Totes Meer
Das Tote Meer ist ein abflussloser See, der mehr als 430 m unter dem Meeresspiegel liegt, vom Jordan gespeist wird und für seinen hohen Salzgehalt bekannt ist.[2] Es grenzt an Jordanien, Israel und das Westjordanland.
Totes Meer | ||
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Falschfarben-Satellitenbilder des Toten Meeres aus den Jahren 1972, 1989, 2011 | ||
Geographische Lage | Israel, Jordanien, Westjordanland | |
Zuflüsse | Jordan, Nachal Ze’elim, Wadi Sdeir, Wadi Murabbaʿat, Wadi Mudschib, Nachal Mischmar, Nachal Chever, Nachal Arugot | |
Abfluss | abflusslos | |
Orte am Ufer | En Gedi, Sedom, Al-Mazra | |
Daten | ||
Koordinaten | 31° 29′ N, 35° 29′ O | |
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Höhe über Meeresspiegel | [1]) | −430 m (Stand 2016. Sinkt derzeit >1 m pro Jahr durch zunehmende Austrocknung.|
Fläche | 810 km² (nördliches Becken) | |
Länge | 67 km | |
Breite | 18 km | |
Volumen | 147 km³ | |
Umfang | 135 km | |
Maximale Tiefe | 380 m; Seeboden 800 m u. M. | |
Mittlere Tiefe | 120 m | |
Besonderheiten |
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Das Tote Meer ist der am tiefsten gelegene See der Erde und die tiefste zugängliche Landstelle auf der Erdoberfläche.
Gewässernamen
Der heute in den meisten Sprachen gebräuchliche Name ‚Totes Meer‘ war bereits in der Antike geläufig, so bei Pausanias im 2. Jahrhundert als θάλασσα ἡ Νεκρά thálassa hḕ Nekrá und Iustinus im 2. oder 3. Jahrhundert als Mare mortuum. Daneben wurde der See in der Antike auch ‚Asphaltsee‘ genannt, unter anderem bei Diodor und Plinius dem Älteren.[3] Der hebräische Name, der sich bereits im Alten Testament findet, lautet ים המלח Jam haMelach ‚Salzmeer‘. Im Arabischen sind die Bezeichnungen البحر الميّت, DMG al-Baḥr al-Mayyit ‚das tote Meer‘ und بحر لوط / Baḥr Lūṭ /‚Meer des Lot‘ üblich (siehe auch antike Darstellungen).
Geografie
Topographie
Das Tote Meer ist ein rund 900 km² (Nord-Süd-Ausdehnung ca. 90 km, West-Ost-Ausdehnung max. 17 km) großer Salzsee, der als Endsee in einer abflusslosen Senke liegt. Sie ist Teil des Jordangrabens, des nördlichsten Astes des Großen Afrikanischen Grabenbruchs. Das Tote Meer ist in einen nördlichen und einen südlichen Teil getrennt. Seine Wasseroberfläche wird noch häufig mit Werten um 396 m unter dem Meeresspiegel angegeben; tatsächlich liegt der Wasserspiegel des nördlichen Teils aufgrund fortschreitender Austrocknung bereits seit einigen Jahren unter 430 m unter dem Meeresspiegel.[1] Das Ufer des Sees bildet damit den am tiefsten gelegenen, nicht von Wasser oder Eis (Bentley-Subglazialgraben) bedeckten Bereich der Erde. Damit ist das Tote Meer der am tiefsten gelegene See der Erde. Der See mit dem tiefstgelegenen Grund ist dagegen der Baikalsee. Bei ihm liegt der tiefste Punkt bei 1186 m unter dem Meeresspiegel,[4] während der tiefste Punkt des Toten Meeres bei 794 m unter dem Meeresspiegel liegt.
Klima
Das Klima am Toten Meer ist ganzjährig sonnig bei geringer Luftfeuchtigkeit. Im Jahresverlauf fallen weniger als 50 mm Niederschlag. Die mittleren Höchsttemperaturen bewegen sich im Sommer zwischen 32 und 39 °C, im Winter zwischen 20 und 23 °C. Im Durchschnitt gibt es 192 Tage mit mehr als 30 °C Höchsttemperatur. Die Wassertemperatur liegt zwischen 19 °C im Februar und 31 °C im August.[5]
Salzgehalt, Flora und Fauna
Der Salzgehalt des Toten Meeres liegt bei bis zu 33 %, im Durchschnitt liegt er bei rund 28 % (zum Vergleich: das Mittelmeer hat einen durchschnittlichen Salzgehalt von 3,8 %). Noch salzhaltiger sind nur der Lac Retba in Senegal mit etwa 39 %,[6] der Assalsee in Dschibuti mit knapp 35 %, der Kara-Bogas-Gol in Turkmenistan mit bis zu 34 %, der Tuz Gölü in der Türkei mit bis zu 37 % sowie einige Seen in den antarktischen Trockentälern (Don-Juan-See, etwa 44 %).
Die Mineralzusammensetzung des Salzes des Toten Meeres unterscheidet sich deutlich von der Salzzusammensetzung von Meerwasser. Es enthält ungefähr 50,8 % Magnesiumchlorid, 14,4 % Calciumchlorid, 30,4 % Natriumchlorid und 4,4 % Kaliumchlorid, bezogen auf die wasserfreien Salze. Der Rest entfällt auf zahlreiche Spurenelemente. Es enthält wenig Sulfat, jedoch relativ viel Bromid.
Aufgrund des hohen Salzgehalts hat das Seewasser eine Dichte von ca. 1,240 kg/l.[7]
Das Tote Meer hat keinen Abfluss. Im trockenen Wüstenklima verdunstet das Wasser, wobei Mineralien, Salze und anderes zurückbleiben und sich im Toten Meer anreichern. Durch den Zufluss von Jordanwasser und den Entzug von Verdunstungswasser pegelt sich die Höhe des Wasserspiegels ein. Negativ beeinflusst wird der Wasserpegel durch die künstliche Verdunstung der kommerziellen Salzgewinnung.
Die Zusammensetzung der Salze im Toten Meer ist hygroskopisch, was dazu führt, dass bei moderaten Temperaturen Wasser aus dem Toten Meer nie ganz verdunstet und sich auch keine Salzkrusten oder -kristalle bilden.
Entgegen dem Namen ist das Tote Meer biologisch nicht tot, allerdings beschränkt sich das Leben weitgehend auf verschiedene Extremophile, vor allem halophile Mikroorganismen. Diese gehören überwiegend der Domäne der Archaeen an, jedoch sind auch Salpeter-, Schwefel- und Cellulose-abbauende anaerobe Bakterien vertreten. 2011 wurde eine unerwartet reiche Vielfalt an Mikroorganismen im Toten Meer entdeckt, welche in der Umgebung von Süßwasserquellen am Grund des Toten Meeres vorkommen. Sie bilden am Seeboden großflächige Algen- und Bakterienmatten. Die Konzentration an Mikroorganismen pro Milliliter ist mit 1.000 bis 10.000 deutlich geringer als in normalem Meereswasser. Von manchen der dort entdeckten Mikroorganismen war ein Vorkommen in einem solch salzhaltigen Milieu bisher nicht bekannt. Viele andere Mikroorganismen waren der Wissenschaft bisher gänzlich unbekannt. 1992 führten Mikrobenblüten zu einer Rotfärbung des Toten Meeres.[8][9]
Auch manche Pflanzen mit großer Salztoleranz, die Halophyten, können in dieser extremen Umwelt überleben.
Senklöcher
Weil der Spiegel des Toten Meeres sinkt, reißen am Ufer immer mehr tiefe gefährliche Krater auf. Früher bedeckte das Tote Meer mit seiner hochgesättigten Salzlösung die festgebackenen Solschichten. Mit dem Absinken des Wasserspiegels sickerte Süßwasser nach, das die Salzschicht immer mehr auflöst. 2017 gab es bereits rund 6000 Senklöcher allein auf der israelischen Seite. Dem ökologischen Desaster fielen Mango- und Dattelplantagen, ein Campingplatz, ein Kiosk und ein Strandrestaurant zum Opfer, und ganze Straßenzüge mussten gesperrt werden.[10]
Tourismus
Touristisch interessante Orte am Toten Meer sowie in der näheren Umgebung sind En Bokek, Neve Zohar, die Oase En Gedi sowie Masada, Jericho und die Höhlen von Qumran. Auf der jordanischen Ostseite des Toten Meeres befinden sich auf der Lisan-Halbinsel die Orte Numeira und Bab edh-Dhra (auch bekannt als Dhra). Es gibt Annahmen, dass sie am Ort der Städte Sodom und Gomorra stehen, die nach biblischer Überlieferung zerstört wurden. Dhra ist einer der archäologisch ältesten Orte mit Belegen für den frühen Ackerbau (hier 9500 v. Chr.). Mehr als 20.000 bronzezeitliche Schachtgräber werden hier vermutet, erst wenige sind ausgegraben.
Bedeutend für die Region ist auch der Badetourismus. Aufgrund des hohen Salzgehaltes, der fast das Zehnfache der Ozeane beträgt, und der damit verbundenen hohen Dichte trägt das Wasser den menschlichen Körper außergewöhnlich gut; man kann allerdings dennoch ertrinken. Es gibt dort nach einem Bericht des Roten Davidsterns entgegen landläufiger Meinung neben Todesfällen viele Beinahe-Ertrink-Unfälle, wie auch an anderen Badeseen. Die Menschen verlieren am Toten Meer oft die Balance und schlucken dann große Mengen an Wasser.[11][12] Dies ist lebensgefährlich, da es schwere Lungenverletzungen verursachen kann.[13] Das Salz verursacht schon an kleinsten Hautverletzungen brennenden Schmerz.[14] Sehr unangenehm ist das konzentrierte Salzwasser in den Augen. Am Ufer sind die Salzverkrustungen oft scharfkantig.
Gleichzeitig besitzen die Mineralien des Toten Meeres eine heilende Wirkung bei Hautkrankheiten, sodass in manchen Fällen von Neurodermitis und Psoriasis ein Kuraufenthalt bzw. Klimaheilbehandlungen auch von deutschen Krankenkassen bezahlt werden. Auch Kurorte in Deutschland bieten Bäder in Totem-Meer-Salzwasser an. Die Mineralien werden auch in Kosmetika verarbeitet und das Salz in Originalzusammensetzung ist ein beliebter Artikel in Apotheken und Drogerien, oft verkauft in Paketen mit mehreren Kilogramm Inhalt, um zuhause in der Badewanne einen hohen Salzgehalt zu erzielen.
Die therapeutisch nutzbaren Bedingungen am Toten Meer erstrecken sich zudem auf einen höheren Luftdruck (+ ca. 50 hPa bzw. 5 % höher als der Druck auf Meeresniveau) und demzufolge einen höheren Sauerstoffpartialdruck. Diese dichtere Atmosphäre absorbiert zusammen mit dem Wüstenstaub und dem ständigen Dunstschleier aufgrund der starken Verdunstung einen größeren Teil der Ultraviolettstrahlung als auf Meeresniveau. Die kurzwelligen UVB-Strahlen werden dadurch um ca. 30 Prozent gegenüber nahe gelegenen Orten, die 300 Meter über dem Meeresspiegel liegen, verringert.[15][16]
Antike Darstellungen
Sehr frühe Erwähnungen des Toten Meeres, wenngleich nur beiläufig, finden sich im Alten Testament. Darin wird es, aus naheliegenden Gründen, als ‚Meer der Wüste‘ oder ‚Meer der Steppe‘ (hebr.: jam ha-’arabah; griech.: θάλασσα Αραβα, thálassa Araba; lat.: mare deserti, mare solitudinis)[17] und als ‚Salzmeer‘ oder ‚(sehr) salziges Meer‘ bezeichnet (jam ha-melach; θάλασσα τῶν ἁλῶν oder ἁλός, thálassa ton halón oder halós, θάλασσα ἡ ἁλυκή, thálassa he halyké; mare salis, mare salissimum; Gen 14,3 ; Num 34,3.12 ; Jos 15,2.5 ; 18,19 ). Ferner taucht im Alten Testament die Bezeichnung ‚das östliche‘ oder ‚das vordere Meer‘ (ha-jam ha-qadmoni; ἡ θάλασσα ἡ πρὸς ἀνατολάς, he thálassa he pros anatolás, ἡ θάλασσα ἡ πρώτη, he thálassa he próte; mare orientale) auf, wobei das Tote Meer hier dem Mittelmeer gegenübergestellt wird, das mit dem Namen ‚das westliche‘ oder ‚das hintere Meer‘ belegt ist (Ez 47,18 ; Joel 2,20 ; Sach 14,8 ).[18]
Plinius der Ältere, ein römischer Autor des 1. Jh. n. Chr., kommt auf das Tote Meer – bei ihm ‚Asphaltsee‘ (Asphaltites) genannt – an mehreren Stellen seiner Naturalis historia zu sprechen: Es habe eine Länge von über 100 Meilen (entspricht etwa 150 km) und eine Breite von bis zu 75 Meilen (ca. 113 km).[19] In Buch 5 heißt es: „Der Asphaltsee erzeugt nichts außer Erdpech, woher er auch seinen Namen hat. Er nimmt keinen Tierkörper auf, Stiere und Kamele treiben an der Oberfläche; daher entstand das Gerücht, daß in ihm nichts versinke.“[20] Diese Beschreibung ist jedoch, ganz abgesehen von den weit übertriebenen Größenangaben, irreführend; denn das Tote Meer war auch damals kein Asphaltsee im eigentlichen Sinn. Mit ‚Stieren‘ und ‚Kamelen‘ sind wohl die ‚Stiere‘ und ‚Kälber‘ gemeint, die Diodoros, ein griechischer Geschichtsschreiber der hellenistischen Ära, im Zusammenhang mit dem Toten Meer erwähnt, das auch bei ihm schon ‚Asphaltsee‘ (Ἀσφαλτῖτις λίμνη, Asphaltítis límne) heißt. Damit bezeichneten, Diodor zufolge, die im Umland des Sees lebenden Nabatäer keine echten Tiere, sondern auf dem Wasser schwimmendes „Erdpech“.[21] Weil dieser Naturasphalt ein begehrter Rohstoff, u. a. für die Mumifizierung von Toten,[22] war, fuhren sie auf den See hinaus, sobald sich ein solcher Erdpechklumpen zeigte, bargen den Asphalt und verkauften ihn „mit beträchtlichem Gewinn“.[21] Der Asphalt stammt wahrscheinlich aus einem an organischer Substanz (Kerogen) stark angereicherten Sedimentgestein („Ölschiefer“) im Untergrund des Sees. Von dort aus migriert er im stark salzhaltigen Porenwasser der Deckschichten bis zum Seegrund, löst sich bei starken Erdbeben ab und steigt zur Oberfläche des Sees auf.[22][23]
Auch die heute gängige Bezeichnung ‚Totes Meer‘ (Θάλασσα Νεκρά, Thalassa Nekra; mortuum mare) ist bereits in Schriften aus der Antike überliefert. Unter diesem Namen wird der See in der Epitoma Historiarum Philippicarum Trogi Pompeii (vermutlich 3. Jh. n. Chr.) des römischen Geschichtsschreibers Justinus wiederum sehr verzerrt dargestellt. Darin heißt es: „Der See wird wegen der Größe und völligen Bewegungslosigkeit seines Gewässers ‚Totes Meer‘ genannt. Denn weder gerät er durch Stürme in Bewegung, da das Erdpech, durch welches das ganze Wasser zähflüssig gemacht wird, jedem Luftwirbel widersteht, noch ist er mit Schiffen befahrbar, weil alle leblosen Gegenstände darin in der Tiefe versinken.“[24] Wesentlich näher an der Realität ist der berühmte Arzt Galenus, der den Namen ‚Totes Meer‘ in seinem Werk De Simplicium Medicamentorum Temperamentis daraus ableitet, dass „im Wasser dieses Sees weder tierisches noch pflanzliches Leben irgendwelcher Art entsteht; die beiden Flüsse, die in es münden, besonders derjenige, der nahe an Jericho vorbeifließt, beherbergen zwar große Fische in großer Zahl, von denen aber keiner die Mündung passiert. Wenn man sie fängt und in den See wirft, dauert es nicht lange, bis man sie verenden sieht.“[24]
Wasserspiegel
In den 1930er Jahren strömten jährlich etwa 1300 Mio. m³ Wasser ins Tote Meer, heute sind es noch etwa 310 Mio. m³.
Es wird angenommen, dass der Pegel um 2000 v. Chr. mit −250 m am höchsten stand. Zwischen 1850 und 1970 hielt sich der Pegel gemäß Schätzungen ziemlich konstant bei etwa -390 bis -400 m, seitdem sinkt er durch zunehmende Austrocknung.[25] Im Zeitraum seit 1994 betrug diese Abnahme schon durchschnittlich 1 m pro Jahr, in den Jahren seit 2005 sogar jedes Jahr >1 m (Stand 2018).[1] Mit Stand Januar 2014 lag der Pegel bei 427,79 Meter unter dem Meeresspiegel.[26]
Nach einer Mitteilung der Hebräischen Universität von Jerusalem wurden bei Bohrungen im Jahr 2010 in einer Tiefe von 250 Metern unter dem Seeboden dicke Salzablagerungen unter schlammigen Sedimentschichten entdeckt. Dies sei ein Hinweis darauf, dass das Tote Meer vor rund 125.000 Jahren aufgrund klimatischer Ursachen fast völlig ausgetrocknet war.[27]
Das Tote Meer wird durch die jordanische Halbinsel Lisan – etwa auf Höhe der antiken Festung Masada – in einen kleineren Südteil (Tiefe 4 bis 6 Meter) und in einen größeren Nordteil (Tiefe über 370 Meter) geteilt.[28][29][27] Beide Teile liegen auf unterschiedlichen Höhenniveaus. Sie sind an ihrer schmalsten Stelle rund 600 m voneinander entfernt und durch einen rund 13 km langen, regulierten wasserführenden Kanal (Ha’Lashon Kanal) sowie durch mehrere – kaum wasserführende – Rinnen miteinander verbunden.[30]
Nördlicher Teil des Toten Meeres
Durch die ständige Wasserentnahme aus dem Jordan zur Versorgung Israels und Jordaniens mit Trinkwasser und zur Bewässerung in der Landwirtschaft ist der nördliche Teil des Toten Meeres von schleichender Austrocknung bedroht. 2007 betrug der Pegel 420 m unter dem Meeresspiegel, 2011 lag der Pegel bei 426 m unter dem Meeresspiegel.[27] Er sinkt seit den 1980er Jahren jährlich um etwa einen Meter, da die Zuflussmenge bei gleichbleibend starker Verdunstung (deren absolute Menge proportional zur Restoberfläche sinkt) abnimmt. In den letzten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ist die Oberfläche des Sees um rund ein Drittel geschrumpft. Bis zum Jahre 2020 wird ein Rückgang des Wasserstandes auf 430 m unter dem Meeresspiegel prognostiziert. Eine Folge davon ist, dass sich im Umfeld des Sees zahlreiche Einsturztrichter bilden; sie entstehen oft spontan und füllen sich später mit Salzlauge. Aktuell (2011) bildet sich im Mittel ein Einsturztrichter pro Tag.[31]
Pläne zur Rettung des Toten Meeres sehen vor, einen 300 km langen und fünf Milliarden US-Dollar teuren Totes-Meer-Kanal vom Roten Meer zu graben. Das durch den Kanal zugeführte Wasser könnte den Wasserspiegel stabil halten, und gleichzeitig könnte das Gefälle zur Energiegewinnung genutzt werden. Wissenschaftliche Studien warnen allerdings vor den Risiken eines solchen Vorhabens: Gefahr bestehe zum einen für die Korallenriffe im Golf von Akaba, von wo das für das Tote Meer gedachte Wasser entnommen werden soll. Zum anderen könne die Vermischung des kalziumhaltigen Wassers des Toten Meeres mit dem sulfatreichen Wasser aus dem offenen Meer zu großflächiger Calciumsulfat-Ausfällung (Gipsbildung) im Toten Meer führen.
Dem Projekt wurde 2021 von jordanischer Seite eine endgültige Absage erteilt.[32]
Südlicher Teil des Toten Meeres
Demgegenüber steigt der Pegel des südlichen Teils des Toten Meeres seit einigen Jahren kontinuierlich um rund 20 cm pro Jahr an. Ursache hierfür sind große Mengen an Salzablagerungen, die sich als Nebenprodukt einer industriellen Mineraliengewinnung auf dem Grund des südlichen Teils anlagern.[28] Das Tote Meer eignet sich für die industrielle Mineraliengewinnung aus folgendem Grund: Es „weist eine außergewöhnliche Konzentration an Kalium, Brom, Magnesium und Jod auf“ und ist damit „nicht nur das salzreichste, sondern auch das an Mineralien reichste Gewässer der Erde“. Zudem werden „Industrie- und Speisesalz und in den Dead Sea Works in Sdom Pottasche gewonnen“.[29]
Während der nördliche Teil des Toten Meeres zunehmend austrocknet und sich die Uferlinie dadurch von den ursprünglichen Badeorten und Badestellen zurückzieht, sind die Badeorte und Badestellen im südlichen Teil von einer Überflutung bedroht. Der Umweltwissenschaftler Alon Tal wurde neben anderen Wissenschaftlern von der Israelischen Regierung damit beauftragt, eine Lösung für dieses Problem zu finden. Er befürchtete 2011, ohne Gegenmaßnahmen werde „in fünf bis zehn Jahren das Wasser in den Hotellobbys stehen“.[28]
Schifffahrt
Allgemeines
Anders als beim See Genezareth diente die über die Zeiten nicht durchgängig betriebene Schifffahrt aufgrund des hohen Salzgehalts nie dem Fischfang, sondern nur dem Transport.
Antike
Pompeius Trogus, Historiker des ersten Jahrhunderts vor Christus, war der Meinung, eine Schifffahrt sei auf dem Toten Meer nicht möglich.[33]
Mittelalter
Während der Zeit des Byzantinischen Reichs fand Schifffahrt statt und diente nach der Darstellung auf der Mosaikkarte von Madaba (Mitte 6. Jahrhundert) dem Getreidehandel. Im 12. Jahrhundert gibt es Berichte eines Seehandels mit Datteln und anderen Lebensmitteln.[34]
Mit dem Ende des Königreichs Jerusalem im Jahre 1291 ging auch die Ära der mittelalterlichen Schifffahrt zu Ende. Von da an herrschte auch wieder der Glaube vor, eine Schifffahrt sei gar nicht möglich.[34]
Neuzeit
Der Glaube an die Unbefahrbarkeit des Toten Meeres hielt sich bis ins 19. Jahrhundert. Der Versuch eines Engländers namens Costigan, der dabei 1835 umkam, schien die Unbefahrbarkeit zu bestätigen. Kurz darauf, im Jahre 1837, befuhren die Engländer Moore und Beck das Tote Meer erfolgreich, und 1848 nutzte William Francis Lynch, ein Lieutenant der US Navy, erstmals ein Schiff mit metallenem Rumpf.[35] 1908 wurde das Tote Meer erstmals mit einem Motorboot befahren.[34]
Im Ersten Weltkrieg befuhr das 23 Meter lange Versorgungsschiff Adele der deutschen Marine das Tote Meer. Es war in Einzelteilen per Pferdeanhänger von Haifa zum Toten Meer transportiert worden und diente dem Transport von Waffen, Munition und Lebensmitteln zwischen dem jordanischen Kerak und Jerusalem. Die Lieferungen gingen vor allem an die verbündeten türkischen Truppen, die gegen die Briten kämpften.[36] Andere Quellen sprechen davon, dass im Ersten Weltkrieg „über 200 Schiffe“ des deutschen Asien-Korps die Türken bei Be’er Scheva im Kampf gegen die britischen Truppen von General Edmund Allenby unterstützten.[37]
Ende des 20. Jahrhunderts gab es Bemühungen, einen touristischen Schiffsverkehr auf dem Toten Meer einzurichten. Technisches Problem war die schnelle Salzkrustenbildung, vor allem aber bestand die politische Schwierigkeit, dass die Touristen in Jordanien nicht ohne Grenzformalitäten an Land gehen konnten. Diese Bemühungen um eine Verbesserung dauerten bis zum Beginn der Zweiten Intifada im September 2000.[38]
Heute (Stand 2013) gibt es einen einzigen Schiffsbetreiber am Toten Meer, nämlich Marine Services & Underwater Works in En Gedi am israelischen Westufer. Das Unternehmen ist seit Mitte der 1970er Jahre tätig. Es arbeitet vor allem im Auftrag von Forschungsinstituten. In diesem Rahmen finden auch U-Boot-Tauchgänge bis 200 m Tiefe statt.[39][40][41]
Filme, Fotografien
- Trockengelegt – Konfliktherd Totes Meer. Dokumentarfilm (75 Min.) von German Gutierrez. Produktion: ARTE 2013.
- Das Tote Meer. Dokumentation (45 Min.) von Alex West und Daniel Percival. Produktion: SWR. Erstsendung: 22. Juli 2007.
- Spencer Tunick: Nacktes Meer. Fotografische Aktion mit 1200 Freiwilligen am Ufer, September 2011.[42]
Literatur
- Immanuel Benzinger: Ἀσφαλτῖτις λίμνη. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band II,2, Stuttgart 1896, Sp. 1729 f.
- Martin Peilstöcker, Sabine Wolfram (Hrsg.): Leben am Toten Meer. Archäologie aus dem Heiligen Land. smac / Landesamt für Archäologie Sachsen, Dresden 2019, ISBN 978-3-943770-47-6.
Weblinks
- Literatur von und über Totes Meer im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Zeitungsartikel über die Ausbeutung des Toten Meeres (vor 1945) in der Pressemappe 20. Jahrhundert der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft
- Digitale Ausstellung smac+ zum Leben am Toten Meer - Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz
Einzelnachweise
- Kishcha et al., 2018
- Drohende Überflutung: Hoteliers am Toten Meer schmieden Rettungsplan. In: Spiegel Online. 29. Juni 2011, abgerufen am 13. Dezember 2019.
- Othmar Keel, Max Küchler: Orte und Landschaften der Bibel. Band 2, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1982, ISBN 3-545-23042-2, S. 238 f. (Vorschau in der Google-Buchsuche).
- http://users.ugent.be/~mdbatist/intas/morphometry.htm geografische Daten zum Baikalsee
- Psoriasis RX: Dead Sea Psoriasis Treatments, abgerufen am 7. Juli 2013.
- Papa Sow: Uncertainties and conflicting environmental adaptation strategies in the region of the Pink Lake, Senegal. Zentrum für Entwicklungsforschung, Universität Bonn, August 2012, ISSN 1864-6638. Abgerufen am 28. März 2014.
- Archivierte Kopie (Memento vom 4. November 2013 im Internet Archive)
- Kartin Kloosterman: New Life In Dead Sea Found! Artikel vom 21. September 2011 auf greenprophet.com, abgerufen am 20. Januar 2012.
- Süßwasserquellen bringen Leben ins Tote Meer. Spiegel Online, 29. Juni 2006, abgerufen am 22. September 2011.
- Das Tote Meer zieht sich zurück. 3. Oktober 2017, abgerufen am 3. April 2020.
- Wladimir Struminski: Mail aus Jerusalem. Gays, Geborgenheit, Glück und Gefahr. In: Jüdische Allgemeine vom 26. August 2010.
- Dan Even: Contrary to Popular Belief, New Report Shows You Can Drown in the Dead Sea. In: Haaretz vom 18. August 2010: “Magen David Adom reports that of 117 near-drowning incidents that paramedics have attended to since the start of 2010, 17 % have been at the Dead Sea.”
- Lisa R. Saidel-Odes, Yaniv Almog: Near-Drowning in the Dead Sea: A Retrospective Observational Analysis of 69 Patients (PDF; 179 kB), abgerufen am 23. Juli 2014.
- Samantha Wilson: Israel. Bradt Travel Guides, 2011, ISBN 978-1-84162-362-7, S. 261 (books.google.de).
- Stimmt’s: Sanfte Sonne, Zeit Online, 29. Juni 2006, abgerufen am 29. März 2010.
- Süddeutsche.de: Frage der Woche: Bekommt man am Toten Meer keinen Sonnenbrand?
- Deuteronomium Kap. 3, Vers 17; Kap. 4, Vers 49; Buch Josua Kap. 3, Vers 16; Kap. 12, Vers 3; 2. Buch der Könige Kap. 14, Vers 25; siehe Othmar Keel, Max Küchler: Orte und Landschaften der Bibel: ein Handbuch und Studien-Reiseführer zum Heiligen Land. Band 2: Der Süden. Benziger/Vandenhoeck & Ruprecht, Zürich/Einsiedeln/Köln/Göttingen 1982, ISBN 3-545-23042-2 / ISBN 3-525-50167-6, S. 238
- Othmar Keel, Max Küchler: Orte und Landschaften der Bibel. 1982, S. 238.
- Keel & Küchler: Orte und Landschaften der Bibel. 1982, S. 244.
- G. Plinius Secundus: Naturkunde. Buch 5: Geographie: Afrika und Asien. Herausgegeben und übersetzt von Gerhard Winkler, in Zusammenarbeit mit Roderich König. Artemis & Winkler, Zürich 1993, ISBN 3-7608-1585-5, Kapitel II,72.
- Diodor’s von Sicilien historische Bibliothek. Übersetzt von Julius Friedrich Wurm. Zweites Buch, Verlag der J. B. Wetzlerschen Buchhandlung, Stuttgart 1828, S. 227 f. (MDZ-Reader).
- A. Nissenbaum, Z. Aizenshtat, M. Goldberg: The floating asphalt blocks of the Dead Sea. Physics and Chemistry of the Earth. Bd. 12, 1980, S. 157–161, doi:10.1016/0079-1946(79)90098-3
- H. Gvirtzman, E. Stanislavsky: Palaeohydrology of hydrocarbon maturation, migration and accumulation in the Dead Sea Rift. Basin Research. Bd. 12, Nr. 1, 2000, S. 79–93, doi:10.1046/j.1365-2117.2000.00111.x
- Keel & Küchler: Orte und Landschaften der Bibel. 1982, S. 239.
- USGS 1998
- Sharon Udasin: Despite winter storms, Dead Sea water level continues to fall. The Jerusalem Post, 8. Januar 2014.
- In der Vergangenheit gebohrt: Totes Meer war fast verschwunden. n-tv.de, 20. Januar 2012.
- Totes Meer – Israels Touristen-Attraktion in Gefahr. DerWesten, 21. Juni 2011.
- Jam haMelach: Das Tote Meer. In: Hagalil.com. Abgerufen am 20. Januar 2012.
- Messung auf Basis Satellitenbild, Stand: März 2011
- Eitan Hadok: Kann das Tote Meer überleben? In: Spektrum der Wissenschaft. Juni 2011, S. 79.
- T. O. I. staff: After years of delays, Jordan said to nix Red Sea-Dead Sea canal with Israel, PA. Abgerufen am 24. Januar 2022 (amerikanisches Englisch).
- Zitiert in: Marcus Iunianus Iustinus: Epitoma Historiarum Philippicarum, seinerseits zitiert in: Othmar Keel: Orte und Landschaften der Bibel. Benziger, Zürich, ISBN 3-545-23042-2.
- Othmar Keel: Orte und Landschaften der Bibel. Benziger, Zürich, ISBN 3-545-23042-2.
- William Francis Lynch: Narrative of the United States Expedition to the River Jordan and the Dead Sea. Lea and Blanchard, Philadelphia 1850, S. 170 ff. (archive.org).
- Unterwasser, Ausgabe vom 11. Mai 2004.
- Zeitschrift Neueste Nachrichten aus dem Morgenlande. Ausgabe Mai 1918.
- Rosemarie Noack: Neues Leben am Toten Meer. Die Zeit, Nr. 9 vom 21. Februar 1997.
- Artikel (Memento vom 23. September 2015 im Internet Archive) in der Zeitschrift unterwasser
- Lars Brinkmann: Dicke Kruste. In: Jüdische Allgemeine vom 25. Mai 2006. Jüngster gefundener Textbeleg (Stand Oktober 2013).
- Der Leiter von Marine Services & Underwater Works, Moty Gonen, starb am 15. Februar 2009, siehe . Das meteorologische Monitoring des Toten Meeres durch das Institut Israel Oceanographic & Limnological Research wird weitergeführt, Informationen über den weiteren Schiffsbetrieb, ev. unter anderem Namen, liegen nicht vor.
- ORF: 1200 Menschen bei Nacktfotosession am Toten Meer.