Kombinat
Ein Kombinat (lat. combinatus ‚vereinigt‘, über russ. Комбинат), manchmal auch Großkombinat genannt, ist ein Zusammenschluss von produktionsmäßig eng zusammenarbeitenden Industriebetrieben zu einem Großbetrieb in sozialistischen Staaten. Das Kombinat in sozialistischen Staaten bildete das Pendant zum Konzern in kapitalistischen Staaten.
Kombinatsbegriff in der DDR
In der Zentralverwaltungswirtschaft der DDR war ein Kombinat eine konzernartige, also horizontal und vertikal integrierte Gruppe von Volkseigenen Betrieben (VEB) mit ähnlichem Produktionsprofil. Vorläufer waren seit 1948 die Vereinigungen Volkseigener Betriebe (VVB). In mehreren Zentralisierungsschüben ab Ende der 1960er Jahre wurden die VVB-Strukturen in Kombinate überführt.
Im Kombinat waren Produktion, Forschung, Entwicklung und Absatz einer Branche zusammengeschlossen. Ihre Struktur sollte einer verstärkten Rationalisierung und einer verbesserten, zentralisierten Steuerung der Produktionsabläufe dienen. Geleitet wurde das Kombinat von einem Stammbetrieb aus, der meist der größte VEB im Kombinat war. Innerhalb des Systems der DDR-Wirtschaft hatte jedes Kombinat die Planauflage, auch Konsumgüter für den Bedarf der Bevölkerung herzustellen, Vorgabe waren mindestens 5 % seiner Gesamtproduktion. Die Leiter der Kombinate waren zur Erfüllung der Staatlichen Planauflagen rechenschaftspflichtig.
Etwa seit Beginn der 1960er Jahre existierten in der DDR Schulkombinate. Diese befanden sich im ländlichen Raum und stellten zentralisierte größere Schulen der Form Polytechnische Oberschule als Nachfolger kleinerer Dorfschulen dar. Die Schüler wurden per öffentlichem Nahverkehr täglich zur Schule befördert oder übernachteten teilweise in einem angeschlossenen Internat während der Schulwoche.
Im Sprachgebrauch in der DDR wurde das Wort Kombinat auch für Firmenverbände im sozialistischen Ausland verwendet.
Kombinatsleitung
An der Spitze des Kombinates stand ein Generaldirektor (GD), der oft auch zugleich Direktor des Stammbetriebes war. Die Kombinatsleitung wurde durch weitere stellvertretende Generaldirektoren, Fachdirektoren und die Spitzen der Betriebsparteiorganisationen und Betriebsgewerkschaftsleitungen gebildet. Generaldirektoren der bedeutenden Kombinate waren hohe Nomenklaturkader, das heißt ihre Berufung musste zuvor vom ZK der SED bestätigt werden. Die politisierte Struktur der DDR-Planwirtschaft bedingte, dass die Generaldirektoren überwiegend SED-Kader waren. In der Hierarchie der DDR-Wirtschaft waren sie formal direkt dem zuständigen Fachminister sowie der zuständigen Fachabteilung im ZK der SED unterstellt, bei bezirksgeleiteten Kombinaten den entsprechenden Stellen auf Bezirksebene. Wichtige Entscheidungen wurden direkt vom ZK-Sekretär für Wirtschaftsfragen (ab Mitte der 1960er Jahre war dies Günter Mittag) getroffen. Innerhalb des Kombinates war der Generaldirektor als einzelverantwortlicher Leiter mit erheblichen Verfügungsrechten (z. B. zu eigenen Investitionsentscheidungen) ausgestattet. Unter anderem leitete und kontrollierte er die Direktoren der einzelnen VEB.
Arten von Kombinaten
Es gab ca. 167 zentralgeleitete Kombinate und etwa 90 Kombinate der bezirksgeleiteten Industrie, die als eine Art „Sammelstelle“ für kleinere „mittelständische“ Betriebe, insbesondere nach der letzten Verstaatlichungswelle 1972 eingerichtet wurden.
Im Kombinat Fernmeldebau der Deutschen Post waren die Fernmeldebauämter und weitere Baueinrichtungen der Deutschen Post zusammengefasst. Dieses Kombinat war Teil einer staatlichen Einrichtung, also einer Behörde.
Strukturbeispiel
- Stammbetrieb: VEB Werk für Technisches Glas Ilmenau – Sitz der Kombinatsleitung
- VEB Thermometerwerk Geraberg
- VEB Messinstrumente Schönbrunn
- VEB Glaswerke Stützerbach (Westglas)
- VEB Rosalinglaswerk Ilmenau
- VEB Glaswerk Gehlberg
- VEB Rennsteigglas Schmiedefeld am Rennsteig
- …
- VEB Thermometerwerk Geraberg
Insgesamt hatte das Ilmenauer Glaskombinat etwa 115 Betriebsteile, die in 18 größeren VEB organisiert waren. Die Mitarbeiterzahl betrug in allen Werken insgesamt etwa 13.000.
Liste bedeutender Kombinate in der DDR
Bei den Benennungen ist zu unterscheiden, dass nach den frühen Kombinatsbildungen der Name des Kombinats zuerst genannt und der Kombinatsbetrieb (und gegebenenfalls weitere Betriebsteile) angefügt wurden; das führte gelegentlich zu extrem langen Bezeichnungen. Vor Ende der DDR wurde dann der Betrieb zuerst genannt und angefügt, zu welchem Kombinat er gehörte bzw. Stammbetrieb welchen Kombinats er war.
Zum Beispiel:
- VEB Autobahnbaukombinat (ABK)
- Kombinat VEB NARVA „Rosa Luxemburg“
- VEB Bandstahlkombinat „Hermann Matern“, Eisenhüttenstadt mit Stammsitz im VEB Eisenhüttenkombinat Ost (EKO), Eisenhüttenstadt
- VEB Kombinat Baumwolle, Karl-Marx-Stadt
- VEB Bau- und Montagekombinat Kohle und Energie, Hoyerswerda (größter Baubetrieb der DDR)
- VEB Bau- und Montagekombinat (BMK) Magdeburg
- VEB Bau- und Montagekombinat Chemie, Halle[1]
- VEB Bergbau- und Hüttenkombinat „Albert Funk“, Freiberg, (Blei, Silber, Zink, Zinn, Nickel, Wolfram u. a. Metalle)
- VEB Chemiekombinat Bitterfeld (CKB), Bitterfeld
- VEB Chemiekombinat „Otto Grotewohl“, Böhlen
- VEB Chemieanlagenbau Leipzig-Grimma (CLG)
- VEB Kombinat Deko, Plauen
- VEB Deutfracht Seereederei, Rostock
- VEB Deutrans Internationale Spedition, Berlin
- VEB Elektro-Apparate-Werke, Stammbetrieb Elektro-Apparate-Werke Berlin-Treptow „Friedrich Ebert“ (EAW), Berlin-Treptow
- VEB Feinkeramik, Stammbetrieb Kahla mit u. a. den Porzellanwerken Colditz und Ilmenau
- VEB Fotochemisches Kombinat, Wolfen (Marke ORWO)
- VEB Gaskombinat Schwarze Pumpe, Schwarze Pumpe
- VEB Industriebaukombinat (IBK) Magdeburg
- VEB IFA-Kombinat Nutzkraftwagen, Ludwigsfelde
- VEB IFA-Kombinat Anhänger, Werdau
- VEB Kombinat Fortschritt Landmaschinen, Neustadt
- VEB IFA-Kombinat PKW, Karl-Marx-Stadt
- VEB IFA-Kombinat für Zweiradfahrzeuge, Suhl
- VEB Kombinat Automatisierung und Anlagenbau (KAAB), Berlin
- VEB Kombinat Baumaschinen, komplette Anlagen und Erdbewegungsmaschinen (Baukema), Leipzig
- VEB Carl Zeiss, Jena
- VEB Kombinat Chemische Werke „Walter Ulbricht“, Leuna
- VEB Kombinat Chemische Werke Buna, Schkopau
- VEB Kombinat Datenverarbeitung
- VEB Kombinat Elektromaschinenbau (VEM), Dresden
- VEB Kombinat Elektronische Bauelemente (KEBT), Teltow
- VEB Kombinat Gartengeräte Steinbach-Hallenberg, Steinbach-Hallenberg
- VEB Kombinat Getreidewirtschaft
- VEB Kombinat Getriebe und Kupplungen, Magdeburg
- VEB Kombinat Gießereianlagenbau und Gußerzeugnisse (Gisag), Leipzig
- VEB Kombinat Haushaltsgeräte Karl-Marx-Stadt
- VEB Kombinat Holzspielwaren VERO Olbernhau
- VEB Kombinat Kabelwerk Oberspree, Berlin
- Kombinat VEB Keramische Werke Hermsdorf (KWH), Hermsdorf (Thüringen)
- VEB Kombinat Kraftwerksanlagenbau (K.A.B.), Berlin
- VEB Kombinat Lausitzer Glas, Weißwasser
- VEB Kombinat Lederwaren Schwerin
- VEB Kombinat Leuchtenbau Leipzig
- Kombinat VEB Lokomotivbau Elektrotechnische Werke „Hans Beimler“ Hennigsdorf (LEW)
- VEB Kombinat Luft- und Kältetechnik (ILKA), Dresden
- VEB Kombinat Medizin- und Labortechnik Leipzig
- VEB Kombinat Mikroelektronik „Karl Marx“ Erfurt
- VEB Kombinat Nahrungsgüter- und Getränke-Maschinenbau (Nagema), Neubrandenburg
- VEB Kombinat Nahrungsmittel und Kaffee Halle/Saale (NAKA)
- VEB Kombinat Plasta Werke, Sonneberg
- VEB Kombinat Plaste und Chemie, Wolkenstein
- VEB Kombinat Pumpen und Verdichter, Halle[2]
- VEB Kombinat Polygraph „Werner Lamberz“, Leipzig (polygraphischer Maschinenbau)
- VEB Kombinat Robotron, Dresden
- VEB Kombinat Rundfunk- und Fernmelde-Technik (RFT), Leipzig (Radio-Fernsehen-Tonmechanik)
- VEB Kombinat Schienenfahrzeugbau DDR, Berlin
- VEB Kombinat Schiffbau, Rostock-Warnemünde
- VEB Kombinat Seeverkehr und Hafenwirtschaft
- VEB Kombinat Solidor Heiligenstadt
- VEB Kombinat Spielwaren Sonneberg
- VEB Kombinat Spirituosen, Wein und Sekt
- VEB Kombinat Sportgeräte Schmalkalden, Schmalkalden
- VEB Kombinat Süßwaren Delitzsch
- VEB Kombinat Technische Gebäudeausrüstung (TGA), Leipzig
- VEB Kombinat TEXTIMA, Karl-Marx-Stadt
- VEB Kombinat Umformtechnik, Erfurt (Großpressen)
- VEB Kombinat Verpackung, Leipzig
- VEB Kombinat Zellstoff und Papier Heidenau
- VEB Kombinat Magdeburger Armaturenwerke „Karl Marx“, Magdeburg
- VEB Meßgerätewerk „Erich Weinert“, Magdeburg
- VEB Mansfeld Kombinat Wilhelm Pieck (MKWP), Lutherstadt Eisleben, (Kupfer, Blei, Silber, Zink)
- VEB Kombinat Kali, Sondershausen, (Kalidüngemittel und chemische Grundstoffe, Salz, Spatprodukte)
- VEB Petrolchemisches Kombinat (PCK), Schwedt/Oder
- VEB Pharmazeutisches Kombinat Germed
- VEB Qualitäts- und Edelstahl-Kombinat (QEK), Hennigsdorf (z. B. Entwicklung des QEK-Junior als Beitrag zur Konsumgüterproduktion)
- VEB Reifenkombinat Fürstenwalde
- VEB Rohrkombinat Riesa
- VEB Sachsenring, Zwickau
- VEB Schuhkombinat „Banner des Friedens“, Weißenfels[3]
- VEB Schwermaschinenbau „Karl Liebknecht“ (SKL), Magdeburg
- VEB Schwermaschinenbau-Kombinat „Ernst Thälmann“ (SKET), Magdeburg
- VEB Spezialbaukombinat Magdeburg (SBKM)
- VEB Schwermaschinenbaukombinat Tagebauausrüstungen, Krane, Förderanlagen (TAKRAF), Leipzig
- VEB Strumpfkombinat ESDA, Thalheim
- VEB Werkzeugmaschinenkombinat „7. Oktober“, Berlin (Stammwerk hieß bis 1950 VEB Deutsche Niles Werke, Marke NILES)
- VEB Werkzeugmaschinenkombinat „Fritz Heckert“, Karl-Marx-Stadt
- VEB Werkzeugkombinat Schmalkalden, Schmalkalden
- diverse Wohnungsbaukombinate (WBK), bezirks- (z. B. VEB Wohnungsbaukombinat „Fritz Heckert“ Berlin) oder regional-geleitet, wie z. B. VE Wohnungsbaukombinat Greifswald
- diverse Energiekombinate (Kraftwerke, Verteilungen, Umspannwerke)
- diverse Braunkohlekombinate (Tagebaue, Brikettfabriken)
- diverse Kombinate Industrielle Mast (KIM), (Geflügel- und Eierproduktion, Käfighaltung)
- diverse Kraftverkehrskombinate in den Bezirken (Omnibus- und Güterkraftverkehr, Spedition)
- VEK Lautex – Oberlausitzer Textilbetriebe
Beispiel für ein bezirksgeleitetes Kombinat
- Kombinat Großhandel Waren des täglichen Bedarfs Karl-Marx-Stadt – Anfang der 80er Jahre aus mehreren Großhandelsgesellschaften (GHG) gebildet
Dienstleistungskombinate
Dienstleistungskombinate wie das VEB Dienstleistungskombinat Berlin, waren keine Kombinate im Sinne der obigen Definition, sondern eigenständige Kreis- oder bezirksgeleitete Betriebe, die eine Vielzahl von Dienstleistungen für die die Bevölkerung erbrachten. Daher wurden sie ebenfalls als Kombinate bezeichnet. Sie wurden bereits ab den 50er Jahren und verstärkt in den 70er Jahren gegründet. Sie betrieben unter anderem zahlreiche Komplexannahmestellen für ihre Leistungen.[4]
Auflösung der Kombinate
Literatur
- Reiner Breuer: Zum Prozess der Kombinatsbildung in der Industrie der DDR am Ende der sechziger Jahre. in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1983/4, Akademie-Verlag, Berlin 1983, S. 25–51 (Digitalisat des gesamten Jahrbuches)
- Lothar Fritze: Organisations- und Machtstrukturen ehemaliger DDR-Kombinate. Zerfallsprozesse der zentralgesteuerten Wirtschaftseinheiten als Hemmschuhe oder Katalysatoren des Übergangs zur Marktwirtschaft (= KSPW Kurzstudie. 110). KSPW, Halle 1995.
- Rohnstock Biografien (Hrsg.): Die Kombinatsdirektoren: Jetzt reden wir. Was heute aus der DDR-Wirtschaft zu lernen ist, Verlag edition berolina, 4. Auflage, Berlin 2013, ISBN 9783867898133.
Weblinks
- Kombinatsdirektoren erzählen Ein Projekt zur Erkundung der DDR-Wirtschaftsgeschichte
- Umfangreiche Liste von Kombinaten in der DDR (privat)
Einzelnachweise
- http://recherche.landesarchiv.sachsen-anhalt.de/Query/detail.aspx?id=3842
- http://recherche.landesarchiv.sachsen-anhalt.de/Query/detail.aspx?id=4100
- http://recherche.landesarchiv.sachsen-anhalt.de/Query/detail.aspx?id=431800
- vgl. Rita Aldenhof-Hübinger: „Achtung, Chemischreinigung!“ Handwerk und Dienstleistung in der DDR, in: Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR e.V. (Hg.): Fortschritt, Norm und Eigensinn, Berlin 1999, ISBN 3-86153-190-9, S. 105–112.