So-da-Brücke
So-da-Brücke, Soda-Brücke oder Geisterbrücke ist eine innerhalb Deutschlands gebräuchliche umgangssprachliche Bezeichnung für eine Brücke, die einfach nur „so da“ ist, also derzeit keinerlei Funktion erfüllt und mangels Zufahrten nicht benutzbar ist. In Einzelfällen (wie in Saarbrücken, siehe unten) kann die Brücke Zufahrten besitzen und benutzbar sein, wenn auch nicht für ihren eigentlichen Zweck.
Der Grund für das Bestehen derartiger Bauten liegt meist in der mangelnden Finanzierung des Projektes. Weiterhin wird mit unzureichenden Planungen, aus Gründen politischen Prestiges oder zur Erhaltung des Baurechts mit dem Brückenbau begonnen, bevor die Finanzierung der restlichen Strecke (Autobahn, Eisenbahn) gesichert ist. Aus bautechnischen Gründen ist es geboten, vor dem eigentlichen Fahrbahnbau mit dem Bau von Brücken zu beginnen, da Brücken aufgrund ihres Gewichtes einer Absenkung unterliegen können. Schwierigkeiten kann es auch dann geben, wenn sich die Brücke an der Grenze zweier Baulose befindet und diese nicht gleichzeitig realisiert werden. Somit kommt es häufig vor, dass solche Bauvorleistungen zumindest über einen mittelfristigen Zeitraum scheinbar nutzlos in der Landschaft stehen. Werden solche Bauwerke längerfristig nicht dem Verkehr übergeben, so werden sie als Investitionsruinen bezeichnet.
Geschichte
Das Phänomen der „So-da-Brücke“ ist nicht neu; es existierte als Planungs- und Konstruktionsmerkmal bereits in der Antike. Bei den archäologischen Ausgrabungen am Römerkanal wurden Unterkonstruktionen von kleineren Aquädukt-Brücken gefunden, deren geringfügig von der nachher gebauten Linie abweichende Ausrichtung nur den Schluss zuließ, dass sie bereits vor dem Bau der eigentlichen Wasserleitung errichtet wurden. Allerdings wurden sie mit dem Bau der Leitung in Funktion genommen. Dennoch benutzt Klaus Grewe für die im Voraus gebauten Brücken den griffigen Begriff „So-da-Brücken“.[1]
Beispiele
Mit dem zunehmenden Bau von Trassen im 20. Jahrhundert wurden weltweit Brücken gebaut, die aus unterschiedlichen Gründen zeitweise oder gänzlich nicht benutzbar waren.
Deutschland
Es gibt in Deutschland zahlreiche Beispiele für „So-da-Brücken“.[2] Ein Beispiel ist eine Autobahnbrücke an der A 1 bei Euskirchen, die für die geplante BAB 56 in den 1970er Jahren gebaut wurde (Lage ). Am 15. Juni 2001 präsentierte die Kölner Rockband BAP dort ihr neues Album Aff un zo und bildete die Brücke auf dem Cover ab. Die Brücke ist auch bekannt als „tote Brücke von Euskirchen“.[3]
Einige Brücken des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit Nr. 8 galten zeitweise als „So-da-Brücken“, da sie gebaut wurden, um Investitionsmittel zu sichern.[4] Dabei geriet 2005 die Itztalbrücke im Nordosten Coburgs als angebliche Steuerverschwendung in die Diskussion. Gleiches gilt für die Geratalbrücke Ichtershausen bei Erfurt, die seit 2001 fertiggestellt war. Beide Brücken der Schnellfahrstrecke Nürnberg–Erfurt wurden Ende 2017 dem kommerziellen Betrieb übergeben.
Im Ruhrgebiet existiert seit den späten 1970er Jahren zwischen den Städten Bochum und Dortmund eine Planung für den „Neuen Hellweg“ nördlich der Bundesautobahn 40,[5] dessen Bau nur begonnen wurde und nach wenigen Jahren unvollendet geblieben ist. Lediglich ein Teilstück der vierstreifig geplanten Schnellstraße, westlich beginnend an der B 235 in Castrop-Rauxel-Merklinde, wurde gebaut und dem Verkehr übergeben. Die Trasse endet nach 1,5 Kilometern östlich an den Rampen einer „So-da-Brücke“ über die Dortmunder Straße in Castrop-Rauxel-Frohlinde (Lage ). Der östliche Brückendamm wurde nicht mehr aufgeschüttet. Die Bauwerkskonstruktion ist zum Beispiel für die Studenten des Bauingenieurwesens an den Universitäten Bochum und Dortmund als Anschauungsobjekt einsehbar.
Die Schänzlebrücke in Konstanz war in den 1970er Jahren als Teil einer Autobahn vierstreifig über den Rhein in die Schweiz geplant. Gebaut wurde sie in den 1980er Jahren mit Behelfszufahrten und für den innerstädtischen Verkehr lediglich zweistreifiggenutzt. Bis zur Planung der Brücke gab es die Option den Hochrhein und den Bodensee bis Konstanz für die Schifffahrt auszubauen, weshalb die Brücke höher als für die Freizeitschifffahrt ist. Der Umbau der Zufahrten zur vollen Nutzung mit Anbindung in die Schweiz erfolgte von 2000 bis 2006. Auf deutscher Seite besteht steht sie im Zuge einer vierstreifigen Bundesstraße.
In Saarbrücken gibt es die „Tote Brücke“ („Dood Brigg“ im Saarbrücker Dialekt) über die Saar, die nie zu ihrem eigentlichen Zweck genutzt wurde.[6] Sie ist vierstreifig ausgebaut und mit Straßenbeleuchtung versehen und sollte ursprünglich den Stadtteil Sankt Arnual mit den Daarler Wiesen verbinden, als in den 1970er Jahren auf den Wiesen ein Industriegebiet geplant war. Wegen des fehlenden Anschlusses zur Straße wird sie lediglich von Fußgängern benutzt. (Lage )
Eine „So-da-Brücke“ der Reichsautobahnen liegt auf der RAB-Strecke 46 (Würzburg–Fulda). Hier verblieben einige große, fertiggestellte Überführungsbauwerke, beispielsweise über die Straße MSP 17 Burgsinn–Gräfendorf (Lage ), sowie mehrere kleine Brücken. Diese Trasse bis Gräfendorf ist streckenweise zu 90 % fertiggestellt, wurde allerdings nach Einstellung des Baus 1940 in der Nachkriegszeit nicht weitergebaut. Ein Grund waren neue Normen für die Trassierung, so waren noch maximal 6 % Steigung statt vorher 8 % zulässig. Ein anderer besonderer Grund war die innerdeutsche Grenze. Durch diese Abriegelung war die Verkehrsanschließung des entstandenen ostbayerischen Zonenrandgebiets notwendig geworden. Die in der Folge erbaute BAB 7 verläuft 20–30 Kilometer östlich der aufgegebenen Baustelle der Strecke 46.
An der BAB 66 ist der Fall eingetreten, dass eine „So-da-Brücke“ nach jahrzehntelanger Standzeit letztendlich in originaler Bauausführung in Betrieb gesetzt wurde, hier als Durchlass für die – mittlerweile zur Kreisstraße heruntergestufte – B 40 an der Südseite des Kinzigtalviaduktes bei Ahl (Bad Soden-Salmünster): Bau 1962, in Betrieb seit Dezember 1994. (Lage )
Auf dem Parkplatz der Raststätte Vellern an der BAB 2 (Südseite, Fahrtrichtung Hannover) existiert durch Versetzung der ältesten Spannbetonbrücke der Welt seit September 2012 auch eine unter Denkmalschutz stehende „So-da-Brücke“.[7] Diese Brücke war jahrzehntelang an ihrem ursprünglichen Standort in Benutzung, erst durch die Versetzung an den heutigen Standort (die erfolgte um die Brücke vor dem Abbruch zu bewahren) verwandelte sie sich in eine Soda-Brücke.
Die „So-da-Brücke“ von Ramsenthal bei Bayreuth (Lage ) aus dem Jahr 2009 wurde in den Jahren 2012/2013 doch weitergebaut.[8] Sie stand einige Jahre ohne Nutzung in der Landschaft[9] und erlangte als Beispiel für Fehlplanung und Steuerverschwendung überregionale Bekanntheit.[10] Seit Mitte Oktober 2013 ist sie für den Verkehr freigegeben.[11]
Die im Zuge von Stuttgart 21 entstandene Eisenbahnüberführung Sulzbachtal gehört zu jenen Brücken, die Jahre vor der kommerziellen Inbetriebnahme fertiggestellt werden, in diesem Fall waren es zehn Jahre.
Die in den 1970er Jahren errichtete Brücke über die A 99 am Feringasee bei Unterföhring war bis 2018 ohne Nutzung. Seit Anfang 2018 wurde sie saniert und in eine Grünbrücke umgebaut.[12] (Lage )
Zwischen Eichenau und Olching westlich von München steht in einem Wäldchen eine Brücke, die früher über einen inzwischen zurückgebauten Streckenast des Münchner Nordrings führte. (Lage )
Nahe der BAB 4 bei Thiemendorf (Waldhufen) steht eine Beton-Brücke, deren Nutzung zugunsten eines Tunnels durch die Königshainer Berge verworfen wurde. (Lage )
Anders als viele andere „So-da-Brücken“ ist die Grüne Brücke Neesen in Porta Westfalica nicht durch einen unvollständigen Bau, sondern durch einen von der Stadt gestoppten Abriss entstanden, der am östlichen Teil dieser ehemaligen Eisenbahnbrücke über die Weser begonnen hatte. Der restliche Teil, insbesondere jenes die Weser und den Weserradweg zwischen Porta Westfalica und Minden überspannende Stück, sind noch vorhanden.
Im Rahmen des Projektes kunstwegen ließ der österreichische Künstler Hans Schabus im Jahr 2012 die ausrangierte Eisenbahnbrücke „Laßnitz“ der Wieserbahn über die Vechte zwischen Ohne und Haddorf (Wettringen) spannen. Sie verbindet ein niedersächsisches Grundstück im Besitz eines nordrhein-westfälischen Landwirts mit einem nordrhein-westfälischen Grundstück im Besitz eines niedersächsischen Kollegen. Die Brücke verfügt über keinen Straßenanschluss, ist nicht begehbar und wurde vom Künstler zur Skulptur erklärt.[13] (Lage )
Karlsruhe hat zwei solche Brücken. Die ältere ist 1921 zur besseren Anbindung der Eisenbahn in den Hafen gebaut worden. In Folge von Wirtschaftskrise und Krieg wurde die Bahntrasse nie gebaut. Die neuere stammt aus dem Jahr 1979 und sollte eine neue Stadtbahnlinie über die geplante Nordtangente führen. Im Jahr 2017 wurden die Pläne für die Nordtangente endgültig zu den Akten gelegt.[14][15]
Schweiz
Eine „So-da-Brücke“ in der Schweiz steht in der Nähe von Hinwil, einer Gemeinde südöstlich der Stadt Zürich (Lage ). Im sogenannten Betzholz-Kreisel, einer als Kreisverkehr dimensionierten Verzweigung, geht die Autobahn 52 von der Zürcher Oberlandautobahn ab. Ursprünglich sollte der Verkehr Richtung A 52 durch und der restliche Verkehr Richtung Uster über den Kreisverkehr geführt werden. Der Abschnitt zwischen Uster und Hinwil wurde nicht gebaut, einerseits wegen Mangels an finanziellen Mitteln und andererseits wegen Einsprachen aufgrund der geplanten Linienführung durch das Ambietzgiriet zwischen Wetzikon und Hinwil. Aus diesem Grund steht auf der nördlichen Seite des Kreisverkehrs seit 1990 eine „So-da-Brücke“. Obwohl die A 53 einmal durchgehend zwischen dem Brüttiseller Kreuz und Reichenburg ausgebaut sein sollte, ist unklar, wann die Baumaschinen zur Lückenschliessung der A 53 erfolgen wird und ob die Linienführung die Hinwiler „So-da-Brücke“ nutzen wird.
Weitere Länder
- Eine Bridge to Nowhere (dt.: Brücke nach Nirgendwo) steht in Neuseeland auf der Nordinsel im Whanganui-Nationalpark. Als Straßenbrücke mit einer Betonfahrbahnbreite von drei Metern angelegt, gibt es mitten im Urwald keine Straße mehr.
- In den Niederlanden wird die Prinz-Willem-Alexander-Brücke spöttisch Brug van niks naar nergens (dt.: Brücke von Nichts nach Nirgendwo) genannt, weil ihre zwei Richtungsfahrbahnen im Süden jahrzehntelang auf einer gewöhnlichen Landstraße endeten.
- Die Hodariyat Bridge oder auch Al-Bateen-Brücke, eine mehrspurige Straßenbrücke in Abu Dhabi (Lage ), galt nach ihrer Errichtung im Jahr 2012 für einige Jahre als Geisterbrücke. Sie führte vom Stadtzentrum auf der Hauptinsel Abu Dhabis im Norden, über einen rund 800 Meter breiten Meereskanal, auf die Düneninsel Al-Hodariyat vor der Südküste der Stadt. Auf dieser Insel gab es zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Brücke weder Gebäude, noch ein Straßennetz. Die südliche Rampe endete einfach im Sand und die Brücke konnte von der Öffentlichkeit nur zu Fuß überquert werden.[16] Ab 2017 begann die städtebauliche Entwicklung der Insel und es gibt einen Strandparkplatz sowie die ersten Gebäude.
- In Lettland wird die Abava von der „Brücke ins Nirgendwo“ (lettisch: tilts uz nekurieni) überspannt. Sie wurde 1939 für eine geplante Eisenbahnstrecke gebaut, die infolge des Zweiten Weltkriegs nie zustande kam.
- In Montenegro wird mit einem Großkredit aus China seit 2014 eine neue Autobahn mit 40 Brücken gebaut, jedoch gerieten die Arbeiten im Jahr 2020 durch die Corona-Krise und ausbleibende Einnahmen von Touristen ins Stocken, sodass die Trassenführung unvollendet ist und fertige Brücken ungenutzt bleiben.[17]
Siehe auch
- Ein Geisterbahnhof ist ein Bahnhof der keinem für Fahrgäste erkennbarem Zweck (mehr) dient
- Bauvorleistungen führen oft zu So-Da-Brücken
Weblinks
Einzelnachweise
- Klaus Grewe: Der Römerkanalwanderweg: Ein archäologischer Wanderführer. 1988, ISBN 3-921805-16-3, S. 27 f.
- Teure Brücken vom Nichts ins Nirgendwo. In: Die Welt. 25. April 2014 (welt.de).
- Eintrag von Franz-Josef Knöchel zu Soda-Brücke zwischen Frauenberg und Elsig („So da Brücke“, „tote Brücke“, unvollendete Autobahnbrücke der Bundesautobahn A 56) in der Datenbank „KuLaDig“ des Landschaftsverbands Rheinland, abgerufen am 17. Juli 2017.
- Olaf Schmale: Ein Bahn-Manager für heikle Fälle. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr. 299, 23. Dezember 2020, ISSN 0174-4909, S. 20.
- Eine Brücke führt ins Nirgendwo
- Traudl Brenner: Brückenschicksale: Mal ohne Sinn, mal unverzichtbar. In: Saarbrücker Zeitung. 3. Mai 2010, abgerufen am 17. Juli 2017.
- A-2-Brücke nun Denkmal ohne tragende Rolle. In: Die Glocke online. 6. September 2013, abgerufen am 17. Juli 2017.
- „So-da-Brücke“ wird weitergebaut. In: Nordbayerischer Kurier. 17. April 2012, abgerufen am 10. Oktober 2017.
- „So-Da-Brücke“ erlangt Berühmtheit. In: Frankenpost. 23. April 2012, abgerufen am 17. Oktober 2013.
- ZDF-Mediathek: Hammer der Woche: Teure Brücke (Video) (Memento vom 9. Dezember 2011 im Internet Archive)'
- Verkehr rollt über die „So-da-Brücke“. In: Nordbayerischer Kurier. 16. Oktober 2013, abgerufen am 17. Oktober 2013.
- Bruecke am Feringasee. In: notizen.netzjahre.com. Abgerufen am 6. August 2018.
- Hans Schabus: laßnitz. In: kunstwegen. Abgerufen am 27. Dezember 2020.
- Georg Hertweck: Die Soda-Brücken von Karlsruhe. 14. April 2020, abgerufen am 18. Februar 2021.
- Hardtbahn – Stadtwiki Karlsruhe. Abgerufen am 18. Februar 2021.
- sandmarie2014: Brücke ins Nirgendwo, blogspot.com, 12. Oktober 2015, abgerufen am 20. April 2020.
- Euro-news: Montenegro in der chinesischen Schuldenfalle - wer stellt die Autobahn fertig. 8. Mai 2021.