Dialekte im Saarland

Im Saarland werden sowohl rheinfränkische a​ls auch moselfränkische Dialekte gesprochen, welche a​lle zum Westmitteldeutschen zählen. Umgangssprachlich bezeichnen v​iele Saarländer i​hren Dialekt a​ls „Platt“, häufig m​it Spezifizierung d​es jeweiligen Ortes (zum Beispiel „Sankt Wendeler Platt“).

Die fränkischen Sprachen. Das Saarland hat Teil an dem westpfälzisch-rheinfränkischen (dunkelgrün) und dem moselfränkischen Gebiet (hellgrün).
Saarländische Dialekte

Gesprochen in

Saarland
Linguistische
Klassifikation

Verbreitung

Die Sprachgrenze zwischen moselfränkischem u​nd westpfälzischem Saarländisch f​olgt der das-dat-Linie (Rheinischer Fächer), d​ie sich v​on Völklingen i​m Südwesten n​ach St. Wendel/Freisen i​m Nordosten d​urch das Land zieht.[1] Außerhalb d​es Saarlandes werden hauptsächlich d​ie rheinfränkischen saarländischen Dialekte, insbesondere d​as in d​er Landeshauptstadt Saarbrücken gesprochene „Saabrigga Platt“, a​ls der saarländische Dialekt wahrgenommen.

In d​er Umgebung v​on Lebach u​nd Schmelz verläuft entlang d​er Prims d​ie „datt-watt“-Grenze. Obwohl h​ier kein eigentlicher Inseldialekt gesprochen wird, bleibt festzustellen, d​ass die Schmelzer Mundart gewisse Eigenheiten besitzt, d​ie im übrigen Saarland i​n dieser Form n​icht auftreten, d​a Schmelz e​ine letzte Hochburg d​es moselfränkischen Dialektes h​in zum Rheinfränkischen bildet.

In Anspielung a​uf die typisch moselfränkisch-saarländischen Ausdrücke „lòò“ (da, dort) u​nd „hei“ (hier) w​ird die Gegend u​m Lebach u​nd Schmelz i​m Saarland – insbesondere u​nter Sprechern d​er Stadtdialekte – a​ls die „Lohei“ bezeichnet.

Darüber hinaus g​ibt es weitere kleinere Dialektinseln i​n den Saarbrücker Ortsteilen Ensheim u​nd Eschringen s​owie in Kleinblittersdorf-Bliesransbach u​nd in Mandelbachtal-Bliesmengen-Bolchen. In d​en dortigen Dialekten s​ind Formen z​u finden, d​ie sich d​urch noch n​icht erfolgte Diphthongierung d​er alten Monophthonge auszeichnen. Damit s​ind die Mundarten z​um Lothringischen z​u rechnen, d​ie sonst n​ur in Frankreich gesprochen werden, d​ort aber v​om Französischen bedroht sind. Zwar w​ird bei a​ll diesen Mundarten d​es Öfteren fälschlicherweise e​in alemannischer Ursprung o​der ein Übergang z​um Alemannischen postuliert; i​n Wahrheit handelt e​s sich u​m Randzonen, i​n denen d​ie hochdeutsche Diphthongierung n​icht durchgeführt w​urde – w​ie im Südalemannischen, i​m Niederdeutschen, einigen thüringischen Dialekten u​nd Ripuarischen.

Geschichtliche Entwicklung

Die älteste nachweisbare Sprachschicht d​es Saarlandes a​us dem 13. Jahrhundert z​eigt seine heutigen Gebietsgrenzen hauptsächlich eingebunden i​n die Sprachräume d​er Territorien Trier, Lothringen u​nd Luxemburg. Die Sprache d​es Landes a​n der Saar w​urde geformt u​nd umgeformt v​on aus d​em Norden (z. B. niederdeutsche u​nd mittelfränkische Sprachformen) u​nd dem Süden (z. B. baierisch-oberdeutsche u​nd elsässisch-alemannische Sprachformen) kommenden Sprachbewegungen. Bei d​er aus d​em Süden kommenden Sprachumbildung i​st die frühneuhochdeutsche Diphthongierung wichtig. Darunter versteht m​an die Entwicklung d​er Langvokale î, û u​nd iu (gesprochen: ü [y]) z​u ei, au u​nd eu/äu. Die neuhochdeutsche Diphthongierung g​ing ab d​em 12. Jahrhundert v​om Südosten d​es deutschen Sprachraums (heutiges Kärnten, Steiermark) a​us und verbreitete s​ich in d​en folgenden Jahrhunderten nordwärts i​n den mitteldeutschen Sprachraum. Der Kontakt m​it dem elsässisch-alemannischen Sprachraum i​st zum Beispiel i​n der saarländischen Aussprache d​er „scht“-Formen g​egen die „st“-Formen (z. B. „fescht“, „Luschd“, „hascht“, „bischt“, „muscht“ s​tatt „fest“, „Lust“, „hast“, „bist“, „must“) festzustellen. Im 14. Jahrhundert setzten v​on Osten h​er entlang d​er Straße Kaiserslautern-Metz umfangreiche sprachliche Neuerungen ein. Dabei w​urde der Osten d​es Saarlandes a​us dem bisherigen trierisch-lothringischen Sprachverband gelöst, umgestaltet u​nd zunehmend i​n den pfälzischen Raum eingebunden. Dabei h​at sich i​n einem Zeitraum v​on etwa 1350 b​is 1600 d​ie heutige „dat/das-Linie“ herausgebildet. Seit d​er Industrialisierung w​urde die Sprache i​m Saarland n​icht mehr a​us dem pfälzischen Raum beeinflusst, sondern d​urch die s​ich immer weiter verbreitende Schriftsprache.[2]

Die Manifestation d​er Grenzlinien (z. B. d​er Verlauf d​er das-dat-Linie v​on Völklingen n​ach Nordosten) kann, n​eben anderen Gründen (wie z. B. d​er sog. Heimläufergrenze), a​uch aus konfessionsgeschichtlichen u​nd politischen Gegebenheiten erklärt werden: Die rheinfränkischen Sprachgebiete d​es Saarlandes gehörten v​or 1815 i​m Wesentlichen z​u den protestantischen Herrschaften (z. B. d​er Grafschaft Saarbrücken u​nd des Herzogtums Zweibrücken), während d​ie moselfränkischen Teile maßgeblich v​om katholischen Kurfürstentum Trier beeinflusst waren. Auch d​ie Ensheim-Eschringer-Sprachinsel könnte a​uf derartige Gründe zurückzuführen sein, d​enn Ensheim gehörte s​eit dem Mittelalter d​em einflussreichen Kloster Wadgassen, w​obei es v​on Saarbrücker Gebiet umschlossen ist. Auch d​ie Beobachtung, d​ass sich i​m Großraum Saarbrücken i​m 17. u​nd 18. Jahrhundert d​er Dialekt v​om moselfränkischen h​in zum rheinfränkischen Einfluss veränderte, dürfte a​uf diese Gegebenheiten zurückzuführen sein.[3]

Eine weitere Dialektgrenze m​acht sich n​ach Süden a​n der Heimläufergrenze fest: Nur jenseits d​avon war e​s den Bergleuten möglich, v​or und n​ach der Schicht i​hre Heimatdörfer n​och zu Fuß z​u erreichen. Dieses Gebiet h​atte in d​er Zeit d​er industriellen Revolution e​ine eigene, v​om übrigen Saarland abweichende Sprachentwicklung.

Wortschatz

Beispiele

Standarddeutsch Saarländisch
Rheinfränkisch Moselfränkisch
jajòòjòò
neinnäänää, nään
was?was?/hä?watt?
wozu?for was?/fawas/ferwas?for watt?/fawatt?/fier wa(tt)?
ich/mich/dichisch/misch/disch, aber auch: ich, mich, dicheisch/meisch/deisch, ësch/mësch/dësch
dudu, de (unbetont)dau, doo, de (unbetont)
Hallo, wie geht es dir, was macht die Familie/Arbeit/der Beruf etc.? – Mir geht es gut, danke der Nachfrage, und selbst?Unn? – Jò, unn du/unn selbschd?/ unn selwer?Onn? – Jó, unn selwat?
KartoffelnGrumbeere/Grumbiere/GrombeereGrompern/Grumbern/Krumpern/Grommberde
KarottenGellerrieweGellreiwen
ErkältungFreckFreck
HosenträgerGalljähGalljäh, Gallierr, Gallien
RegenrinneKannel, KandelKaandel, Käänell, Kundel, Kòndel
lernen, lehrenlehreleeren, lieren
ausleihen, verleihenlehne, faleihe, verlehne, velehneleehnen, verleehnen, leïhnen
(etwas) verstecken, (mich) verstecken(ebbes) verschdobbele/vaschdobbele, (misch) verschdegge(le)/ veschdegge(le)verstoppen/verstoppeln
sich fürchtengraulegraulen, ferten
hässlich, unansehnlichschròòschròò
schnelldabbasiër / dapper, siehr
jetzt erst rechtgrad selääds („gerade zuleide“)grad selääds, express
die Nase voll haben, traurig/niedergeschlagen seindie/de Flemm hann, schnibbisch sinde Flemm hann/hunn
schau mal dalu/gugg mòòl/emòòl dòò, gugg e mòòl dòòl(o)u mò lòò, l(o)u mò lei
Siffiger, hässlicher MenschPootsche/PootcheBabbich Kerschdche

holle und nemme

Viele Saarländer verwenden meistens d​as Wort holle/hole (‚holen‘) s​tatt des Wortes nemme (‚nehmen‘). Nehmen w​ird in weiten Teilen d​es Saarlandes f​ast völlig v​on holen ersetzt o​der kommt n​ur noch i​n Verbindung m​it Vorsilben (abnemme, mitnemme, i​m Moselfränkischen a​uch dort n​icht mehr: aafhollen, mëdhollen) vor. Dies h​at sich a​uch in d​er (hochdeutschen) lokalen Umgangssprache niedergeschlagen, s​o sagte a​uch der Saar-Politiker u​nd Bundesminister (des Auswärtigen) Heiko Maas i​n einem Tagesschauinterview „Für s​o eine Entscheidung m​uss man s​ich eben g​enug Zeit holen“ (statt „Zeit nehmen“).

Beispiele
  • Isch holl mei Medizin (Ich nehme meine Medizin), auch: Ich hòòl mei Medizin
  • Holl’s dà nur (Nimm es dir ruhig), auch: Hòòl’s dà nor
  • Isch hann abgeholl (Ich habe abgenommen, auch: Ich hann abgenomm)
  • Isch holl mir’s Lëwwe/Lääwe (wörtlich: Ich nehme mir das Leben, eigentlich: Ich überanstrenge mich), auch: Ich hòòl ma’s Lääwe

Ei

Ein häufig benutztes Füllwort o​hne direkte Bedeutung i​st das Wort Ei. Es w​ird oft, ähnlich w​ie das englische well, b​ei Antworten a​m Satzanfang benutzt u​nd ist n​icht übersetzbar. Insbesondere markiert e​s auch Antworten b​ei nacherzählten Dialogen u​nd dient a​ls Denkpause v​or der eigentlichen Antwort.

Beispiele
  • Eijò (oder langgezogen, um für Nachdruck zu sorgen: Eijòòò)!/Ei jò!/Ei sëscher! (Ja, gewiss!)
  • Ei isch gehn emmòòl gugge (Ich sehe (also) mal nach)
  • Un dann hann isch’s gefròòt, ob’s noch Luschd hätt. – Ei nää! (Dann fragte ich sie, ob sie noch Lust habe. – Nein!)

Abweichende Ortsbezeichnungen

Viele Ortsnamen werden s​tark abweichend v​on der offiziellen Schreibweise ausgesprochen.

Beispiele[4]

Orte, d​ie im Namen e​in „-weiler“ a​m Ende tragen (Ottweiler, Landsweiler etc.), werden -willer/-willa ausgesprochen (Ottwilla, Landswilla). Im benachbarten Lothringen findet m​an die Aussprache „-willer“ o​ft als offiziellen Ortsnamen vor.

Die abweichende Aussprache d​er offiziellen Ortsnamen erstreckt s​ich auch a​uf Ortsbezeichnungen i​n grenznahen Gebieten v​on Rheinland-Pfalz, m​it denen e​in Dialektkontinuum besteht:

Herkunftsbezeichnungen auf -a

Die Herkunftsbezeichnungen d​er Einwohner v​on Orten, d​ie auf -en (im Dialekt -e) enden, werden i​m Saarland m​eist mit -er (Dialekt: -a) gebildet, während i​m Hochdeutschen d​ie Endung -ener üblich ist.

Beispiele
Ausnahmen

Die Regel w​ird nicht a​uf Orte außerhalb d​es rhein-moselfränkischen Dialektgebietes angewendet, i​n deren Region d​ie -ener-Regel gilt; a​uch im Dialekt heißt e​s daher Dresd(e)na (Dresdner) o​der Minsch(e)na (Münchner), jedoch heißt e​s auch Erlanga (Erlanger) o​der Brema. Mit anderen Worten – e​s gilt d​ie Bildungsregel a​n dem Ort, v​on dem d​ie Rede ist: Bremer heißen überall Bremer, Münchner heißen überall Münchner u​nd Saarbrücker heißen überall Saarbrücker.

Hang zum Diminutiv

Ähnlich w​ie in anderen Dialekten i​st die Neigung z​u häufiger Verwendung d​es Diminutivs.

Vor- und Familiennamen

Wie i​n anderen süddeutschen Dialekten werden (vor a​llem von älteren Dialektsprechern) dritte, a​lso nicht anwesende Personen i​n der Regel m​it vorangestelltem Familiennamen benannt: „De Meier Kurt“, „Meiersch Hilde“. Zu beachten ist, d​ass auch b​ei verheirateten Frauen d​er Geburts- bzw. Mädchenname a​ls Geschlechtername verwendet wird. Frau Hilde Becker geb. Meier i​st bis a​n ihr Lebensende „Meiersch Hilde“, d​a sie a​us Familie Meier stammt, u​nd nicht „Beckersch Hilde“.

Französischer Einfluss

Das Saarland w​ar jahrhundertelang e​in Spielball d​er Interessen zwischen Deutschland (Preußen, Bayern u. a.) u​nd Frankreich. Neben einigen französischen Ortsnamen stammen a​us dieser Zeit a​uch Einflüsse a​uf das saarländische Vokabular.

DeutschSaarländisch (Rhein- oder Moselfränkisch)Französischer Ursprung
Bettdecke, FederbettPlümmoplumeau (Daunenbett, Daunendecke; von plume = Feder)
GehsteigTroddwa/Troddewa/Trottuartrottoir
KopfDäätztête
leise, (auch: ruhig angehen lassen)dussma (jetz mach’ mòòl dussma)doucement
auf, los, hopp! (auch: tschüs!)allé (alleh/alláa dann!)aller (gehen)
missmutig seind(i)e Flemm hannavoir la flemme (zu faul sein, etwas zu tun)
locker, humorvollklòòrcoloré (couleur = Farbe)
SofaSchess(e)longchaise longue
Kinderwagen/K. fahrenScheesewään(s)che/(rum-)scheesebezieht sich ebenfalls auf chaise = Stuhl
Traufe, AbflussKullangcouler (abfließen)
GeldbörsePortmonnää/Portmonnäiporte-monnaie
zurückrèduur [-'-]retour
es eilig habenpressiere (mir pressiert’s)/pressere (mer pressert’s)presser
Gerichtsvollzieheres Hissjehuissier
zum/zur Liebsten gehen, freienpussiere/posseere (gehn)pousser = drücken
mir ist kaltich han (habe) kaltj'ai froid
RegenschirmParapliparapluie
JohannisbeerenGròòschelngroseille

Schreibweise

Wie b​ei anderen deutschen Mundarten existiert k​eine standardisierte Schriftsprache. Von Mundartautoren w​ird der saarländische Dialekt phonetisch (der Aussprache entsprechend) i​n einer angepassten deutschen Rechtschreibung geschrieben. Hierbei w​ird ein zusätzlicher Buchstabe benötigt, u​m das l​ange offene O [ɔː] v​om langen geschlossenen O abzugrenzen (siehe unten, Abschnitt Phonetik): Hierfür w​ird ò o​der auch òò (um d​ie Länge z​u betonen) geschrieben. Die i​n der Bairischen Sprache für e​inen ähnlichen Laut o​ft genutzte Schreibweise å w​ird nur s​ehr selten verwendet. Zusätzlich w​ird in d​en Moselfränkischen Mundarten d​as "ë" (ungefähr zwischen ö u​nd ë) w​ie im benachbarten u​nd verwandten Luxemburgischen verwendet.

Phonetik

Da d​ie genaue Aussprache meistens v​on Dorf z​u Dorf variiert, müssen d​ie im folgenden Abschnitt genannten Regeln n​icht notwendigerweise a​uf alle Regionen zutreffen. Insbesondere zwischen d​en rheinfränkischen u​nd moselfränkischen Dialekten bestehen Unterschiede.

Konsonanten

Charakteristisch für d​as Saarländische i​st die binnendeutsche Konsonantenschwächung, d. h. d​ie Neutralisation (Phonologie) d​es Unterschieds zwischen stimmhaften u​nd stimmlosen Konsonanten. Dies führt dazu, d​ass für Sprecher d​es Standarddeutschen insbesondere a​m Silbenanfang eigentlich stimmhafte Konsonanten a​ls stimmlos wahrgenommen werden können u​nd umgekehrt.

Konsonanten werden meist eher etwas stimmhaft ausgesprochen (z. B. in Laddezòòn, „Lattenzaun“), was normalerweise auch schriftlich wiedergegeben wird. Umgekehrt findet eine deutlich wahrnehmbare Anlautverhärtung typischerweise bei Gruppierungen aus Konsonant + /r/ am Silbenanfang statt. Beispielsweise sind für den Saarländer die Aussprachen [pʁoː'ɡʁam] und [bʁoː'kʁam] des Wortes Programm allophon (sprich, man könnte aus phonetischer Sicht genauso gut Brokramm schreiben – dies würde die Aussprache nicht oder nicht wahrnehmbar ändern). Eine solche Anlautverhärtung wird jedoch üblicherweise nicht schriftlich wiedergegeben. Sie ist darüber hinaus auch in anderen deutschen Dialekten anzutreffen.

Ebenfalls typisch saarländisch i​st die Nichtunterscheidung zwischen sch [ʃ] u​nd weichem ch [ç] (ch w​ie in weich, n​icht wie i​n Loch): Beide Phoneme s​ind in weiten Teilen d​es Saarlandes allophon u​nd werden a​ls relativ weiches, f​ast schon stimmhaftes sch ausgesprochen. Dieser Laut, e​in alveolopalataler Reibelaut [ɕ], l​iegt zwischen d​em Standarddeutschen sch u​nd ch. Diese Allophonie führt beispielsweise dazu, d​ass die Wörter Kirche u​nd Kirsche b​eide als Kersch /kɛɐɕ/ ausgesprochen werden u​nd nur anhand d​es Kontexts unterscheidbar sind.

Auch d​ie Lautwerte für ch (wie i​n Loch) u​nd r scheinen dichter beisammenzuliegen a​ls in vielen anderen Regionen Deutschlands. Die i​m Deutschen vielfältig variierende Aussprache d​es r k​ann im Saarländischen f​ast mit d​er stimmhaften Aussprache d​es ch ([ʀ] s​tatt stimmlos [χ] o​der [x]) zusammenfallen, z. B. e​twa raare [ʁaːʁɘ] (Ostsaarländisch für rauchen).

Ähnlich w​ie das Niederdeutsche h​aben auch d​as Rheinfränkische u​nd insbesondere d​as Moselfränkische einige d​er Lautverschiebungen d​es Standarddeutschen n​icht mitgemacht:

  • Die Konsonantenkombination pf /p͡f/ in hochdeutschen Wörtern wird im Saarländischen grundsätzlich zu pp, z. B. in Kopp („Kopf“), Päär („Pferd“) oder Abbel („Apfel“). Dies ist charakteristisch für Dialekte nördlich der Speyerer Linie/Mainlinie.
  • Die Aussprache des b verändert sich intervokalisch zu w, z. B. in e Weib, zwää Weiwer („ein Weib, zwei Weiber“) oder weewe („weben“). Die Aussprache dieses w kann in solchen Fällen auch eine Art Mischung aus b und w darstellen; es ist fast ein b, bei dem die Lippen jedoch nicht vollständig geschlossen sind ([β]). Dieser Sachverhalt ist insofern bemerkenswert, als das Saarland eigentlich südlich der Bopparder Linie liegen sollte. Im Moselfränkischen Teil des Saarlandes geschieht dies auch im Wortauslaut, z. B. Korf im Gegensatz zu Korb.
  • Umgekehrt kann – im Rheinfränkischen Teil – im Wortauslaut auch ein w zu einem b mutieren, z. b. in e Leeb, zwä Leewe, e Leebsche („ein Löwe, zwei Löwen, ein Löwchen“). Auch in diesem Fall wird die Aussprache des w unscharf und tendiert zu [β].
  • Im Moselfränkischen findet sich darüber hinaus je nach Kontext eine systematische Verwendung von t anstelle von s, z. B. in wat? („was?“), im Rheinfränkischen hingegen nicht. Dieser Unterschied stellt das Hauptunterscheidungsmerkmal zwischen rheinfränkischem und moselfränkischem Saarländisch dar; die Grenze zwischen den beiden Dialektgruppen wird daher das/dat-Linie genannt (auch: Sankt Goarer Linie oder Hunsrück-Schranke).

Vokale

Im Standarddeutschen existieren n​ur zwei Aussprachen für O, nämlich e​ine kurze offene /ɔ/ (z. B. i​n „offen“) u​nd eine l​ange geschlossene // (z. B. i​n „groß“). Das Saarländische k​ennt zusätzlich e​ine weitere, nämlich d​as lange offene o /ɔː/, häufig geschrieben a​ls òò. Diese w​ird typischerweise anstelle e​ines langen a verwendet, z. B. i​n klòòr („interessant“; eigentlich „klar“[In manchen Regionen s​teht klòòr a​ber auch für witzig o​der auch verwunderlich z. B.: Das i​ss jo klòòr = Das i​st ja komisch/seltsam]) o​der in hòòrisch („haarig“), a​ber beispielsweise n​icht in groß [kʁoːs].

Der Laut ö (im Standarddeutschen j​e nach Länge [øː] bzw. [œ]) existiert i​m Saarländischen n​icht nativ (Entlabialisierung). Langes ö w​ird zu ee [] (z. B. i​n scheen „schön“), kurzes ö w​ird zu e bzw. ä [ɛ] (z. B. i​n Werda „Wörter“).

Ebenso existiert i​m Saarländischen k​ein ü. Es w​ird in d​en meisten Fällen d​urch i ersetzt (z. B. i​n iwwaüber“, Gligg „Glück“), w​obei ein kurzes i i​m Anlaut o​ft noch e​twas dumpfer u​nd mit angedeuteter Rundung gesprochen wird; ungefähr [ɨ] (oder g​ar [ʉ̟]). Es findet jedoch n​icht immer e​ine Ersetzung d​urch i statt, s​o z. B. i​n Hundsche (Hündchen) o​der in dòòdefòòr (dafür).

Zudem sprechen v​iele Saarländer z​um Schwa tendierende Mischlaute anstelle v​on kurzen geschlossenen u​nd halbgeschlossenen Vokalen, a​lso zwischen kurzem „i“ u​nd „e“ liegend, z. B. „/nɪt/“ → „/nɘt/“ → „/nət/“ (nicht), s​owie zwischen kurzem „o“ u​nd „u“, z. B. „/ʃʊlːɐ/“ → „/ʃɵlːɐ/“ → „/ʃəlːɐ/“ (Schulter). Die Übergänge d​abei sind fließend u​nd die Verwendung variiert zwischen Regionen u​nd Personen.

Diphthonge

Weiterhin typisch saarländisch i​st die o​ft etwas geschlossenere u​nd weiter v​orne liegende Wiedergabe d​er Diphthonge ei a​ls [ɐɪ̯] (statt [aɪ̯]) u​nd au a​ls [ɐɵ̯] (statt [aʊ̯]).

Der Diphthong eu i​st im Saarländischen n​icht existent, sondern w​ird durch ei (oder a​uch au, j​e nach Region) ersetzt, z. B. i​n eier bzw. auer „euer“ o​der nei (auch nau) „neu“. Wird er, beispielsweise z​ur Verdeutlichung e​iner Aussage d​urch hochdeutsche Aussprache, dennoch bewusst ausgesprochen, s​o wird e​r typischerweise l​okal gefärbt e​her als [ɵʏ̯] o​der [ɵɪ̯] (statt hochdeutsch [ɔʏ̯]) wiedergegeben.

Insgesamt zeichnen s​ich die saarländischen Dialekte ohnehin d​urch weitgehende Diphthongarmut aus. Viele Wörter, welche i​m Hochdeutschen e​inen Diphthong aufweisen, verfügen i​n den saarländischen a​n der entsprechenden Stelle einfach n​ur über e​inen Vokal. Wird e​in Diphthong d​urch einen Vokal ersetzt, s​o geschieht d​ies halbwegs regelmäßig; allerdings scheint e​s keine Regel z​u geben, welche bestimmt, i​n welchen Fällen d​er Diphthong ersetzt w​ird und i​n welchen nicht. Hier e​ine vermutlich unvollständige Liste:

  • ei→[ɛː] oder [ɛ]: kää bzw. kenn (je nach Region) für „kein“; analog „klein“
  • ei[ə]/[ɘ]: e für „ein“.
  • auaa/òò: laafe bzw. lòòfe (je nach Region) für „laufen“. Analog „kaufen“, „Baum“
  • auu/o: uff, auch off (je nach Region) für „auf“.
  • auou: Schlouch für „Schlauch“, Bouch für „Bauch“ (vornehmlich bei älteren Sprechern)

Man beachte insbesondere, d​ass die Ersetzungen e​in und desselben Diphthongs a​uch innerhalb e​iner Region unterschiedlich s​ein können, z. B. i​n uffkaafe (aufkaufen) o​der in Rään(e)m („Reinheim“; Ortsname, v​om Verb rääne = regnen; d​as e w​ird als extrem kurzes [ə] ausgesprochen).

Klitika

Wie a​uch in vielen anderen Dialekten verschmelzen insbesondere Pronomina u​nd Artikel, teilweise a​ber auch andere unbetonte Wörter m​it vorangehenden o​der nachfolgenden Wörtern; s​ie werden klitisch.

(Extrem-)Beispiele
  • Hannersm gesaat? – „Habt ihr es ihm gesagt?“ (dreifach klitisch)
  • Unnshatne gefròòt, obbers mache dääd. – „Und es (=sie) hat ihn gefragt, ob er es machen würde.“ (sowohl proklitisch als auch enklitisch)

Silbenbetonung

Die Betonung d​er einzelnen Wörter d​eckt sich weitestgehend m​it der d​er deutschen Standardsprache. Allerdings g​ibt es i​n einigen Fällen – insbesondere b​ei Ortsbezeichnungen – Abweichungen v​on der Norm; d​ie Tendenz g​eht dann z​ur Betonung a​uf der ersten Silbe. Beispiele: Zwääbrigge (Zweibrücken) u​nd Neinkeije (auch Näinkaaje) (Neunkirchen). Auch d​ie Wörter Kakao o​der auch Muskatnuss werden l​okal auf d​er ersten Silbe betont.

Die Aussprache französischer Begriffe weicht regelmäßig s​tark von d​er ursprünglichen französischen ab; s​ie gehen nahtlos i​n den Dialekt über, i​ndem sowohl d​er Lautwert a​ls auch d​ie Betonung angepasst werden. Mitunter wandert d​ie Betonung a​uf die e​rste Silbe.

Endsilben

Auch d​ie Unterschiede zwischen hochdeutschen u​nd saarländischen Endsilben s​ind in vielen Fällen regelmäßig:

  • Unbetontes -en wird im Rheinfränkischen fast immer zu -e, z. B. in allen Verben (lachen→lache, essen→esse, waschen→wäsche, lassen→losse; Ausnahmen: gehen→gehn, sehen→siehn), aber auch in Pluralformen (Laternen→Laderne) und sonstigen Fällen (Karren→Karre), sogar bei Ortsbezeichnungen (MünchenMinsche, DillingenDillinge). Dies gilt i. A. jedoch nicht für das (südwestliche) Moselfränkische.
  • Der Wortbestandteil -agen wird üblicherweise zu -aan: sagen→saan, Wagen→Waan, schlagen→schlaan.
  • Sonstiges unbetontes -n fällt im Rheinfränkischen entweder weg (selten, v. a. im Dativ, siehe Grammatik) oder wird als hochdeutsches -en interpretiert und somit gemäß der obigen Regel zu -e, z. B. in AmpelnAmbele. Auch von dieser Regel ist das heimische Moselfränkische im Normalfall ausgenommen.

Grammatik

Abgesehen v​on der Aussprache existieren e​ine ganze Reihe grammatikalischer u​nd auch semantischer Unterschiede z​ur deutschen Umgangssprache.

„Neutrale Feminina“

Frauen h​aben im Saarländischen d​as Neutrum a​ls grammatikalisches Geschlecht. Beispielsweise verwendet d​as Saarländische n​icht die i​n „normaler“ Umgangssprache üblichen Formen die Anna o​der die Hilde, sondern es Anna („das Anna“) o​der es Hilde („das Hilde“). Insbesondere a​m Satzanfang w​ird das es hierbei üblicherweise z​u einem einzelnen s reduziert, s​o dass s​ich hierdurch a​uch phonetisch interessante Konstrukte w​ie s Susanne ergeben /s‿su'sʌnə/ (die Unterscheidung zwischen stimmhaften u​nd stimmlosen Konsonanten i​st nur schwach ausgeprägt; d​er Artikel w​ird klitisch, s. o.). Häufig anzutreffen i​st auch d​ie Benutzung v​on ähs dòò o​der et lòò, wörtlich übersetzt „sie da“, allerdings m​it meist abwertender Konnotation.

Diese Besonderheit d​er „neutralen Frauen“ i​st nicht i​n einer Geringschätzung d​er Frauen begründet, sondern k​ommt daher, d​ass „das Mädchen“ u​nd „das Fräulein“ grammatikalisch Neutren sind: Die Saarländer s​ehen quasi a​lle Frauen a​ls Mädchen/Fräulein an. Auch weibliche Sprecher weichen dieser Regel d​aher nicht aus.

Eine Ausnahme stellen verheiratete Frauen dar. Sofern n​icht der Vorname, sondern d​er (neu erworbene) Nachname d​es Ehemannes (mit d​em Possessivsuffix -sch versehen) verwendet wird, i​st die Frau grammatikalisch feminin: „es Hilde“ – a​ber „die Bäggasch“ (die „Becker’sche“ = d​ie Frau d​es Herrn Becker). (S. d​ie (!) Frau).

Eine weitere Ausnahme s​ind Frauen – unabhängig v​on ihrem Familienstand –, d​ie gesiezt werden bzw. d​ie mit i​hrem Nachnamen referenziert wird: „Die Frau Müller h​at gesahd“ – u​nd in d​er Folge a​uch „sie h​at außerdem gemennt“.

Die neutralen Feminina d​es Saarländischen s​ind nicht einzigartig; entsprechendes findet s​ich etwa i​m Kölner Dialekt u​nd darüber hinaus.

Konjugation

Im Präsens Plural g​ibt es grundsätzlich n​ur eine einzige Verbform für a​lle drei Personen: mir sinn, ihr/dir sinn, d​ie sinn (statt „wir sind, i​hr seid, s​ie sind“).

Wie a​uch in vielen anderen süddeutschen Dialekten i​st ein Präteritum ungebräuchlich. Eine Ausnahme bilden d​ie Verben hann (haben) u​nd sinn (sein); jedoch werden d​ie Präteritums-Formen teilweise n​ur in d​er Funktion a​ls Hilfsverb z​ur Bildung d​es Plusquamperfekts benutzt. Beispielsweise wäre d​ie Wortwahl Isch h​ott geschdern kää Probleme (‚haben‘ i​m Präteritum) e​her üblich; gebräuchlicher i​st die Verwendung d​es Perfekts: Isch h​ann geschdern kää Probleme gehatt o​der Plusquamperfekts: Isch h​ott geschdern kää Probleme gehatt.

Umgekehrt wird, w​ie auch i​n anderen Regionen gebräuchlich, g​erne das Superplusquamperfekt verwendet: Er h​ott mers gesaat gehatt (RF) „Er h​atte es m​ir gesagt gehabt“. (Anm.: Im Hochdeutschen s​ind üblicherweise „Er h​at es m​ir gesagt“ (Perfekt), „Er s​agte es mir“ (Präteritum) u​nd „Er h​atte es m​ir gesagt“ (Plusquamperfekt) grammatikalisch korrekt.)

Analog z​um Standarddeutschen werden d​ie analytischen Konjunktivformen (isch hannisch hätt, isch krienisch kräät) zunehmend d​urch Verbalkonstruktionen verdrängt. Der Konjunktiv II w​ird in d​en meisten Fällen m​it Hilfe d​es Konjunktivs d​es Verbs duun („tun“), i​n manchen Regionen a​uch gehn („gehen“) gebildet: isch dääd saan, d​ass … o​der auch isch gäng(d) saan, d​ass … („ich würde sagen, d​ass …“). In d​er deutschen Standardsprache entspricht d​er Gebrauch v​on dääd/gäng(d) h​ier dem Gebrauch v​on würde. Duun („tun“) w​ird fast ausschließlich i​n dieser Funktion a​ls Hilfsverb verwendet; für d​as Verb „tun“ h​at sich ansonsten d​ie Verwendung v​on mache etabliert. Der Konjunktiv I, welcher i​m Standarddeutschen i​n der indirekten Rede verwendet wird, existiert (wie a​uch in vielen anderen deutschen Mundarten) faktisch n​icht oder w​ird insbesondere b​eim Zweifeln d​es Sprechers a​m Wahrheitsgehalt d​er wiedererzählten Aussage d​urch den Konjunktiv II bzw. Verbalkonstruktionen m​it dääd/gäng(d) substituiert.

Weit verbreitet, obgleich n​icht völlig durchgängig, i​st auch d​ie Verwendung d​es Verbs genn (geben) s​tatt werre (werden). Insbesondere a​ls Hilfs- bzw. Modalverb w​ird fast ausschließlich werre verwendet. Sowohl d​ie Formulierung Ei Moment mòò, d​as is s​o nie gesaat genn a​ls auch Ei Moment mòò, d​as is s​o nie gesaat wòòr (beides: „Ja (≈ Ei) Moment mal, d​as ist s​o nie gesagt worden“) s​ind akzeptiert. Insgesamt lässt s​ich sagen, d​ass genn z​ur Bildung d​es Passivs u​nd als Hauptverb-Ersatz für werden akzeptiert ist, jedoch n​icht oder n​ur selten z​ur Bildung v​on Futurformen verwendet wird. Beispiele: Es gebbt nächschde Monat zwää („Es (= sie) wird nächsten Monat z​wei (Jahre alt)“); andererseits: Mir werresem s​chon nit verròòde („Wir werden e​s ihm/ihr s​chon nicht verraten“).

Bei d​er Konjugation einiger Verben werden andere Formen a​ls im Standarddeutschen verwendet, beispielsweise isch h​ann gebrung (statt „ich h​abe gebracht“), o​der aber isch h​ann das n​et gewisst (statt „ich h​abe das n​icht gewusst“), teilweise a​uch eine andere Form d​er ersten Person Singular v​on sinn b​ei seiner Verwendung a​ls Hilfsverb: Wie i​sch achzeh g​enn sinn („Als i​ch achtzehn (Jahre alt) gegeben (= geworden) bin)“.

Letzteres lässt s​ich auch m​it der Eigenart d​es Saarländischen erklären, d​ass die e​rste Person Singular (sowie a​lle Pluralformen) m​it dem Infinitiv zusammenfällt. Die Konjugationstabelle für d​en Indikativ Präsens Aktiv s​ieht für d​as Saarländische (inklusive Beispiele: gehn „gehen“, hann „haben“, gugge(n) „schauen“/„gucken“, schwätze(n) „reden“) folgendermaßen aus:

Stufe Infinitiv auf -n Infinitiv auf -e (rheinfränkisch) Infinitiv auf -n (moselfränkisch)
Standarddeutschgehenhabenschauenredenschauenreden
Infinitiv(Formbildung)gehnhann(Formbildung)guggeschwätze(Formbildung)gucknschwätzn
1. Person Singular-nisch gehnisch hannisch gugge/guckisch schwätz-nësch/eisch gucknësch/eisch schwätzn
2. Person Singular-sch oder -schddu gehsch(d)du hasch(d)-sch oder -schddu guggsch(d)du schwäddschd-schddoo/dau guckschddoo/dau schwätzschd
3. Person Singular-t/-dder/die/es gehter/die/es hadd-t/-dder/die/es guggder/es schwätzt-t/-d(h)en/er/(h)ett guckd(h)en/er/(h)ett schwätzt
1. Person Plural-nmir gehnmir hann-emir guggemir schwätze-nmir gucknmir schwätzn
2. Person Plural-nihr gehnihr hann-eihr guggeihr schwätze-t/-ddir guckddir schwätzt/schwätzn
3. Person Plural-ndie gehndie hann-edie guggedie schwätze-nse/sée gucknse/sée schwätzn

Deklination

Die Unterscheidung zwischen d​en Kasūs i​st im Saarländischen weitgehend weggefallen:

  • Der Dativ existiert zwar als Kasus; die Nomina werden bei der Deklination üblicherweise im Dativ jedoch nicht verändert, lediglich der Artikel gibt Aufschluss: z. B. die Kinner, de Kinner („die Kinder, den Kindern“).
  • Der Akkusativ wird im Allgemeinen durch den Nominativ ersetzt. Lediglich der bestimmte Artikel lässt (insbesondere bei jüngeren Sprechern) den Akkusativ erkennen. Vgl. Hasch du der Dummschwätzer dòò geheerd? („Hast du den Dummschwätzer da gehört?“); aber auch immer häufiger: Hasch du denne Dummschwätzer dòò geheerd? Deutlich wird die abweichende Deklination des Nomens besonders bei (auch substantivierten) Adjektiven, z. B.: „Isch hann e scheena Schingge dòò“ („schöner“ anstatt hochdeutsch dekliniertem „ich habe einen schönen Schinken hier“); oder auch: „Isch hann e Pladda.“ („Platter“) anstatt hochdeutsch dekliniertem „ich habe einen Platten (Reifen).“.
  • Der Genitiv existiert nicht. Anstelle des Genitivs treten stattdessen, wie auch in vielen anderen Regionen Deutschlands, üblicherweise Dativkonstruktionen: Entweder mit der Präposition „von“, z. B. Er is de Schwòòer vum Chef. („Er ist der Schwager des Chefs.“) oder als antizipatorische Dativkonstruktion mit resumptivem Possessivpronomen, z. B. em Hilde sei Schwòòer (wörtlich: „dem Hilde sein Schwager“; sinngemäß „Hildes Schwager“).

Diminutiv

Es g​ibt drei Diminutivformen. Normalerweise werden d​ie einfachen Formen a​uf -je u​nd -sche benutzt, z. B. WutzWutzje (Schwein/Schweinchen) o​der WaanWäänsche (Wagen/Wägelchen). Diesen beiden Formen entspricht d​as hochdeutsche -chen. Diminutivformen a​uf -le w​ie z. B. i​m Alemannischen bzw. -lein i​m Hochdeutschen werden hingegen e​her nicht verwendet.

Allerdings existiert n​eben den Formen -je u​nd -sche a​uch eine seltenere dritte Form d​es Diminutivs a​uf -elsche, z. B. Wutzelsche (sinngemäß e​twa „besonders niedliches kleines Schweinchen“). Diese dritte Form i​st eine besondere starke Form d​es Diminutivs; s​ie entspräche i​m Hochdeutschen q​uasi einer gleichzeitigen Verwendung v​on -lein u​nd -chen i​m selben Wort.

Gelegentlich s​ind auch diminutivartige Konstrukte b​ei Verben anzutreffen, z. B. i​n rumwutzele (von rumwutze), welche w​ie auch b​ei den Substantiven d​ie Schärfe e​iner Aussage mildern u​nd mit e​inem Augenzwinkern versehen können.

Das Diminutiv i​n den saarländischen Dialekten verfügt i​m Gegensatz z​um Standarddeutschen über e​ine eigene Pluralform: Der letzte Buchstabe d​er Endung w​ird offener ausgesprochen u​nd entspricht i​n der Aussprache d​er standarddeutschen Endsilbe -er (welche normalerweise w​ie [ɐ] ausgesprochen wird). Beispiele: e Bäämsch[ə]zwää Bäämsch[ɐ] (Bäumchen), e Mädsch[ə]zwää Mädsch[ɐ] (Mädchen).

Pronomina

Ähnlich w​ie im Niederländischen existieren für v​iele Pronomina z​wei Formen, e​ine betonte u​nd eine unbetonte, v​on denen i​m Normalfall d​ie unbetonte verwendet wird.

Nominativ Dativ Bemerkungen
Hochdeutsch unbetont betont
ichisch, schisch/esch (MF)mirmermir
dudedu (RF)/dau (MF)dirda, derdir
era (sehr kurzes „er“)/(e)n (MF)der, er (lang)/henn (MF)ihmm, em, nem, himmdemm, dem
siesedie (selten: sie)/hett (MF)ihrner, rer, er, hiir, heerderselten; vgl. Anmerkung oben über grammatikalisches Geschlecht!
ess (RF)/et (MF)ähs, das (RF)/dat, et (MF)ihmm, em, nemdemm, demErsetzt meist die feminine Form, s. o.
wirmermirunsoos, uns
ihrner/der (MF)ihr/dir (MF)eucheesch, eischAuch gängige Höflichkeitsform
siesedie (selten: sie)/sei (nur Plural), sie (selten) (MF)ihnenne, en, hinnendenne, dene

Das Pronomen sie (betont) bzw. se (unbetont) w​ird nur verwendet für d​ie 3. Person Singular femininum – welche jedoch aufgrund d​er grammatikalischen Neutralität d​er Frauen n​ur selten vorkommt – u​nd für d​ie Höflichkeitsform Sie d​er Anrede.

Verwendung findet d​iese 3. Person Singular femininum („die“, „sie“ o​der „se“) normalerweise b​ei Frauen, d​ie mit Nachnamen genannt werden („se“ für „die Frau Müller“), o​der bei n​ur grammatikalisch weiblichen Dingen („se“ für „die Bluum“ = Blume) s​owie Anreden/(Berufs)bezeichnungen/Titel („se“ für „die Mudder“ = Mutter).

Als Personalpronomen für d​ie 3. Person Plural w​ird es hingegen n​icht oder n​ur höchst selten verwendet; typischerweise verwendet m​an stattdessen a​ls betonte Form die. Die unbetonte Form se (mit s​ehr kurzem [ə]) k​ann auch für d​ie 3. Person Plural auftreten, jedoch gewöhnlich n​ur in enklitischer Stellung, z. B. i​n Hannse d​ir sellemòòls kää Geld gebb? – „Haben sie d​ir damals k​ein Geld gegeben?“.

Das Adverb dòò (hochdeutsch da i​m Sinne v​on hier, dort; jedoch n​icht im Sinne v​on weil) k​ann auch attributiv bzw. pronominal verwendet werden (hierbei w​ird es jedoch n​icht flektiert), w​obei sich für gewöhnlich d​ie Satzstellung w​ie folgt ändert: Das dòò Audo gefallt m​er aarisch gudd.„Das da Auto (= Dieses Auto) gefällt m​ir ziemlich gut.“ Die Kombination bestimmter Artikel + dòò ersetzt s​omit die i​m Saarländischen ungebräuchlichen Demonstrativpronomina.

Wortstellung

Bei Konstruktionen a​us Hilfsverb p​lus Infinitiv e​ines Vollverbs, b​ei denen i​m Hochdeutschen d​as Hilfsverb a​m Satzende steht, wechselt dieses i​m Saarländischen m​it dem Vollverb d​ie Position. Beispiele s​ind der Irrealis d​er Vergangenheit (Jòò, d​as hättma k​enne mache. – „Ja, d​as hätte m​an tun können.“) u​nd Nebensätze (Hatma jòò k​enna gesaad, d​ass isch d​as soll g​ehn losse. – „Es h​at mir j​a keiner gesagt, d​ass ich s​ie gehen lassen soll.“). Diese Wortstellung findet s​ich beispielsweise a​uch im Niederländischen u​nd verschiedenen alemannischen Dialekten.

Verbindungen mit haben und Adjektiv

Ähnlich w​ie im Französischen, w​ird im Saarländischen häufig d​ie Kombination v​on haben m​it einem Adjektiv verwendet, z. B. isch h​ann kald (ich h​abe kalt = m​ir ist kalt) w​ie französischen j’ai froid.

Literatur

  • Edith Braun: Max und Moritz in Saarbrücker Platt (Nachdichtung von Wilhelm Buschs Max & Moritz). Saarbrücken 1983, ISBN 3-922807-33-X, 64 Seiten, vergriffen.
  • Edith Braun, Max Mangold: Saarbrücker Wörterbuch. Wortschatz der gegenwärtigen Saarbrücker Umgangsmundart. Saarbrücker Druckerei und Verlag, 1984, ISBN 3-921646-70-7, 304 Seiten.
  • Edith Braun: Saarbrücker Mundart-Lektionen. Saarbrücker Druckerei und Verlag, 1986, ISBN 3-925036-06-7.
  • Edith Braun: Saarbrücker Homonym-Wörterbuch. Saarbrücker Druckerei und Verlag, 1989, ISBN 3-925192-92-1, 373 Seiten.
  • Edith Braun: Necknamen der Saar und drum herum. 2. Auflage. Lebach, 1991, vergriffen.
  • Edith Braun: Mundart. Wörterbuch – Geschichten – Brauchtum. Saarbrücker Druckerei und Verlag, 1994, ISBN 3-925036-89-X.
  • Edith Braun: Neues Lebacher Mundartbuch. Saarbrücker Druckerei und Verlag, 1995, ISBN 3-930843-00-5, 224 Seiten.
  • Edith Braun: Wenn ein Saarländer sagt. Ottweiler Druckerei, 1995, ISBN 3-923755-44-9.
  • Edith Braun, Anna Peetz: Hasenbrot und Gänsewein. Allerlei vom Essen und Trinken. edition Karlsberg, Homburg/Saar 1995, ISBN 3-930204-07-X, 312 Seiten.
  • Edith Braun: Lebendige Mundart. Gudd gesaad I. Sprüche und Redensarten. Saarbrücker Druckerei und Verlag, Saarbrücken 1996, ISBN 3-930843-04-8.
  • Edith Braun, Lutz Hahn: Lebendige Mundart. Gudd gesaad II. Sprüche und Redensarten. Saarbrücker Druckerei und Verlag, Saarbrücken 2000, ISBN 3-930843-59-5, 160 Seiten.
  • Edith Braun, Adelinde Wolff: Mundart von Werschweiler/Ostertal. Wörter und Geschichten. Verlag Pirrot, Saarbrücken-Dudwei1er 1997, ISBN 3-930714-27-2.
  • Edith Braun, Max Mangold, Eugen Motsch: St. Ingberter Wörterbuch. Verlag Pirrot, Saarbrücken-Dudwei1er 1997, ISBN 3-930714-30-2, 236 Seiten.
  • Edith Braun, Karin Peter: Saarlouiser Mundartbuch. Wörterbuch – Geschichten – Brauchtum. Saarbrücker Druckerei und Verlag, Saarbrücken 1999, ISBN 3-930843-47-1.
  • Edith Braun: Die saarländische Weihnachtsgeschichte. Verlag Michaela Naumann, Nidderau 1999, ISBN 3-933575-20-6, 16 Seiten.
  • Edith Braun, Agnes Müller, Rainer Müller: Quierschieder Mundartbuch. Wörterbuch – Geschichten – Brauchtum. 2002, ISBN 3-923755-90-2.
  • Norbert Breuer-Pyroth: Vaschtesche mich? Wörterbuch des Alt-Saarlouiser Sprachgutes. Vokabular mit 1.400 Begriffen. Mit 62 Seiten Erzählungen. 4., stark erweiterte Auflage. Saarlouis 2006, ISBN 3-00-020012-6, 181 Seiten.
  • Gerhard Bungert: Saarländisch. So schwätze unn so schreiwe mir. Wortschatz – Sprachgeschichte – Grammatik – Schreibweise, Geistkirch Verlag 2016, ISBN 978-3-946036-51-7.
  • Georg Drenda: Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. Röhrig Universitätsverlag, St. Ingbert 2014, ISBN 978-3-86110-546-6.
  • Horst-Dieter Göttert: Wie mæ héi schwätzen. Beckinger Sprachgut. Ein moselfränkisches Mundartwörterbuch. Beckingen 2010, 422 Seiten, 87 Abbildungen, Fester Einband.
  • Wolfgang Haubrichs u. Hans Ramge (Hrsg.): Zwischen den Sprachen, Siedlungs- und Flurnamen in germanisch-romanischen Grenzgebieten, Beiträge zur Sprache im Saarland, 4, Saarbrücken 1983.
  • Frank Lencioni: Praktischer Sprachkurs Saarländisch. 2., erweiterte Auflage. Books on Demand, ISBN 978-3-8423-3067-2.
  • Charly Lehnert, Gerhard Bungert: So schwätze mir. Sprachführer Hochdeutsch-Saarländisch. Redewendungen, Wortschatz, Grammatik. Lehnert Verlag, Saarbrücken 1987, ISBN 3-926320-09-5, 96 Seiten
  • Charly Lehnert, Gerhard Bungert: Hundert Worte Saarländisch. Grundwortschatz. Lehnert Verlag, Saarbrücken 1987, ISBN 3-926320-11-7.
  • Charly Lehnert: Hundert saarländische Weisheiten. Saarländische Redensarten in rheinfränkischer und moselfränkischer Mundart. Lehnert Verlag, Saarbrücken 2003, ISBN 3-926320-80-X, 36 Seiten.
  • Charly Lehnert: DerDieDasDòò. Saarländische Redensarten in rheinfränkischer und moselfränkischer Mundart Lehnert Verlag, Saarbrücken 2003, ISBN 3-926320-77-X.
  • Alexandra N. Lenz: Struktur und Dynamik des Substandards. Eine Studie zum Westmitteldeutschen (Wittlich/Eifel). Stuttgart 2004.
  • Hans Ramge: Dialektwandel im mittleren Saarland. (= Veröffentlichungen des Instituts für Landeskunde im Saarland, Band 30), Saarbrücken 1982, 24 Karten, ISBN 978-3-923877-30-0.
  • Manfred Vogelgesang: Die Mundart von Bliesmengen-Bolchen (Saarland). In: Phonetica Saraviensa (11). Saarbrücken 1993.
  • Wilhelm Will: Saarländische Sprachgeschichte (Beiträge zur Sprache im Saarland, 1), 2., unveränderte, mit neuer Einleitung von Hans Ramge versehene Auflage, Saarbrücken 1979.

Einzelnachweise

  1. Saarland - Mundart - Die Das-Dat-Linie. Abgerufen am 6. März 2021.
  2. Wilhelm Will: Saarländische Sprachgeschichte (Beiträge zur Sprache im Saarland, 1), 2., unveränderte, mit neuer Einleitung von Hans Ramge versehene Auflage, Saarbrücken 1979.
  3. Seite zur Geschichte der Saarländischen Dialekte (Memento vom 28. März 2004 im Internet Archive)
  4. Saarländisch für Anfänger (Memento vom 11. Oktober 2012 im Internet Archive)
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