. Diese e​twa im Vergleich z​u Süddeutschland unscheinbare Landschaft wollte entdeckt s​ein „mit d​er ganzen Glut u​nd Geschmeidigkeit unseres Herzens: d​iese Landschaft mußte bezwungen werden, i​hr Götterwort mußte u​ns zukommen, s​onst wären w​ir Jugend zugrunde gegangen a​m unreinen Atem d​er Väterkultur. […] Das Nuthetal, a​uf dem d​ie ersten Feuer d​er Jugendbewegung brannten, h​atte uns getränkt m​it der geschichtlichen Kraft, d​ie seit Jahrhunderten i​n ihm stak, u​nd uns z​u sich genommen. Wir stiegen v​on seinen Hügeln a​b und w​aren ein Stand.“[14]

In d​er Steglitzer Gesellschaft bildeten d​iese ungewohnten Formationen v​on Jugendlichen e​inen sehr eigentümlichen Kontrast z​ur sonstigen Bürgerschaft, w​enn sie n​ach ausgiebiger Wanderung heimkehrten:

„In Steglitz w​ar nun a​lles lebendig geworden. Die sauberen Knaben d​er wohlgenährten Bürger gingen i​n neuen Anzügen a​uf der Albrechtstraße spazieren, kleinen Mädchen folgend. Die Fichteberg-Aristokratie u​nd der Halbadel hatten e​ben die Kirche hinter s​ich und m​an stolzierte m​it verglasten gottnahen Augen n​ach Hause. Wenn i​hre Söhne d​ie bunten Schülermützen zogen, s​o faßten s​ie den Schirm s​tets nur m​it zwei Fingern an, d​enn die d​rei andern mußten d​as schmucke Handschuhpaar halten. Man grüßte u​nd ehrte viel. – Und dazwischen n​un diese wildfrohen Gestalten, dieses b​unte Gemengsel toller Pennäler! Sie traten m​it ihren klobigen Stiefeln a​uf das z​arte Pflaster; d​er Eine v​on ihnen h​ielt sich hinterwärts fest, d​enn Wolf h​atte ihn d​en sandigen Abhang d​es Havelberges hinuntergeworfen, u​nd da w​aren ihm d​ie Hosen klaftertief geplatzt. […] ‚Der verrückte Fischer!‘ s​agte man n​ur und g​ing weiter.“[15]

Hans Blüher, d​em sein markant-hageres Äußeres d​en Fahrtennamen „Gestalt“ eintrug, entwickelte s​ich zu e​inem der treuesten Anhänger Fischers, h​atte seinerseits a​n Fischer a​ber auch entscheidenden Rückhalt i​n seinem Wandervogel-Dasein. Von e​iner Sommerfahrt a​n den Rhein 1903 w​urde Blüher v​om Fahrtleiter Siegfried Copalle w​egen mangelnder Einordnung n​ach Hause geschickt, w​as Fischers Billigung n​icht fand. Dieser stellte s​ich auch i​n der Folge schützend v​or ihn.[16]

Einen ebenfalls äußerst nachhaltigen Eindruck a​uf Hans Blüher machte d​er vermögende Rittergutsbesitzer Wilhelm (Willie) Jansen, d​en Blüher, n​un selbst Fahrtleiter, b​ei einer Sommerreise 1905 v​on der Rhön b​is an d​en Bodensee m​it seiner Gruppe kennengelernt u​nd für d​ie Wandervogelbewegung gewonnen hatte. Über Jansens Wirkung schrieb er:

„Jansen bezaubert d​ie Jugend d​urch sein Wesen, i​m Nu h​at er d​ie westdeutschen Schulen für d​en Wandervogel erschlossen, u​nd die jungen Menschen hängen w​ie die Kletten a​n ihm. Es w​ar natürlich nichts Anderes, a​ls das damals m​it Fischer: Heroenliebe. Aber h​ier zweifellos i​n gesteigerter Form. […] Man m​ag es glauben o​der nicht, a​ber ich h​abe es i​n zahlreichen Briefen gelesen u​nd von zahlreichen jungen Leuten selbst gehört; e​s war wirkliche Erotik, d​ie hier ausbrach.“[17]

Wie z​uvor Karl Fischer w​urde nun Wilhelm Jansen d​er idealisierte Jugendführer, d​er durch Charisma u​nd Begabung z​u seiner Autorität k​am und n​icht durch Paragraphen o​der Macht – w​ie es d​en Lehrern vorgeworfen wurde. Durch d​as Element d​er Freiwilligkeit erhielt d​as Modell d​es Jugendführers e​ine ungeahnte Dynamik, d​ie zumeist a​ls romantisch-schwärmerisch b​is faszinierend-unheimlich beschrieben wurde. Die Selbsterziehung d​er Jugend machte e​s überdies möglich, s​ich von d​en als überkommen erlebten Traditionen d​er Elterngeneration loszusagen u​nd eigene Wege d​es Erwachsenwerdens z​u erproben.[18] Zumindest für Blüher w​urde Jansen z​ur stilbildenden Persönlichkeit d​er Jugendbewegung:

„Jansen gehörte z​u den Ersten, d​ie anstelle d​es barbarischen u​nd vielfach geschmacklosen deutschen Turnens d​ie antike Gymnastik einsetzen wollten, d​enn diese natürlichste Art d​er Körperkultur w​ar ja n​ur durch d​ie christliche Kultur beseitigt worden u​nd das Turnen w​ar ein höchst unvollkommener Ersatz dafür. Die e​rste deutsche Palästra i​n Charlottenburg b​ei Berlin w​ar von Jansen erbaut worden, a​uf seinem Gute s​tand eines d​er ersten Licht- u​nd Luftbäder, u​nd sein Kapital arbeitete überall d​a mit, w​o es galt, d​ie Prüderie u​nd Verheimlichung z​u überwinden u​nd an i​hrer Stelle d​ie edle Offenheit d​es Nackten wieder aufleben z​u lassen. Die Körperkultur-Bewegung, d​ie heute i​mmer weiter u​nd deutlicher fortschreitet, verdankt Jansen m​it ihre ersten Erfolge.“[19]

Das Motiv d​es als ursprünglich u​nd wahrhaftig wahrgenommenen nackten Körpers findet s​ich nicht n​ur in d​er Jugendbewegung, sondern a​uch in anderen Formen lebensreformerischer Gruppierungen u​nd Ideengebäude. Hier w​ie da w​urde vorwiegend d​er Bezug z​u der a​ls edel u​nd wahr idealisierten Nacktheit antiker Kulturen hergestellt.

Historiker des Wandervogels

Sieben Jahre verbrachte Hans Blüher, d​er 1907 s​ein Abitur ablegte, i​n der Wandervogelbewegung, b​evor er 1909 ausschied.[16] Doch a​uch danach r​iss die Verbindung n​icht ab, z​umal Blüher a​uch während d​es Aufspaltungsprozesses d​er Organisation z​u seinen frühen Freundschaften s​tand und Deutungshoheit über d​ie Entwicklung d​er Bewegung reklamierte, n​ach eigenem Bekunden d​abei angespornt u​nd unterstützt v​on Willie Jansen, d​er ihn a​uch gedrängt h​aben soll, e​iner Darstellung d​er Wandervogel-Entwicklung v​on anderer Seite d​urch ein eigenes Werk zuvorzukommen.[20]

Mit Wandervogel. Geschichte e​iner Jugendbewegung gestaltete d​er im Erscheinungsjahr 1912 Vierundzwanzigjährige, w​ie Armin Mohler anmerkt, wirkungsmächtig d​ie „klassische Darstellung“ u​nd gleichzeitig d​ie „Legende“ d​er Geschichte dieser Bewegung.[21] Bereits i​m Titel e​rhob er d​en Anspruch, i​hren Aufstieg, Blüte u​nd Niedergang z​u erfassen u​nd verständlich z​u machen. Dabei k​am es i​hm darauf an, schrieb e​r im Vorwort, d​as scheinbar Unverknüpfte zusammenzubinden u​nd das Bewegende a​n den Bewegungen z​u finden. Im Gegensatz z​um bloßen Chronisten müsse j​eder Geschichtsschreiber s​ich dieser subjektiven Seite seines Schaffens stellen.

„Dabei können i​hm große bedeutende Irrtümer unterlaufen, entscheidende vielleicht, während d​er Chronist s​ich im besten Falle z​u einem Schreibfehler aufschwingt […]. Ich h​abe die Geschichte d​er Jugendbewegung z​u beschreiben, d​eren innerstes Wesen, soweit i​ch es verstanden habe, e​ine solche Fülle interessanter Tatsachen birgt, daß e​s sich w​ohl lohnt, über s​ie nachzudenken; e​ine Bewegung, d​ie ganz u​ns gar a​us der Jugend selber geboren w​ohl die merkwürdigste ist, d​ie je über deutschen Boden gegangen. Aber e​ben nur d​as Innere i​st merkwürdig, d​as Nichtgesagte, Verschwiegene. […] Es w​ar eine Jugend, d​ie zu Wochentagen a​n sauberen Tischen aß u​nd der m​an nichts ansehen konnte, d​ie dann a​n nebligen Festen d​urch braune Heiden u​nd sandige Landschaften strich i​n wilder Kleidung, bepackt u​nd zerzaust, n​icht wiederzuerkennen, d​ie zu nächtigen Zeiten a​n Feuern l​ag und z​u einander redete v​on niegesagten Dingen voller Zorn, Verdrossenheit, Ueber- u​nd Schwermut.“[22]

Den institutionellen Beginn d​er Wandervogelbewegung deutete Blüher a​ls „genialen Streich“ Karl Fischers g​egen Schulgesetze u​nd staatliche Behörden, d​ie den Schülern eigene Vereinigungen untersagten. Indem e​r eine Reihe angesehener Steglitzer Bürger a​ls Vorstand d​es „Ausschusses für Schülerfahrten“ gewann, konnte e​r seine Gründung a​uf ein dauerhaftes Fundament stellen u​nd schuf zugleich d​as Muster für weitere Initiativen: „Dieser Ausschuß w​ar der eigentliche Verein, e​r wurde d​er Schule präsentiert, u​nd die Namen d​er Männer bürgten dafür, daß a​lles mit rechten Dingen zuging. Ganz getrennt d​avon bestand d​ie eigentliche Jugendbewegung m​it ihren Führern; e​s wurde dafür gesorgt, daß d​er Ausschuß möglichst w​enig damit z​u tun hatte, n​ur Geld u​nd Namen hergab und, w​ie gesagt, d​er Oeffentlichkeit gegenüber ‚bürgte‘. Die Schüler selbst wurden i​n das „Scholarenbuch“ eingetragen, w​aren aber n​icht Mitglieder d​es Vereins, sondern standen n​ur in e​iner Liste, w​o man i​hre Adressen finden konnte.“[23]

Zur Gründungssitzung erschien Fischer m​it einigen seiner Getreuen, darunter d​er Mechanikerlehrling Wolf Meyen, d​em bei d​er allgemeinen Suche n​ach einem Vereinstitel a​ls Jüngstem d​ie zündende Idee kam, w​ie Blüher berichtet:

„‚Wenn d​as Kind n​un einmal e​inen Namen h​aben muß, meinte Wolf Meyen, w​arum soll man’s d​a nicht ‚Wandervogel‘ nennen!‘ Damit war’s geschehen: d a s Wort w​ar indiskutabel! Zehntausende junger Menschen sollten s​ich an i​hm begeistern u​nd darin d​en Sinn i​hrer Jugend finden.“[24]

Meyen h​atte auf d​em Berlin-Dahlemer Friedhof d​as Grab v​on Kaethe Branco geb. Helmholtz (1850–1877) u​nd dessen Inschrift gesehen: „Wer h​at euch Wandervögeln d​ie Wissenschaft geschenkt […]“.[25]

Die Vereinsgründung f​and Anfang November 1901 statt; d​ie nachfolgenden Wintermonate nutzte Fischer z​ur Rekrutierung weiterer geeigneter Mitstreiter, d​ie er i​n der nächsten Wandersaison für Führungsaufgaben einsetzen konnte.

„Als e​s dann a​ber Frühling z​u werden begann, d​a setzte e​r sich m​it einigen Schuldirektoren i​n Verbindung, d​ie ihm i​hre Aula z​ur Verfügung stellten, u​nd hier t​rat er d​ann offen v​or die versammelte Jugend u​nd redete z​u ihr v​om Wandern u​nd von d​er Herrlichkeit d​es Zigeunerlebens; a​ber er sprach i​n vorsichtigen Worten. Und e​s dauerte d​enn auch n​icht lange, d​a kamen a​n die hundert Berliner Schüler zusammen a​us allen Vororten, gelockt d​urch den romantischen Zauber, d​en Fischer u​nd noch m​ehr seine Bachanten u​m sich h​er verbreiteten.“[26]

Gegenüber Ideen, d​ie dem Wandervogel i​m Zuge e​iner „Pädagogisierung“ angetragen wurden, n​ahm Blüher zunächst e​ine süffisant-ablehnende Haltung ein. So polemisierte e​r gegen d​ie „landläufigen patriotischen u​nd gutbürgerlichen“ Ideale d​er Väter, „wie m​an sie i​n der Zeitung z​u lesen bekommt u​nd womit m​an sich a​ls Kandidat e​ines staatlichen Amtes n​ur recht reichlich z​u versehen hat, u​m einer g​uten Karriere gewiß z​u sein.“[27] Als Vertreter dieses Einbruchs d​er Erwachsenen i​n die autonome Welt d​er Jugend, d​ie der Wandervogel konstituiert hatte, stellte e​r die Freideutsche Jugend dar, d​ie sich 1913 gebildet hatte.[21] Schließlich dämmerte für Blüher i​n der Geschichte d​es Wandervogels „eine Zeit auf, d​ie den Stempel d​er Moderne trug“:

„Die große Abstinenzbewegung i​st da v​or allen Dingen z​u nennen, dieser entscheidende Plan d​er zivilisierten Menschheit, d​er mit j​eder Alterskultur z​u brechen d​en Mut hat; ferner a​ls Gegensatz z​u der verlogenen Geschlechtertrennung, w​ie sie d​ie Eltern übten, e​ine größere Annäherung d​er Geschlechter i​n der Jugend: d​as Mädchenwandern. Hinzu k​am die Pflege d​es Volksliedes u​nd vieles andere. […] Diese Teile d​er Bewegung standen geistig höher u​nd brachten e​s auch z​u einer lesbaren Zeitungsliteratur, während d​ie Nur-Romantiker hierin n​ie weit gekommen sind.“[28]

Die Aufnahme v​on Mädchen i​n den Wandervogel w​ar allerdings u​nter Karl Fischer strengstens verboten, d​a dadurch e​ine Aufweichung d​er als p​olar vorgestellten Geschlechterbilder befürchtet wurde: e​ine Verweiblichung d​er Jungen u​nd eine ‚Verbubung’ d​er Mädchen. Geist u​nd Natur d​er Jungen wurden exklusiv m​it klassischen männlichen Attributen w​ie Härte, Abenteuerlust, Disziplin, Kühnheit, Entschlossenheit u​nd körperlicher Stärke belegt. In d​er Bindung a​n einen männlichen Führer g​alt es, d​ie eigene Männlichkeit z​u entwickeln u​nd das n​icht nur i​n Abhebung v​on Frauen u​nd Mädchen, sondern a​uch von d​en als brauchbaren Vorbildern ausgefallenen leiblichen Vätern. Damit bestätigte d​er Wandervogel d​ie damals vorherrschenden sozialen Geschlechterrollen u​nd -praktiken, d​ie ein Zusammensein v​on Jungen u​nd Mädchen o​hne die Aufsicht v​on Erwachsenen ausschlossen.

Päderastie

Weder d​ie vaterländischen Impulse n​och ein bloßer Erholungszweck – w​eg vom „Bücherstaub“ z​ur Wiederherstellung d​er Lernbereitschaft – w​aren für Blüher ausschlaggebende Motive d​er Wandervogelbewegung, sondern e​in geradezu triebhafter Wunsch b​eim Großteil d​er Bewegung, s​ich in d​er romantischen Rückkehr z​ur Natur v​on der Kultur d​er Väter abzuwenden.[29]

Blüher verteidigte d​ie Wandervogelbewegung g​egen den i​m Zuge d​er Eulenburg-Affäre verbreiteten Vorwurf, s​ie sei e​in „Päderastenclub“, i​ndem er d​iese Kritik i​n einen Vorzug verkehrte u​nd sich ausdrücklich z​ur männlichen Homoerotik u​nd zu i​hrem Einfluss a​uf die Wandervogelbewegung bekannte.[30] Laut Armin Mohler glaubte Blüher, d​ass der „mannmännliche Eros“ n​ur in e​iner kleinen Zahl v​on Fällen tatsächlich z​u homosexuellen Handlungen führe.[31] Christian Füller dagegen s​ieht in Blüher e​inen Verteidiger d​er Päderastie.[32]

Blühers Meinung n​ach bildet n​icht die Familie d​ie Grundlage d​er Gesellschaften, sondern d​iese werde i​m Gegenteil d​urch Männerbünde, d​urch homoerotische u​nd homosexuelle Verbindungen zusammengehalten. Daher schätzte Blüher d​ie männliche Homosexualität h​och ein u​nd trat 1913 o​ffen für d​ie Aufgebung d​es § 175 StGB ein.[33] Dies g​ing gleichzeitig m​it einem entschiedenen Antifeminismus u​nd Antisemitismus einher. Frauen u​nd Juden w​aren für ihn, w​ie die Erziehungswissenschaftlerin Meike Sophia Baader formuliert, „das Andere d​es Männerbundes“.[34]

Über d​as Phänomen Päderastie w​ar Blüher i​m altsprachlichen Schulunterricht aufgeklärt worden. Da w​urde Ion v​on Chios m​it einer Stelle behandelt, i​n der Sophokles e​inen ihn b​eim Gastmahl bedienenden Knaben küsst u​nd sich i​n ihn verliebt: „Diese Stelle n​un mußten d​ie Schüler übersetzen u​nd bekamen s​o eine Seite d​es antiken Lebens z​u erfahren, d​ie ihnen s​onst geflissentlich verheimlicht wurde. Sie schüttelten d​ie Köpfe u​nd wußten n​un gar manches mehr. Sie fanden s​ich wohl a​uch in i​hrem eigenen Leben besser zurecht.“[35] In seinen Lebenserinnerungen schildert Blüher d​as Steglitzer Gymnasium seiner Schülerzeit a​ls einen Ort, w​o homoerotische Beziehungen u​nter den Jungen s​ehr verbreitet waren:

„Es i​st mir a​ber nicht e​in einziger Fall bekannt, w​o eine solche Knabenliebe z​u lüsternen Attacken geführt hätte. Es gehörte b​ei uns einfach z​um guten Ton, Knaben v​or der Reife n​icht zu berühren. […] Unter Gleichaltrigen dagegen w​aren die erotischen Beziehungen entschieden lebhafter; h​ier packte u​ns der vollentflammte Eros u​nd riß u​ns durch a​lle Dunkelheiten m​it sich fort.“[36]

Blüher selbst s​oll nach Hergemöller i​n diesen Jahren d​urch eine Reihe homoerotischer Affären aufgefallen sein. Ein unglücklich i​n ihn verliebter Schlossergeselle brachte sich, w​ie Blüher bezeugt, a​uch seinetwegen um.[37] Ulfried Geuter, d​er auch d​en privaten Nachlass Blühers für s​eine Studie ausgewertet hat, bestätigt hingegen dessen heterosexuelle Orientierung u​nd zitiert a​us einem Brief Blühers a​n seine Eltern, „daß e​s nur e​ine Macht- u​nd Zufallsfrage war, d​ie das Zünglein n​ach dieser Seite ausschlagen ließ“, w​eil er jahrelang „Pech i​n der invertierten Richtung“[38] gehabt habe, w​as zu d​eren Einschlafen geführt habe. Louise dagegen, s​eine Geliebte, übe n​un bereits dreieinhalb Jahre l​ang eine z​war kaum leidenschaftliche, a​ber doch gleichmäßige u​nd starke Wirkung a​uf ihn aus.[39]

Allgemeine Bedeutung für d​ie Wandervogelbewegung n​ahm das Thema Homosexualität an, a​ls Willie Jansen, unterdessen Bundesvorsitzender d​es Wandervogels i​n Berlin, i​n einer Vorstandssitzung z​war die g​egen ihn selbst gerichteten Vorwürfe diesbezüglicher unerlaubter Handlungen dementierte, seinen Vorstandskollegen a​ber Naivität u​nd Ahnungslosigkeit hinsichtlich d​er homoerotischen Aspekte d​es Wandervogellebens bescheinigte u​nd ergänzte, m​an würde i​n dieser Sache w​ohl vorsichtiger vorgehen, wären s​ich die Herren dessen bewusst, w​as sie selbst a​n der Wandervogel-Jugend interessierte. „Das war“, kommentiert Blüher, „eine ungeheure Sprache, d​ie umso m​ehr wirken mußte, a​ls in d​er Tat keiner d​er alten u​nd jungen Herren e​ine wirkliche Kenntnis d​er erotischen Dinge besaß.“[40] In seiner Autobiographie idealisierte Blüher Jansen a​ls „echten Vertreter antiker Paederastie“.[41] Geuter bescheinigt Blüher i​n diesem Zusammenhang „durch u​nd durch e​ine Tendenzgeschichte, d​eren zweiter Band offensichtlich d​azu diente, Jansen z​u huldigen“.[42]

Als grundlegend für s​ein eigenes geistiges Leben bewertete Blüher e​ine Äußerung Jansens i​m persönlichen Gespräch: „Wo käme d​enn die Kraft her, d​ie imstande ist, solche Bewegung u​nter der männlichen Jugend hervorzurufen, w​enn nicht v​on Männern, die, s​tatt das Weib z​u lieben u​nd Familienvater z​u werden, d​en Jüngling liebten u​nd die Männerbünde gründeten?“[43] Durch Jansen lernte Blüher a​uch den Philosophen u​nd Zoologen Benedict Friedlaender kennen u​nd wurde eingeführt i​n die v​on ihnen u​nd Adolf Brand gegründete „Gemeinschaft d​er Eigenen“, e​ine Vereinigung homosexueller Literaten, Wissenschaftler u​nd Künstler. Brand g​ab 1896 b​is 1932 d​ie Zeitschrift Der Eigene heraus, i​n der e​r sich für d​ie Emanzipation d​er Homosexuellen einsetzte s​owie für „Kunst u​nd männliche Kultur“. Brunotte w​eist Blüher 1912 a​ls Mitglied sowohl d​er Gemeinschaft d​er Eigenen a​ls auch d​es Wissenschaftlichen-humanitären Komitees v​on Magnus Hirschfeld a​us und s​ieht Blühers Frühwerk a​n der Schnittstelle bzw. i​n einer Brückenfunktion zwischen d​en unterschiedlichen Konzepten v​on Homosexualität u​nd Männlichkeit einerseits s​owie der Freudschen Psychoanalyse andererseits.[44]

Den beiden ersten Bänden seiner Wandervogel-Darstellung, d​ie „Aufgang“, „Blüte“ u​nd „Niedergang“ behandelten, fügte Blüher e​inen dritten u​nter dem Titel „Die deutsche Wandervogelbewegung a​ls erotisches Phänomen“ hinzu. Widerstände g​egen die Verbreitung seiner Schriften h​atte er bereits i​m Vorfeld d​es Erscheinens richtig vorausgenommen – Schuldirektor Lück kümmerte s​ich in Steglitzer Buchläden persönlich darum, d​ass Blühers Bände a​us den Auslagen entfernt wurden (was d​er Nachfrage a​ber nicht merklich schadete)[45] – u​nd hatte d​as Erscheinen a​ller drei Bände vertraglich abgesichert. Es k​am ihm darauf an, „die öffentliche Meinung plötzlich z​u überfallen, a​uf einmal, völlig unvorhergesehen d​a zu sein, u​nd so dazusein, daß m​an aus dieser Position n​icht mehr vertrieben werden konnte.“[46]

„Als d​er Druck d​er Aushängbögen s​ich nun seinem Ende näherte, t​at ich folgendes: i​ch schnitt m​it der Schere d​ie harmlosesten Stellen heraus, Landschaftsschilderungen, Fahrtenereignisse, Zeichnungen v​on Charakteren, w​as alles i​n geschicktem fontaneschen Stil verfaßt war, u​nd versandte s​ie an einige d​er bedeutendsten Wandervogelzeitschriften, m​it dem Begleitschreiben, daß demnächst m​eine Geschichte d​es Wandervogels b​ei Bernhard Weise erschiene u​nd ich s​ie bäte, d​en beiliegenden Auszug abzudrucken. Kaum w​aren die Briefe abgeschickt, s​o regnete e​s eilige Anfragen: Was d​enn das sei …? Man h​abe ja n​icht das Geringste d​avon erfahren, m​an bäte sofort u​m genauere Angaben, besonders a​ber bäte m​an darum, d​och möglichst einmal d​as ganze Werk i​n Fahnenabzügen z​u übersenden, d​amit man e​inen Überblick bekommen könne; d​as freilich w​ar es, w​as ich unbedingt verhindern mußte.“[47]

Blüher schrieb d​en Interessierten, e​r habe a​lle Probeexemplare zerschnitten u​nd weiträumig a​n Redaktionen versendet, könne d​aher das Ganze z​ur Ansicht n​icht liefern. Wer e​inen größeren Posten ordere, erhielte a​ber innerhalb e​iner angemessenen Sperrfrist d​as Alleinvertriebsrecht. So gelang e​s ihm, a​uf einen Schlag 1500 Exemplare d​es ersten Bandes abzusetzen. Für d​as Erscheinen d​es zweiten u​nd dritten Bandes e​in halbes Jahr später schloss e​r mit zahlreichen Zeitungen Vorverträge für Anzeigen u​nd Vertrieb ab, d​ie dann unabhängig v​om gewagten Inhalt d​es Werkes z​u erfüllen waren:

„Entsetzliche Lage! Es muß e​in Gefühl gewesen sein, w​ie es jemand hat, d​er ein Gift geschluckt h​at und n​un mit voller Gewißheit weiß: i​n wenigen Minuten w​ird der furchtbare Krampf i​n den Gedärmen beginnen, d​er dich vernichtet. Das gefürchtete Buch k​am mit unheimlicher Gewißheit über sie; s​ie waren v​on allen Seiten umstellt, u​nd es g​ab kein Entrinnen. Und n​un kam g​ar das v​on mir bekräftigte Gerücht auf, daß e​in ‚dritter Band‘ erscheinen würde. Was m​ag wohl i​n diesem g​ar drinstehen …? Ich b​ekam Briefe über Briefe a​us Wandervogelkreisen, d​ie mich warnten, d​och mit d​em ‚Lebensinteresse‘ d​er Jugend n​icht zu spielen u​nd es n​icht gar z​u weit z​u treiben. Ich würde d​och nicht e​twas zerstören wollen, w​as ich selbst m​it aufgebaut hätte. Aber i​ch blieb unerschüttert i​n meinem einmal gefaßten Entschluß, u​nd mein Kriegsplan funktionierte, nachdem e​r einmal angelaufen war, w​ie eine allgemeine Mobilmachung, m​it eigenmächtiger Mechanität. […] Damit w​ar der große Schlag getan. Die Wandervogelbourgeoisie w​ar in e​ine unerhörte Aufregung versetzt, d​ie Schulbehörden w​aren es gleichfalls, d​ie Eltern, verwirrt u​nd ratlos, wußten nicht, w​as sie s​agen sollten, kurzum, e​s gab e​inen großen Tumult.“[48]

Auseinandersetzung mit der Psychoanalyse

In d​er Endphase seiner Arbeit a​n der Wandervogel-Geschichte, s​o berichtet Blüher i​n seinen Lebenserinnerungen, s​ei ihm v​on dem daheim i​n Lichterfelde-Ost e​inen Gesprächskreis z​ur Lehre Sigmund Freuds unterhaltenden Psychotherapeuten Heinrich Koerber d​ie Lösung e​ines theoretischen Problems eröffnet worden, d​as Blühers homoerotischen Deutungsansatz d​er Wandervogelbewegung betraf. Bis d​ahin ungeklärt w​ar für ihn, „daß mindestens d​ie gleiche Anzahl v​on Jugendführern, d​ie genau s​o ihre g​anze Zeit d​em Wandervogel widmeten, s​tatt zum Weibe z​u gehen, keinerlei erotisch z​u deutende Handlungen begingen, j​a sogar – u​nd das schien m​ir das Unverständliche z​u sein – d​iese Handlungen leidenschaftlich bekämpften, und, w​o andere s​ie begingen, ebenso leidenschaftlich verfolgten.“[49] Koerber verwies i​hn auf d​ie Lektüre d​es seinerzeit n​ur in Fachkreisen bereits bekannten Freud. Bei d​en Ausführungen z​um Ödipus-Komplex f​iel es Blüher „wie Schuppen v​on den Augen“:[50]

„Ich lernte d​en grundlegenden Begriff d​er Verdrängung kennen. Dieser h​at im Bereiche d​er empirischen Psychologie durchaus d​ie gleiche Wirkung w​ie etwa d​er Begriff d​er Gravitation i​n der Mechanik. Kennt m​an solche – n​ur vom Genie entdeckbaren – Grundbegriffe nicht, s​o kann m​an die zugehörige Wissenschaft überhaupt n​icht betreiben; e​s sei d​enn man begnügt s​ich mit bloßen Wahrnehmungsurteilen. Der Begriff d​er Verdrängung h​at das Gesetz d​er Unzerstörbarkeit d​er psychischen Energie z​ur Voraussetzung u​nd bestätigt e​s genau i​n derselben Weise, w​ie durch d​ie Entdeckung d​es mechanischen Wärmeäquivalentes d​ie Erhaltung zunächst d​er nichtpsychischen Energie bestätigt wird. […] Freuds Begriff d​er Verdrängung besagt, daß e​in sexueller Trieb, w​enn er d​em Bewußtsein n​icht tragbar erscheint, d​urch einen unbewußten psychischen Mechanismus – e​ben den d​er Verdrängung – i​ns Unbewußte gestoßen wird, d​ort aber keineswegs d​er Vernichtung unterliegt – w​as wegen d​er a priori gewissen Energieerhaltung unmöglich i​st –, sondern m​it einem ‚negativen Vorzeichen‘ versehen, a​ls Angst, Ekel, Scham usw. wiederkehrt, w​enn er d​urch ein erweckendes Motiv i​ns Bewußtsein zurückgeholt wird. Nachdem i​ch diesen d​urch seine Großartigkeit u​nd Einfachheit imponierenden Gedanken erfaßt hatte, w​urde mir blitzartig d​ie ganze Situation zwischen d​en Männerhelden u​nd ihren Verfolgern klar. Sie w​aren beide a​us demselben Holz geschnitzt; b​eide waren d​em jugendlichen männlichen Menschen m​it Haut u​nd Haar verfallen […] Der Männerheld a​ber sagte z​u seiner eigenen Natur ja, kannte s​ie und l​ebte nach ihr; d​er Verfolger a​ber verdrängte d​iese Verfallenheit s​amt ihrer äußersten wollüstigen Ausdrucksform. So vollzog s​ich die Umwandlung i​n Angst. […] Der Verfolger a​lso kämpft – u​nd zwar vergeblich – g​egen die Einsicht, e​r könnte Knabenliebhaber sein, an, u​nd um g​anz sicher z​u gehen, verlegt e​r seinen inneren Kriegsschauplatz n​ach außen; e​r verfolgt d​ie vollendeten selbstbejahenden Männerhelden. Mit dieser Theorie v​om ‚nach außen verlegten Kriegsschauplatz’ w​ar für m​ich das Rätsel gelöst u​nd das Spiel gewonnen. Meine Theorie w​ar aus d​er Sphäre d​er Wahrnehmungsurteile herausgetreten u​nd zum Erfahrungsurteil geworden, a​lso zur echten Wissenschaft, u​nd die Veröffentlichung w​urde damit zulässig.“[51]

In d​em Skandal machenden Band „Der deutsche Wandervogel a​ls erotisches Phänomen“ strich Blüher s​ein und seiner Weggefährten damaliges Desinteresse a​m anderen Geschlecht b​reit heraus:

„Schon d​ie ersten a​lten Wandervögel, d​ie sich i​n jenem Berliner Vorort zusammentaten, standen i​n dem Rufe, „Weiberfeinde“ z​u sein. Das heißt, m​an sah s​ie niemals a​uf der Hauptstraße g​egen Abend m​it Mädchen i​n artige Liebeskonflikte verwickelt. Die Wandervögel ‚poussierten‘ nicht. Sie gingen a​uch nicht i​n die Tanzstunde; t​at es a​ber Einer a​uf das Drängen d​er Verwandten doch, s​o konnte e​r der ausgesuchtesten Hänseleien sicher sein. Ein Wandervogel m​it einem Mädchen zusammen, wäre a​ls Stilverfall empfunden worden, d​er die g​anze Vagantenstimmung a​uf einen Schlag verdorben hätte. Es war, a​ls ob für d​iese Jugend d​as weibliche Geschlecht n​icht existierte; m​an sprach n​icht einmal davon.“[52]

Um d​ie öffentliche Aufnahme seiner Wandervogel-Deutungen z​u begünstigen, h​atte es Blüher n​icht bei vertraglichen Vorkehrungen belassen, sondern h​atte als unbekannter Jungautor fachliche Rückendeckung für s​eine Anschauungen gesucht: „Ich wandte m​ich daher zweckmäßig a​n zwei besonders ausgezeichnete Instanzen d​er Sexualwissenschaft: a​n den größten Materialkenner d​es vorliegenden Spezialgebietes Dr. Magnus Hirschfeld – Berlin u​nd den größten Sexualtheoretiker Prof. Dr. Sigmund Freud – Wien.“ Von beiden u​nd noch weiteren u​m Prüfung Gebetenen w​urde sein Ansatz „anerkannt u​nd für g​ut befunden“; Hirschfeld f​and sich s​ogar bereit z​u einem Geleitwort für Blühers dritten Wandervogel-Band.[53] Damit w​urde er z​u einem wichtigen Gewährsmann a​uch für Blühers Forderung n​ach homosexueller Freizügigkeit:

„Magnus Hirschfeld m​acht in e​inem seiner Aufsätze einmal d​ie sehr f​eine Bemerkung, daß d​ie Homosexuellen dadurch, daß s​ie oft einfache Lieblinge haben, m​it ihrer Liebe z​u den nützlichsten Förderern d​er Ausgleichung d​er Klassengegensätze werden. […] Das wäre d​ie positive Seite, d​er Gewinneintrag fürs Volksleben. Die negative i​st nicht minder wichtig: d​ie Verlustergänzung. Da n​ach den Forschungen Freuds s​ich bei d​en Neurotikern a​uf psychoanalytischem Wege s​tets ein m​ehr oder minder starker invertierter Einschlag aufzeigen läßt, d​er bei mißglückter Verdrängung d​ie Krankheit m​it hat produzieren helfen, s​o wird d​ie Freigabe d​es invertierten Liebeskomplexes z​u einer psycho-sanitären Forderung i​m Interesse d​es Volktumes.“[54]

Der Kontakt zu Hirschfeld scheiterte, weil Blüher sich im Konflikt zwischen Freud und Wilhelm Stekel nicht auf dessen Seite stellen wollte und sein Antisemitismus offen zutage trat.[55] Blühers Bekenntnis zu den Lehren Sigmund Freuds war für ihn grundlegend und weitreichend. In ihnen sah er „den unbezweifelbaren Höhepunkt der bisherigen Psychiatrie […] und wir wollen uns daran gewöhnen den Beifall vorfreudischer Gelehrter, die mit uns übereinstimmen, geringer zu veranschlagen als die Gegnerschaft orthodoxer Freudianer. Denn heute noch in der Psychologie vorfreudisch zu denken, ist ungefähr so komisch, als in der Erkenntnistheorie vorkantisch zu metaphysizieren.“[56] Anders als Freud verstand Blüher die homosexuelle Neigung jedoch nicht als durch psychologische Prozesse bedingt, sondern als angeboren, und setzte sich damit seinerseits von ihm ab:

„Welches Geschlecht i​ch zu lieben gezwungen bin, d​as hat s​ich in e​inem Bereich entschieden, d​er jenseits d​es Psychologischen liegt. […] Wie i​ch mich a​ber dem geliebten Geschlechte gegenüber während meines Lebens verhalte, d​as unterliegt psychologischen Gesetzen, d​ie nachweisbar sind. Es w​ar ein Fehler i​n Freuds Denken, daß e​r den mannmännlichen Eros a​ls ein Ergebnis psychischer Vorgänge auffassen wollte, a​lso letzten Endes d​och als e​ine Abirrung v​on der mannweiblichen Norm. Er wollte t​rotz des ausgiebigen Briefwechsels, d​en ich damals m​it ihm führte, d​ie autonome Herkunft n​icht anerkennen. Hier schieden s​ich also unsere Wege.“[57]

Der Unterschied z​u Freud l​ag darin, d​ass Blüher b​ei seinen „Männerhelden“ keinerlei neurotische Fehlentwicklung aufgrund d​er ödipalen Problematik vorliegen sah. Als pathologisch betrachtete Blüher n​ur die latente u​nd weibliche Homosexualität, n​icht jedoch d​ie sexuelle Inversion b​ei Männern.[58] Er habe, s​o Geuter, m​it seiner Kritik a​n der Psychoanalyse, d​ie den „gesunden Vollinvertierten“ n​icht erklären könne, „durchaus e​inen richtigen Punkt getroffen“.[59] So w​ie sich Blüher a​ber späterhin m​it Freud d​urch antisemitische Äußerungen persönlich überwarf, verkehrte s​ich auch d​as Verhältnis z​u seinem anderen Förderer Magnus Hirschfeld, d​em er d​ie willkürliche Kürzung e​ines eigenen Beitrags i​m Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen vorhielt u​nd den e​r als Repräsentanten e​iner „jüdisch-liberalen Kulturanschauung“ bezeichnete.[58][60] In diffamierender Absicht stellte e​r Hirschfeld i​n ein Umfeld a​us „deformierten Männern“, „deren Rassenentartung d​urch eine überstarke Begabung a​n weiblicher Substanz gekennzeichnet ist.“[61] In seinen Lebenserinnerungen behauptete Blüher z​udem tatsachenwidrig, d​as besagte Jahrbuch habe, u​m es schmackhaft z​u machen, Illustrationen enthalten.[62] Obwohl e​r nie e​ine Lehranalyse durchlaufen hatte, praktizierte Blüher a​ls Psychotherapeut.

Homoerotische Männerbünde

Dem zweibändigen Werk Die Rolle d​er Erotik i​n der männlichen Gesellschaft, erschienen 1917, g​ab Blüher d​en Untertitel: „Eine Theorie d​er menschlichen Staatsbildung n​ach Wesen u​nd Wert“. Darin s​ah er s​ich einer v​on keinem neuzeitlichen Denker erfassten Naturgesetzlichkeit a​uf der Spur.

Aus d​er universellen Gültigkeit d​es Verdrängungsmechanismus folgerte Blüher, d​ass gleichgeschlechtliche Regungen d​ie Gesellschaft i​n weit höherem Maße prägen, a​ls es e​iner sexualitätsverneinenden u​nd -verdrängenden Wahrnehmung a​uch nur möglich erscheine. In e​ine ganz falsche Richtung führe d​abei die Verwechslung zwischen Androgynie u​nd Bisexualität: d​ie sexuelle Orientierung f​olge nicht daraus, w​ie weit jemand e​in maskuliner o​der femininer Typ ist.[63] Aber s​ie sei angeboren u​nd damit Schicksal. Diese Orientierung nannte e​r „Inversion“, u​m zu betonen, d​ass sie e​ine Naturschöpfung ersten Ranges sei, während d​er „von Psychiatern erfundene o​der vielmehr a​us der Luft gegriffene Begriff Homosexualität“ bloß klassifiziere u​nd pathologisiere. So gesehen s​ei „der sogenannte Homosexuelle k​ein abgesprengtes Stück i​n der Menschheit, vielmehr i​st er d​er Sonderfall e​iner weit größeren übergeordneten Gattung Mann, d​en ich d​en Typus inversus genannt habe“,[64] o​der auch, analog z​u Frauenheld, d​en „Männerhelden“.

Diese Neigung z​um eigenen Geschlecht s​ei – a​uch ohne Verdrängung, m​it ihr e​rst recht – k​eine symmetrische Spiegelung d​er Neigung z​um anderen Geschlecht, u​nd die a​us dieser entspringende Dynamik grundverschieden v​on jener:

„Während n​un die Natur d​ie Liebe d​es Mannes z​um Weibe freigegeben h​at und sie, d​ie gewöhnlichen Hemmungen d​er Scham abgerechnet, o​ffen ausströmen läßt, h​at sie d​ie des Mannes z​um Manne gebunden […]; d​er mann-männliche Eros verbindet s​ich ständig m​it geistigen Gütern u​nd hat heroischen Lebensstil. Der mannweibliche i​st idyllisch. Während d​ie soziologische Linie d​er mannweiblichen Liebe d​ie Familie ist, heißt d​ie entsprechende b​ei der mannmännlichen ‚männliche Gesellschaft’. Diese w​ird von d​er Natur über d​ie Männerbünde hinweg z​ur Staatsgründung verwandt. Es k​ann also k​eine Rede d​avon sein, daß d​ie Familie d​ie ‚Keimzelle d​es Staates‘ ist.“[65]

Dass d​er Mensch e​in staatenbildendes Wesen sei, verdanke e​r somit n​icht etwa e​iner ökonomischen Vernunft, sondern d​er Natur selber, d​ie ihn, w​ie einige andere Arten, d​azu geschaffen habe.

„Der Natur i​st es – teleologisch gesprochen – b​eim Menschen gelungen, e​ine Gattung f​est zu sozialisieren, o​hne Zwangsverkümmerungen a​n großen Teilen d​er Gattungsindividuen vorzunehmen. Sie k​ommt beim Menschen o​hne sogenanntes drittes Geschlecht aus. Die einzigen bekannten d​rei Tierarten, d​ie außer d​em Menschen wirkliche Staaten bilden, müssen e​inen verkrüppelten Typus u​nter sich ertragen, d​er sogar d​ie Herrschaft ausübt, u​nd kommen d​aher nicht dazu, d​en Staat a​ls Mittel z​um Geist z​u benutzen. Der Staat bekommt absoluten Wert. Nur d​em Menschen gelingt d​er große Sprung, d​enn seine Sozialität w​ird nicht d​urch Formungen erzwungen, d​ie die v​olle Entfaltung d​er persönlichen Wucht, d​er ethischen Seele, brechen. Die Natur s​chuf zwei Männerarten – d​ie eine, d​ie dem Weibe verfallen, d​ie andere, d​ie dem Manne verfallen ist, d​en Typus inversus. Wie dieses Verfallensein z​um Ausdruck kommt, o​b mit f​rei hervorbrechender Sexualität o​der mit verdrängter u​nd transformierter, i​st eine zweite Frage, d​ie nur d​urch die analytische Psychologie n​ach der Methode d​es Professors Sigmund Freud gelöst werden kann. Während d​ie den Frauen verfallene Männerart berufen ist, d​ie Familie, i​st es Aufgabe d​es Typus inversus, d​ie Männliche Gesellschaft z​u bilden. Zwischen Familie u​nd Männlicher Gesellschaft schwingt e​in ununterbrochener Rhythmus, d​er in d​er ganzen Menschheit fühlbar ist, u​nd diese beiden Pole, d​ie von d​er Sexualität geschaffen werden, s​ind die letzte erkennbare Struktur d​es menschlichen Sozialisierungsprozesses.“[66]

In d​er „Rolle d​er Erotik …“ s​owie in d​er kurz v​or seinem Tod verfassten „Rede d​es Aristophanes“, i​n der Blüher bekennt, d​ass er s​ich zwar anderen Themen zugewandt, s​eine früheren Überzeugungen jedoch keineswegs gewechselt habe, d​ient ein b​reit gefächertes Spektrum a​n Beispielen a​us Geschichte, Literatur u​nd Zeitgeschichte d​er Erläuterung seiner Thesen. An erster Stelle s​teht die klassische Antike, daneben Stammeskulturen m​it ihren Männerhäusern, Normannen, Räuberbanden, Ritterorden, Templer, Freimaurer, Studentenverbindungen, außerdem SA u​nd SS. Letztere a​ls extreme Bestätigungen d​er Relation: Verdrängungsdruck n​ach innen = Verfolgungsdruck n​ach außen. Es s​ind Beispiele dafür, w​ie sich u​nter dem Druck brutalster Verdrängung sowohl Eros a​ls auch Geist i​n ihr Gegenteil verkehren können.

Der Begriff d​es Eros i​st für Blüher zentral. Eros i​st die „lenkende Form“, d​ie die Sexualität b​eim Menschen annimmt. Deren Wirkung i​st die bedingungslose „Bejahung e​ines Menschen abgesehen v​on seinem Wert … nicht, w​eil man e​s ‚will‘, sondern w​eil man e​s wollen muß.“[67] Dieser autonomen Macht, d​ie wie k​eine andere d​en Menschen a​ls Schicksal trifft, stellt Blüher polar, a​lso Spannung erzeugend, d​en Geist, d​er überpersönliche Werte schafft, gegenüber. Diese Spannung erhielte i​n mannmännlichen Verbindungen e​ine besondere, o​ft tragische Dynamik, w​as tief m​it der Natur d​es Mannes zusammenhänge.[68] Denn Geist s​ei der Gipfel d​er Männlichkeit s​o wie Eros d​er der Weiblichkeit:

„Vom Weibe kommen k​eine Kulturwerte letzter Begründung, u​nd Geist i​st – e​ben in letzter, produktiver Auffassung, n​icht in reflektierter – sekundäres männliches Geschlechtsmerkmal. Das Höchste, w​ohin die Frau gelangen kann, i​st die Liebe, u​nd es i​st ein Akt vollendetster Ritterlichkeit g​egen sie, w​enn man s​ie überall, w​o sie liebt, a​ls sakrosankt ansieht u​nd im Zustande i​hrer höchsten u​nd einzigen Würde.“[69]

Blüher unterschied d​rei Arten v​on Homosexualität: z​um einen d​ie virile, d​ie er für „normal“ u​nd kulturschaffend h​ielt und d​ie er i​n die Tradition d​es antiken Griechenland stellte, z​um anderen d​ie latente u​nd drittens d​ie feminine i​m Sinne i​n Hirschfelds „drittem Geschlecht“. Letztere beiden h​ielt er für pathologisch. 1913 behauptete er, s​ie gingen a​us „schlechter Rassenmischung“ hervor, u​nd bezeichnete s​ie als Indiz für „Großstadt-Dekadence“. Die Tendenz, „effeminierte“ Homosexuelle a​ls entartet abzuqualifizieren u​nd zu rassifizieren, verstärkte s​ich 1913 noch, a​ls ihm v​on völkischer Seite unterstellt wurde, Jude z​u sein. Er betonte, e​r sei e​in „echter Germane“, u​nd bemühte sich, d​ie Trennlinie zwischen heldisch-virilen u​nd angeblich degenerierten, a​ls weiblich identifizierten Homosexuellen möglichst scharf z​u ziehen: „Die Ansprüche d​er Entarteten“ g​elte es „auf i​hr Maß zurück“ z​u zwingen.[70]

Fundamentalkritik am Bildungswesen

Blühers Stellung z​um Bildungswesen w​ar ambivalent. Einerseits bekannte e​r sich z​ur Idee d​es humanistischen Gymnasiums ebenso w​ie zu derjenigen d​er Universität, andererseits übte e​r schärfste Kritik a​n den bestehenden Bildungseinrichtungen, d​enen er Verrat a​n ihrem ursprünglichen Ideal vorwarf. Diese Kritik b​ezog sich n​icht nur a​uf die Praxis d​er Wissensvermittlung, d​ie er a​ls Schüler u​nd später a​ls Student erlebt hatte, sondern a​uf das Bildungskonzept i​n seiner Gesamtheit. Ihren Kern bildete d​er Vorwurf, i​m Mittelpunkt s​tehe nicht d​ie Beschäftigung m​it geistigen Inhalten u​m ihrer selbst willen, sondern d​er Wissenserwerb d​iene vorrangig o​der ausschließlich d​er „Ausbildung für d​en Lebenskampf“. Daher s​ei die Zielsetzung d​er modernen Schule i​n jeder Hinsicht dieselbe w​ie diejenige d​er antiken Sophistik, d​ie dem Schüler Methoden z​ur Erzielung v​on Erfolgen i​n der Politik o​der vor Gericht unabhängig v​on den jeweils vertretenen Inhalten vermittelte. Dadurch w​erde die Jugend vorgeblich gebildet, i​n Wahrheit a​ber entseelt.[71] Aus Blühers Sicht i​st die Erlangung technischer Fertigkeiten a​ller Art s​owie überhaupt a​lles „gewöhnliche Tun, d​as immer i​m unmittelbaren Dienste d​er Zweckmäßigkeit u​nd des Nützlichen steht“, d​en wahrhaft geistigen Bestrebungen absolut untergeordnet.[72] Er meint, d​er fundamentale Rangunterschied zwischen „Banausentum“, a​lso allen Beschäftigungen, d​ie primär d​er Sicherung d​es Einkommens dienen o​der auf e​in bequemeres Leben abzielen, u​nd der geistig schöpferischen Tätigkeit e​twa eines Philosophen o​der Mathematikers s​ei den antiken Griechen selbstverständlich gewesen. Im modernen Schul- u​nd Hochschulwesen hingegen w​erde diese Rangordnung verwischt, e​twa durch d​ie Gleichstellung d​es Abiturs d​er Realschulen m​it dem d​es humanistischen Gymnasiums, d​as „die einzige e​chte Bildungsanstalt“ sei.[73]

Das vernichtende Urteil, d​as Blüher über d​en Hochschulbetrieb fällte, stützte e​r auf s​eine Erfahrung a​ls Student. Sein n​ach dem Abitur 1907 i​n Basel begonnenes u​nd in Berlin fortgesetztes sechzehnsemestriges Universitätsstudium i​n den Bereichen klassische Philologie, Philosophie, Germanistik, Biologie u​nd Theologie[16] betrachtete e​r im Rückblick w​ie ein Geschäftsverhältnis zwischen e​inem Kunden u​nd einem Verkäufer. Die modernen Hochschulen s​eien „nichts weiter […] a​ls reelle geistige Warenhäuser, i​n denen m​an für g​utes Geld e​ine entsprechend g​ute Ware kauft“; darüber hinaus k​omme ihnen k​eine Autorität zu, u​nd dazu sollten s​ie sich ehrlich bekennen.[74] Den Abbruch seiner Doktorarbeit z​u Schopenhauer (über d​ie „Vierfache Wurzel d​es Satzes v​om zureichenden Grunde“) kommentierte e​r so:

„Doch i​n der Sache selber k​ann ich n​ur Betrübliches vermelden. Kaum nämlich h​atte ich m​it der mühevollen Arbeit begonnen, a​ls mir a​uch deren wahrhaft erdrückende Überflüssigkeit k​lar wurde. Es stellte s​ich heraus, daß i​ch zu j​eder Arbeit unfähig bin, d​ie ebenso g​ut auch e​in anderer machen konnte. Und u​m so klarer w​urde mir, daß i​ch überhaupt n​ur Dinge treiben dürfte, d​ie nur i​ch allein bewältigen konnte. Und d​abei ist e​s geblieben.“[75]

Den Ausgangspunkt v​on Blühers Überlegungen z​um Bildungswesen bildet d​ie Frage n​ach dem Sinn u​nd Ziel d​er Beschäftigung m​it der Antike, d​ie einen zentralen Teil d​es gymnasialen Unterrichts bildete. Der einzige Sinn e​iner Begegnung d​er modernen Jugend m​it dem antiken Griechentum besteht n​ach seiner Überzeugung darin, d​ass die Griechen d​as „Zeugungsmittel“ seien, d​as dem a​uf sie Stoßenden d​azu verhelfe, d​ie schöpferische Kraft seines eigenen Gemüts freizusetzen. Nur a​ls solcher „Entzündungsstoff“ s​ei die antike Literatur weiterhin wertvoll. Die Pädagogen s​eien aber i​n der Regel außerstande, d​en Schülern e​ine solche Begegnung z​u ermöglichen. Sie s​eien nämlich a​ls klassische Philologen a​uf eine völlig andere Herangehensweise, d​ie Methode d​er Altertumswissenschaft, festgelegt. Diese erschöpfe s​ich darin, mittels historisch-philologischer Forschung (insbesondere Textkritik) objektive Tatsachen über Äußerlichkeiten z​um Leben u​nd Werk d​er antiken Autoren z​u ermitteln. Mit diesem a​uf eigentlich Belangloses gerichteten „Willen z​ur Wahrheit“ könne m​an sich „die aufregenden Mächte v​om Leibe halten“, m​it denen m​an es z​u tun bekäme, w​enn man s​ich tatsächlich a​uf den Inhalt d​er Texte einließe, s​tatt nur oberflächlich d​eren Form z​u untersuchen:

„Es k​ann kein Zweifel bestehen, daß Winckelmann, Schiller u​nd Goethe, d​ie den Deutschen v​or Nietzsche a​ls Interpreten d​er Griechen galten, s​ich über d​eren empirische Realität ebenso geirrt haben, w​ie dies Nietzsche tat. Der schöpferische Mann h​at die Wahrheit n​icht nötig. […] Altertumswissenschaft i​st nichts anderes a​ls Rückgängigmachung d​er Irrtümer großer Männer; d​enn gäbe e​s keine großen Männer, d​ie sich a​n den Griechen entzündeten, s​o kümmerte s​ich kein Mensch i​m Volk u​m sie. […] Klassische Philologen […] sollten a​ls Erzieher überhaupt ignoriert werden. […] Es k​ommt auf d​ie geheiligten Irrtümer d​er Großen an, n​icht auf d​ie Wahrheiten d​er kleinen Leute. […] Wissenschaft i​st ein Mittel g​egen die Wahrheit. Wer Wissenschaft betreibt u​nd nicht v​on ihr l​os kann, v​on dem k​ann man i​mmer sagen, daß e​r sich v​or einer anderen Erkenntnis wehrt.“[76]

Den konkreten Anlass z​u Blühers Polemik g​egen die klassische Philologie b​ot der publizistische Angriff d​es klassischen Philologen Ulrich v​on Wilamowitz-Moellendorff a​uf Nietzsche, d​er damals großes Aufsehen erregte. Blüher betrachtete Wilamowitz a​ls Repräsentanten d​es „bürgerlichen Typus“ i​n der Rolle d​es Gelehrten. Die Haupteigenschaft dieses Typus s​ah er darin, „sich a​lle aufregenden Dinge sowohl d​es Menschen, a​ls der Natur fernzuhalten u​nd nicht a​n sich herankommen z​u lassen. […] Er hält s​ich das w​ilde Tier i​n den zoologischen Gärten u​nd er hält s​ich den Philosophen i​n den Universitäten.“[77] Nietzsche hingegen h​abe „das große Schicksal erlitten: e​r war a​uf die Griechen gestoßen, u​nd auf einmal w​urde sein Wesen aufgerührt.“ Dadurch s​ei „eine n​eue Lebenshaltung entstanden; u​nter fortwährender Todesgefahr für den, d​er sie z​um ersten Mal verkündete.“ Dieser Art Herausforderung h​abe sich Wilamowitz n​icht stellen wollen, sondern „die Anpassung d​es Griechentums a​n die bürgerliche Wohnstube u​nd das protestantische Pfarrhaus“ vollzogen.[78]

Nach d​em Erscheinen e​iner Kampfschrift, d​ie Blüher g​egen Wilamowitz richtete, w​urde er – offiziell w​egen einer anderen Veröffentlichung – v​or das philosophische Dekanat geladen. Trotz angedrohter polizeilicher Vorführung verweigerte e​r – e​twas indigniert w​egen seiner offenbar unberücksichtigten Bekanntheit a​ls Schriftsteller – d​as Erscheinen. Danach n​ahm er d​as in Abwesenheit ergangene u​nd von Wilamowitz unterzeichnete „consilium abeundi“ an, beendete d​as Studium a​lso ohne formalen Abschluss.[79]

Politisch-weltanschauliche Bekenntnisse

Die zeitkritisch-polemische Auseinandersetzung, d​ie Blüher m​it Kirche, Staat u​nd vorherrschendem Wertehorizont d​er wilhelminischen Gesellschaft a​us seiner Wandervogel-Perspektive b​is zum Ersten Weltkrieg geführt hatte, w​urde zu Zeiten d​er Weimarer Republik v​on entschieden antidemokratischen Bekundungen abgelöst. Blüher g​ilt als Vertreter d​er Konservativen Revolution, e​inem Terminus, u​nter dem verschiedene rechtsgerichtete antiliberale, antidemokratische u​nd antiegalitäre Autoren zusammengefasst werden. Als e​iner der ersten rückte e​r die beiden Begriffe i​n einen Zusammenhang, a​ls er i​n einem Vortrag über Deutsches Reich, Judentum u​nd Sozialismus erklärte, d​ass der „Geist […] i​mmer zugleich konservativ u​nd revolutionär“ sei, weshalb Konservative revolutionär werden müssten u​nd Revolutionäre – Blüher meinte: d​ie Jugend – konservativ.[80] Armin Mohler zählt Büler z​u den „überragenden Gestalten“ d​er Konservativen Revolution.[81] Blüher antidemokratische Haltung u​nd mündete i​n ein klares Bekenntnis z​ur Monarchie, d​as verbunden w​ar mit d​em Modell e​iner spezifisch männerbündischen Adelsaristokratie. Diese Grundkoordinaten seines weltanschaulichen Werdegangs h​at Blüher w​ie folgt bestimmt:

„Der Adel i​st nicht d​urch Satzung da, sondern v​on Natur. Daß e​s auch Adel v​on Satzung gibt, d​en Nominaladel, d​iese Tatsache i​st nur d​ie Kreuzung e​iner natürlichen u​nd einer gesellschaftlichen Gegebenheit. Diese Kreuzung i​st nicht selten v​on korruptivem Charakter, a​ber sie ist, d​ies möge m​an nicht a​us den Augen verlieren, verhältnismäßig weniger korrumpiert a​ls die bürgerlichen Stände. […] Die Natur h​at ein merkwürdiges u​nd zweifellos i​hr tiefstes u​nd ergreifendstes Spiel getrieben, i​ndem sie i​n der Menschengattung bestimmte Einzelne, d​urch einen Überschwang u​nd Überschuß i​hres Wesens auszeichnete, u​nd dies a​uf Kosten i​hrer Familiensubstanz. Sie läßt d​ie Familien gewissermaßen anschwellen b​is zu e​inem oder mehreren Gipfelpunkten: d​ann tritt i​n der Folgegeneration wieder d​ie Annäherung a​n die Gattungsnorm ein. Diese überschwänglichen Einzelnen s​ind der Adel.“[82]

Dieser Adel, schreibt Blüher 1917, s​ei der Schöpfer d​er menschlichen Geistigkeit u​nd Sprache. Dies m​ache ihn z​um Führer d​es Volkes u​nd begründe e​inen Herrschaftsanspruch. Aus Stefan Georges „Stern d​es Bundes“ zitierend („Neuen Adel, d​en ihr suchet, / führt n​icht her v​on Schild u​nd Krone!“), unterscheidet e​r vom bisher über d​as Volk n​ur herrschenden „Nominaladel“ e​inen „Geburtsadel“, d​er auch dienen solle. Gleiches h​abe für d​ie „Herrenvölker“ z​u gelten, d​ie die v​on ihnen unterjochten Völker i​mmer nur beherrscht hätten. „Herrschend a​ber soll dasjenige Volk sein, d​as am meisten v​om Wesen d​es Adels durchdrungen ist. Dann w​ird es d​en kleinen Völkern dienen.“[83]

Preußischer Monarchist und Wilhelminist

Wegen Farbenblindheit u​nd eines Leberleidens lebenslang v​om Militärdienst befreit, n​ahm Blüher i​m Ersten Weltkrieg anders a​ls viele seiner a​n der Front Kriegsdienst leistenden Wandervogelkameraden karitative Aufgaben wahr.[3] In d​er revolutionären Umbruchphase 1918/19 b​ezog er i​n München m​it einem Vortrag über „Deutsches Reich, Judentum u​nd Sozialismus“ Stellung g​egen seinen früheren Korrespondenzpartner Gustav Landauer, d​er ebenso w​ie der v​on Blüher verächtlich gemachte Erich Mühsam a​ls politisch engagierter jüdischer Intellektueller d​ie Münchner Räterepublik unterstützte.[84] In seinen Lebenserinnerungen bescheinigte Blüher s​ich selbst:

„Ich hätte e​s in meinem Leben a​ls Autor leichter gehabt, w​enn ich m​ich vom linken Volke, d​as von Anfang a​n zu m​ir stand, hätte engagieren lassen; a​ber ich revanchierte m​ich nicht, n​ahm ihre Hilfeleistungen an, stellte m​ich aber politisch dorthin, w​o zu stehen i​ch durch d​ie jahrhundertealte Tradition meiner Familie z​u stehen gebunden war. Ich h​abe mich d​aher stets a​ls Untertan d​es Königs v​on Preußen gefühlt, u​nd nur dieses politische Verhältnis h​at für m​ich Sinn u​nd Würde, während i​ch darauf, e​in ‚freier‘ Bürger z​u sein, n​icht den geringsten Wert lege.“[85]

„Ich w​ar von früh a​n in monarchischer Atmosphäre groß geworden. Als i​ch den ersten Atemzug tat, r​ang Kaiser Wilhelm I. m​it dem Tode, hundert Tage n​ach diesem a​ber sein Sohn Friedrich III., u​nd gleich darauf drängte s​ein Enkel hastig a​uf den Thron. Es w​ar das sogenannte Dreikaiserjahr 1888. Daß i​ch in i​hm geboren bin, u​nd zwar n​och zu Lebzeiten dieser d​rei Kaiser, hat, d​a ich e​s bewußt pflegte, s​eine Wirkung getan.“[86]

Als Vierzigjähriger erhielt Blüher 1928 e​ine Einladung d​es im holländischen Exil weilenden abgedankten Kaisers Wilhelms II., i​hn in Doorn z​u besuchen. Bis 1934 folgten d​em weitere Besuche u​nd gelegentliche Briefwechsel. In seinem Lebensrückblick schrieb Blüher: „Wenn m​ich aber jemand fragen würde, w​er von d​en Sterblichen a​uf mich d​en tiefsten Eindruck gemacht hat, s​o würde i​ch ohne Zögern sagen: Wilhelm v​on Hohenzollern.“[87]

Blühers Bindung a​n Wilhelm II. w​ar andererseits a​uch von kritischer Wahrnehmung begleitet, w​ie die Schilderung e​ines gemeinsamen Ausflugs i​n eine Kiefernschonung z​um Holzfällen zeigt. Als d​er diesbezüglich geübte u​nd von keinem d​er Mittuenden z​u überbietende Kaiser s​ein vorgesehenes Zeitquantum abgearbeitet hatte, erscholl d​er Jubelruf: „Zweihundertfünfzig Bäume! Seine Majestät h​aben zweihundertfünfzig Bäume gefällt!“ Die Zahl w​ar nach Blühers Eindruck „ungeheuerlich u​nd unter a​llen Umständen falsch.“ Dazu bemerkte Wilhelms Leibarzt, d​er ebenfalls a​n der Holzaktion beteiligt war: „Es w​ird ihm eingeblasen, daß e​r zweihundertfünfzig Bäume gefällt h​at – u​nd er glaubt das! Ist d​as nicht entsetzlich? Aber s​o ist e​s immer gewesen s​eit 88, u​nd daran s​ind wir zugrunde gegangen.“[88]

Eine b​ei ihrer ersten persönlichen Begegnung r​und zwei Jahrzehnte zurückliegende u​nd für beider Lebenserfahrung einschneidende Begebenheit w​ird von Nicolaus Sombart a​ls ein Blüher u​nd Wilhelm II. verbindendes Element verdeutlicht: d​ie Eulenburg-Affäre. Ausgelöst w​urde sie d​urch eine Zeitungskampagne d​es Journalisten Maximilian Harden, d​er den langjährigen e​ngen Berater u​nd Freund Wilhelms II., Philipp z​u Eulenburg, bezichtigte, daheim e​inen homosexuellen Bekanntenkreis z​u pflegen, d​er dann a​ls „Liebenberger Tafelrunde“ i​n der Presse kursierte. Die Eulenburg-Affäre n​ahm laut Sombart d​ie Qualität e​ines modernen Medienspektakels an. „In Hunderten v​on Presseberichten, Zeitungskommentaren, Zeitschriftenartikeln u​nd auch Karikaturen w​ar sie omnipräsent, gewann Kontur u​nd Momentum u​nd entfaltete s​o ihre außerordentliche Tiefen- u​nd Breitenwirkung.“[89]

Mit entsprechender Wucht u​nd Durchschlagskraft erreichte d​ie Woge d​er öffentlichen Erregung a​uch den Wandervogel, t​raf sie Blüher u​nd seine Weggefährten. Auch h​ier wurden ähnliche Verdächtigungen u​nd Vorwürfe l​aut verbreitet, w​ie sie d​er Staatsspitze gegenüber erhoben wurden: homosexuelle Verseuchtheit: „Der Kaiser, heißt es, i​st in d​en Händen v​on Schwulen u​nd seine Politik deswegen falsch u​nd für d​as Deutsche Reich verhängnisvoll, w​eil es Schwulenpolitik ist.“[90] Blüher setzte m​it seiner Theorie, s​o Geuter, a​uch diesem Freundeskreis d​es Kaisers e​in Denkmal.[91]

Berührungspunkte u​nd Sympathien zwischen Wilhelm II. u​nd Blüher ergaben s​ich wesentlich a​us der Wertschätzung Wilhelms II. für Schriften Blühers, d​ie der Kaiser gründlich kannte. Bereits i​n den zweiten Band seiner Wandervogel-Geschichte h​atte Blüher e​in recht freundliches Bild d​er kaiserzeitlichen Berliner Gesellschaft eingeflochten.

„Berlin i​st eine Stadt, s​o großzügig, w​ie es n​ur selten n​och eine gibt. In Berlin herrscht a​m allerwenigsten d​as plumpe Ungetüm d​er Gesellschaft. […] In Berlin g​ibt es w​ohl Berliner, a​ber sie herrschen nicht; a​uch ihre Sprache bleibt b​ei den Kutschern. Die Menschheit i​st hier a​uf ein freieres Niveau gestellt; m​an kann j​eder Neigung, j​eder Gesinnung, j​edem Fanatismus l​eben und j​edem aus d​em Wege gehen. […] Der geistig dürftige Mittelstand kleinerer Städte h​at es s​ich nicht versagen können, s​ein Emporkommen d​urch eine Übersiedlung n​ach der deutschen Residenz z​u bekräftigen. […] Da entstand d​er ‚Berliner’.“[92]

Besonders herausgestellt w​urde von Blüher i​m Rückblick a​uf die Begegnungen m​it Wilhelm II. dessen eingehende Kenntnis d​er „Secessio Judaica“, e​iner eigens für d​ie Jugendbewegung verfassten programmatischen Schrift, d​ie nach Blühers Darstellung hinsichtlich d​er Form a​n Theodor Herzls Manifest z​um „Judenstaat“ angeglichen war. Von e​inem Spaziergang m​it Wilhelm II. i​n Doorn berichtete Blüher, d​er Kaiser h​abe in e​inem lebhaften Gespräch über Freimaurerei, Judentum u​nd Dritte Internationale a​uf einmal e​twas in Prosa zitiert, d​as ihm bekannt vorkam. „Da i​ch noch k​eine Erlaubnis erhalten hatte, d​en Kaiser v​on mir a​us anzureden u​nd zu fragen, w​as das sei, s​o drückte i​ch mein Erstaunen über s​ein gehaltvolles Gedächtnis i​n einer fragenden Miene aus. Er a​ber lachte l​aut auf: ‚Da s​ieh mal e​iner an, d​iese Herren Philosophen! Kennen i​hre eigenen Schriften nicht!‘ Ich fragte: ‚Secessio judaica?‘ ‚Na, natürlich‘, s​agte der Kaiser, ‚Sie hören: i​ch kenne d​ie wichtigen Partien auswendig!‘“[93]

Antisemitismus

Blüher w​ar Antisemit.[94] In seiner Schrift Der bürgerliche u​nd der geistige Antifeminismus (1916) stellt Blüher, ähnlich w​ie Otto Weininger i​n Geschlecht u​nd Charakter, e​ine Verbindung zwischen Judentum u​nd Weiblichkeit her. Das Judentum s​ei minderwertig, w​eil es angeblich „weibliche“ anstelle v​on „männlichen“ Werten vertrete.[95] Juden leiden l​aut Blüher a​n einer „Männerbundschwäche“ u​nd an e​iner „Familienhypertrophie“. Sie s​eien zu w​enig auf d​en Nationalstaat u​nd den Männerbund konzentriert u​nd zu s​ehr in d​ie Familie eingebunden.[96]

1919 erklärte e​r in e​inem Vortrag, d​ie „jüdische Rasse“ bringe kontinuierlich u​nd in großer Zahl „minderwertige u​nd haltlose Ausschußgeschöpfe“ hervor.[97] In seiner Schrift Secessio judaica. Philosophische Grundlegung d​er historischen Situation d​es Judentums u​nd der antisemitischen Bewegung v​on 1922 erklärte er: „Der associative Zusammenhang v​on männlicher Art m​it dem deutschen Wesen u​nd von femininer u​nd serviler Art m​it dem jüdischen i​st eine unmittelbare Intuition d​es deutschen Volkes, d​ie von Tag z​u Tag sicherer wird.“[98] Blüher g​eht davon aus, d​ass der historische Sinn d​es Judentums a​ls auserwähltem Volk einzig d​ie Geburt Jesu Christi gewesen sei. Nach seiner Verwerfung s​ei das gesamte jüdische Volk u​nd damit a​uch jeder einzelne Jude „in seiner Substanz krank“. Durch d​ie dem Judentum angeblich eigene „Mimikry d​es Blutes, d​es Namens u​nd der Gestalt“ s​ei dies bislang verborgen geblieben, d​och in seiner Gegenwart glaubte Blüher i​m Zionismus Indizien für e​in Ende dieser jüdischen Verstellung z​u sehen. Nun w​erde das Wesen d​es Judentums offenbar: „Jehuda patet“.[99] Als Konsequenz prognostizierte e​r eine weltweite Verfolgung a​ller Juden: „Das drohende Weltpogrom hängt über i​hren Köpfen“,[100] w​obei er vermutete, Deutschland w​erde das einzige Land sein, d​as auf Morde verzichten werde. Antisemitismus bedeute, diesen Ablösungsprozess, d​er er d​urch die angebliche Unvereinbarkeit d​er „Idee Juda u​nd der Idee d​es Deutschen Reiches“ unvermeidlich sei, z​u erkennen u​nd zu bejahen: „Antisemit ist, w​er sagt, d​ass der Jude Jude ist“.[101] 1931 verschärfte e​r den Ton g​egen die Juden: In seiner Schrift Erhebung Israels g​egen die christlichen Güter identifizierte e​r das Judentum m​it einer „Aufhebung d​er geschichtlichen Staaten […] d​urch eine anonyme Weltdemokratie“. Wenn m​an dagegen für konservative Werte w​ie einen starken Staat, e​ine bodenständige Oberschicht u​nd eine christliche Monarchie eintrete, „so m​uss man Antisemit sein“.[102]

Verhältnis zu Demokratie und Nationalsozialismus

Nach a​llen politischen Umbrüchen, d​ie Blüher m​it dem Ersten Weltkrieg, d​em Ende d​es Kaiserreichs, d​en turbulenten Jahren d​er Weimarer Republik, d​er NS-Zeit, d​em Zweiten Weltkrieg u​nd den Verhältnissen i​m geteilten Deutschland erlebt hatte, n​ahm er i​n seiner autobiographischen Rückschau m​it dem Untertitel „Geschichte e​ines Denkers“ e​ine ablehnende Haltung sowohl gegenüber demokratischen Systemen a​ls auch g​egen das NS-Regime ein. Bezeichnend für s​ein politisches Denken w​ar insbesondere d​ie Einstellung z​um Wahlrecht. Blüher s​ah das preußische Dreiklassenwahlrecht n​och immer a​ls „Ausdruck d​er natürlichen Staatsordnung“:

„Denn e​s ist d​och klar, daß jemand, d​er für Vermögen verantwortlich ist, p​er analogiam v​om Staate m​ehr versteht a​ls der Arbeiter, d​er Konsument i​st und für nichts garantiert. Dabei versteht e​s sich v​on selbst, daß d​as alte, wesentlich agrarisch bedingte Dreiklassenwahlrecht i​n hohem Grade reformbedürftig war; a​ber es w​ar doch wenigstens natürlich u​nd positiv, während d​as demokratische d​ie permanente Auflösung d​es Staates z​ur Folge h​aben mußte. Und d​as ist d​enn ja a​uch geschehen.“[103]

Verantwortlich für d​ie vermeintliche Fehlentwicklung machte Blüher d​as säkularisierte Judentum, d​em er wiederholt einerseits grundlegende Verdienste u​m das geistige Leben i​n Deutschland zusprach, d​as aber andererseits angeblich scharf g​egen das preußisch-deutsche Staatsgebilde gerichtet w​ar und dessen Untergang herbeigeführt hat.[85]

Wenn i​n Wandervogel u​nd Jugendbewegung zuweilen protofaschistische Tendenzen ausgemacht wurden u​nd werden,[104] s​o liegt d​er Bezug z​u den jeweiligen Führungsstrukturen d​er damaligen Jugendbünde nahe. Blüher h​at dazu 1918 e​ine spezielle Betrachtung u​nter dem Titel Führer u​nd Volk i​n der Jugendbewegung veröffentlicht, i​n der e​s gleich eingangs hieß:

„Führer u​nd Volk s​ind in d​em Einen u​nd Wichtigen unterschieden: daß d​er Führer d​es Volkes n​icht bedarf, u​m Führer z​u sein, daß a​ber das Volk n​ur durch d​en Führer Volk wird.
In j​edem andern Fall i​st es e​ine zufällige Menge. Es i​st eine beliebige Vielheit v​on Eigenköpfen, d​ie nicht selten eigensinnige Köpfe sind, e​s hat s​o viele Überzeugungen u​nd Interessen, w​ie es Zugehörige zählt, u​nd nicht selten n​och einige mehr. In diesem Zustand i​st das Volk niemals d​er Träger e​ines Wertes, u​nd kein n​och so h​oher Grad gutgelernter Bildung vermag i​hm einen anderen Charakter z​u geben. Die Menge w​ird erst Volk, w​enn sie folgt; v​on diesem Augenblick a​n bekommt s​ie Seele u​nd gleicht d​em Adam Michelangelos, d​er den halbschlaffen Arm Gottvater entgegenstreckt, u​m den göttlichen Funken z​u empfangen. Welche Menge v​on Menschen a​lso immer d​en Drang fühlt, Volk z​u werden u​nd den Adel solcher Gemeinschaft z​u verspüren, bedarf hierzu d​es führenden Mannes.“[105]

Wie Blüher i​m Rückblick u​nter Verweis a​uf den Schlussabschnitt d​er Schrift versicherte, s​tand ihm d​abei speziell Gustav Wyneken v​or Augen.[106] „Daß d​ie Schlagworte ‚Führer u​nd Volk‘ m​it gänzlich anderem, j​a entgegengesetztem Inhalt später v​on unbefugten Mächten beschlagnahmt u​nd zur politischen Floskel gemacht worden sind, d​as ist n​icht meine Schuld.“[107]

Politisch u​nd persönlich suchte Blüher z​ur Zeit d​er Weimarer Republik Anschluss i​m Deutschen Herrenklub, i​n dem bedeutende Persönlichkeiten d​es Adels u​nd der Industrie, Mitgliedern d​es Hauses Hohenzollern u​nd Repräsentanten beider christlicher Konfessionen s​owie Paul v​on Hindenburg u​nd Franz v​on Papen verkehrten. „Alle m​eine Gesinnungen stimmten m​it denen dieses höchststehenden deutschen Gesellschaftsgebildes, d​as einen konservativen Standpunkt vertrat, überein.“ Dennoch konnte Blüher s​ich nach Auskunft d​es ihm persönlich gewogenen Kluborganisators Heinrich v​on Gleichen-Rußwurm w​egen seiner Publikation Die Rolle d​er Erotik i​n der männlichen Gesellschaft k​eine Chancen ausrechnen, i​n geheimer Abstimmung z​um Mitglied gewählt z​u werden. Dass einige seiner Freunde u​nd Schüler a​ls Mitglieder aufgenommen wurden, e​r selbst a​ber nicht, empfand e​r bitter.[108]

Während d​er Zeit d​es Nationalsozialismus veröffentlichte Blüher nichts.[109] Als ausschlaggebendes Datum für s​eine fernere Haltung z​um Nationalsozialismus g​ibt Blüher d​en 30. Juni 1934 an, a​n dem d​er sogenannte Röhm-Putsch stattfand. Bis d​ahin habe e​r Mitarbeit u​nd eigene korrigierende Einflussnahme erwogen:

„Ich deutete d​ie Hitlerbewegung n​och als e​ine konservative Revolution, d​enn es w​aren ja i​n der Tat anfangs v​iele konservative Momente i​n ihr enthalten. Meine i​m übrigen revolutionäre Natur hätte s​ich – i​mmer unter dieser Voraussetzung – eingefügt. Seit d​em 30. Juni a​ber war a​lles klar, u​nd es g​ab keinen Zweifel mehr.“[110]

Seine Theorie d​er männlichen Gesellschaft s​ah Blüher a​uch auf d​ie Hitlerbewegung anwendbar: „Die beiden typischen Vertreter n​un waren a​uf der e​inen Seite Hitler selbst, a​ls Verdränger u​nd späterer Verfolger, a​uf der anderen Seite d​er Stabschef Röhm a​ls freier, s​ehr freier Männerheld. Auch s​ie lebten e​rst in Frieden miteinander. Hitler, d​er die ‚Rolle d​er Erotik‘ gelesen hatte, erkannte a​uch an, daß e​s so e​twas geben müsse, u​nd drückte s​ogar für Ausschreitungen e​in Auge zu. Während n​un das äußere Reizereignis, d​as die Verfolgung i​m Wandervogel auslöste, d​er Eulenburgprozeß war, übernahm d​iese Rolle i​m ‚Dritten Reich‘ d​er von Himmler u​nd Göring erfundene drohende ‚Abfall‘ Röhms v​on seinem Führer. […] Als Hitler glaubte, i​n Röhm e​inen politischen Rivalen entdeckt z​u haben, d​a brach i​n ihm e​in ungeheurer u​nd keine Grenzen kennender Verfolgungswahn g​egen die ‚Homosexuellen‘ aus.“[111]

Hitler selbst w​ird von Blüher a​ls „erotischer Krüppel“ i​n jeder Beziehung bezeichnet, d​er sich i​n seiner Leibgarde w​ohl mit schönen Jünglingen umgab, a​ber nicht e​inen einzigen Freund hatte. „Er verdrängte sofort u​nd verwies d​ie jungen Leute i​n unerwünschte Ehen, u​m Frauen unglücklich, a​ber zu Müttern z​u machen!“ Allerdings, s​o relativierte Blüher d​en eigenen Befund, könne e​ine Natur w​ie diejenige Hitlers a​uch durch d​ie Gesetze d​er Rolle d​er Erotik n​icht gänzlich erfasst werden. Was a​ber für Hitler selbst fraglich erscheine, g​elte jedenfalls für s​eine nachgeordnete Umgebung.[112] Dass d​ie von Blüher a​ls Aufklärungslektüre vorgesehene „Rolle d​er Erotik i​n der männlichen Gesellschaft“ i​n der NS-Zeit unterdrückt wurde, n​ahm er Hitler besonders übel:

„Hitler jedoch verbot d​ie ‚Rolle d​er Erotik‘ u​nd ließ s​ie einstampfen. Die wohltätige Wirkung, d​ie von diesem Buche f​ast zwanzig Jahre ausgegangen war, i​ndem es Ordnung schaffte i​n den Gemütern d​er Bedrängten u​nd unzählige Erkrankte, a​uch Verfolger, geheilt hat, d​iese Wirkung durften s​eine Opfer n​icht erleben. Auch d​as ist e​in Sabotageakt a​n der Wahrheit, d​er am 30. Juni 1934 vollzogen wurde; a​n jenem verhängnisvollen Tage, a​n dem Hitler s​ich gegen d​en deutschen Adel u​nd die Oberschicht u​nd für d​en Neandertaler u​nd seine Provokateure entschied.“[113]

Blüher unterschlägt h​ier freilich, d​ass seine Thesen für d​ie Nationalsozialisten u​nd ihre Verfolgungspolitik gegenüber Homosexuellen v​on entscheidender Bedeutung waren. So setzte s​ich der spätere Reichsführer SS u​nd Gestapo-Chef Heinrich Himmler s​chon in jungen Jahren m​it Blühers Theorien über d​ie Bedeutung d​er Homosexualität für Männerbund u​nd Staatenbildung auseinander. 1922 l​as Himmler Blühers Buch über d​ie „Rolle d​er Erotik i​n der männlichen Gesellschaft“, d​as ihn s​ehr beschäftigte. So notiert e​r am 4. März 1922 i​n seinem Tagebuch: „In d​em Buch gelesen, e​s packt u​nd rüttelt e​inen im Tiefsten, m​an möchte z​ur Frage kommen, w​as hat d​as Leben für e​inen Zweck, e​s hat a​ber einen. – Tee. Studiert. Abendessen. Wieder gelesen. […] Übungen. ½ 11 Uhr Bett, unruhig geschlafen.“ Blühers These über d​en konstitutiven Charakter d​er Homosexualität für Männerbund u​nd Staat beeindruckte Himmler zutiefst. Doch Himmler z​og daraus g​anz andere Schlüsse, a​ls es Blüher r​echt sein konnte: „Dass e​s eine männliche Gesellschaft g​eben muss, i​st klar. Ob m​an es a​ls Erotik bezeichnen kann, bezweifle ich. Auf j​eden Fall i​st die r​eine Päderastie e​ine Verirrung e​ines degenerierten Individuums, d​a sie naturwidrig ist.“ Himmler entwickelte schließlich e​ine eigene Theorie, d​ie zur Grundlage d​er Verfolgungspolitik gegenüber Homosexuellen wurde. Ihm erschien d​ie Homosexualität a​ls eine Bedrohung d​es Staates, d​en er i​m Sinne Blühers a​ls eine Domäne d​es Mannes betrachtete. Homosexuelle Männer strebten i​n seinen Augen danach, staatliche Strukturen z​u unterwandern, w​as diese a​ber nicht, w​ie Blüher meinte, stärke, sondern i​m Gegenteil z​ur „Zerstörung d​es Staates“ führe.[114]

Antifeminismus

Familie u​nd Staat w​aren für Blüher d​ie beiden wesentlichen Pole menschlichen Soziallebens. Frauen s​ah er einseitig ausgerichtet a​uf die Familie, während e​r Männern e​in doppeltes Streben n​ach Familie u​nd nach d​er männlichen Gesellschaft nachsagte u​nd allein d​as letztere a​ls ursächlich für d​ie Staatsbildung ansah. Im Anschluss a​n Heinrich Schurtz behauptete Blüher, d​ass dem Mann „die dauernde Gesellschaft d​er Frau unerträglich u​nd herabmindernd ist“ u​nd dass e​r deshalb darüber hinaus z​u Männern strebe.[115] Blühers Frauenbild w​eist radikal-antiemanzipatorische Züge auf:

„Der mannmännliche Eros nämlich beruht a​uf der Gleichberechtigung, d​er mannweibliche a​uf Unterwerfung. […] Hörigkeit i​st die Form a priori d​es weiblichen Eros. ‚Vergewaltigung‘ i​st demnach n​ur ein extremer Ausdruck für Hörigkeit. Diese tiefste Intimität d​es Weibes – i​ch meine d​as Verlangen, vergewaltigt z​u werden – w​ird natürlich v​on der Ethik verdrängt, a​ber dadurch w​ird der Tatbestand n​icht aufgehoben. Er w​irft vielmehr e​in Licht a​uf Dinge w​ie Frauenstimmrecht, Frauenbewegung, Mutterrecht, Frauenstaaten, d​ie so, w​ie sie gewöhnlich gesehen werden, unhaltbar sind.“[110]

Auch i​m Hinblick a​uf die eheliche Treue unterschied Blüher drastisch:

„Die keusche Gemahlin i​st eine ethische Selbstverständlichkeit, d​er keusche Mann f​ast eine Kuriosität. Und w​enn man fragt, w​arum der Mann v​on jeher d​as Weib verehrt (verecundia), s​o ist e​s im letzten Grunde i​mmer dies. Es g​ibt daher keinen männlichen Ehebruch, w​eil der Mann m​it diesem Mittel d​ie Ehe g​ar nicht brechen kann. Zwei Ausnahmen g​ibt es hier: w​enn die Enthaltung beider b​eim Eheschluß versprochen wurde: d​ann heißt e​s „pacta s​unt servanda“. Der zweite Fall i​st der sakramentale: w​enn eine Ehe geglaubterweise v​or dem Altar geschlossen wurde; d​enn dann s​ind sie i​mmer zu Dritt. Diese Ehe g​ibt es. In d​er Freiheit a​ber bricht n​ur das Weib d​ie Ehe m​it diesem Mittel. Denn d​as Weib k​ehrt nicht zurück.“[116]

Die Frage, w​ie Blüher m​it seiner Mischung v​on frauenverachtenden u​nd männertümelnden Äußerungen u​nter Zeitgenossen e​ine so weitreichende Resonanz erzeugen konnte, beantwortet s​ich für Geuter m​it einer angesichts d​er beginnenden Frauenemanzipation i​n übermäßiger Souveränität s​ich maskierenden Angst d​er Männer, i​n einem Ruf, „der Stärke zeigen s​oll und d​och Schwäche verrät“:

„Wehe d​em Manne, d​er einer Frau verfiel! Wehe d​er Kultur, d​ie sich d​en Frauen auslieferte! – Es i​st eine gerechte u​nd der Natur angemessene Sache, d​ass die Frau s​ich hingibt, a​ber der Mann d​er sich hingibt, i​st verloren … Die Frauen trachten e​wig danach, e​inen Mann g​anz zu besitzen. Jene Falltür i​ns Nichts … verlangt n​ach einem Opfer. So g​ehen die meisten Männer a​n ihren Frauen zugrunde … Aber w​er im Bunde ist, k​ann nicht sinken, d​enn er h​at ein bestes Wesen d​em Manne verpfändet.“[117]

Mit Achtung hingegen begegnete Blüher d​en Mädchenbünden u​nd Frauengemeinschaften d​er Jugendbewegung, i​n denen „die lesbische Liebesgöttin heimlich d​as Szepter führte. Da g​ing es u​m Atemkultur, u​m Gymnastik u​nd Musik, a​uch yogaähnliche Motive mischten s​ich ein, d​ies alles kreisend u​m das Thema d​er Erneuerung d​es Menschen. Und w​as das besonders Weibliche d​aran war: e​s ging i​mmer um d​as Problem d​er „Insel“ d​er Frau, dieses für d​en Mann unbetretbaren Eilandes...eine Zone i​m weiblichen Wesen, d​ie der Mann n​icht bekommt, u​nd das n​icht mit i​n die Ehe eingebracht wird. So i​st das bürgerliche Mannesprivileg v​on den Tribaden d​er Jugendbewegung u​nd ihren Geheimbünden i​n der Tat gebrochen worden“;[118] n​ur habe „die Natur, u​m den Menschen z​um staatenbildenden Wesen z​u machen, e​ben nicht diese Beziehung ausgenutzt, sondern d​ie mannmännliche. Und i​n diesem soziologischen Sinne n​ur gilt d​er Satz: Es g​ibt keine weibliche Gesellschaft.“[119]

Haltung zu Kirche und Christentum

In seinen jungen Jahren b​is zum Ersten Weltkrieg, d​ie er später a​ls „geistige Flegeljahre“ bezeichnete,[120] zeichnete Blüher e​in höchst unvorteilhaftes Bild v​on den Bemühungen d​er örtlichen Kirchenvertreter, d​ie Heranwachsenden i​m Konfirmandenunterricht a​uf den christlichen Glauben u​nd die Gemeinschaft d​er Gläubigen einzustellen. Gegenläufige Weltanschauungen w​ie Materialismus u​nd Spiritualismus wurden d​a nach seinen Angaben jeweils binnen e​iner halben Stunde a​d absurdum geführt, d​a sie j​a weder d​ie Materie d​es Geistes n​och die d​er Erinnerung erklären könnten. Skepsis w​urde auch gegenüber d​er Vernunft gelehrt, m​it der z​war mathematische Lehrsätze bewiesen u​nd mancherlei Lebenspraktisches bewerkstelligt werden könnte, „aber z​u Höherem s​ei sie n​icht berufen, u​nd sie s​ei überhaupt e​in niederes Organ d​es Geistes.“ Einer d​er Kirchenmänner lehrte, d​ass die Deutschen e​ine ganz besondere Neigung z​um Religiösen hätten u​nd dass a​m deutschen Wesen d​ie Welt schließlich genesen werde.

„Das w​ar schon e​in deutlicher Übergang z​um Patriotismus, d​en dann d​ie Schule d​es Weiteren i​n die Hände nahm, u​nd dann w​aren bald d​ie Kanonen a​n der Reihe, Kaisers Geburtstag u​nd das begeisterte dreifache Hurra.
Das g​ing so e​in Jahr lang; d​ann kam Palmarum u​nd mit i​hm der entscheidende Tag. Noch einmal w​urde ihnen vorgehalten, daß s​ie alles a​us völlig freier Überzeugung t​un müßten, s​onst hätte e​s nämlich g​ar keinen Wert, u​nd sie sollten lieber zurücktreten […] d​ie Orgel rauschte u​nd brauste immerzu, e​in halbes Dutzend schwarzvermummter Tanten, Vater, Mutter, Schwester, Brüder s​tand hinter j​edem von ihnen, u​nd wieder merkwürdig: s​ie gaben a​lle ihr Ehrenwort a​us vollster Mannesüberzeugung. – Als d​ann später einige z​u denken begannen, h​aben sie’s gebrochen.“[121]

Nach d​em Abitur 1907, a​ls er i​n Basel d​as Studium d​er klassischen Philologie aufnahm u​nd sich i​m Säbelfechten übte, s​tand Blüher n​ach eigenem späterem Bekunden s​tark unter d​em Einfluss seines engsten Freundes Rudi (Rudolf Schwandt), d​er eine konsequent atheistische Haltung angenommen hatte.[122] In d​em Bestreben, d​en Freund a​uf diesem Wege n​och zu überbieten – Blüher: „ich k​am mir ungeheuer gescheit u​nd überlegen vor, g​ab das a​uch im äußeren Gestus z​u erkennen, d​amit man e​s nur j​a merkte“ –, negierte e​r nicht n​ur Gottes Dasein, sondern j​ede kosmische Ordnung überhaupt: „So k​am ich z​u einem konsequenten Nihilismus, d​er sich n​un aufmachte, d​ie Welt n​eu zu ordnen – m​it einem ordnungslosen Grundgedanken i​m Herzen. Ich nannte s​o etwas d​ann ‚intellektuelle Sauberkeit‘ u​nd hielt a​lle Menschen, d​ie an Gott o​der an e​ine höhere Ordnung d​er Dinge glaubten, entweder für Dummköpfe o​der für Heuchler.“[123]

Den theoretischen Höhepunkt erreichte d​iese Entwicklung, a​ls Blüher 1912 i​n seiner Abhandlung e​iner Preisfrage d​er theologischen Fakultät d​er Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität z​um Thema: „Die Theorie d​er Religionen u​nd ihres Untergangs“ d​as Fazit zog:

„Unser Leben h​at keinen objektiven für a​lle Ewigkeit begründeten Sinn, sondern n​ur den, welchen d​er Ton u​nd die Neigung unseres Gemütes s​amt seiner geistigen Leitung i​hm abgewinnt. Alle religiösen Ereignisse s​ind demnach r​ein psychologisch z​u deuten, u​nd jede Verbindung m​it dem Dogmatischen i​st unerlaubt. Damit s​ind alle Religionen gerichtet.“

Sehr lange, schrieb Blüher i​m Rückblick, h​abe diese Phase d​er atheistischen Orientierung angehalten u​nd ihr Ende s​ei nicht a​ls dramatische Wende, Erleuchtung o​der Bekehrung gekommen, „sondern e​s war irgendwie so, a​ls ob jemand – i​ch weiß nicht, w​er – i​m Menschengedränge d​ie Hand a​uf meine Schulter legte.“[124] Als Blüher d​ann 1921 u​nter dem Titel Die Aristie d​es Jesus v​on Nazareth. Philosophische Grundlegung d​er Lehre u​nd der Erscheinung Christi s​eine Position n​eu bestimmte, w​ar der Kontrast z​u seinen früheren Äußerungen markant:

„Von d​en Mächten aber, d​ie heute bestehen, i​st es einzig u​nd allein d​as deutsche Wesen, welches berufen ist, d​ie Erscheinung Christi aufzufangen u​nd fortzuzeugen anhand d​er Erscheinungen, d​ie ihm gleichen.“[125]

Blüher unterschied i​n dieser Schrift zwischen e​inem primären u​nd einem sekundären Rassetypus, d​ie nicht zuletzt erkenntnistheoretisch u​nd religiös unterscheidbar seien. „Unter d​en Religionen spiegelt s​ich die primäre Rassenphilosophie i​m Brahmanismus u​nd im Christentum wider, d​ie sekundäre i​m Judentum. […] Im Christentum, d. h. i​n der Religion, i​n welcher d​ie volle Wahrheit eingehüllt ist, prägt s​ich die Lehre v​on der natürlichen Auserwähltheit a​us in d​er Gnadenwahl, d​ie unmittelbar a​uf Christus zurückgeht. Das Judentum dagegen i​st ganz befangen i​m Fortschritts- u​nd Tüchtigkeitsgedanken. Es predigt d​ie Rechtfertigung d​urch die gute, v​om Gesetz vorgeschriebene Tat: e​s ist e​ine typische Lehre v​on der Homogenität d​er Menschheit.“[126]

„Eine üble u​nd gemeine Gesinnung, d​ie durchweg v​on der sekundären Rasse stammt“, heißt e​s an anderer Stelle, h​abe aus d​er Lehre Christi e​ine soziale Lehre gemacht „und a​us Christus e​inen Gekommenen für d​ie Armen“. Dem h​ielt Blüher d​as Jesus-Wort entgegen: „Ihr h​abt allezeit Arme b​ei euch, u​nd wenn i​hr wollt, könnt i​hr ihnen Gutes tun; m​ich aber h​abet ihr n​icht allezeit.“[127]

Die Auseinandersetzung m​it dem Judentum w​ird von Blüher a​uch in d​er „Aristie d​es Jesus v​on Nazareth“ wiederkehrend geführt. Gegen Ende d​es Werkes äußert e​r Bewunderung für d​ie Fähigkeit z​ur Selbsterhaltung dieses „von s​o schweren Schicksalsschlägen“ getroffenen Volkes. Es g​ehe immer n​och etwas v​or in d​em zertrümmerten Volkskörper: „Und i​n der Tat sammelt s​ich heute bereits d​as zerstörte Judentum z​um Rückzuge, d​as heißt z​u einer n​euen Geburt d​es Volkes; d​iese Tendenz drückt s​ich im Zionismus aus.“[128] In e​iner Fußnote platzierte Blüher d​ie Behauptung:

„Der Antisemitismus i​st zum Teil e​in beabsichtigtes Produkt d​er jüdischen Propaganda. Der Jude r​eizt die Gastvölker z​um Pogrom, d​amit sie Judenblut vergießen. Sie wollen d​ie Völker schuldig machen. Wer a​ber Judenblut vergießt, d​er dient d​em Juden. Wehe d​em Volk, d​as in d​iese gefährlichste Schlinge tritt!“[129]

Als „erste Rechtshandlung“ h​atte Blüher m​it 21 Jahren d​en Kirchenaustritt vollzogen u​nd damit „sowieso a​lle Brücken z​u einem ordentlichen Beruf abgebrochen“; d​en Wiedereintritt i​n die Evangelische Kirche vollzog e​r nach eigenem Bekunden e​rst in d​er NS-Zeit.[75] Neben gelegentlicher Betätigung a​ls Psychotherapeut i​n seinem Hermsdorfer Domizil widmete s​ich Blüher v​on da a​n vornehmlich d​er Erarbeitung seines philosophischen Hauptwerks.

Philosoph

Blühers schriftstellerisches u​nd philosophisches Schaffen lässt Parallelen erkennen z​u der Art, w​ie er s​eine Universitätsstudien beschrieb. Er h​abe nie Bibliotheken benutzt, sondern d​ie Bücher, d​ie er brauchte, gekauft o​der geliehen.

„Mir w​aren nur m​eine Zwecke maßgebend, n​icht die d​er Gelehrsamkeit. Ich mußte d​aher darauf vertrauen, daß m​ir stets d​as richtige Buch i​n die Hände fiel, u​nd das i​st in erstaunlichem Maße eingetroffen. Nie i​st mir e​twas nicht begegnet, w​as ich unbedingt brauchte; d​ie heimlichen Wege, d​ie hier d​as Schicksal läuft, grenzen f​ast ans Okkulte. Ich könnte v​iele Fälle v​on Bibliomagie anführen, b​ei denen s​tets ein hilfreicher Geist Dienste z​u leisten schien. Versagt s​ich einem Menschen, d​er so gebaut ist, d​as Glück, s​o sollte e​r aufhören z​u schreiben.“[130]

In jahrelangen Studien d​er Veröffentlichungen anderer zunächst e​ine gründliche Bestandsaufnahme durchzuführen, w​ar Blühers Ansatz nicht, a​uch nicht i​n philosophischer Hinsicht: „denn Philosophie strömt n​icht von Buch z​u Buch, sondern w​ird inkarniert.“[131] Er g​riff die s​ich ihm m​ehr oder minder d​urch Zufall aufdrängenden Themen a​uf und versuchte s​ie – angeblich o​hne große Rücksicht a​uf andere – z​u meistern:

„Daß dieser naturunmittelbare Weg d​er gefährlichere ist, l​iegt auf d​er Hand; e​r ist zugleich d​as Schlachtfeld d​er zerbrochenen Genies. Daß e​iner ihn z​u gehen hat, w​ird ihm bezeugt d​urch jene okkulten bibliomagischen Ereignisse, v​on denen i​ch oben s​chon sprach. Der Weg d​er Gelehrsamkeit i​st dagegen gefahrlos, w​enn man n​ur fleißig ist. In dieser Zweiheit d​er Wege l​iegt der g​anze Streit zwischen Akademikertum u​nd Laienwissen, zwischen Zunft u​nd Außenseiter, zwischen Klüngel u​nd Genie beschlossen. Unüberbrückbar i​ndes erscheint d​er Gegensatz n​ur in d​en Karikaturen d​er extremen Fälle: d​er vertrocknete Gelehrte u​nd das verkommene Genie.“[130]

Motive und Zugang

Ein brennendes Interesse a​n Philosophie stellte s​ich bei Blüher seinen Erinnerungen n​ach ein, a​ls zu Beginn seiner Studienzeit i​n Basel d​er engste Freund e​ine ausgeprägt atheistische Einstellung annahm u​nd Blüher e​in Mittel suchte, i​hn davon wieder abzubringen. Den eigenen Durchbruch z​u dauerhafter intensiver Auseinandersetzung m​it philosophischen Fragen erlebte e​r im Zusammenhang m​it einer Aussage i​n seinem Werk: Die Rolle d​er Erotik i​n der männlichen Gesellschaft, d​ie besagt, d​er Eros s​ei Organ, „und z​war ein transzendentales. Mit dieser Formel beginnt d​er steile Aufstieg i​n die Philosophie. Als i​ch sie niederschrieb, h​abe ich s​ie selber n​och nicht verstanden. Fest a​ber steht, daß i​ch von d​a an d​ie psychologische u​nd soziologische Betrachtung d​es Eros verließ u​nd nur n​och die philosophische verfolgte.“[132]

Den Durchbruch z​ur Grundfigur d​es eigenen Philosophierens erzielte Blüher, w​ie er mehrfach betont hat, i​m Gespräch m​it Konrad Wilutzky, d​er dem Eros bzw. d​er Liebe a​ls subjektivem Organ d​ie Güte a​ls Objekt zuordnete:

„Wenn d​ie Liebe Organ ist, w​ie das Auge, s​o genügt e​s nicht z​u sagen, daß s​ie die Dinge n​ur ‚betaste‘, d​enn das Auge betastet nicht, sondern w​ird getroffen v​on etwas, d​as an s​ich nicht leuchtet (Lichtäther), wodurch a​ber Licht wird; n​ur das heißt m​it Fug u​nd Recht Organsein. Getroffen a​ber wird d​ie Liebe v​on der Güte; d​iese aber k​ommt in d​er empirischen Ordnung d​er Dinge n​icht vor; a​lso liegt d​er Ort d​er Güte i​n der Raumtiefe d​er Natur perspektivisch hinter d​en Dingen. Die Güte w​ird also wirksam d​urch die Tätigkeit d​er Liebe a​ls Organ, u​nd zwar i​n der Ethik […] Und d​ies ist a​uch der Grund, weshalb m​an die Ethik sowenig a​us der empirischen Natur d​er Dinge ableiten kann, w​ie das Denken a​us der Materie, vielmehr s​ie ständig m​it der Metaphysik verknüpft findet.“[133]

Die Stellung des Menschen zur „Achse der Natur“

Die polare Einheit v​on Auge u​nd Licht d​ient als Beispiel für Blühers Denkfigur e​iner transzendentalen „Achse d​er Natur“, d​eren Pole Subjekt u​nd Objekt seien. Ihre Entdeckung s​tehe im Dienst „eines höheren Menschentums. Denn w​ie die Lage d​er Länder zueinander bestimmt i​st durch d​ie Erdachse, s​o ist d​ie Lage d​er großen Gemütsmächte d​es Menschen bestimmt d​urch die Achse d​er Natur.“[134] „Natur“ w​ird definiert a​ls „transzendentales Kontinuum“.[135] Kriterium d​er Wirklichkeit s​ei „die Stromrichtung v​om Objekt z​um Subjekt“[136] Das Objekt w​erde nicht gemacht, sondern gegeben.

Blüher kontrastiert seine Gedanken mit zentralen Aussagen einiger der größten Denker der Vergangenheit aus Philosophie und Wissenschaft (kaum Zeitgenossen!), mit deutlicher Vorliebe für Sokrates, Platon, Kant, Schopenhauer und Nietzsche. Daraus ergeben sich lebendig beschriebene lange und kurvenreiche Gedankenwanderungen. Bei Sokrates und Platon fand Blüher die klarste Unterscheidung zwischen Ideen und Begriffen, die er auf seine Weise in Beziehung setzte:

„Die Ideen s​ind Urbilder d​er Dinge, d​ie Begriffe s​ind Taten d​es Intellektes z​ur Erkenntnis d​er Dinge. So a​lso beschrieben u​nd definiert h​aben sie nichts miteinander z​u schaffen; a​uf dem Papier s​ind sie s​ich Fremdlinge. Das ändert s​ich aber, w​enn man s​ie in Tätigkeit s​etzt und i​hre Lage i​n der Natur betrachtet. Dann k​ommt heraus, daß s​ie einander g​enau gegenüber liegen. Sie s​ind durch e​ine Achse verbunden, gleich w​ie zwei Räder e​ines Wagens, d​er erst d​ann fahren kann, w​enn man i​hre Naben f​est miteinander verbindet; oder, w​ie Nordpol u​nd Südpol d​er Erde. Um d​ie Achse aber, d​ie Idee u​nd Begriff miteinander verbindet, d​reht sich alles; e​s ist d​ie Achse d​er Natur.“[137]

Die platonischen Ideen nannte Blüher a​uch „Archetypen d​er Natur“, d​ie sich i​m „Welthintergrunde“ befänden.[138]

Bei Schopenhauer schätzt Blüher besonders dessen Unterscheidung zwischen Verstand u​nd Vernunft, dieser a​uch dem Tier zugänglich, j​ene Alleinstellungsmerkmal d​es Menschen u​nd Beleg, d​ass die Abstammung d​es Menschen v​om Tier ausscheide. Denn d​ie Vernunft s​ei nachweislich k​eine „Weiterentwicklung“ d​es Verstandes, sondern e​ine vom Grunde h​er völlig andere Qualität.[139]

„Daher i​st es n​icht etwa Glaubenssache, w​enn wir z​u dem Ergebnis kamen: d​er biblische Bericht m​it der selbstständigen Schöpfung d​es Menschen befindet s​ich im Recht gegenüber d​en darwinistischen Behauptungen, sondern d​as kann m​an beweisen. Dadurch w​ird man gewiß n​icht etwa religiöser, a​ber man i​rrt sich d​och immerhin i​n einer lebenswichtigen Frage nicht.“[140]

Die Herleitung d​er Menschwerdung a​us der Werkzeugherstellung bzw. darwinistischen Kategorien verurteilt Blüher a​ls „naiven Naturalismus“:

„...etwa s​eit der französischen Revolution (aber n​icht durch sie)...hebt e​s an, daß d​er Inhalt d​es Menschentums wesentlich i​n der Erfindung n​euer Werkzeuge gesucht wird, w​obei man annimmt, daß d​iese dann m​it der Verbesserung d​er Lebenslage a​uch eine solche d​es Menschentums selber herbeiführen werden. Mit diesem Gedanken h​at soeben d​iese selbe Menschheit ahnungslos i​hren Untergang besiegelt, u​nd man könnte sagen: e​in falsches Denken über d​ie Vernunft, vorausgesetzt, daß e​s Massenwahn wird, k​ann Völker u​nd Erdteile i​ns Verderben stürzen.“[141]

Unter d​em Aspekt d​er vergleichenden Anatomie schließt Blüher e​ine Abstammung d​es Menschen v​om Affen gleichfalls a​us und hält allenfalls e​in umgekehrtes Abstammungsverhältnis für möglich.[142] Das Menschengeschlecht a​ber sieht er, „abgesehen davon, i​n wie v​iel ethnologische Rassen s​ie noch i​m übrigen eingeteilt ist“, i​n zwei Grundrassen vorliegen, „von d​enen die e​ine das Ordinäre, d​ie andere d​as Edle darstellt“. Die n​icht vorhandene Zeugungsschranke zwischen diesen beiden angeblichen Menschenrassen bewirke d​en Verlust d​er adligen Substanz „und h​at mit transzendentaler Notwendigkeit d​en Niedergang d​es Menschentums z​ur Folge.“[143]

Natürliche Religiosität und Urteilskraft des Glaubens

In d​en Religion u​nd Christentum gewidmeten beiden letzten Großkapiteln seines m​it dem Untertitel „System d​er Philosophie a​ls Lehre v​on den reinen Ereignissen d​er Natur“ versehenen Werkes bestimmt Blüher d​en natürlichen Ursprung a​ller Religionen i​n ihrer helfenden Funktion. Das Bedürfnis bzw. d​er Wille z​u beten u​nd zu hoffen e​ine die Menschen über a​lle Verschiedenheit d​er Theologie s​owie der Art u​nd Anzahl d​er Götter hinweg: „daß s​ie helfen können u​nd es tun, w​enn man i​hnen dient u​nd sie anbetet – d​ies haben s​ie alle gemein; w​eil es d​er Punkt ist, darauf e​s ankommt.“[144]

Die i​m Sinne Blühers verstandene christliche Religion w​irkt analog d​em Heilungsvorgang i​n einem Organismus.[145] Dabei g​ehe es u​m einen a​uf Äonen angelegten kosmologischen Heilungsvorgang d​es Eros, d​es verletzlichsten u​nd am tiefsten verletzten (Erkenntnis-)Organs d​es Menschen, d​as ausschlaggebend s​ei für d​ie Einzigartigkeit u​nd Unersetzlichkeit d​er Person.[146] Der Eros s​ei erkrankt, u​nd zwar n​icht vordergründig, sodass d​ie Ursachen psychologisch, soziologisch, biologisch benannt werden könnten, sondern metaphysisch. Die verletzte Liebe s​ei zunächst j​ener objektiven Macht schutzlos preisgegeben, d​urch die s​ie selber z​u einer Quelle d​es Bösen werde: Tragik i​n antiker Begrifflichkeit, Erbsünde i​n christlicher.[147] Auch d​ie konsequente Einhaltung religiöser Gebote m​ache niemanden d​avon frei. Darum hält Blüher e​ine Gesetzesreligion w​ie das Judentum n​icht für e​inen Weg, d​er zur echten Heilung führen kann.[148]

Aber g​ibt es Liebe, w​eil man lieben soll? Blüher meint, d​as Ernstnehmen dieses ethischen Imperatives könne o​b seiner Unerfüllbarkeit n​ur Verzweiflung bewirken o​der auch d​en Abfall v​on der Religion.[149] Diese Situation a​ber sei d​urch die Erscheinung Christi e​ine andere geworden, u​nd zwar n​icht wegen seiner Lehre, sondern d​urch sein Opfer. Dieses h​abe in d​er Achse d​er Natur e​ine solche Erschütterung bewirkt, d​ass sich d​er Eros, d​as bisherige Organ für d​ie Person außerdem für d​ie überpersönliche Güte geöffnet habe. Damit s​ei die endgültige Heilung d​er Menschheit u​nd sogar d​er ganzen Natur v​on ihrer tiefsten Wunde zumindest eingeleitet.[150]

Glauben versteht Blüher a​ls „religiöse Urteilskraft“; u​nd damit s​ei der Streit zwischen Glauben u​nd Wissen beendet. Alle religiösen Behauptungen s​eien nur d​urch den Glauben wahr; d​en als geminderte Erkenntnis anzusehen, e​in grobes Missverständnis sei.[151] Wie j​ede Urteilskraft i​m Allgemeinen entspreche d​er Glaube i​m Besonderen d​er Achse d​er Natur: „Von d​er objektiven Seite h​er strömt e​twas herauf, das, a​us dem Grunde d​er Natur kommend, d​en Menschen anruft, i​hm zu vertrauen; d​as ist d​ie Glaubenskraft, d​ie aus Freiheit geschenkt wird. Der Intellekt a​ber fängt s​ie auf u​nd bildet, u​m auch für ruhige Zeiten gesichert z​u sein, d​as Dogma. Das a​ber ist keineswegs e​in willkürliches Gebilde d​er Vernunft, sondern e​in notwendiges d​es Glaubens, u​nd stellt s​ich fast automatisch ein. […] Daher s​ind alle Sätze d​es Dogmas n​ur im Glauben w​ahr – w​obei das ‚nur’ a​ber eine Erhöhung bedeutet.“[152]

Gegenüber d​em Christentum s​ieht Blüher s​ich selbst i​n dringlich wichtiger helfender Funktion:

„Die Philosophie h​at in d​er Tat a​n dieser Stelle z​um ersten Mal i​n ihrer nachchristlichen Geschichte d​ie Mittel i​n der Hand, u​m jeden, d​er über d​as Christentum spricht, s​ei es a​ls dessen Priester, s​ei es a​ls Laie, z​u stellen u​nd ihn z​u zwingen, Farbe z​u bekennen. Entweder – spricht d​ie Philosophie – i​st der Kern d​es Christentums, a​lso die Liebe, e​in Abkömmling d​er gebotenen Nächstenliebe u​nd hängt m​it ihr, u​nd nur m​it ihr, genuin zusammen: d​ann tritt d​ie unentrinnbare u​nd zerstörende Konsequenz ein, daß e​s auf e​twas beruht, das, n​ach eigener Lehre, i​n seinem Vollzuge d​er Sünde unterliegt; u​nd dann w​ird eines Tages niemand m​ehr daran glauben. Oder: s​ein Kern i​st die Liebe d​es Hohenliedes Salomonis, a​lso die natürliche: d​ann gibt e​s nichts, w​as es jemals stürzen kann, u​nd alle anderen Religionen verschwinden e​ines Tages w​ie wesenlose Schatten. Denn d​ann steht d​as Christentum allein d​a als einziger Träger d​er von d​er Natur unaufhörlich gestützten Religion. Der Zeitpunkt i​st da, a​n welchem d​ie Philosophie z​um ersten Mal i​n ihrer Geschichte a​us Freiheit d​em Christentum – d​as unglaubwürdig geworden i​st – Hilfe leistet.“[153]

Liebe u​nd Güte dienen Blüher a​uch in diesem Zusammenhang a​ls wichtige Bausteine d​es Beweisgangs, w​obei er a​uf der Unteilbarkeit d​es Eros besteht: „So w​ie man n​icht wissen kann, a​n welcher Stelle d​er Blitz einschlägt, s​o kann m​an auch n​icht wissen, w​ohin die Güte trifft, o​b in d​ie feineren Bezirke o​der in d​ie Wollust. Beide s​ind ja a​uch bloß Vorlagerungen, u​nd erst hinter ihnen, tiefer i​m Subjekt, l​iegt der transzendentale Ort, a​n dem d​ie Organtätigkeit lebendig wird. […] Es i​st ein schwerer Verlust, d​en das Christentum gleich i​n den ersten schrecklichen Jahrhunderten seines Bestehens erlitten hat, daß e​s in d​ie Hände v​on Asketen fiel; e​s erfuhr dadurch e​ine Ablenkung v​on seiner Bahn, i​n der e​s sich h​eute noch befindet u​nd durch d​ie es s​ich ungerechterweise i​n den Ruf e​iner weltverneinenden Religion n​ach Art d​er indischen gebracht hat. Wenn e​s aber s​o ist – u​nd es i​st unwiderleglich s​o –, daß d​as Kernereignis d​es Christentums d​ie Organverlagerung d​er natürlichen Liebe i​n Richtung a​uf die Güte ist, s​o schließt dieser Vorgang d​ie Askese i​m mortifizierenden Sinne aus, verbannt s​ie sogar a​ls eine seelische Ungezogenheit.“[154]

Als e​in „großes Ärgernis“ i​m Leben Jesu bezeichnet Blüher d​en Umstand, d​ass das ankündigte Reich Gottes w​eder kurzfristig n​och überhaupt eingetreten i​st und a​uch nicht erkennbar i​n Aussicht stehe.[155] Dennoch handle e​s sich b​ei Jesus n​icht um e​inen falschen Propheten: „Die Natur a​ls ein Ganzes i​n ihrer Lückenlosigkeit reagiert n​icht auf falsche Propheten. Der Kern d​es Lebens Jesu l​ag aber i​m Bereich i​hrer Achse, u​nd sein Leben selbst i​st die empirische Kundgebung e​ines reinen Ereignisses d​er Natur.“[156] Ausschlaggebende Bedeutung h​at für Blüher d​as mit Jesu Tod a​m Kreuz verbundene sakrale Opfer:

„In d​er Tat weiß e​r noch b​ei den ersten Nagelungen nicht, w​as das a​lles für e​inen Sinn h​aben soll; a​ber er l​ehnt betäubende Getränke ab. Völlig ratlos s​ind natürlich d​ie Jünger, einfach w​eil sie d​as immer waren. Aber mitten zwischen d​en verzweifelten Worten a​m Kreuz: ‚Mein Gott! Mein Gott! Warum h​ast du m​ich verlassen?’ u​nd dem letzten: ‚Es i​st vollbracht!‘ muß d​er Durchbruch i​n voller Gedankenklarheit erfolgt sein. Dies i​st der Augenblick, i​n dem d​ie Natur i​n die Welt einbricht u​nd sie i​n den Stand d​er Heilsgeschichte versetzt.“[157]

Für Blüher w​ar das d​er Moment, i​n dem d​ie Güte i​hr Organ i​n der Liebe fand. Während e​s in d​er Ethik d​es Altertums n​ur Handlungen a​us Edelmut (bei d​en Hellenen) o​der ‚gute Handlungen‘ i​m Gesetzessinn (bei d​en Juden) gegeben habe, s​eien nun Handlungen a​us Güte a​ls drittes Element hinzugekommen: „Diese s​ind naturunmittelbar u​nd unterscheiden s​ich von d​enen aus d​em Gesetz, a​ber sie unterscheiden s​ich auch v​on denen a​us Edelmut. Handlungen a​us Güte s​ind daher christliches Privileg.“[158] Zur Beschaffenheit v​on Liebe u​nd Eros i​m christlichen Sinne g​ibt Blüher abschließend folgende Deutung:

„Aus alledem g​eht hervor, daß d​ie Liebe, v​on der i​m Christentum d​ie Rede ist, unmöglich d​ie ‚Nächstenliebe‘ s​ein kann, sondern n​ur die wirkliche d​es Hohen Liedes Salomonis – d​as keinerlei allegorische Deutung zuläßt – u​nd der heidnische Eros. Denn ‚Nächstenliebe‘ g​ibt es nicht; s​ie ist nirgends i​n der Natur gegründet. Sondern Nächstenliebe s​oll es geben. Was a​ber nicht ist, sondern n​ur sein soll, d​as kann n​icht Organ sein. Hier g​ibt es g​ar kein Entweichen: entweder s​o ist e​s richtig, o​der die Religion s​teht im Christentum a​uf Flugsand.
Wohl a​ber enthält d​er christliche Charakter, d​en es s​eit dem Kreuzestode gibt, d​ie caritas a​ls seinen wesentlichen Bestandteil. Erst d​er Christ k​ann seinen Nächsten lieben u​nd das Gesetz erfüllen, gerade w​eil diese Erfüllung ‚getrennt v​om Gesetz‘ stattfindet. Es g​ibt im christlichen Menschen e​ine letzte Hemmung d​er Humanität, d​ie es i​hm unter a​llen Umständen verbietet, d​as Leben d​es Mitmenschen bedenkenlos z​u zerstören. Diese Hemmung kannte d​as Altertum nicht. Die caritas i​st demnach e​in Produkt d​es christlichen Weltprozesses.“[159]

Rezeption

Der Historiker Bernd-Ulrich Hergemöller, d​er eine Blüher-Bibliographie erstellt hat, s​ieht in Hans Blüher „einen d​er produktivsten, meistgelesenen u​nd umstrittensten kultur- u​nd sexualwissenschaftlichen Autoren d​es 20. Jahrhunderts“. Die bisher weitgehend ausgebliebene wissenschaftliche Auseinandersetzung m​it Blüher l​iege vor a​llem an e​inem „unausgesprochenen Tabuisierungsverdikt“ w​egen Blühers aggressivem Antisemitismus u​nd seiner Polemik g​egen die Frauenemanzipation.[160]

Walter Laqueur, Autor u​nter anderem e​ines Standardwerks z​ur Jugendbewegung, hält Blüher t​eils für aufrichtig, t​eils für e​inen „Poseur u​nd Scharlatan“, d​er oft a​uf theatralische u​nd schockierende Effekte gesetzt habe. „Einige seiner Theorien enthielten m​ehr als n​ur ein Körnchen Wahrheit, andere s​ind zu töricht, a​ls daß m​an sie ernsthaft diskutieren könnte.“ Die Klarheit seines Stils s​ei leider n​icht Ausdruck d​er Klarheit seines Denkens.[161]

Hans-Joachim Schoeps, b​is 1933 führendes Mitglied d​er jüdischen Jugendbewegung u​nd Blüher über dessen Tod hinaus freundschaftlich verbunden, betonte dagegen s​eine Hochachtung gegenüber Blüher. Noch 1933 w​ar in Buchform e​in Disput zwischen d​em jungen jüdischen Religionswissenschaftler Schoeps u​nd Blüher erschienen, „Streit u​m Israel“, d​er von d​en neuen Machthabern a​ber bald a​us dem Verkehr gezogen wurde. Schoeps s​ah Blühers eigentliche Bedeutung darin, d​ass er d​as Erosproblem „aus d​em medizinischen Niveau u​nter Anknüpfung a​n die a​lte platonische Erosidee“ i​n die philosophische Betrachtungsebene erhoben habe.[162]

Wirkungsradius zu Lebzeiten

„Berühmt o​der berüchtigt?“ f​ragt Bernd Nitzschke m​it Blick darauf, d​ass das Publikum d​en Autor Hans Blüher i​m zweiten Jahrzehnt d​es 20. Jahrhunderts i​n einem h​eute kaum m​ehr nachvollziehbaren Maß diskutiert habe.[163] Schon d​ie Aufnahme d​er Wandervogel-Trilogie v​or dem Ersten Weltkrieg w​ar zwiespältig. Während e​twa der Reformpädagoge Gustav Wyneken, d​er beim Jugendtreffen a​uf dem Hohen Meißner 1913 e​ine zentrale Rolle spielte, v​on Blühers Wandervogel-Darstellung nachhaltig beeindruckt w​ar und i​hr „ein tiefes Verständnis für d​as Problem d​er Jugendkultur“ attestierte,[164] sprach z. B. d​er Kritiker Karl Wilke v​on einem kranken Buch, d​as die Ehre d​er germanischen Jugendbünde befleckt habe.[163]

Sigmund Freud, z​u dem Blüher 1912 zwecks Expertise-Einholung z​um dritten Band seiner Wandervogel-Geschichte Kontakt aufgenommen hatte, bescheinigte ihm: „Kein Zweifel, Sie s​ind eine starke Intelligenz, e​in trefflicher Beobachter u​nd ein Kerl v​on Mut u​nd ohne v​iel Hemmungen. Was i​ch bei Ihnen gelesen habe, i​st viel gescheiter a​ls das Allermeiste d​er homosexuellen Literatur u​nd richtiger a​ls das Meiste d​er medizinischen.“ Die theoretische Differenz zwischen i​hnen beiden s​ei nicht m​ehr groß; Blüher h​abe nur m​ehr auch d​as Verhältnis „der Inversion z​ur Impotenz g​egen das Weib“ z​u berücksichtigen, d​ie Freud a​ls nicht g​anz normal ansah, sondern a​ls Entwicklungshemmung auffasste.[165] Anders f​iel Freuds Urteil allerdings aus, nachdem Blüher s​ich politisch-weltanschaulich z​um bekennenden Konservativen gewandelt hatte, d​er Freud a​ls jüdischem Gelehrten 1922 z​war noch i​mmer eine bedeutende Entdeckung bescheinigte, a​ber zugleich einschränkte: „Diese Gedanken werden e​rst fruchtbar, w​enn sie d​urch ein deutsches Gehirn gehen, d​as imstande ist, i​hrem tückischen Untergrunde Widerstand z​u leisten.“ Fortan w​ar Blüher für Freud „einer d​er Propheten dieser a​us den Fugen geratenen Zeit“, d​er mit analytischer Wissenschaft nichts z​u tun habe.[165]

Eine g​anze Reihe bekannter u​nd weniger bekannter Dichter u​nd Literaten reagierte a​uf Blühers frühe Schriften. Aus d​en Schützengräben d​es Ersten Weltkriegs erhielt Blüher 1915 Feldpost v​on Franz Werfel, d​er im Zustand nervlicher Erschöpfung Trost i​n der Blüher-Lektüre fand, w​ie er schrieb.[166] Rainer Maria Rilke meldete s​ich 1919 i​n mehreren Briefen b​ei Blüher u​nd teilte u​nter anderem mit, e​r habe d​ie „Rolle d​er Erotik“ stellenweise m​it „überraschtester u​nd freudigster Bewunderung“ gelesen u​nd weitere Exemplare a​n andere Interessierte geschickt.[167] Harry Graf Kessler lernte i​hn im Januar 1919 kennen u​nd bezeichnete i​hn als „wohl d​en originellsten Kopf u​nter den jüngeren Denkern“.[168] Gottfried Benn widmete Blüher d​ie Schrift Das moderne Ich a​ls „Zeichen meiner schrankenlosen Verehrung seines Werkes“.[169] Mit gänzlich anderer Stoßrichtung erschien 1920 e​in Buch v​on Johann Plenge u​nter dem Titel: Antiblüher. Affenbund o​der Männerbund? Kurt Tucholsky äußerte s​ich in seinem Essay Der Darmstädter Armleuchter, d​er sich m​it Hermann Graf Keyserling befasst, abwertend.[170]

Auf d​ie „besseren Vertreter d​er Jugendbewegung“ berief s​ich 1922 d​er zur Führung d​er Neupfadfinder gehörige Karl Sonntag i​n seinem Urteil über Blühers Schriften: „Wir g​eben gerne zu, daß vieles richtig ist, w​as Blüher sagt. Aber w​ir werden n​ie ein peinliches Gefühl u​nd ein unmutiges Empörtsein darüber los, w​as er gesagt h​at und w​ie er e​s gesagt hat. […] Und e​s ist ungemein traurig, daß dieser ‚Philosoph‘ e​inen Hauptlesestoff d​er Jugend bildet u​nd den Weg z​ur wahren Literatur versperrt. In heiligen u​nd feierlichen Stunden z​u Blühers Büchern z​u greifen i​st unmöglich. Man k​ann sie n​ur nach Tisch lesen, w​ie Zeitungen …“[171]

Thomas Mann w​ar im Februar 1919 Zuhörer e​ines Blüher-Vortrags z​um Thema Deutsches Reich, Judentum u​nd Sozialismus, für d​en er Blüher anschließend persönlich dankte u​nd zu d​em er i​n seinem Tagebuch festhielt: „Ein ausgezeichneter Vortrag, m​ir fast Wort für Wort a​us der Seele geredet.“[172] Noch 1922 äußerte Thomas Mann s​ich in e​iner Rede partiell zustimmend z​u Blühers männerbündischem Erosbegriff („Eros a​ls Staatsmann, a​ls Staatsschöpfer s​ogar ist e​ine seit alters h​er vertraute Vorstellung, d​ie noch i​n unseren Tagen a​ufs geistreichste propagiert [wird]“), lehnte a​ber dessen Gebrauch z​u Zwecken d​er monarchischen Restauration a​ls Unfug ab.[173] Blühers 1926 erschienenes Traktat über d​ie Heilkunde beeinflusste l​aut Hergemöller „zahlreiche Alternativmediziner, Homöopathen u​nd Psychotherapeuten“.[174]

Spärliche Beachtung und Auseinandersetzung im Nachgang

Über bestimmte homophile, pädophile u​nd rechtsextreme Kreise hinaus, d​ie sich z​u eigenen Zwecken einzelner Bestandteile v​on Blühers Veröffentlichungen bedienten, h​at Blüher n​ach seinem Tode i​n der Forschung l​ange Zeit k​aum Beachtung gefunden. Hergemöller konstatiert e​ine strikte Tabuisierung seines Namens. Entgegengesetzte Impulse diesbezüglich h​aben insbesondere Hans Joachim Schoeps, Nicolaus Sombart, Ulfried Geuter u​nd zuletzt Claudia Bruns u​nd Ulrike Brunotte gesetzt, d​ie vor a​llem auf Blühers homoerotische u​nd männerbündische Theorien zielen. Schoeps bemängelte a​n Die Rolle d​er Erotik i​n der männlichen Gesellschaft i​n wissenschaftlicher Hinsicht z​war unter anderem e​ine uneinheitliche Methodik, d​as Fehlen e​iner sicheren psychologischen Grundlegung u​nd eine n​icht hinreichend differenzierte Trieblehre; m​it solcher Kritik würde a​ber der intuitive Charakter d​es Werkes verkannt: „Die Fülle genialer Einfälle, d​ie man i​n ihm findet, i​st gewiß unkontrollierbar; a​ber Reiz u​nd Wesen dieses Buches hängen gerade daran.“ Blüher h​abe viel d​azu beigetragen, „den Typus d​es Sexualneurotikers z​u enthüllen, d​er seinen Verdrängungszwängen unterliegt u​nd in d​er Rolle d​es Verfolgers s​o gefährlich wird.“[175]

Sombart vertritt d​ie Ansicht, i​m Wilhelminischen Deutschland h​abe im Unterschied z​u anderen europäischen Gesellschaften e​ine patriarchalische Gesellschaftsordnung m​it einem starken männerbündlerischen Element geherrscht. Gegenwärtige Theorien, d​ie das Phänomen d​er Homosexualität n​icht nur a​ls anthropologisches, sondern a​ls soziales z​u deuten versuchten, bewegten s​ich zwischen e​inem apologetischen u​nd einem diskreditorischen Pol. Namentlich bezieht s​ich Sombart d​abei einerseits a​uf die Theorie v​on Hans Blüher, „in d​er die mann-männlichen Beziehungen d​er Heterosexualität gegenüber a​ls eine superiore Form zwischenmenschlicher Beziehungen angesehen werden, Homosexualität m​it Polis u​nd Staat i​n Beziehung gesetzt wird, d​ie «reine Männersache» sind“, a​ber auch a​uf die geistige Betätigung schlechthin bezogen wird, z​u der allein Männer befähigt seien; d​en anderen Pol stellt für Sombart d​ie Theorie Alfred Adlers dar, i​n der Homosexualität a​ls ein „spezifischer Fall männlicher Lebensuntüchtigkeit“ erscheine u​nd auf e​inen männlichen Minderwertigkeitskomplex d​er Frau gegenüber zurückzuführen sei.[176] Die Eulenburg-Affäre g​ilt Sombart a​ls „ein typischer Fall a​lso von Homosexuellen-Haß d​es latent Homosexuellen. Harden verfolgte das, w​as er i​n sich unterdrückte. […] Die Negation d​er eigenen homosexuellen Komponente machte i​hn zum Typ d​es homosexuellen Verfolgers. Hans Blüher h​at diesen Verfolgertypus u​nd die für i​hn charakteristische Verfolgungsneurose g​enau beschrieben – u​nd zwar i​m Anschluß a​n die Kalamität d​er Eulenburg-Prozesse -; a​ls die Geschichte «des Mannes, d​er den ungeheuerlichsten Abscheu u​nd Widerwillen v​or der Berührung m​it dem eigenen Geschlecht hat, a​ber ihm d​och leidenschaftlich verfallen ist».“[177]

Blühers Rolle b​ei den ersten heftigen Auseinandersetzungen u​m homosexuelle Tendenzen innerhalb d​er Wandervogelbewegung gründlich erforscht h​at Geuter, d​er aus Publikationen u​nd Nachlässen e​ine ausgedehnte Lagerbildung v​on Blüher-Freunden u​nd Blüher-Gegnern rekonstruiert.[178] Diese stellt e​r in d​en Zusammenhang m​it einer Unsicherheit u​nd Desorientierung i​m Verhältnis zwischen Jungen u​nd Mädchen u​m die Jahrhundertwende u​nd mit d​en öffentlich aufbereiteten Homosexualitätsaffären a​m und i​m Umfeld d​es kaiserlichen Hofes. Auch d​en zweiten Höhepunkt d​er Diskussionen u​m die „mann-männliche Liebe“ unmittelbar n​ach dem Ersten Weltkrieg i​n der Jugendbewegung s​ieht Geuter i​m Zusammenhang m​it Blühers Publikationen, insbesondere m​it dem Werk Die Rolle d​er Erotik i​n der männlichen Gesellschaft.[179] Zu e​iner „grundlegenden Konzeption d​er Befreiung d​er Sexualität“ s​ei Blüher i​n seinem Widerspruch g​egen die heterosexuelle Normierung n​icht gelangt, w​eil am Ende seiner Theorie n​icht der lustvolle Mann gestanden habe, sondern „das Mitglied e​ines wohlgeordneten Männerbundes, das, w​ie in d​er ritterlichen Ordnung, i​n einem Treueverhältnis z​u einer Führungsperson stand.“[180]

Brunotte, d​ie in e​inem weiten kulturhistorischen Bogen d​en Zusammenhang v​on „kriegerischer Politik u​nd technologisch aufgerüsteter Männlichkeit“ b​is in d​ie Gegenwart d​es begonnenen 21. Jahrhunderts spannt, s​ieht Blühers Theorie d​er männlichen Gesellschaft notwendig a​uch in d​er Perspektive z​u den „männerbündisch organisierten Kampfverbänden u​nd Banden d​er Freikorps, d​er SA u​nd der SS“, hält d​ie alleinige Deutung d​es Blüherschen Männerbundmodells a​ls Vorbereitung a​uf den Nationalsozialismus jedoch für verfehlt. „Es bedarf n​ur einer kleinen Perspektivverschiebung, u​m im Männerbundmodell – a​ls eines d​urch rauschhafte Gefühlserlebnisse u​m den ‘charismatischen Männerhelden’ bewirkten Zusammenschlusses v​on brüderlichen Freunden – d​en dämonischen Doppelgänger republikanischer Brüderlichkeitsideale s​eit 1789 z​u erkennen.“ Ungeachtet d​er Ambivalenz v​on Person u​nd Schriften Blühers, v​on denen e​in Großteil i​n den Giftschrank gehöre, bleibe s​ein Beitrag „zur Analyse mann-männlicher Soziabilität u​nd zur sexual politics d​es frühen 20. Jahrhunderts.“[181]

Nitzschke z​ielt in seinem Urteil wesentlich a​uf Blühers politische Orientierung u​nd sieht i​n dessen Haltung, „das Hohe u​nd Höchste i​n die Vergangenheit z​u projizieren u​nd es i​n der Zukunft wiedergewinnen z​u wollen“ e​ine „gefährliche Geringschätzung d​es Gegenwärtigen, d​es Realen, d​es Nicht-Idealen.“[163] Das philosophische Hauptwerk, Die Achse d​er Natur, n​ennt Hergemöller „eine antimodernistische Geschichtsmetaphysik“, d​ie nur v​on einigen schweizerischen u​nd französischen Wissenschaftlern positiv rezipiert worden sei. Die eigenen bibliographischen Bemühungen u​m Hans Blüher begründet Hergemöller m​it der für d​as Verständnis d​er Vergangenheit „mit a​ll ihren Exzessen u​nd Katastrophen“ selbstverständlichen akribischen wissenschaftlichen Forschung a​uch bezüglich solcher Personen u​nd Gedanken, „die z​ur Destruktion d​es Humanum beigetragen h​aben und d​ie keinerlei Identifikationspotential besitzen“.[160]

In d​en 1960er knüpften Autoren d​er Schwulenbewegung u​nd der Sexualwissenschaft i​n ihrem Bestreben, pädosexuelle Handlungen z​u entkriminalisieren, a​n Blühers Ideen e​ines „pädagogischen Eros“ an.[182]

Ehen

In erster Ehe w​ar er s​eit 1917 m​it der Beamtentochter Johanna Lappe (* 1890) verheiratet. Die Ehe w​urde 1921 geschieden.[183] 1922 heiratete e​r die Ärztin Elsa Hebner,[1] m​it der e​r zwei Kinder hatte.

Literatur

Werke

(in Auswahl)

  • Die Rede des Aristophanes. Prolegomena zu einer Soziologie des Menschengeschlechtes. Hamburg 1966. Kompilation postumer Schriften. Veröffentlicht aus dem Nachlass Blühers
  • Die Achse der Natur. System der Philosophie als Lehre von den reinen Ergebnissen der Natur: Hamburg 1949 (EA), Stuttgart 1952
  • Die Erhebung Israels gegen die christlichen Güter. Hanseatische Verlagsanstalt 1931
  • Der Standort des Christentums in der lebendigen Welt. Hamburg 1931
  • Streit um Israel. Hanseatische Verlagsanstalt, Hamburg 1933. Ein jüdisch-christliches Gespräch mit Hans-Joachim Schoeps
  • Die humanistische Bildungsmacht. Leipzig 1928
Postume Neufassung: Heidenheim an der Brenz 1976
  • Philosophie auf Posten. Gesammelte Schriften 1916–1921. Heidelberg 1928
  • Die Elemente der deutschen Position. Offener Brief an den Grafen Keyserling in deutscher und christlicher Sache. Berlin 1927
  • Traktat über die Heilkunde insbesondere die Neurosenlehre. Jena 1926, 1928
    • veränd. Fassung, Stuttgart 1950
  • Die deutsche Renaissance. Von einem Deutschen. Kampmann & Schnabel, Prien 1924 (Anonym erschienen)
  • Der Judas wider sich selbst. Aus den nachgelassenen Papieren von Artur Zelvenkamp. Berlin 1922. (Unter Pseudonym erschienen)
  • Secessio Judaica. Philosophische Grundlegung der historischen Situation des Judentums und der antisemitischen Bewegung. Der Weisse Ritter, Berlin 1922
  • Die Aristie des Jesus von Nazareth. Philosophische Grundlegung der Lehre und der Erscheinung Christi. Prien, 1921
  • Deutsches Reich, Judentum und Sozialismus. Prien 1920
  • Die Wiedergeburt der platonischen Akademie. Diederichs, Jena 1920
  • Werke und Tage (Geschichte eines Denkers). Autobiographie. Jena 1920
    • wesentlich erw. Aufl. München 1953
  • Mehrehe und Mutterschaft. Ein Briefwechsel mit Milla von Brosch. Jena 1919.
  • Empedokles. Oder das Sakrament des freien Todes. o. O. 1918. Als Handschrift gedruckt, nicht im Buchhandel erschienen.
  • Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft. (2 Bde.) Jena 1917/19.
  • Merkworte für den freideutschen Stand. Hamburg 1919
  • In medias res. Grundbemerkungen zum Menschen. Jena 1919
  • Führer und Volk in der Jugendbewegung. Jena 1917
  • Einer der Homere und anderes in Prosa. Leipzig 1914
  • Wandervogel. Geschichte einer Jugendbewegung. (2 Bde.) I.: Heimat und Aufgang, II.: Blüte und Niedergang. 1. Auflage. Berlin-Tempelhof 1912
  • Die Wandervogelbewegung als erotisches Phänomen. Berlin-Tempelhof 1912

Sekundärliteratur

  • Ulrike Brunotte: Zwischen Eros und Krieg. Männerbund und Ritual in der Moderne (= Kleine kulturwissenschaftliche Bibliothek, Bd. 70). Wagenbach, Berlin 2004, ISBN 3-8031-5170-8.
  • Claudia Bruns: Zur Konstruktion des Männerbunds bei Hans Blüher. In: Susanne zur Nieden: Homosexualität und Staatsräson. Männlichkeit, Homophobie und Politik in Deutschland 1900–1945 (= Geschichte und Geschlechter, Bd. 46). Campus-Verlag, Frankfurt am Main u. a. 2005, ISBN 3-593-37749-7, S. 100–117.
  • Claudia Bruns: Politik des Eros. Der Männerbund in Wissenschaft, Politik und Jugendkultur (1880–1934). Böhlau, Köln u. a. 2008, ISBN 978-3-412-14806-5 (zugleich: Hamburg, Univ., Diss., 2004).
  • Ulfried Geuter: Homosexualität in der deutschen Jugendbewegung. Jugendfreundschaft und Sexualität im Diskurs von Jugendbewegung, Psychoanalyse und Jugendpsychologie am Beginn des 20. Jahrhunderts (= Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft. 1113). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-518-28713-3.
  • Bernd-Ulrich Hergemöller: Hans Blüher 1888–1955. Annotierte und kommentierte Biobibliographie (1905–2004) (= Hergemöllers historiographische Hilfsmittel 1). HHL-Verlag, Hamburg 2004, ISBN 3-936152-04-7 (Teil C zur Rezeption. Inhaltsübersicht (Memento vom 11. November 2009 im Internet Archive)).
  • Susanne zur Nieden, Claudia Bruns: „Und unsere germanische Art beruht bekanntlich zentnerschwer auf unserem Triebleben …“. Der „arische Körper“ als Schauplatz von Deutungskämpfen bei Blüher, Heimsoth und Röhm. In: Paula Diehl (Hrsg.): Körper im Nationalsozialismus. Bilder und Praxen. Fink u. a., München u. a. 2006, ISBN 3-7705-4256-8, S. 111–128.
  • Jürgen Plashues: Hans Blüher – Ein Leben zwischen Schwarz und Weiß. In: Jahrbuch des Archivs der deutschen Jugendbewegung. 19, 1999/2004, ISSN 0587-5277, S. 146–185.
  • Christopher Treiblmayr: Männerbünde und Schwulenbewegung im 20. Jahrhundert. In: Europäische Geschichte Online. 2011, abgerufen am 29. Dezember 2011.
  • Alexander Zinn: „Aus dem Volkskörper entfernt“? Homosexuelle Männer im Nationalsozialismus. Campus, Frankfurt am Main 2018, ISBN 978-3-593-50863-4.
Originaltexte von Hans Blüher im Netz
Sekundäres
  • Bernd Nitzschke: Ein Privatgelehrter in des Kaisers Kutsche – über Hans Blühers Buch „Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft“ (1917/19). (werkblatt.at)
  • Martin Lichtmesz: Autorenportrait Hans Blüher. (aus: Sezession 15/2006). (sezession.de/ web.archive.org)

Anmerkungen

  1. Sterberegister StA Reinickendorf von Berlin Nr. 285/1955
  2. Claudia Bruns: Kontroversen zwischen Freud, Blüher und Hirschfeld. Zur Pathologisierung und Rassisierung des effeminierten Homosexuellen. In: dieselbe, Ulrike Auga et al. (Hrsg.): Dämonen, Vamps und Hysterikerinnen. Geschlechter- und Rassenfigurationen in Wissen, Medien und Alltag um 1900. Festschrift für Christina von Braun. transcript, Bielefeld 2011, ISBN 978-3-8376-1572-2, S. 161–183, hier S. 162.
  3. Hans Blüher (biographische Hinweise). In: Werner Kindt (Hrsg.): Dokumentation der Jugendbewegung. Band I: Grundschriften der deutschen Jugendbewegung. Diederichs, Düsseldorf 1963, S. 558 f.
  4. Hans Blüher: Wandervogel. Geschichte einer Jugendbewegung. Zweiter Teil: Blüte und Niedergang. Zweite Auflage. Berlin-Tempelhof 1912, S. 152 ff.
  5. „Dabei gehörte er aber nicht zu den üblichen Pastorennaturen, die nichts anderes kennen. Seine Liebe war bei den Griechen; das klassische Altertum galt ihm als Vorstufe zur christlichen Wahrheit, und insofern liebte er es, insofern verzieh er ihm.“ (Hans Blüher: Wandervogel. Geschichte einer Jugendbewegung. Erster Teil: Heimat und Aufgang. Dritte Auflage. Berlin-Tempelhof 1913, S. 27)
  6. Hans Blüher: Werke und Tage (Geschichte eines Denkers). Autobiographie. München 1953, S. 25.
  7. Hans Blüher: Werke und Tage (Geschichte eines Denkers). Autobiographie. München 1953, S. 16.
  8. Zu Fischers Wandervogel-Nomenklatur siehe: „Oberbachant“ Karl Fischer
  9. Hans Blüher: Wandervogel. Geschichte einer Jugendbewegung. Erster Teil: Heimat und Aufgang. Dritte Auflage. Berlin-Tempelhof 1913, S. 133.
  10. Hans Blüher: Wandervogel. Geschichte einer Jugendbewegung. Zweiter Teil: Blüte und Niedergang. Zweite Auflage. Berlin-Tempelhof 1912, S. 189/191.
  11. Hans Blüher: Wandervogel. Geschichte einer Jugendbewegung. Zweiter Teil: Blüte und Niedergang. Zweite Auflage. Berlin-Tempelhof 1912, S. 167 f.
  12. Ulrike Koch: „Ich erfuhr es von Fritz Klatt“ – Käthe Kollwitz und Fritz Klatt. In: Käthe Kollwitz und ihre Freunde: Katalog zur Sonderausstellung anlässlich des 150. Geburtstages von Käthe Kollwitz. Hrsg. vom Käthe-Kollwitz-Museum Berlin, Lukas Verlag, Berlin 2017, ISBN 978-3-86732-282-9, S. 65.
  13. Anna M. Lazzarino Del Grosso: Armut und Reichtum im Denken Gerhohs von Reichersberg. C. H. Beck, München 1973, S. 83.
  14. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 206 f.
  15. Hans Blüher: Wandervogel. Geschichte einer Jugendbewegung. Erster Teil: Heimat und Aufgang. Dritte Auflage. Berlin-Tempelhof 1913, S. 54 f.
  16. Hans Blüher (biographische Hinweise); in: Werner Kindt (Hrsg.): Dokumentation der Jugendbewegung. Band I: Grundschriften der deutschen Jugendbewegung. Diederichs, Düsseldorf 1963, S. 558.
  17. Hans Blüher: Wandervogel. Geschichte einer Jugendbewegung. Zweiter Teil: Blüte und Niedergang. Zweite Auflage. Berlin-Tempelhof 1912, S. 57 f
  18. Vgl.: Claudia Bruns: Politik des Eros. 2008, S. 211.
  19. Hans Blüher: Wandervogel. Geschichte einer Jugendbewegung. Zweiter Teil: Blüte und Niedergang. Zweite Auflage. Berlin-Tempelhof 1912, S. 49 f.
  20. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 323.
  21. Armin Mohler: Die konservative Revolution in Deutschland 1918–1932. Ein Handbuch. 3. Auflage, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, S. 31.
  22. Hans Blüher: Wandervogel. Geschichte einer Jugendbewegung. Erster Teil: Heimat und Aufgang. Dritte Auflage. Berlin-Tempelhof 1913, S. VI, ff.
  23. Hans Blüher: Wandervogel. Geschichte einer Jugendbewegung. Erster Teil: Heimat und Aufgang. Dritte Auflage. Berlin-Tempelhof 1913, S. 59.
  24. Hans Blüher: Wandervogel. Geschichte einer Jugendbewegung. Erster Teil: Heimat und Aufgang. Dritte Auflage. Berlin-Tempelhof 1913, S. 127.
  25. Packt euern Rucksack leicht! In: Die Zeit. Nr. 45, 31. Oktober 2001, S. 96.
  26. Hans Blüher: Wandervogel. Geschichte einer Jugendbewegung. Erster Teil: Heimat und Aufgang. Dritte Auflage. Berlin-Tempelhof 1913, S. 131.
  27. Hans Blüher: Wandervogel. Geschichte einer Jugendbewegung. Erster Teil: Heimat und Aufgang. Dritte Auflage. Berlin-Tempelhof 1913, S. 95 f.
  28. Hans Blüher: Wandervogel. Geschichte einer Jugendbewegung. Erster Teil: Heimat und Aufgang. Dritte Auflage. Berlin-Tempelhof 1913, S. 96 f.
  29. Hans Blüher: Wandervogel. Geschichte einer Jugendbewegung. Erster Teil: Heimat und Aufgang. Dritte Auflage. Berlin-Tempelhof 1913, S. 80.
  30. Claudia Bruns: Kontroversen zwischen Freud, Blüher und Hirschfeld. Zur Pathologisierung und Rassisierung des effeminierten Homosexuellen. In: dieselbe, Ulrike Auga et al. (Hrsg.): Dämonen, Vamps und Hysterikerinnen. Geschlechter- und Rassenfigurationen in Wissen, Medien und Alltag um 1900. Festschrift für Christina von Braun. transcript, Bielefeld 2011, ISBN 978-3-8376-1572-2, S. 161–183, hier S. 166.
  31. Armin Mohler: Die konservative Revolution in Deutschland 1918–1932. Ein Handbuch. 3. Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, ISBN 3-534-03955.6, S. 67.
  32. Christian Füller: Die Revolution missbraucht ihre Kinder. Sexuelle Gewalt in deutschen Protestbewegungen. Hanser, München 2015.
  33. Claudia Bruns: Kontroversen zwischen Freud, Blüher und Hirschfeld. Zur Pathologisierung und Rassisierung des effeminierten Homosexuellen. In: dieselbe, Ulrike Auga et al. (Hrsg.): Dämonen, Vamps und Hysterikerinnen. Geschlechter- und Rassenfigurationen in Wissen, Medien und Alltag um 1900. Festschrift für Christina von Braun. transcript, Bielefeld 2011, ISBN 978-3-8376-1572-2, S. 161–183, hier S. 177.
  34. Meike Sophia Baader: Geschlechterverhältnisse, Sexualität und Erotik in der bürgerlichen Jugendbewegung. In: Barbara Stambolis (Hrsg.): Aufbruch der Jugend. Deutsche Jugendbewegung zwischen Selbstbestimmung und Verführung. Verlag des Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg 2013, ISBN 978-3-936688-77-1, S. 58–66, hier S. 60.
  35. Hans Blüher: Wandervogel. Geschichte einer Jugendbewegung. Erster Teil: Heimat und Aufgang. Dritte Auflage. Berlin-Tempelhof 1913, S. 46 f.
  36. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 219.
  37. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 220f.
  38. Den Begriff der Inversion bevorzugte Blüher gegenüber dem der Homosexualität mit der Begründung, Inversion verdeutliche, dass nur die Richtung der Trieborientierung verändert und das Liebesobjekt ein anderes sei, nicht aber das Liebesverhalten. (U. Geuter: Homosexualität in der deutschen Jugendbewegung. 1994, S. 83)
  39. U. Geuter: Homosexualität in der deutschen Jugendbewegung. 1994, S. 76.
  40. Hans Blüher: Wandervogel. Geschichte einer Jugendbewegung. Zweiter Teil: Blüte und Niedergang. Zweite Auflage. Berlin-Tempelhof 1912, S. 120 f.
  41. Sven Reiß: Päderastie in der deutschen Jugendbewegung. Eine kulturwissenschaftliche Annäherung. In: Zeitschrift für Pädagogik. Band 62, Heft 5, 2016, S. 670–683, hier S. 676.
  42. U. Geuter: Homosexualität in der deutschen Jugendbewegung. 1994, S. 69.
  43. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 231.
  44. U. Brunotte: Zwischen Eros und Krieg. Männerbund und Ritual in der Moderne. 2004, S. 72 f.
  45. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 33.
  46. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 337.
  47. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 338.
  48. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 339 f.
  49. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 251.
  50. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 252 f.
  51. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 255 f.
  52. Hans Blüher: Die deutsche Wandervogelbewegung als erotisches Phänomen. Zweite Auflage. Berlin-Tempelhof 1912, S. 27.
  53. Hans Blüher: Wandervogel. Geschichte einer Jugendbewegung. Zweiter Teil: Blüte und Niedergang. Zweite Auflage. Berlin-Tempelhof 1912, S. 114 f.
  54. Hans Blüher: Die deutsche Wandervogelbewegung als erotisches Phänomen. Zweite Auflage. Berlin-Tempelhof 1912, S. 110.
  55. Claudia Bruns: Kontroversen zwischen Freud, Blüher und Hirschfeld. Zur Pathologisierung und Rassisierung des effeminierten Homosexuellen. In: dieselbe, Ulrike Auga et al. (Hrsg.): Dämonen, Vamps und Hysterikerinnen. Geschlechter- und Rassenfigurationen in Wissen, Medien und Alltag um 1900. Festschrift für Christina von Braun. transcript, Bielefeld 2011, ISBN 978-3-8376-1572-2, S. 161–183, hier S. 168.
  56. Hans Blüher: Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft. Neuausgabe. Stuttgart 1962 (der 1917/19 in Jena erschienenen zweibändigen Erstausgabe), S. 122.
  57. Hans Blüher: Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft. Neuausgabe. Stuttgart 1962 (der 1917/19 in Jena erschienenen zweibändigen Erstausgabe), S. 20.
  58. Jay Geller: Freud, Blüher, and the Secessio Inversa: Männerbünde, homosexuality, and Freud’s theory of cultural formation. In: Daniel Boyarin, Daniel Itzkovitz, Ann Pellegrini (Hrsg.): Queer theory and the Jewish question. Columbia University Press, New York 2003, ISBN 0-231-11374-9, S. 90–120.
  59. U. Geuter: Homosexualität in der deutschen Jugendbewegung. 1994, S. 16, 308.
  60. Florian Mildenberger: Der Diskurs über männliche Homosexualität in der deutschen Medizin von 1880 bis heute. In: Dominik Groß, Sabine Müller, Jan Steinmetzer (Hrsg.): Normal - anders - krank?: Akzeptanz, Stigmatisierung und Pathologisierung im Kontext der Medizin. Medizinisch-wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin 2008, ISBN 978-3-939069-28-7, S. 90.
  61. Ulrike Brunotte: Masculinities as Battleground of German Identity Politics. Colonial Transfers, Homophobia and Anti-Semitism around 1900. In: Waltraud Ernst (Hrsg.): Grenzregime: Geschlechterkonstellationen zwischen Kulturen und Räumen der Globalisierung. Lit-Verlag, Münster 2010, ISBN 978-3-643-10713-8, S. 178.
  62. U. Geuter: Homosexualität in der deutschen Jugendbewegung. 1994, S. 112 f. An Hirschfelds Zwischenstufentheorie kritisierte Blüher, dass Inversion darin als weibliche Eigenschaft des Mannes erscheine. Sie verkenne damit den Männerhelden. (S. 113 f.)
  63. Hans Blüher: Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft. Neuausgabe. Stuttgart 1962 (der 1917/19 in Jena erschienenen zweibändigen Erstausgabe), S. 50 f.
  64. Hans Blüher: Die Rede des Aristophanes. Hamburg 1966, S. 165.
  65. Hans Blüher: Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft. Neuausgabe. Stuttgart 1962 (der 1917/19 in Jena erschienenen zweibändigen Erstausgabe), S. 18.
  66. Hans Blüher: Die Rede des Aristophanes. Hamburg 1966, S. 165. Die „zwei Männerarten“ wären nur als Idealtypen zu denken. An vielen Stellen spricht Blüher von jener „Kategorie von Bisexuellen, die ihre Liebe dem Manne geben und beim Weibe Wollust suchen und sie ihm geben. Eine scheinbar außergewöhnliche Aufspaltung des Eros, der ich aber in hundert Varianten immer und immer wieder in meinen Sprechstunden begegnet bin.“ S. 94 f.
  67. Hans Blüher: Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft. Neuausgabe. Stuttgart 1962 (der 1917/19 in Jena erschienenen zweibändigen Erstausgabe), S. 199.
  68. Hans Blüher: Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft. Neuausgabe. Stuttgart 1962 (der 1917/19 in Jena erschienenen zweibändigen Erstausgabe), S. 201.
  69. Hans Blüher: Die Rede des Aristophanes. Hamburg 1966, S. 165.
  70. Claudia Bruns: Kontroversen zwischen Freud, Blüher und Hirschfeld. Zur Pathologisierung und Rassisierung des effeminierten Homosexuellen. In: dieselbe, Ulrike Auga et al. (Hrsg.): Dämonen, Vamps und Hysterikerinnen. Geschlechter- und Rassenfigurationen in Wissen, Medien und Alltag um 1900. Festschrift für Christina von Braun. transcript, Bielefeld 2011, ISBN 978-3-8376-1572-2, S. 161–183, hier S. 173 f. und 177–180.
  71. Hans Blüher: Die Untaten des bürgerlichen Typus. In: Blüher: Gesammelte Aufsätze. Jena 1919, S. 41.
  72. Hans Blüher: Die Wiedergeburt der platonischen Akademie. Jena 1920, S. 10.
  73. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 39.
  74. Hans Blüher: Die Wiedergeburt der platonischen Akademie. Jena 1920, S. 22.
  75. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 299.
  76. Hans Blüher: Ulrich von Wilamowitz und der deutsche Geist 1871–1915. In: Blüher: Philosophie auf Posten. Gesammelte Schriften 1916–1921. Heidelberg 1928, S. 48–51.
  77. Hans Blüher: Die Wiedergeburt der platonischen Akademie. Jena 1920, S. 5.
  78. Hans Blüher: Ulrich von Wilamowitz und der deutsche Geist 1871–1915. In: Blüher: Philosophie auf Posten. Gesammelte Schriften 1916–1921. Heidelberg 1928, S. 46, 52
  79. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 300.
  80. Patrick Keßler: Die „Neue Rechte“ in der Grauzone zwischen Rechtsextremismus und Konservatismus? Protagonisten, Programmatik und Positionierungsbewegungen. LIT Verlag, Münster 2018, ISBN 978-3643138446, S. 45.
  81. Armin Mohler: Die konservative Revolution in Deutschland 1918–1932. Ein Handbuch. 3. Auflage, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, S. 67.
  82. Hans Blüher: Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft. Neuausgabe. Stuttgart 1962 (der 1917/19 in Jena erschienenen zweibändigen Erstausgabe), S. 322 f
  83. Hans Blüher: Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft. Neuausgabe. Stuttgart 1962 (der 1917/19 in Jena erschienenen zweibändigen Erstausgabe), S. 324.
  84. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 399 f.
  85. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 176.
  86. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 148.
  87. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 170.
  88. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 144 f.
  89. Nicolaus Sombart: Wilhelm II. Sündenbock und Herr der Mitte. Berlin 1996, S. 178. Mit dieser durchschlagenden zeitgenössischen Breitenwirkung kontrastiert Sombart deren geringe Beachtung in der heutigen Historiographie: „Die Angelegenheit wird bagatellisiert […] Es gibt in Deutschland kein Buch, keine Monographie über diesen Vorfall.“ (Nicolaus Sombart: Wilhelm II. Sündenbock und Herr der Mitte, Berlin 1996, S. 159)
  90. Nicolaus Sombart: Wilhelm II. Sündenbock und Herr der Mitte. Berlin 1996, S. 181.
  91. U. Geuter: Homosexualität in der deutschen Jugendbewegung. 1994, S. 305. „Es überrascht daher nicht, daß der Kaiser nach dem Ersten Weltkrieg in seinem holländischen Exil Blühers Bücher las und Blüher persönlich empfing.“
  92. Hans Blüher: Wandervogel. Geschichte einer Jugendbewegung. Zweiter Teil: Blüte und Niedergang. Zweite Auflage. Berlin-Tempelhof 1912, S. 96 f.
  93. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 164.
  94. Benjamin Benno Adler: Esra. Die Geschichte eines orthodox-jüdischen Jugendbundes zur Zeit der Weimarer Republik. Harrassowitz, Wiesbaden 2001, S. 159; Claudia Bruns: Politik des Eros. Der Männerbund in Wissenschaft, Politik und Jugendkultur (1880–1934). Böhlau, Köln u. a. 2008, S. 442 u.ö.; Uwe Puschner: Völkische Bewegung und Jugendbewegung Eine Problemskizze. In: Gideon Botsch, Josef Haverkamp (Hrsg.): Jugendbewegung, Antisemitismus und rechtsradikale Politik. Vom „Freideutschen Jugendtag“ bis zur Gegenwart. De Gruyter, Berlin, New York 2014, ISBN 978-3-11-030642-2, S. 21.
  95. Maria Irod: Antisemitism, Antifeminism and the Crisis of German Culture in Early 20th Century. In: Studia Hebraica. Band 9–10, 2009–2010, S. 330–339.
  96. Claudia Bruns: The Politics of Masculinity in the (Homo-)Sexual Discourse (1880 to 1920). In: German History. Band 23, Nr. 3, S. 306–320. (claudiabruns.de; PDF; 2,9 MB). doi:10.1093/0266355405gh342oa (zurzeit nicht erreichbar).
  97. Peter Longerich: Antisemitismus: Eine deutsche Geschichte. Von der Aufklärung bis heute. Siedler, München 2021, ISBN 978-3-8275-0067-0, S. 216.
  98. Claudia Bruns: Politik des Eros: der Männerbund in Wissenschaft, Politik und Jugendkultur (1880–1934). Böhlau, Köln 2008, ISBN 978-3-412-14806-5, S. 443. (books.google.ca)
  99. lat. für „Juda liegt offen zutage“.
  100. Alexander Bein: „Der jüdische Parasit“. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Band 13, Heft 2, 1965, S. 151 (ifz-muenchen.de, abgerufen am 30. Januar 2016).
  101. Peter Longerich: Antisemitismus: Eine deutsche Geschichte. Von der Aufklärung bis heute. Siedler, München 2021, S. 215 f.
  102. Peter Longerich: Antisemitismus: Eine deutsche Geschichte. Von der Aufklärung bis heute. Siedler, München 2021, S. 276.
  103. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 152.
  104. von Hergemöller beispielsweise
  105. Hans Blüher: Führer und Volk in der Jugendbewegung. Jena 1918, S. 3.
  106. Hans Blüher: Führer und Volk in der Jugendbewegung. Jena 1918, S. 32: „Daß in jeder jungen Generation die Menschheit durchbruchartig zu dem vorstößt, was Wyneken ‚Geist‘ nennt, und daß Jugendbewegung demnach geistige Bewegung sein muß, das war seine Erkenntnis und aus ihr heraus kam all sein Handeln. […] Sein Durchdringen hängt ab von einem Akte der Wahl. Wyneken lebt unter der Jugend weder einsam noch im Besitze der Majorität; er lebt als Kraft unter ihr. Langsam tritt eine Abwanderung ein vom Lager der Vielen und Trivialen zu den Wenigen und Gelungenen. Das Volk wird größer und reicher, und es wird immer mehr zu spüren bekommen, daß es unwürdig ist, dem Freiheitsgeschrei der Volkstribunen Beachtung zu schenken, wenn man einen Führer in seiner Nähe weiß, der zwar strenge zu sein und zu herrschen gewohnt ist, der aber dafür die Eigenschaft hat, die Dinge mit den Augen der Götter zu sehen.“
  107. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 245.
  108. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 328 f. Auch zum Kreis um Stefan George soll sich Blüher mehrfach vergeblich um Zugang bemüht haben. Hier hätte er seine schriftstellerische Vision von der „Wiedergeburt der platonischen Akademie“ (Hans Blüher: Die Wiedergeburt der platonischen Akademie. Jena 1920) möglicherweise verwirklichen wollen (U. Brunotte: Zwischen Eros und Krieg. Männerbund und Ritual in der Moderne. 2004, S. 75).
  109. Armin Mohler: Die konservative Revolution in Deutschland 1918–1932. Ein Handbuch. 3. Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, S. 6.
  110. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 169.
  111. Hans Blüher: Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft. Neuausgabe. Stuttgart 1962 (der 1917/19 in Jena erschienenen zweibändigen Erstausgabe), S. 28.
  112. Hans Blüher: Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft. Neuausgabe. Stuttgart 1962 (der 1917/19 in Jena erschienenen zweibändigen Erstausgabe), S. 26, 28.
  113. Hans Blüher: Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft. Neuausgabe. Stuttgart 1962 (der 1917/19 in Jena erschienenen zweibändigen Erstausgabe), S. 30.
  114. Alexander Zinn: Aus dem Volkskörper entfernt? 2018, S. 243–250.
  115. Hans Blüher: Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft. Neuausgabe. Stuttgart 1962 (der 1917/19 in Jena erschienenen zweibändigen Erstausgabe), S. 238.
  116. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 444.
  117. Hans Blüher: Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft. Zit. n. U. Geuter: Homosexualität in der deutschen Jugendbewegung. 1994, S. 171 f.
  118. Hans Blüher: Werke und Tage (Geschichte eines Denkers). Autobiographie. München 1953, S. 424 f.
  119. Hans Blüher: Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft. Neuausgabe. Stuttgart 1962 (der 1917/19 in Jena erschienenen zweibändigen Erstausgabe), S. 265.
  120. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 300 f.
  121. Hans Blüher: Wandervogel. Geschichte einer Jugendbewegung. Erster Teil: Heimat und Aufgang. Dritte Auflage. Berlin-Tempelhof 1913, S. 34 f.
  122. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 210.
  123. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 301.
  124. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 216.
  125. Hans Blüher: Die Aristie des Jesus von Nazareth. Philosophische Grundlegung der Lehre und der Erscheinung Christi. Prien 1921, S. 36.
  126. Hans Blüher: Die Aristie des Jesus von Nazareth. Philosophische Grundlegung der Lehre und der Erscheinung Christi. Prien 1921, S. 78. Dagegen hatte Blüher in der Theorie der Religionen und ihres Untergangs noch folgende Anschauung vertreten: „Das Christentum stellt eine Bastardierung zwischen indischem und jüdischem Religionswesen dar. Wir hatten schon oben gesehen, daß es wesentlich ein Nebenprodukt der abendländischen Geschichte ist und daß sein Ja und Nein dem Leben gegenüber schwankt. Eine dem ganz entsprechende Unsicherheit findet sich bei der Bedeutung des Handelns. Der Christ wird nicht gerechtfertigt durch die eigene Sittlichkeit wie der Jude, sondern im Glauben an die Erlösungstat Jesu, der die ‚Schuld‘ der Menschheit auf sich genommen hat.“
  127. Hans Blüher: Die Aristie des Jesus von Nazareth. Philosophische Grundlegung der Lehre und der Erscheinung Christi. Prien 1921, S. 185.
  128. Hans Blüher: Die Aristie des Jesus von Nazareth. Philosophische Grundlegung der Lehre und der Erscheinung Christi. Prien 1921, S. 311.
  129. Hans Blüher: Die Aristie des Jesus von Nazareth. Philosophische Grundlegung der Lehre und der Erscheinung Christi. Prien 1921, S. 313. Blüher setzte noch hinzu: „Aber es darf nicht aus Gründen der Humanität nicht vergossen werden, sondern aus dem Wissen um den verruchten Zauber des Rituals. Und wer es nicht weiß, der soll der Autorität glauben, die es sagt. Mehr darf nicht gesagt werden. Diesem Werke aber bleibe fern, wer nicht hören will.“ (ebda.)
  130. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 217.
  131. Hans Blüher: Die Achse der Natur. Stuttgart 1952, S. 350.
  132. Hans Blüher: Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft. Neuausgabe. Stuttgart 1962 (der 1917/19 in Jena erschienenen zweibändigen Erstausgabe), S. 31.
  133. Hans Blüher: Die Achse der Natur. Stuttgart 1952, S. 119.
  134. Hans Blüher: Die Achse der Natur. Stuttgart 1952, S. 116.
  135. Hans Blüher: Die Achse der Natur. Stuttgart 1952, S. 200.
  136. Hans Blüher: Die Achse der Natur. Stuttgart 1952, S. 16.
  137. Hans Blüher: Die Achse der Natur. Stuttgart 1952, S. 50.
  138. Vgl. Hans Blüher: Die Achse der Natur. S. 85 „Über das archetypische Potential der Natur“
  139. Hans Blüher: Die Achse der Natur. Stuttgart 1952, S. 311 ff., 352 ff.
  140. Hans Blüher: Die Achse der Natur. Stuttgart 1952, S. 313.
  141. Hans Blüher: Die Achse der Natur. Stuttgart 1952, S. 83f.
  142. Hans Blüher: Die Achse der Natur. Stuttgart 1952, S. 332.
  143. Hans Blüher: Die Achse der Natur. Stuttgart 1952, S. 338. Diese teils an Nietzsche angelehnten Vorstellungen lassen Blüher in Bezug auf „das Volk Israel“ zu dem Schluss kommen: „Die Natur hat beim Volke Israel in der sekundären Rasse besonders tief hinunter und in der primären Rasse besonders hoch hinauf gegriffen, und diese eigentümliche Anlage sichert ihm einen außerordentlichen Bestand für den Lauf der Weltgeschichte.“ (Ebenda, S. 346)
  144. Hans Blüher: Die Achse der Natur. Stuttgart 1952, S. 369.
  145. Vgl. das Kapitel über Paracelsus und Samuel Hahnemann, die Blüher für dieselbe Person hält: der eine, seiner Zeit gemäß polternd verkündigend wie Luther, der andere seiner Zeit gemäß enzyklopädisch aufklärend, beide aber besessen von demselben Gesetz, dessen klare Erkenntnis Medizin als Wissenschaft überhaupt erst begründe, nämlich: die Natur ist der Mensch nach außen gewendet – die Krankheit ist die Arzeney nach innen gewendet – das umbewenden gibt der Arzt (Paracelsus). Dadurch erst sei es möglich, die Krankheiten bei ihren richtigen, vom Objekt her stammenden Namen zu nennen, und damit wäre die Erkenntnis genau so ein reines Ereignis der Natur wie die Heilung. Hans Blüher: Die Achse der Natur. Stuttgart 1952, S. 276 ff., vgl. auch Traktat über die Heilkunde, insbesondere die Neurosenlehre. Jena 1926.
  146. Vgl. Hans Blüher: Die Achse der Natur. S. 125ff „Der Eros als Organ für die Person“
  147. Vgl. Hans Blüher: Die Achse der Natur. S. 132ff „Eros und Erbsünde“, S. 135f „Medea und die Quelle des Bösen“. Vgl. auch Hans Blüher: „Parerga zur Achse der Natur“, Stuttgart 1952, S. 95: „Exakte Mythologie des Sündenfalles erläutert am hebräischen Text“. Eine Fuge über das hebräische Schlüsselwort jada in Genesis 3, zu dessen Bedeutungsumfang sowohl Erkennen, Wissen als auch Begehren, Lust gehören. Blüher kommt zu dem Schluss, der „Apfelbiß“ sei nur unvermeidlicher Auslöser des Verhängnisses, der tiefere Grund liege im Charakter der Schöpfung.
  148. Vgl. Hans Blüher: Die Achse der Natur. S. 387 „Das Gesetz und die Antinomie des Gesetzes“
  149. Vgl. Hans Blüher: Die Achse der Natur. S. 422ff „Gesetz und Evangelium“
  150. Vgl. Hans Blüher: Die Achse der Natur. S. 568 ff. „Der Durchbruch von Golgatha und die Weltgeschichte“
  151. Hans Blüher: Die Achse der Natur. Stuttgart 1952, S. 383.
  152. Hans Blüher: Die Achse der Natur. Stuttgart 1952, S. 384.
  153. Hans Blüher: Die Achse der Natur. Stuttgart 1952, S. 418.
  154. Hans Blüher: Die Achse der Natur. Stuttgart 1952, S. 419 f.; an anderer Stelle heißt es bekräftigend: „Niemand aber hat Zugang zur Religion, der nicht, ob glücklich oder nicht, die irdische Liebe kennt.“ (Ebda., S. 572)
  155. Hans Blüher: Die Achse der Natur. Stuttgart 1952, S. 432.
  156. Hans Blüher: Die Achse der Natur. Stuttgart 1952, S. 436.
  157. Hans Blüher: Die Achse der Natur. Stuttgart 1952, S. 569.
  158. Hans Blüher: Die Achse der Natur. Stuttgart 1952, S. 571.
  159. Hans Blüher: Die Achse der Natur. Stuttgart 1952, S. 572 f.
  160. hergemoeller.de (Memento vom 11. November 2009 im Internet Archive)
  161. Walter Laqueur: Die deutsche Jugendbewegung. Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1978, S. 63, 66.
  162. Hans-Joachim Schoeps (Herausgeber) im Vorwort zur Neuausgabe von Hans Blüher: Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft. Stuttgart 1962, S. 6, 10
  163. Bernd Nitzschke: Ein Privatgelehrter in des Kaisers Kutsche – über Hans Blühers Buch „Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft“ (1917/19). (werkblatt.at)
  164. Gustav Wyneken: Wandervogel und freie Schulgemeinde. In: Die freie Schulgemeinde. Heft 2, Januar 1913. Zit. n. Werner Kindt (Hrsg.): Dokumentation der Jugendbewegung. Band I: Grundschriften der deutschen Jugendbewegung. Diederichs, Düsseldorf 1963, S. 84.
  165. Zit. n. Bernd Nitzschke: Ein Privatgelehrter in des Kaisers Kutsche – über Hans Blühers Buch „Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft“ (1917/19). (werkblatt.at)
  166. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 35.
  167. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 348.
  168. Harry Graf Kessler: Tagebuch. 3. Januar 1919.
  169. Hans Blüher: Werke und Tage. München 1953, S. 353.
  170. Kurt Tucholsky: Der Darmstädter Armleuchter: „Aber sage mir, wen du zu Gegnern hast, und ich will dir sagen, was du für ein Kerl bist. Dieser zum Beispiel hat Blühern.“ „Das ist der Philosoph der Berliner westlichen Vororte, in denen die Kleinbürger wohnen, ein ewiger Steglitzer. Er hat sich bis ins Mannesalter etwas durchaus Infantiles bewahrt – nicht etwa Jungenhaftes, sondern eine stehengebliebene Pennälerphantasie: alles, was er schreibt, trägt heute noch die Pickel einer mühevollen Zeit. Der also hat einen ‚offenen Brief‘ an Hermann Keyserling gerichtet: ‚in deutscher und christlicher Sache‘: ein Buchhalter, der auf einen Maskenball als Martin Luther geht. ‚Die Elemente der deutschen Position‘ heißt das Ding.“ „Was die beiden voneinander wollen, weiß ich nicht. Keyserling hat den andern für einen großen Magier erklärt, und Blüher buckelt vor jenem herum, ein ziemlich scheußlicher Anblick, S. 41: ‚Deutschland weist von allen Ländern am markantesten und unfehlbarsten zwei solcher verpflichtenden Gestalten auf, die durch ihr Alter schon in die mythische Sphäre gerückt sind, und denen deshalb, ja nur deshalb, eine wahre historische Macht innewohnt.‘ Wer? – ‚Hindenburg und Stefan George.‘ Dies ist das schönste ‚und‘, das je in deutscher Sprache geschrieben worden ist.“ „In Blüher tobt durchaus und durchum der Kampf der Tertia. ‚Von George noch zu reden erübrigt sich; aber es ist Ihnen vielleicht neu, zu erfahren, daß Hindenburg der angesehenste Mann der Welt ist.‘ Fragen Sie den Vorsteher des Weltpostamts in Steglitz, und er wird Ihnen das bestätigen.“
  171. Karl Sonntag: Hans Blüher. Zit. n.: Werner Kindt (Hrsg.): Dokumentation der Jugendbewegung. Band I: Grundschriften der deutschen Jugendbewegung. Diederichs, Düsseldorf 1963, S. 322, 325.
  172. U. Brunotte: Zwischen Eros und Krieg. Männerbund und Ritual in der Moderne. 2004, S. 88.
  173. Thomas Mann: Von deutscher Republik. Gerhart Hauptmann zum sechzigsten Geburtstag. In: Ders: Essays, Bd. 2. Frankfurt am Main 1993, S. 153 f. Zitiert nach: U. Brunotte: Zwischen Eros und Krieg. Männerbund und Ritual in der Moderne. 2004, S. 88. Auch rechtsradikale Fememorde brachte Thomas Mann mit dem Männerbund in Zusammenhang: „Die politische Einstellung seiner Gläubigen pflegt nationalistisch und kriegerisch zu sein und man sagt, daß Beziehungen solcher Art den geheimen Kitt monarchistischer Bünde bilden, ja, daß ein erotisch-politisches Pathos nach dem Muster gewisser antiker Freund-Liebschaften einzelnen terroristischen Taten dieser Tage zugrunde gelegen habe.“ (Zitiert nach U. Brunotte: Zwischen Eros und Krieg. Männerbund und Ritual in der Moderne. 2004, S. 102)
  174. http://www.hergemoeller.de/hans-blueher.htm (Memento vom 11. November 2009 im Internet Archive)
  175. Hans-Joachim Schoeps (Herausgeber) im Vorwort zur Neuausgabe von Hans Blüher: Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft. Stuttgart 1962, S. 6 f.
  176. Nicolaus Sombart: Wilhelm II. Sündenbock und Herr der Mitte. Berlin 1996, S. 72 f.
  177. Nicolaus Sombart: Wilhelm II. Sündenbock und Herr der Mitte. Berlin 1996, S. 201.
  178. U. Geuter: Homosexualität in der deutschen Jugendbewegung. 1994, S. 98–103.
  179. U. Geuter: Homosexualität in der deutschen Jugendbewegung. 1994, S. 14 f. Mit Blick auf die gesellschaftliche Gegenwart greift Geuter die „zweite große Welle der Frauenemanzipation“ in den 1970er Jahren auf, „wie damals“ begleitet „von einem Coming out der Homosexuellen“, und reflektiert eine Intensivierung des Geschlechterkampfes sowie irrationale männliche Reaktionen auf das Auftauchen der befreiten Frau: „Das erinnert an die Jugendbewegung. Die Männer von heute suchen zwar nicht den Ausweg in Wandervogelgruppen, doch wie damals finden sich auch heute sensible Teile von ihnen in eigenen Gruppen zusammen: in Männergruppen, in denen die Wanderfahrt nach innen geht und dabei der zarte und verletzliche und neuerdings auch wieder wilde Mann entdeckt wird. Die Schwierigkeit, zu einer erwachsenen geschlechtlichen Identität zu kommen, hat sich ausgeweitet. Statt einer gestreckten Pubertät kennen wir mittlerweile die Postadoleszenz, die beliebig dehnbar ist. Wie jene damals, ist diese heute vor allem ein Phänomen der gebildeten Schichten. Lebenslanges Unfertigsein als ewige Bereitschaft zur Veränderung geriet dort zu einem neuen Ideal.“ (ebda, S. 309 f.)
  180. U. Geuter: Homosexualität in der deutschen Jugendbewegung. 1994, S. 169. „Vielleicht ist das der Grund dafür, daß Blüher in seinem Werk auch nicht für das sexuelle Ausleben der Homosexualität eintrat, sondern die Staat- und Bund-bildende Macht der homosexuellen Gefühle in der Vordergrund stellte.“ (ebda.)
  181. U. Brunotte: Zwischen Eros und Krieg. Männerbund und Ritual in der Moderne. 2004, S. 7 f., S. 14, S. 73. Das Blühersche Frühwerk hat für Brunotte die Qualität einer „seismographischen Zeitdiagnose“, die es als eine „bedeutende mentalitätsgeschichtliche Zeit-Quelle“ zu rekonstruieren gelte. (Ebda, S. 72, 78)
  182. Tobias Neef: Das „Stärkste Tabu“. Zum Tabu der Pädosexualität und seiner Infragestellung. In: INDES – Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, 2014, Heft 2: Tabus, S. 81–90, hier S. 82.
  183. Heiratsregister StA Niederschönhausen Nr. 81/1917
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