Geschichte Grenadas
Die Geschichte Grenadas umfasst die Entwicklungen auf dem Gebiet des Staates Grenada von der Urgeschichte bis zur Gegenwart. Der Karibikstaat Grenada ist seit 1974 unabhängig. Nahezu spurlos ausgelöscht worden sind die indianischen Kulturen, die es vor der europäischen Eroberung auf Grenada gegeben hat. Zur Geschichte dieses Staates gehört eine Phase französischer Kolonialherrschaft von Mitte des 17. Jahrhunderts bis Ende des 18. Jahrhunderts und die anschließende, prägende Zeit britischer Kolonialherrschaft bis 1958. Ein Zwischenspiel als Teil der Westindischen Föderation folgte von 1958 bis 1962 und ein halbkolonialer Status bis 1974.
Indianische Urbevölkerung
Grenada war ursprünglich nur von den indianischen Arawak besiedelt, die später von den indigenen Kariben, vom südamerikanischen Festland kommend, dominiert wurden. Im 17. Jahrhundert wurden die verbliebenen Kariben und Arawaken von französischen Kolonialbeamten ausgerottet, ein Genozid wie auf allen karibischen Inseln zur frühen Kolonialzeit.
Europäische Konkurrenz um Grenada und Kampf gegen die Kariben
Grenada wurde 1498 von Kolumbus entdeckt, er nannte die Insel „Concepción“. Der Ursprung des Namens "Grenada" ist unbekannt; es wird angenommen, dass die Insel später von spanischen Seefahrern nach der Stadt Granada umbenannt wurde.
Die Spanier errichteten auf der Insel der Kariben jedoch keinen Stützpunkt. Später versuchten die Engländer vergeblich, auf der Insel Fuß zu fassen, mussten sich aber 1609 zurückziehen. 1650 kaufte eine französische Gesellschaft, die von Kardinal Richelieu gegründet worden war, Grenada von den Engländern und gründete eine erste europäische Niederlassung hier. Nach etlichen gewaltsamen Auseinandersetzungen mit den Kariben holten die Franzosen Verstärkung von ihrer benachbarten Kolonie Martinique und besiegten die einheimischen Kariben,[1] dabei wurde die karibische Bevölkerung vollständig ausgerottet. Die Franzosen nannten die neue Kolonie „La Grenade“ (später von den Briten „Grenada“ genannt) und gründeten 1650 die Haupt- und Hafenstadt „Fort Royal“, das spätere St. George’s, die sich bald zum wichtigsten französischen Flottenstützpunkt in der Karibik entwickelte.
Die Insel blieb bis zu ihrer Eroberung durch die Briten im Siebenjährigen Krieg 1762 unter französischer Kontrolle. Grenada wurde zwar im Pariser Frieden 1763 an das Vereinigte Königreich abgetreten, die Franzosen gaben aber ihren früheren Besitz noch nicht verloren. Während des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges wurde die Insel 1779 von den Franzosen erneut zurückerobert, jedoch im Frieden von Paris (1783) an Großbritannien zurückgegeben. Auch wenn die Briten noch im Jahr 1795 einen pro-französischen Aufstand niederschlagen mussten, gehörte Grenada seit diesem Zeitpunkt endgültig zum Britischen Weltreich.
Britisches Grenada
Die Insel hatte – neben dem geschützten Naturhafen von St. George's – wie die übrigen Antilleninseln ihre Bedeutung für die europäischen Kolonialherren durch die Möglichkeit, das begehrte Zuckerrohr anzubauen. Der Zuckeranbau basierte auf Sklavenarbeit und ging mit der Verschleppung von Afrikanern als Sklaven auf die Insel einher. Verschiedene Naturkatastrophen machten den Zuckeranbau hier allerdings weniger profitabel als anderswo. 1782 wurde auf Anraten von Sir Joseph Banks, eines bedeutenden Botanikers und Ratgebers König Georges III., der Muskatnussbaum auf Grenada eingeführt. Der Inselboden erwies sich als ideal für den Anbau dieses Gewürzes. Muskatnuss und auch Kakao verdrängten den Zuckerrohranbau.[2] Diese Entwicklung weg vom Plantagenanbau begünstigte auf Grenada die Entstehung einer Klasse freier, landbesitzender Bauern. 1834 wurde wie im übrigen britischen Kolonialreich die Sklaverei abgeschafft.[3]
Grenada wurde ab 1833 als Teil der British Windward Islands verwaltet und erhielt 1877 den Status einer Kronkolonie. Am 1. Februar 1881 trat die Kolonie dem Weltpostverein bei. Das Frauenwahlrecht wurde 1951 eingeführt.[4]
Unabhängiges Grenada
Die Übergangsphase
Von 1958 bis 1962 war die Insel ein Teil der Westindischen Föderation. Nachdem diese Föderation aufgrund interner Unstimmigkeiten gescheitert war, bildeten das Vereinigte Königreich und die Inseln Grenada, St. Vincent, Dominica, Antigua, St. Kitts und Nevis, Anguilla, und St. Lucia eine neue Form von Kooperation, als „Assoziiertes Staatsgebilde“. 1967 erhielt Grenada volle Autonomie über seine inneren Angelegenheiten, am 7. Februar 1974 schließlich wurde Grenada unter Premierminister Eric Gairy unabhängig. Keineswegs alle Bürger waren damit einverstanden, da die politische Unabhängigkeit nichts an der wirtschaftlichen Abhängigkeit änderte. Man sei nun lediglich „free to beg anywhere“ (frei, überall zu betteln).[5] Gairys Kritikern erschien sein Drängen auf Unabhängigkeit „als ein grotesker Alleingang ihres Premiers“, um von innenpolitischen und wirtschaftlichen Problemen abzulenken.[6]
Menschenrechtsverletzungen unter dem Regime Eric Gairys
Gairy hatte 1950 die Grenada Manual and Mental Workers Union gegründet, eine Gewerkschaft, die z. B. Interessen der Plantagenarbeiter gegenüber der Pflanzeraristokratie Grenadas vertrat. Seine unorthodoxen und spektakulären Methoden im Kampf für die einfachen Leute machten ihn zu einem Volkshelden. Später erwuchs aus der Gewerkschaft die Grenada United Labour Party. Als Premierminister wandelte Gairy sich zum Diktator, der sich auch nicht scheute, Waffenlieferungen vom chilenischen Militärdiktator Augusto Pinochet zu beziehen, als ihm ansonsten jede Unterstützung von außen verweigert wurde. Seinen Glauben an eine Bedrohung der Menschheit durch Außerirdische und UFOs trug er bis in die Vereinten Nationen. Es kam zu erheblichen Verletzungen der Menschenrechte unter seinem Regime.[7]
Putsch und sozialistisches Regime unter Maurice Bishop
Gairys Regierung wurde 1979 in einer unblutigen Revolution von der marxistischen Bewegung New Jewel Movement (NJM) unter Maurice Bishop abgesetzt. Bishop wollte für Grenada Blockfreiheit und gute Beziehungen zu den USA ebenso wie zur Sowjetunion und zu Kuba. Soziale Reformen sicherten ihm auch eine hohe Beliebtheit in der Bevölkerung, obwohl auch unter seinem Regime keine freien Wahlen abgehalten wurden und sämtliche Parteien außer seiner NJM verboten waren. Unter seiner Regierung begann ein Konsortium unter Führung einer britischen Firma mit dem Bau des Flughafens Point Salines. Dieser sollte den Tourismus beleben.
Erneuter Putsch
Nach internen Führungsstreitigkeiten wurde Bishop am 14. Oktober 1983 in einem Staatsstreich von innerparteilichen Konkurrenten um seinen Vize-Premierminister Bernard Coard und General Hudson Austin, den Kommandeur der Streitkräfte, durch Einheiten des Military Revolutionary Council (MRC) abgesetzt und unter Hausarrest gestellt. Es kam zu Solidaritätsbekundungen der Bevölkerung mit Bishop. Am 19. Oktober 1983 befreiten die Demonstranten Bishop aus seinem Hausarrest. Er begab sich ins militärische Hauptquartier nach Fort Rupert, dem heutigen Fort George, wo es zu einer Schießerei zwischen Zivilisten und Soldaten kam. Bishop, drei seiner Kabinettsmitglieder, drei Geschäftsleute und ein Gewerkschafter wurden auf Befehl ihrer Rivalen im New Jewel Movement exekutiert.[8] Die Regierung unter Bishop war im Volk beliebt gewesen; die Gewalt des Umsturzes löste in der Bevölkerung hingegen Angst und Ablehnung aus.
US-Invasion 1983
→ Hauptartikel: US-Invasion in Grenada
Nach dem Staatsstreich gegen Bishop baten der Generalgouverneur von Grenada Paul Scoon – als Vertreter von Königin Elizabeth II. die Funktion des Staatsoberhauptes von Grenada ausführend – und die Organisation Ostkaribischer Staaten die USA um eine Intervention. Scoon stellte sich damit als Vertreter der britischen Krone gegen die britische Regierung unter Margaret Thatcher, welche eine Intervention ablehnte.[9]
Am 25. Oktober 1983 starteten die USA unter Berufung auf die Bitte Scoons[10] mit der Organisation Ostkaribischer Staaten eine Invasion (Operation Urgent Fury), in deren Folge die Regierung der NJM gestürzt wurde. Die völkerrechtliche Legitimität der Intervention war stark umstritten; der Einsatz wurde unter anderem von den US-Verbündeten Großbritannien und Kanada sowie von der UN-Vollversammlung kritisiert.[11] Die Operation wurde zunächst auch damit begründet, die Sicherheit US-amerikanischer Staatsbürger auf Grenada zu garantieren, wahrscheinlicher ist, dass die US-Regierung unter Ronald Reagan eine starke Anlehnung von Grenada an Kuba und Nicaragua befürchtete.
Demokratische Entwicklung seither
Nachdem einige Anhänger Coards festgenommen und später zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden waren, erfolgten 1984 Wahlen. Die New National Party (NNP) unter der Führung von Herbert Blaize gewann dabei 14 von 15 Sitzen. 1986–87 spalteten sich 5 Parlamentsmitglieder der NNP von ihrer Partei ab und gründeten den National Democratic Congress (NDC). 1989 brach auch Premierminister Blaize mit seiner Partei und gründete die National Party (TNP). Aus den Wahlen 1990 ging die NDC als stärkste Partei hervor und Nicholas Brathwaite wurde Premierminister. 1995 ging die Regierungsmacht an die NNP unter Keith Mitchell über. Seit 2008 regiert die NDC mit Tillman Thomas als Premierminister.[12]
In den Jahren 2000 bis 2002 versuchte eine Wahrheitsfindungs- und Versöhnungskommission, die auch international Beachtung fand, die Geschehnisse der Jahre 1979 bis 1984 aufzuarbeiten.
Naturkatastrophen im 21. Jahrhundert
Anfang September 2004 wurde Grenada vom Hurrikan Ivan schwer in Mitleidenschaft gezogen. 95 % der Häuser der Hauptstadt St. George’s wurden zerstört oder beschädigt. Die für die Landwirtschaft wichtigen Plantagen der Insel wurden verwüstet. Der Verlust von mehr als 35 Menschenleben war zu beklagen. Die Trinkwasser- und Stromversorgung brach zusammen.
Im Juli 2005 wurde Grenada erneut von einem Hurrikan – Hurrikan Emily – heimgesucht. Der Sturm forderte auf Grenada mindestens ein Todesopfer. Erneut wurden einige Gebäude und die Infrastruktur beschädigt. Am schlimmsten wurde die exportorientierte Landwirtschaft getroffen, da Emily zahlreiche Muskatnussbäume zerstörte.
Siehe auch
Literatur
- Robert J. Alexander, Eldon M. Parker: A History of Organized Labor in English-speaking West Indies. Westport 2004. ISBN 0-275-97743-9.
- George Brizan: Grenada, island of conflict. From Amerindians to people's revolution, 1498–1979. London 1984. ISBN 0-86232-230-8.
- Raymond Devas: A History of the Island of Grenada, 1498–1796. With Some Notes and Comments on Carriacou and Events of Later Years. Carenage Press, St. George’s 1964 (2. Aufl. 1974).
- Jorge Heine (Hrsg.): A revolution aborted. The lessons of Grenada. University of Pittsburgh Press, Pittsburgh 1990, ISBN 0-8229-5433-8.
- Pedro Noguera: The imperatives of power. Political change and the social basis of regime support in Grenada from 1951 – 1991. New York 1997. ISBN 0-8204-3095-1.
- Hagen Späth: Spielräume im „Hinterhof“. Revolution und Invasion in Grenada. Lienau, Münster 1993. ISBN 3-9801245-8-4.
- Beverley A. Steele: Grenada. A history of its people. Macmillan Caribbean, Oxford 2003. ISBN 978-0-333-93053-3.
Weblinks
Einzelnachweise
- Background Note: Grenada
- http://www.historyofnations.net/northamerica/grenada.html historyofnations.net
- http://www.historyofnations.net/northamerica/grenada.html historyofnations.net
- Jad Adams: Women and the Vote. A World History. Oxford University Press, Oxford 2014, ISBN 978-0-19-870684-7, Seite 438
- Ulrich Fleischmann: Von der Abhängigkeit zur Desintegration. Zur politischen Struktur des karibischen Raumes. In: Helmut Nuhn (Hrsg.): Krisengebiet Mittelamerika. Interne Probleme, weltpolitische Konflikte. Westermann, Braunschweig 1985, ISBN 3-07-508866-8, S. 222–233, hier S. 230.
- Ulrich Fleischmann: Von der Abhängigkeit zur Desintegration. Zur politischen Struktur des karibischen Raumes. In: Helmut Nuhn (Hrsg.): Krisengebiet Mittelamerika. Interne Probleme, weltpolitische Konflikte. Westermann, Braunschweig 1985, S. 222–233, hier S. 228.
- http://www.independent.co.uk/news/people/obituary-sir-eric-gairy-1247273.html
- The Tragedy of 19 October 1983, http://www.thegrenadarevolutiononline.com/tragedy.html, abgerufen am 23. März 2012.
- http://www.bbc.co.uk/caribbean/news/story/2004/06/040607_scoon-on-reagan.shtml
- http://www.independent.co.uk/news/obituaries/sir-paul-scoon-the-queens-governor-general-during-the-american-invasion-of-grenada-8805612.html
- „Laßt uns endlich Taten sehen“. In: Der Spiegel. Nr. 44, 1983, S. 153 ff. (online – 31. Oktober 1983).
- http://www.state.gov/r/pa/ei/bgn/2335.htm