Walentina Wladimirowna Tereschkowa
Walentina Wladimirowna Tereschkowa (russisch Валентина Владимировна Терешкова, wiss. Transliteration Valentina Vladimirovna Tereškova, verheiratet Walentina Tereschkowa-Nikolajewa; * 6. März 1937 in Maslennikowo bei Tutajew, Oblast Jaroslawl, Russische SFSR) ist eine ehemalige sowjetische Kosmonautin. Sie war im Jahre 1963 die erste Frau im Weltraum (bis zum Raumflug von Swetlana Sawizkaja im Jahre 1982 auch die einzige) und ist die einzige Frau in der Raumfahrtgeschichte, die allein, also auf einer Solo-Mission, flog.
Walentina Tereschkowa | |
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Sowjetische Kosmonautin Die erste Frau im Weltraum | |
Land: | UdSSR |
Rufzeichen: | Чайка Tschaika: „Möwe“ |
ausgewählt am | 12. März 1962 (Kosmonau- tinnengruppe) |
Einsätze: | 1 Raumflug |
Start: | 16. Juni 1963 |
Landung: | 19. Juni 1963 |
Zeit im Weltraum: | 2 d 22 h 50 min |
ausgeschieden am | 1969 |
Raumflüge | |
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Leben und Leistungen
Walentina Tereschkowa ist Tochter einer Textilarbeiterin und eines im finnischen Winterkrieg gefallenen Traktoristen. Nach dem Tod ihres Vaters zog ihre Mutter mit den Kindern nach Jaroslawl, um bessere Beschäftigungsmöglichkeiten zu finden, und wurde in der Baumwollspinnerei Krasny Perekop beschäftigt.[1] Bereits als Jugendliche arbeitete sie in einer Fabrik für Autoreifen, anschließend in einem Spinnerei-Kombinat. Sieben Jahre lang arbeitete sie dort als Zuschneiderin und Büglerin. Neben der Arbeit bildete sie sich in einer Abendschule zur Technikerin weiter. 1960 erhielt sie ihr Technikerdiplom.
Von 1955 an war Tereschkowa begeisterte Fallschirmspringerin. Sie war eine große Bewunderin Juri Gagarins. Mehrmals bewarb sie sich für die Kosmonautenschule. 1962 konnte sie die Aufnahmeprüfung ablegen und mit der Ausbildung zur Kosmonautin beginnen.
Am 16. Juni 1963 startete Walentina Tereschkowa an Bord von Wostok 6 vom Kosmodrom Baikonur zu einer fast drei Tage dauernden Reise ins All und umkreiste die Erde 48-mal.[2] Ihr Funkrufname war Tschaika (Möwe). Am 19. Juni landete sie bei Nowosibirsk, wo Tereschkowa begeistert empfangen wurde. In Moskau wurde sie mit dem Titel Fliegerkosmonaut der Sowjetunion geehrt.
Am 3. November 1963 heiratete sie Andrijan Nikolajew, der als Kosmonaut an der Wostok-3-Expedition teilgenommen hatte. 1964 brachte sie ihre Tochter zur Welt. Tereschkowa studierte anschließend an der Schukowski-Ingenieurakademie der sowjetischen Luftstreitkräfte. Im Mai 1966 wurde sie in den Obersten Sowjet der UdSSR gewählt, im Mai 1968 Vorsitzende des Frauenkomitees der UdSSR und 1971 Mitglied des Zentralkomitees der KPdSU. Ab 1974 war sie im Präsidium des Obersten Sowjets und ab 1976 stellvertretende Vorsitzende der „Kommission für Erziehung, Wissenschaft und Kultur“ des Unionssowjets.
Von Andrijan Nikolajew ließ sie sich 1982 scheiden. In zweiter Ehe war sie mit dem Orthopäden Juli Georgijewitsch Schaposchnikow verheiratet, der 1999 starb.
1994 wurde sie von der Regierung Russlands zur Leiterin des „Russischen Zentrums für internationale kulturelle und wissenschaftliche Zusammenarbeit“ (heute: Rossotrudnitschestwo) ernannt. Diese Tätigkeit übte sie bis zum Jahr 2004 aus.
Für die Partei Einiges Russland war sie Abgeordnete in der regionalen Duma der Oblast Jaroslawl[3] und wurde dann Abgeordnete der Staatsduma. Am 10. März 2020 beantragte sie dort erfolgreich eine Verfassungsänderung zur Lockerung der Amtszeitbegrenzung des russischen Präsidenten.[4][5] Seit der Ukraine-Invasion unterliegt sie als Dumamitglied den westlichen Sanktionen. So darf sie nicht in die EU einreisen.
Sie trägt den militärischen Rang eines Generalmajors a. D. der russischen Luftstreitkräfte.[6]
Im Juni 2013 sagte sie auf einer Pressekonferenz in Russland, dass sie für einen Marsflug auch ohne Rückkehr bereit sei. „Der Mars ist mein Lieblingsplanet“, so Tereschkowa.[7]
Bei der Eröffnungsfeier für die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi trug sie als eine von acht Trägerinnen und Trägern am 7. Februar 2014 die Olympische Fahne.
Im Kosmonautenkorps
Tereschkowa hatte nie einen vorherigen Wunsch, ins All zu kommen[8], und es war ihre Erfahrung im Fallschirmspringen, die zu der Auswahl als Kosmonautin beitrug.[9][10] Nach dem Flug Juri Gagarins erfuhr Nikolai Kamanin, der Direktor der Kosmonauten-Ausbildung, dass weibliche Piloten ein Training zu Astronautinnen absolvierten. Er schrieb in seinem Tagebuch: „Wir können nicht zulassen, dass die erste Frau im Weltraum amerikanisch ist. Dies wäre eine Beleidigung für die patriotischen Gefühle der sowjetischen Frauen.“[11] Es wurde eine Genehmigung für weibliche Kosmonauten erteilt, die 1963 mit dem Training beginnen sollten. Um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass eine sowjetische Frau zuerst ins All fliegt, begannen die weiblichen Kosmonauten ihre Ausbildung vor den Männern.[11] Die Regeln forderten, dass die potenzielle Kosmonautin eine Fallschirmspringerin war, jünger als 30 Jahre war, nicht größer als 170 cm groß sein und höchstens 70 kg wiegen durfte. Bis Januar 1962 hatte die Freiwillige Gesellschaft zur Unterstützung der Armee, der Luftstreitkräfte und der Flotte (DOSAAF) 400 Kandidatinnen für die Prüfung ausgewählt. Nach dem ersten Screening erfüllten 58 Kandidatinnen die Anforderungen. Die Anzahl wurde von Kamanin auf 23 reduziert. Am 16. Februar 1962 wurde Tereschkowa zusammen mit vier anderen Kandidatinnen ausgewählt, um sich dem weiblichen Kosmonautenkorps anzuschließen.[11][12]
Da sie keine militärischen Erfahrungen hatten, traten sie im Range eines Fliegers den sowjetischen Luftstreitkräften bei.[11] Die Ausbildung umfasste Isolationstests, Zentrifugentests, Thermokammertests, Dekompressionskammertests und Pilotenschulungen in MiG-15UTI-Düsenjägern.[11] Tereschkowa absolvierte außerdem ein Überlebenstraining im Wasser, bei dem mehrere Motorboote eingesetzt wurden, um raue Bedingungen zu simulieren.[13] Sie begann an der Militärakademie für Ingenieure der Luftstreitkräfte „Prof. N. J. Schukowski“ zu studieren und machte einige Jahre nach ihrem Flug ihren Abschluss.[12] Die Gruppe verbrachte mehrere Monate in der Grundausbildung,[11]und nach dem Abschluss der Ausbildung und bestandener Prüfung bot Kamanin ihnen die Möglichkeit, als reguläre Luftwaffenoffiziere eingesetzt zu werden. Auf den Ratschlag der männlichen Kollegen hin nahmen sie sein Angebot an. Alle fünf Frauen wurden im Dezember 1962 Unterleutnants der Luftwaffe.[14][15] Tatjana Kusnezowa konnte sich krankheitsbedingt nicht für den ersten Flug qualifizieren und Schanna Jorkina schnitt im Training schlecht ab, wodurch Tereschkowa, Walentina Ponomarjowa und Irina Solowjowa die Spitzenkandidatinnen wurden.[16]
Ursprünglich wurde eine gemeinsame Mission geplant, bei der zwei Kosmonautinnen an aufeinanderfolgenden Tagen im März oder April 1963 in Wostok-Raumschiffen ins All fliegen sollten.[17] Tereschkowa sollte zuerst in Wostok-5 starten, während Ponomarjowa ihr in Wostok-6 hätte folgen sollen. Doch dieser Plan wurde im März 1963 geändert. Nun sollte Wostok-5 von dem Kosmonauten Waleri Bykowski geflogen werden, und Tereschkowa sollte Wostok-6 fliegen, die beide im Juni 1963 hätten starten sollen. Bei ihrem Treffen am 21. Mai 1963 nominierte das Innenministerium der UdSSR sie als Pilotin für Wostok-6. Kamanin nannte sie: „Gagarin mit einem Rock“.[18] Der sowjetische Ministerpräsident Nikita Chruschtschow war mit dem Propagandapotential der Auswahl zufrieden, da Tereschkowa die Tochter eines im Winterkrieg getöteten Landarbeiters ist, und bestätigte die Auswahl.[19] Solowjowa wurde zu ihrem ersten Ersatz.[14] Tereschkowa wurde vor ihrem Flug zum Leutnant und während des Flugs zum Hauptmann ernannt.[20]
Ehrungen und Auszeichnungen
- Ehrentitel „Held der Sowjetunion“ (UdSSR)
- Zwei Leninorden 1963, 1981 (UdSSR)
- Order of Tri Shakti Patta (Nepal, 1961)
- Karl-Marx-Orden (DDR, 1963)
- Fliegerkosmonaut der Sowjetunion 1963
- Orden "Stern der Republik Indonesien" (Indonesien, 1963)
- Joliot-Curie-Medaille in Gold (Frankreich, 1964)
- Order of the Volta (Ghana, 1964)
- Suhe-Bator-Orden (Mongolische Volksrepublik, 1965)
- Medaille „Goldener Stern“ (Vietnam, 1971)
- Nil-Orden (Ägypten, 1971)
- Orden der Oktoberrevolution 1971
- Orden der Völkerfreundschaft
- Orden Bernardo O’Higgins (Chile, 1972)Orden El Sol del Perú (Peru, 1974)
- Orden des Roten Banners der Arbeit (UdSSR, 1987)
- Ehrendoktorwürde durch die Polytechnische Universität Valencia (Spanien)
- Ein Mondkrater wurde 1970 ihr zu Ehren „Tereshkova“ benannt.[21]
- World Connection Award aus der Hand von Michail Gorbatschow in Hamburg im Jahr 2004.
- In der DDR wurden zahlreiche Straßen nach ihr benannt, viele davon tragen ihren Namen noch heute, z. B. die Valentina-Tereschkowa-Straße in Frankfurt/Oder.[22] Mit der Valentina-Tereschkowa-Grundschule in Chemnitz hat sich auch eine Schule mit ihrem Namen noch erhalten.[23]
- Verdienstorden für das Vaterland 3. Klasse (Russische Föderation, 1997)
- Ehrenring für die Leistungen auf dem Gebiet der bemannten Raumfahrt der Eduard-Rhein-Stiftung (Deutschland, 2007)
- Verdienstorden für das Vaterland 2. Klasse (Russische Föderation, 2007)
- Preis der Gothaer Kulturstiftung, den „Friedenstein“ (verliehen am 14. Oktober 2008 vom Oberbürgermeister der Stadt Gotha)
- Alexander-Newski-Orden (Russische-Föderation, 2013)[24].
- Verdienstorden für das Vaterland 1. Klasse (Russische Föderation, 2017)
- Medaille für Raumfahrtwissenschaft (UNESCO, 2017)[25]
Literatur
- Erwin Bekier: Walja, die erste Kosmonautin, Kinderbuchverlag Berlin, 1976
- Monika Gibas: „Venus vom Sternenstädtchen“. Walentina Tereschkowa. Heldin der Moderne in der DDR, in: Silke Satjukow; Rainer Gries (Hrsg.): Sozialistische Helden. Eine Kulturgeschichte von Propagandafiguren in Osteuropa und der DDR. Berlin, Ch. Links, 2002, ISBN 3-86153-271-9, S. 147–157
- Barbara Krause: Das Mädchen aus Maslennikow, Kinderbuchverlag Berlin, 1974
Siehe auch
- Liste der Raumfahrer
- Länderstatistik der bemannten Raumfahrt
- Liste der bemannten Raumflüge
- Rekorde der bemannten Raumfahrt
- Swetlana Jewgenjewna Sawizkaja (zweite Kosmonautin)
- Jelena Wladimirowna Kondakowa (dritte Kosmonautin)
Weblinks
- MDR DOK: Die Walentina Tereschkowa Story - Triumph und Tränen auf YouTube
- Gabriele Meinhard: Kurzbiografie
- Ralf Nestler: Eine Möwe im Weltraum. Berliner Zeitung, 14. Juni 2008, abgerufen am 16. Juni 2013: „Die Russin Walentina Tereschkowa war die erste Frau im All. Erst zwanzig Jahre später folgte ihr eine Amerikanerin.“
- Volodymyr Brodzinskyi: Möwe im All (diestandard.at) vom 18. Februar 2007
- Walentina Tereschkowa, die erste Frau im Weltall, Der Spiegel, 6. März 2017.
- Nina Pauer: Allein im All. aus: Denn Du bist nur eine Frau. ZEIT online 23. Januar 2014.https://www.zeit.de/2014/05/walentina-tereschkowa-kosmonautin, abgerufen am 21. Januar 2019
Einzelnachweise
- Evans, B: Escaping the Bonds of Earth: The Fifties and the Sixties, Springer Verlag 2009
- DER SPIEGEL: Weltfrauentag: Frauen in der Wissenschaft - verfolgt, verpönt, bewundert. Abgerufen am 14. März 2021.
- Hellmuth Vensky: Die Kosmonautin, die für Putin kämpft. In: www.zeit.de. 6. März 2012, abgerufen am 10. März 2020.
- Putin präsentiert Szenario für Verbleib an der Macht. In: www.afp.com. 10. März 2020, abgerufen am 10. März 2020.
- Frank Nienhuysen: Wie Putin noch länger Präsident sein könnte. In: www.sueddeutsche.de. 10. März 2020, abgerufen am 10. März 2020.
- spacefacts.de: Biografie
- Erste Frau im All denkt an Lebensabend auf dem Mars. Abgerufen am 14. März 2021 (österreichisches Deutsch).
- James T. Andrews, Asif A. Siddiqi: Into the Cosmos: Space Exploration and Soviet Culture. University of Pittsburgh Pre, 2011, ISBN 978-0-8229-7746-9, S. 87 (englisch, google.de [abgerufen am 7. April 2021]).
- Mary Dejevsky: The first woman in space: 'People shouldn’t waste money on wars'. In: The Guardian. 29. März 2017, ISSN 0261-3077 (englisch, theguardian.com [abgerufen am 7. April 2021]).
- Ethan Siegel: The First Woman In Space Turns 80, And You Probably Never Heard Of Her. Abgerufen am 7. April 2021 (englisch).
- Colin Burgess, Rex Hall: The First Soviet Cosmonaut Team: Their Lives and Legacies. Springer Science & Business Media, 2009, ISBN 978-0-387-84824-2, S. 233 (englisch, google.de [abgerufen am 7. April 2021]).
- Shayler David, Ian A. Moule: Women in Space - Following Valentina. 2006, ISBN 978-1-84628-078-8, S. 64 Verlag=Springer Science & Business Media (englisch, google.de [abgerufen am 7. April 2021]).
- Rex D. Hall, Shayler David, Bert Vis: Russia's Cosmonauts: Inside the Yuri Gagarin Training Center. Springer Science & Business Media, 2007, ISBN 978-0-387-73975-5, S. 100 (englisch, google.de [abgerufen am 7. April 2021]).
- Rex D. Hall, Shayler David, Bert Vis: Russia's Cosmonauts: Inside the Yuri Gagarin Training Center. Springer Science & Business Media, 2007, ISBN 978-0-387-73975-5, S. 103 (englisch, google.de [abgerufen am 7. April 2021]).
- Ben Evans: Escaping the Bonds of Earth: The Fifties and the Sixties. Springer Science & Business Media, 2010, ISBN 978-0-387-79094-7, S. 50 (englisch, google.de [abgerufen am 7. April 2021]).
- Colin Burgess, Rex Hall: The First Soviet Cosmonaut Team: Their Lives and Legacies. Springer Science & Business Media, 2009, ISBN 978-0-387-84824-2, S. 233–234 (englisch, google.de [abgerufen am 7. April 2021]).
- Benchmarks: June 16, 1963 & June 18, 1983: Valentina Tereshkova and Sally Ride become first and third women in space. 15. Mai 2014, abgerufen am 7. April 2021 (englisch).
- Colin Burgess, Rex Hall: The First Soviet Cosmonaut Team: Their Lives and Legacies. Springer Science & Business Media, 2009, ISBN 978-0-387-84824-2, S. 236 (englisch, google.de [abgerufen am 7. April 2021]).
- Colin Burgess, Rex Hall: The First Soviet Cosmonaut Team: Their Lives and Legacies. Springer Science & Business Media, 2009, ISBN 978-0-387-84824-2, S. 236 (englisch, google.de [abgerufen am 7. April 2021]).
- Валентина Владимировна Терешкова. Abgerufen am 7. April 2021.
- Tereshkova im Gazetteer of Planetary Nomenclature der IAU (WGPSN) / USGS
- Straßenlexikon Frankfurt: Valentina-Tereschkowa-Straße in Frankfurt/Oder (Memento vom 7. Dezember 2015 im Internet Archive)
- Schulen in Sachsen: Valentina-Tereschkowa-Grundschule
- Президент вручил Валентине Терешковой орден Александра Невского. Rossija K, 14. Juni 2013, abgerufen am 31. Januar 2014 (russisch).
- First UNESCO Space Science Medals awarded to four prominent scientists and space practitioners