Streitkräfte Boliviens
Die Streitkräfte Boliviens (Fuerzas Armadas de Bolivia, kurz FF.AA.) sind unterteilt in das Heer (Ejército Boliviano), die Marine (Fuerza Naval Boliviana) und die Luftstreitkräfte (Fuerza Aérea Boliviana). Ebenfalls militärisch organisiert ist die Nationalpolizei (Policía Nacional de Bolivia).
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Führung | |||
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Oberbefehlshaber: | Luis Arce | ||
Militärischer Befehlshaber: | Armando Pacheco Gutiérrez | ||
Militärische Stärke | |||
Aktive Soldaten: | 39.000 (2019)[1] | ||
Wehrpflicht: | nein | ||
Wehrtauglichkeitsalter: | 18 Jahre | ||
Haushalt | |||
Militärbudget: | $ 0,625 Mrd. (2019)[2] | ||
Anteil am Bruttoinlandsprodukt: | 1,4 % (2019)[3] | ||
Geschichte | |||
Gründung: | 1825 |
Geschichte
Der Kampf um die Unabhängigkeit begann 1809. Bolivien blieb jedoch spanische Kolonie, bis eine internationale Unabhängigkeitsarmee unter Antonio José de Sucre im Auftrag Simón Bolívars im Jahre 1825 die Unabhängigkeit militärisch durchsetzte. Anschließend wurde das Land nach Bolívar benannt. Bolivien ist damit weltweit der einzige Staat, dessen Namenspatron eine zum Zeitpunkt der Benennung noch lebende Person war. Einer chaotischen Zwischenzeit folgte die Präsidentschaft von Andrés de Santa Cruz (1829–1839). In dieser wurde der Deutsche Otto Philipp Braun,[4] ein Veteran des südamerikanischen Unabhängigkeitskrieges und des europäischen Befreiungskrieges, einer der wichtigsten militärischen und politischen Stützen der Regierung. Nach der Niederlage im Peruanisch-Bolivianischen Konföderationskrieg gegen Chile und Argentinien (1836–1839) zerfiel die Administration von Santa Cruz. Im Salpeterkrieg (1879–1883) verlor Bolivien große Teile des seit der Unabhängigkeit umstrittenen Territoriums mit Zugang zum Pazifik endgültig an Chile. Im Chacokrieg (1932–1935) verlor Bolivien riesige Landesteile im Süden an Paraguay. 1964 putschte René Barrientos Ortuño gegen den gewählten Präsidenten Víctor Paz Estenssoro, die Militärdiktatur Hugo Banzer Suárez dauerte von 1971 bis 1978. Erst 1982 kehrte das Land zur Demokratie zurück.
Organisation
Wehrpflicht
Es gibt eine grundsätzliche Wehrpflicht, falls es jedoch genug Freiwillige gibt, wird auf Einberufungen verzichtet. Die Freiwilligen müssen mindestens 18 Jahre alt sein; bei Einberufungen erlaubt das Gesetz aber, die Altersgrenze bis auf 14 abzusenken. Laut Schätzungen sind 40 % der Streitkräfte unter 18 Jahren alt, die Hälfte davon sogar unter 16 (Quelle: CIA World Factbook).
Der Wehrdienst dauert 12 Monate. Die Gesamtstärke der Streitkräfte schwankt zwischen 31.500 und 35.000 Mann, davon etwa 20.000 Wehrdienstleistende.
Militärausgaben
Die Militärausgaben betrugen 2018 vergleichsweise niedrige 657 Mio. US-$, was 1,8 % des Bruttoinlandsprodukts entspricht.[5]
Ausrüstung
Heer
Das bolivianische Heer (Ejército Boliviano, kurz FF.EE.) ist mit rund 26.000 Mann die bei weitem stärkste Teilstreitkraft innerhalb des bolivianischen Militärs.[6] Mit 36 leichten Kampfpanzern vom Typ SK-105 Kürassier, 24 EE-9 Cascavel und 50 M113 Schützenpanzern sowie ca. 76 Artillerie- und 50 Flugabwehrgeschützen ist sie aber vergleichsweise schwach für einen Krieg gegen einen äußeren Feind ausgerüstet[7]. Die Armee Chiles – zu dem die Beziehungen immer noch gespannt sind – zum Beispiel hat nicht nur ein 24× größeres Budget, sondern ist auch mit Hunderten von moderneren schweren und leichten Panzerfahrzeugen, unter anderem 250 Leopard-Panzern, wesentlich stärker ausgestattet.
Seit dem Salpeterkrieg hat sich das Heer dann auch mehr und mehr auf die „Innere Sicherheit“ konzentriert.
Marine
Obwohl Bolivien seit dem Verlust seines Pazifikzugangs im Salpeterkrieg (1879 bis 1884) ein Binnenstaat ist, unterhält das Land weiterhin eine 1.800 Mann (ohne Marineinfanterie) starke Marine (Fuerza Naval Boliviana, auch „Armada“ genannt, abgekürzt FNB), deren Aufgabe sich allerdings auf die Sicherung von Binnen-Grenzgewässern (Titicacasee sowie größere Flüsse im Amazonasbecken) beschränkt. Die formelle Aufrechterhaltung einer militärisch an sich unnötigen eigenständigen „Marine“ ist politischer Ausdruck für das Streben und die Hoffnung auf die Wiedergewinnung eines Zugangs zum Pazifik, angestrebt wird einen Korridor zwischen Chile und Peru. Die Kommandostruktur umfasst sechs Marinebezirke, jeder mit einer Flottille ausgestattet. Ein Bezirk umfasst den Titicaca-See, die übrigen liegen an den großen Flüssen.[8]
Die Marine besteht aus etwa 60 Patrouillenbooten und Patrouillenbarkassen sowie aus einem der Marine gehörenden Patrouillenflugzeug vom Typ Cessna U206.[9][10][11]
Das größte Schiff war der Hochsee-Frachter „Libertador Bolívar“ („Befreier Bolívar“), der von der Marine bemannt wird, um zu gewährleisten, dass die Marine über seemännisch ausgebildetes Personal verfügt, falls das Land über einen Korridor wieder Zugang zum Meer erhalten sollte und die Marine wieder von einem bolivianischen Hafen an der Pazifikküste operieren kann. Das 1978 in Dienst gestellte Schiff wurde als normales Handelsfrachtschiff eingesetzt, dessen Einnahmen dem Marineministerium zufloßen, und wurde 1990 aus dem Schiffsregister gestrichen. Es war ein Geschenk Venezuelas und hatte seinen Heimathafen in Argentinien.
Die Marineinfanterie besteht heute aus etwa 1.700 Mann in sieben Bataillonen, wovon in jedem der sechs Marinedistrikte eines steht ein. Im Distrikt des Titicacasees steht zusätzlich das VI. mechanisierte Bataillon „Independencia“. Dieses war in den 1980er Jahren in Stärke von 600 Mann aufgestellt und nach dem bolivianischen Nationalhelden Miguel Grau Seminario benannt worden.
Luftstreitkräfte
Die bolivianische Luftwaffe (Fuerza Aérea Boliviana, kurz FAB) umfasst rund 7.500 Mann.[6] Die Ausstattung ist größtenteils veraltet; derzeit verfügt die Luftwaffe über folgende Flugzeugtypen (Stand Ende 2020):[12]
Flugzeug | Foto | Herkunft | Verwendung | Version | Aktiv | Bestellt | Anmerkungen |
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Transportflugzeuge | |||||||
C-130 Hercules | Vereinigte Staaten | Transportflugzeug | C-130B | 3 | |||
Cessna 402 | Vereinigte Staaten | Transportflugzeug | 1 | ||||
Handley Page Jetstream | Vereinigtes Königreich | Transportflugzeug | Jetstream 31 | 2 | |||
King Air | Vereinigte Staaten | Transportflugzeug | King Air 90 King Air 200 King Air 350 |
5 | |||
Schulflugzeuge | |||||||
K-8 Karakorum | Volksrepublik China/ Pakistan | Schulflugzeug | 6 | ||||
PC-7 | Schweiz | Schulflugzeug | 2 | ||||
Z-242 | Tschechien | Schulflugzeug | 8 | ||||
Hubschrauber | |||||||
H125 Écureuil | Frankreich | Mehrzweckhubschrauber | H125M | 2 | |||
H145 | Frankreich | Mehrzweckhubschrauber | 2 | ||||
H215 | Frankreich | Mehrzweckhubschrauber | H215M | 6 | |||
SA.319 Alouette III | Frankreich | Mehrzweckhubschrauber | SE.3160 | 1 | |||
UH-1 Iroquois | Vereinigte Staaten | Mehrzweckhubschrauber | UH-1H | 11 | |||
Schulungshubschrauber | |||||||
Robinson R44 | Vereinigte Staaten | Schulungshubschrauber | 5 |
Sonstiges
Die Streitkräfte Boliviens haben durch zahlreiche Putsche eine große Rolle in der Geschichte Boliviens gespielt.
Im März 2009 kündigte der bolivianische Verteidigungsminister an, die militärischen Trainings- und Tötungsübungen an zahlreichen Hunden durch eine Resolution zu verbieten. Dies ist historisch bedeutend, da es die erste gesetzliche Verfügung zum Tierschutz in Bolivien überhaupt bedeutete und im selben Jahr zu weiteren Tierschutzgesetzen führte.[13][14]
Literatur
- Jutta Deide: Ideologie und Legitimation einer abhängigen Militärdiktatur. Das Beispiel der Regierung Banzer in Bolivien (1971–1978); ein ideologiekritischer und militärsoziologischer Beitrag zur politischen Soziologie peripherer Gesellschaften in Lateinamerika. Haag und Herchen, Frankfurt/M. 1981, ISBN 3-88129-368-X (zugl. Dissertation, Universität Hamburg 1980).
Einzelnachweise
- CIA - World Factbook - Länder - Bolivien - Militär und Sicherheit. Abgerufen am 5. Februar 2021 (englisch).
- Global Firepower. Abgerufen am 5. Februar 2021 (englisch).
- CIA - World Factbook - Länder - Bolivien - Militär und Sicherheit. Abgerufen am 5. Februar 2021 (englisch).
- Robin Kiera: Der große Sohn der Stadt Kassel? Der Großmarschall Otto Philipp Braun als Symbol lokaler Geschichtspolitik, Kassel 2009
- Bolivia gasta $us 656,8 millones en armamento
- Bolivia - The World Factbook. Abgerufen am 5. Februar 2021.
- Quelle: www.globaldefence.net (Memento vom 25. April 2010 im Internet Archive)
- Jürgen Vogt: Grenzkonflikt Bolivien und Chile: Der alte Streit um das Meer. In: Die Tageszeitung: taz. 22. März 2017, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 9. September 2019]).
- Matrosen ohne Meer bei Zeit Online vom 3. April 2008
- Marine ohne Meer bei Der Tagesspiegel vom 23. März 2007
- Bolivien träumt vom Meer bei Welt Online vom 21. März 2010
- World Air Forces 2021. flightglobal.com, abgerufen am 25. März 2021.
- Archivlink (Memento vom 11. April 2009 im Internet Archive)
- Tierzirkusse in Bolivien gesetzlich untersagt (Memento vom 14. Juni 2010 im Internet Archive)