Berlin-Hermsdorf
Hermsdorf ist ein Ortsteil im Norden des Berliner Bezirks Reinickendorf.
Geographie
Lage und Ausdehnung
Der Ortsteil Hermsdorf liegt im zentralen Norden Reinickendorfs und ist mit rund 6,1 km² Fläche der sechstgrößte der elf Ortsteile des Bezirks.
Seine nördliche Begrenzung bildet die Stadtgrenze Berlins und ihre gedachte Verlängerung in westlicher Richtung bis zum Forst Tegel entlang der Burgfrauenstraße und dem Falkentaler Steig. Im Nordosten schließt sich die brandenburgische Gemeinde Glienicke/Nordbahn im Landkreis Oberhavel mit dem sogenannten Entenschnabel an. Nordwestlich von Hermsdorf befindet sich der Ortsteil Frohnau.
Die Abgrenzung zu Tegel im Westen folgt dem Waldrand, bis dieser auf das Tegeler Fließ, eine eiszeitliche Abflussrinne, trifft. Der übrige Grenzverlauf ist bis zur Stadtgrenze im Nordosten mit dem Fließtal identisch. Jenseits des Bachs liegen östlich beziehungsweise südöstlich die Ortsteile Lübars und Waidmannslust.
Gliederung
Der historische Ortskern befindet sich am östlichen Ende der Straße Alt-Hermsdorf. Dieser Bereich steht unter Denkmalschutz. Der Ursprung Hermsdorfs liegt also im Südosten des heutigen Ortsgebiets, etwa einen Kilometer westlich des Hermsdorfer Sees, dem größten Gewässer des Ortsteils. Dazwischen liegt das sogenannte „Seebadviertel“, nördlich davon ehemalige Tongruben und Torfstiche sowie der Waldsee mit dem umliegenden Waldseeviertel.
Als Ortsteilzentrum hat sich die Heinsestraße am S-Bahnhof Berlin-Hermsdorf etabliert. Nordwestlich davon liegt das Kurviertel mit dem Dominikus-Krankenhaus. Der städtische Friedhof Hermsdorf an der Frohnauer Straße gehört geografisch bereits zum Ortsteil Frohnau.
Geschichte
Ende des 11. Jahrhunderts entstand eine spätslawische Siedlung am Tegeler Fließ. Es handelte sich um die halbkreisförmige Anlage eines platzartig erweiterten Sackgassendorfes (Sackanger, ähnlich wie das Museumsdorf Düppel und die ursprüngliche Anlage von Lankwitz), nicht jedoch um einen Rundling, wie die irreführende Straßenbezeichnung „Rundlingsteig“ nahelegt.[Anm. 1] Um 1230 nahmen deutsche Zuzügler das Dorf in ihren Besitz unter Beibehaltung der slawischen Bevölkerung. Mit der Übernahme der slawischen Siedlung in deutsche Hände wird wie üblich eine Holzkirche entstanden sein. Der genaue Zeitpunkt ist zwar unbekannt, aber 1988 wurden bei Grabungen des Berliner Landesdenkmalamtes unter den Resten einer im 16. Jahrhundert am Sackanger errichteten Fachwerkkirche auch archäologische Spuren einer Holzkirche gefunden, die wahrscheinlich aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts stammen. Hermsdorf wurde erstmals 1349 (als Hermanstorp) urkundlich erwähnt. Im Landbuch Karls IV. von 1375 werden fünf Höfe genannt mit dem Hinweis, dass sie keine (vermessenen) Hufen haben, sondern nur (unvermessene) Äcker. Außerdem werden drei wüste Höfe erwähnt. Erstmals 1450 werden 16 Hufen gezählt, von denen zwei Hufen wüst sind. Im Jahr 1541, also zwei Jahre nach der Reformation in Brandenburg, wird ein Pfarrer genannt, der die Gemeinde von Dalldorf (heute: Wittenau) aus betreut hat.[Anm. 2] Die spätmittelalterliche Fachwerkkirche wurde 1756 abgebrochen und durch eine neue Fachwerkkirche am heutigen Standort der Dorfkirche ersetzt.
Hermsdorf ging 1349 im Rahmen der Umformung zu einem Gut an Ritter Busse Milow, von 1585 bis 1694 an die von Götze zu Rosenthal. Um 1585 errichtete diese Familie einen Rittersitz, der um 1640 im Dreißigjährigen Krieg zerstört wurde. Des Weiteren waren von 1489 bis 1634 Besitzungen am Dorf durch die von Pfuel verzeichnet.[1]
Im Jahr 1865 wurde eine Postagentur eingerichtet. 1898 wurde eine Solequelle entdeckt, die allerdings zehn Jahre später bereits wieder versiegte.[2] Der Ort hieß damals Hermsdorf in der Mark.[3]
Eine ebenerdige Haltestelle der Berliner Nordbahn wurde 1877 eröffnet, deren Gleise zwischen 1909 und 1910 auf den heutigen Bahndamm hochgelegt wurden. Am heutigen Bahnhof Hermsdorf, der 1913 eingeweiht wurde, halten die Züge der elektrischen S-Bahn seit 1925.
Im Jahr 1907 wurden ein Gas- und ein Wasserwerk errichtet, 1914 wurde die Feuerwache eingeweiht. 1920 wurde Hermsdorf nach Groß-Berlin eingemeindet und das Dominikus-Krankenhaus eingeweiht.
Zwischen 1923 und 1926 hatte die Hermsdorfer Celluloidwarenfabrik auch Zelluloidpuppen im Angebot; sie trugen als Markenzeichen einen Marienkäfer mit den Buchstaben DADA.[4]
Wappen
Das Wappen des Ortsteils zeigt eine silberne Kirche mit dem Turm auf der heraldisch linken Seite vor blauem Himmel auf rotem Boden.
Wirtschaft und Infrastruktur
Verkehr
Die Strecke der Berliner Nordbahn durchzieht den Ortsteil mittig von Nordnordwest nach Südsüdost. Die Trasse liegt heute auf einem erhöhten Bahndamm. Am Bahnhof Hermsdorf halten die Züge der S-Bahnlinie S1.
Hauptverkehrsstraßen sind die östlich des Bahndamms in Nord-Süd-Richtung verlaufende Berliner Straße (Bundesstraße 96) und der Hermsdorfer Damm, der – die B 96 und die Gleisstrecke kreuzend – das Waldseeviertel mit Tegel verbindet und an der A 111-Anschlussstelle Waidmannsluster Damm auf selbigen trifft.
Die Buslinie 125 der BVG verbindet den Ortsteil über den Hermsdorfer Damm mit dem Verkehrsknotenpunkt am U-Bahnhof Alt-Tegel (Linie U6, weitere Buslinien, S-Bahnhof Tegel der Linie S25 in Fußnähe) und über die Frohnauer Straße mit dem Ortsteil Frohnau sowie die BVG-Buslinie 220 entlang der B 96 mit dem S-Bahnhof Wittenau und weiter nach Tegel. Für das von beiden Buslinien nicht unmittelbar erreichte Wohngebiet östlich des Waldsees verkehrt der „Kiezbus“ 326 vom S-Bahnhof Hermsdorf. Nachtbusverbindungen bestehen mit den Linien N20 (vom Hauptbahnhof) und N25 (von Tegel).
Gewässer in Hermsdorf
- Brandpfuhl
- Ceciliengraben
- Dominicusteich
- ehemalige Tongruben
- Gartenteich
- Golzteich
- Hermsdorfer See
- Hohenfeldteich
- Langer Teichpfuhl
- Sylvesterteich
- Waldsee
- Wernickepfuhl
- Wickengartenteich
- Wolfsteich
Tourismus
Im äußersten Südwesten von Hermsdorf, kurz vor der Grenze zum Ortsteil Tegel im Tegler Forst am Hermsdorfer Damm 48–50, befindet sich die Jugendherberge Ernst Reuter des Deutschen Jugendherbergswerks.[5]
Persönlichkeiten
Persönlichkeiten mit biografischen Bezügen zu Hermsdorf:
- Max Beckmann, Maler und Grafiker, zog 1907 in das Hermsdorfer Atelier seiner Frau, lebte und wirkte dort bis 1914, nach ihm ist der Platz am Bahnhof benannt
- Minna Beckmann-Tube, Malerin und Opernsängerin, erste Frau von Max Beckmann
- Hans Blüher, Schriftsteller, Philosoph und Psychologe, lebte seit 1924 in Hermsdorf
- Karl Cornelius, Architekt des S-Bahnhofs Hermsdorf
- Detlef Dzembritzki, Politiker (SPD), ehemaliger Bezirksbürgermeister von Reinickendorf
- Gerhard Graf, Fußballspieler, ehemaliger Trainer des VfB Hermsdorf
- Ina von Grumbkow, Autorin, wohnte 1936 im Friedrichstaler Weg 19[6]
- Christian Hanke, Politiker (SPD), ehemaliger Bezirksbürgermeister des Berliner Bezirks Mitte, in Hermsdorf geboren
- Uschi Janke, Tischtennisspielerin, zog in den 1950er Jahren nach Hermsdorf
- Erich Kästner, Schriftsteller, wohnte 1966–1969 in der Parkstraße 3a am Waldsee,[7] nach ihm wurde die noch zu seinen Lebzeiten eröffnete und 2006 geschlossene Stadtteilbibliothek der Stadtbibliothek Reinickendorf im Falkentaler Steig 10 benannt
- Friedrich Karl Kleine, Mikrobiologe und Pharmakologe, lebte seit dem Zweiten Weltkrieg bis 1948 in Hermsdorf
- Ulrich Kottenrodt, Bildhauer, in Hermsdorf geboren
- Gustav Landauer, Theoretiker und Aktivist des Anarchismus in Deutschland, Mitglied der Münchener Räteregierung 1919, lebte von 1902 bis 1908 in der Schloßstraße 17 (Berliner Gedenktafel)[8]
- Robert Mielke, Volkskundler und Siedlungsforscher, lebte zuletzt in der Bismarckstraße[9] 168/170 (heute: Hermsdorfer Damm 168/170).
- Eugen Neutert, Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, bis 1933 Funktionär des Kampfbundes gegen den Faschismus in Hermsdorf
- Benedikt Momme Nissen, Maler und Schriftsteller, wirkte in Hermsdorf
- Karl Raddatz, Antifaschist und Generalsekretär der VVN, erster Leiter der KPD in Hermsdorf nach dem Zweiten Weltkrieg
- Peter Schäfer, Historiker, Professor für nordamerikanische Geschichte, verbrachte seine Kindheit und Jugend in der Kneippstraße und besuchte das Hermsdorfer Gymnasium, die heutige Georg-Herwegh-Oberschule
- Desirée Schumann, Fußballspielerin (Torfrau), spielte von 1997 bis 2006 beim VfB Hermsdorf
- Nico (bürgerlich: Nicolas Seyfried), Mitglied der Berliner Hip-Hop-Formation K.I.Z, in Hermsdorf aufgewachsen
- Michael Sommer, von 2002 bis 2014 Bundesvorsitzender des DGB, Abitur an der Georg-Herwegh-Oberschule
- Frank Steffel, Politiker (CDU) und Unternehmer, Abitur an der Georg-Herwegh-Oberschule
- Wolfgang Stichel, Zoologe und Entomologe, lebte in Hermsdorf
- Farin Urlaub, Sänger und Gitarrist, Gründungsmitglied der Rockband „Die Ärzte“, Abitur an der Georg-Herwegh-Oberschule
- Annemarie Wolff-Richter, Heilpädagogin und Individualpsychologin, 1926–1937 Leiterin des Berliner individualpsychologischen Kinderheims, eröffnete 1926 ihr erstes Heim in der Schulzendorfer Straße
- Edmund Wronski, Politiker (CDU) und ehemaliger Senator von Berlin, lebte in Hermsdorf
- Joy Lee Juana Abiola-Müller, Schauspielerin, in Hermsdorf aufgewachsen
Siehe auch
Literatur
- Hans J Arnold: Als in Hermsdorf noch die Semnonen wohnten. Berlin 2002, ISBN 3-927611-18-2.
- Gerd Koischwitz, Klaus Schlickeiser: Hermsdorf. Vom Rittergut zur Gartenstadt. 4. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Förderkreis für Kultur und Bildung in Reinickendorf, Berlin 2010, ISBN 978-3-927611-30-6.
- Oliver Ohmann: Berlin-Hermsdorf. Sutton, Erfurt 2010, ISBN 978-3-86680-709-9.
- Klaus Schlickeiser: Entdecken Sie Reinickendorf. Spaziergänge in Hermsdorf. Berlin 2005, ISBN 3-927611-23-9.
- Klaus Schlickeiser: Berlin-Hermsdorf auf historischen Ansichtskarten. Ein historischer Stadtrundgang. Drei-Kastanien-Verlag, Lutherstadt Wittenberg 1999, ISBN 3-933028-23-X.
- Klaus Schlickeiser: Festschrift 650 Jahre Hermsdorf. 1349–1999. Berlin 1999, ISBN 3-927611-12-3.
- Inger König: Jrosse Klappe – nischt dahinta. Eine Nachkriegskindheit in Berlin-Hermsdorf. Wiss.-Verlag Rothe, Passau 1996, ISBN 3-927575-50-X.
- Bettina Goldberg: Schulgeschichte als Gesellschaftsgeschichte. Die höheren Schulen im Berliner Vorort Hermsdorf (1893–1945). Ed. Hentrich, Berlin 1994, ISBN 3-89468-087-3.
- Avigdor Ben-Trojan, Tilly Zacharow: Jüdische Spurensuche in Berlin-Reinickendorf. Band 2. Ich denke oft an Onkel Franz. Hermsdorf und Umgebung. Boesche, Berlin 2004, ISBN 3-923809-82-4.
- Hans-Jürgen Rach: Die Dörfer in Berlin. Ein Handbuch der ehemaligen Landgemeinden im Stadtgebiet von Berlin. Verlag für Bauwesen, Berlin 1988, ISBN 3-87776-211-5.
Weblinks
- Porträt Hermsdorf beim Bezirksamt Reinickendorf. Abgerufen am 18. März 2013.
- Auszug aus Jüdische Spurensuche in Berlin-Reinickendorf. Band 2: Hermsdorf und Umgebung.
- Robert Frenz: Berlin von A-Z: Hermsdorf. In: rbb-online.de. RBB, 16. März 2013, abgerufen am 18. März 2013.
Anmerkungen
- Ein Rundling bildet mindestens einer Dreiviertelkreis, von dessen Höfen alle direkten Zugang zu ihren Feldern haben. Dies ist in Hermsdorf wegen der Lage am Fließ nicht möglich.
- Etwa zum gleichen Zeitpunkt (1539) wird für zwei ebenfalls am Wasser gelegene slawische Dörfer, nämlich Rahnsdorf und Woltersdorf, ausdrücklich vermerkt, dass sie keine Kirchen, also noch nicht einmal Holzkirchen, haben. Rahnsdorf ist ebenfalls unverhuft.
Einzelnachweise
- Pfuhl. In: Leopold von Ledebur: Adelslexikon der preussischen Monarchie. Rauh, 1856, S. 196, Blattn203 – Internet Archive
- Irene Mössinger: Am Wasser durch Berlins grünen Norden. In: Berliner Morgenpost, 5. Juni 2008; abgerufen am 16. Dezember 2011.
- Gerd Appenzeller: Hans, Willy, Maria, Gertrud und Annchen †. In: Der Tagesspiegel, 24. November 2001; abgerufen am 6. Oktober 2017.
- Jean Bach: Hermsdorfer Celluloidwarenfabrik. In: Internationales Handbuch der Puppenmarken. Ein Puppen-Bestimmungsbuch Verlag Laterna Magica, München 1989, ISBN 3-87467-389-8, S. 58.
- Jugendherberge Berlin-Ernst Reuter
- Ina von Reck, geb. von Grumbkow. In: Literaturport.de. Abgerufen am 22. April 2010.
- Tipps und Adressen, Berlin-Hermsdorf. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Berliner Morgenpost. 9. Mai 2009, ehemals im Original; abgerufen am 22. April 2010. (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Fotografie der Gedenktafel an der Schloßstraße 17
- Robert Mielke. In: Literaturport.de. Abgerufen am 22. April 2010.