Operation Dragoon
Die Operation Dragoon (englisch für Dragoner) war eine während des Zweiten Weltkrieges ab dem 15. August 1944 durchgeführte Operation zur Landung zweier Armeen der Westalliierten an der französischen Côte d’Azur zwischen Toulon und Cannes zwecks Vertreibung der deutschen Truppen aus Südfrankreich. Sie bildete das südliche Gegenstück zu der am 6. Juni 1944 mit der Landung in der Normandie begonnenen Operation Overlord.
Hintergrund
Ausgangspunkt für diese Operation waren ursprünglich zwei völlig unterschiedliche Konzepte auf der alliierten Seite: Briten und Amerikaner stimmten zwar darin überein, dass dem Kampf gegen Deutschland Vorrang gegenüber dem Kampf gegen Japan eingeräumt werden sollte. Deshalb waren sie auch prinzipiell bereit, dem Drängen Stalins entgegenzukommen und eine Zweite Front im Westen zu errichten. Darüber hinaus ergaben sich aber wesentliche Unterschiede: Während der US-Generalstab, angeführt von General George C. Marshall einen direkten Angriff mit einem schnellen Vorstoß in Nordfrankreich forderte, um von dort ostwärts nach Deutschland vorzustoßen, bevorzugten die Briten, insbesondere Winston Churchill, aufgrund ihrer Erfahrungen im Ersten Weltkrieg einen peripheren Ansatz, bei dem die Alliierten ihre Überlegenheit zur See stärker zu Geltung bringen konnten. Churchill hatte mit der Landung in Süditalien die Hoffnung verbunden, schnell in den weichen Unterleib des von Nazi-Deutschland besetzten Südeuropas und von dort auf den Balkan und weiter nach Süddeutschland vorstoßen zu können, um damit einem weiteren Vordringen der Sowjetunion nach Westen zuvorzukommen. Churchill sagte später aus, dass dies „die ersten wichtigen strategischen Meinungsverschiedenheiten zwischen uns und unseren amerikanischen Freunden waren“. Im britischen Konzept war der Angriff über den Ärmelkanal der letzte Schlag, dem vorher Angriffe auf die schwächsten Punkte des Gegners vorangehen sollten. Ausfluss dieser beiden unterschiedlichen Konzepte waren anfangs die britische Seeblockade und die alliierten Luftangriffe auf die deutschen Industrie- und Siedlungszentren. In den Jahren 1942 und 1943 erzwang der Mangel an Ressourcen einen Peripherie-Ansatz, da zu dieser Zeit noch nicht genügend Truppen, Ausrüstungsgegenstände und Schiffe für eine massive Landung in Frankreich zur Verfügung standen.
Die erste Hälfte des Krieges, bei dem die Wehrmacht den Einflussbereich des Dritten Reichs ständig ausdehnte, stand im Zeichen sich kontinuierlich verlängernder deutscher Versorgungswege, wachsender Transportprobleme, zunehmender Partisanenüberfälle auf die langen Versorgungswege und sich permanent erhöhenden Bedarfs an Besatzungs- und Reserveeinheiten der Achsenmächte. Das britische Konzept erforderte dagegen in der zweiten Hälfte des Krieges eine enorme Steigerung der Kriegsproduktion auf alliierter Seite, um über die ihrerseits extrem ausgedehnten Versorgungswege die weit voneinander entfernt liegenden Kriegsschauplätze in Europa und Asien regelmäßig mit Waffen, Nachschub und Reserven versorgen zu können. Solange die französischen Kolonien in Nord- und Westafrika und Madagaskar unter Kontrolle Vichy-Frankreichs und Indochina unter Kontrolle Japans – also insgesamt der Achsenmächte – standen, waren diese ausgedehnten Transportwege von den USA nach Europa vorwiegend auf den Nordatlantik nach Großbritannien und die UdSSR begrenzt; dort waren sie für deutsche U-Boote anfangs leicht angreifbar (siehe Atlantikschlacht). Erst mit der Operation Torch, der Landung der Alliierten in Französisch-Nordafrika (also in Marokko, Algerien und Tunesien) im November 1942 gewannen die Westalliierten zusätzliche Stützpunkte an der Peripherie Europas, die ihnen Land-See-Operationen, insbesondere den Aufbau von weiteren Fronten gegenüber den Achsenmächten Italien und Nazi-Deutschland ermöglichten. Für die Sicherung und Festigung alliierter Transportwege war die Unterstellung Dakars, Französisch-Westafrika, im November 1942 (1940 vergeblicher Eroberungsversuch) und Diégo-Suarez (Madagaskar) am 6. Mai 1942 unter General de Gaulle bedeutsam.
In diesem Zusammenhang hatten mehrere Stäbe der strategischen Planung unterschiedliche Pläne entworfen, um vor oder während der Operation Overlord deutsche Kräfte in Südfrankreich zu binden. Dazu wurden alle amphibischen Fähigkeiten der Alliierten, die nicht in der Operation Overlord benötigt wurden, für die Operation Anvil verplant. Das gebirgige Terrain Süditaliens gab der Wehrmacht Vorteile, die sich Anfang 1944 gegen die amphibischen Operationen der Alliierten bei Anzio erfolgreich wehrte. Ausgedehnte, blutige Schlachten wie bei Monte Cassino drohten den alliierten Vormarsch in Italien zu einem Abnutzungskrieg werden zu lassen, bei dem der Vormarsch zum Erliegen kommen würde. Deshalb betrachteten viele Amerikaner den Italienvorstoß bereits als eine strategische Sackgasse.
Die amerikanischen Befürworter versprachen sich von der Operation die schnelle Eroberung zweier großer Häfen – Toulon und Marseille – deren Einnahme die Nachschubversorgung der in Frankreich kämpfenden Truppen erheblich erleichtern würde. Tatsächlich konnte bis zur Wiederinstandsetzung des Hafens von Antwerpen Anfang Dezember 1944 etwa ein Drittel der gesamten Versorgung der alliierten Truppen in Nordfrankreich von Marseille über die Rhone-Route inklusive reparierter Brücken und Eisenbahntrassen transportiert werden.
Die Deutschen hatten ihre Verteidigungsstrategie auf der Hypothese aufgebaut, es sei den Alliierten nicht möglich, zwei Landeoperationen in Frankreich gleichzeitig vorzubereiten und durchzuführen. Sie hatten bei Marseille und Toulon Truppen zusammengezogen und durch befestigte Stützpunkte eine Landung an den übrigen für unwahrscheinlich gehaltenen Stellen zu erschweren versucht. Es gab Schützengräben und Geschützstellungen entlang der Strände, eine etwa 32 Kilometer landeinwärts verlaufende Verteidigungslinie, Rommelspargel und Sprengfallen unter der Wasserlinie.
Planung und Vorbereitungen
Ursprünglich sollte die Operation Anvil (= Amboss) heißen – passend zu der Operation Hammer, aus der dann aufgrund der Verzögerungen die Operation Overlord wurde. Der Name wurde vom britischen Premier Winston Churchill geändert, um trotz der vielen Änderungen des Startdatums die Operation geheim zu halten. Er opponierte lange gegen die Operation Anvil, weil ihm ein Vorgehen über Norditalien in Richtung Ungarn und Balkanhalbinsel wichtiger erschien, um diese Region nicht vollkommen in die Hände der verbündeten Sowjetunion fallen zu lassen. Er reklamierte, so lange bedrängt worden zu sein (nicht zuletzt, weil General de Gaulle gedroht hatte, die französischen Verbände aus Italien abzuziehen), bis er die Invasion akzeptierte. Am 2. Juli 1944 instruierten die Combined Chiefs of Staff den alliierten Oberbefehlshaber im Mittelmeerraum, Henry Maitland Wilson, eine Landung in Südfrankreich mit dem Zieldatum 15. August vorzubereiten.
Von Ende April bis zur Landung flogen die Alliierten mehr als 10.000 Bombereinsätze über der Côte d’Azur und griffen dabei systematisch alle Batterien und Minenfelder der Besatzer mit insgesamt 12.500 Tonnen Bomben an.
Als die BBC ein Dutzend Nachrichten, deren bekannteste „Gabi dort dans les herbes“ (Gaby schläft im Gras), „Nancy a un torticollis“ (Nancy hat einen steifen Hals) und „Le chasseur est affamé“ (Der Jäger ist hungrig) sind, sendete, wusste die Résistance, dass die Invasion innerhalb der nächsten 24 Stunden bevorstand und sprengte daraufhin Brücken, unterbrach Telefon- und Stromleitungen, griff Fabriken und deutsche Lager an.
Beteiligte und Verlauf
Die 6. US-Heeresgruppe, auch als Südliche Heeresgruppe bekannt, kommandiert von Generalleutnant Jacob L. Devers, wurde Ende Juli auf Korsika aufgestellt und am 1. August 1944 aktiviert, um die französischen und amerikanischen Verbände zusammenzufassen, die für die Invasion Südfrankreichs in der Operation Dragoon vorgesehen waren. Während der Operation sollte die Heeresgruppe dem Allied Forces Headquarters (AFHQ) unter Henry Maitland Wilson unterstellt bleiben und erst nach der Herstellung des Kontakts zu den alliierten Truppen in Nordfrankreich unter den Befehl des Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force (SHAEF) unter US-General Dwight D. Eisenhower kommen.
An der Operation waren 880 alliierte Seeschiffe, darunter neun Geleitflugzeugträger, sechs Schlachtschiffe, 21 Kreuzer und über 100 Zerstörer, insgesamt 34 französische Schiffe und 1370 Landungsboote sowie etwa 5.000 Flugzeuge beteiligt. Vizeadmiral H. Kent Hewitt, Oberbefehlshaber der 8. US-Flotte, befehligte sämtliche Marineoperationen. Hierfür wurde eine besondere Task Force (Western Naval Task Force) gebildet. Für die Luftoperationen zur Unterstützung der Landungen war Major General John K. Cannon, Oberbefehlshaber der 12. US-Luftflotte, zuständig, die Hauptaufgabe fiel dabei dem XII Tactical Air Command unter Gordon P. Saville zu.
Die drei amerikanischen Divisionen des VI. US-Korps unter Lucian K. Truscott bildeten die Angriffstruppen:
- die 3. Infanteriedivision, verstärkt durch Teile der französischen 1. Panzerdivision, landete am westlichen Alpha Beach bei Cavalaire-sur-Mer,
- die 45. Infanteriedivision am mittleren Delta Beach bei Saint-Tropez und
- die 36. Infanteriedivision am östlichen Camel Beach bei Saint-Raphaël.
Sie wurden von Kommandoeinheiten und Luftlandetruppen unterstützt. Französische Kommandotruppen landeten zur Flankensicherung an beiden Seiten des alliierten Brückenkopfes und die First Special Service Force besetzte zur Sicherung des Brückenkopfes zwei vorgelagerte Inseln. Im Hinterland wurde zwischen den Orten Le Luc und Le Muy im Argens-Tal ein provisorischer Luftlandeverband in Divisionsstärke – die 1. Airborne Task Force (Rugby Force) – unter dem Kommando von General Robert T. Frederick abgesetzt. Aufgabe war es, das Massif des Maures zu besetzen, von dessen Höhen aus man die alliierten Landungsstrände bei Saint-Tropez und Saint-Raphaël einsehen konnte. Dieser Verband bestand hauptsächlich aus der britischen 2. unabhängigen Fallschirmjägerbrigade (British 2nd Independent Parachute Brigade), der 517. Fallschirmjägerregimentskampfgruppe (517th Parachute Regimental Combat Team), dem 509. und 551. Fallschirmjägerbataillon (Parachute Infantry Battalion) sowie dem 550. Luftlandebataillon (550th Glider Infantry Battalion). Über 94.000 Mann und 11.000 Fahrzeuge wurden bereits am ersten Tag auf einem 55 Kilometer breiten Küstenstreifen an Land gebracht.
Als sie landeinwärts zogen, trafen die alliierten Truppen auf geringen Widerstand der Wehrmacht, weil diese zuvor einen großen Teil ihrer Truppen zum Kampf gegen die alliierten Landungstruppen in der Normandie verlegt hatte. Etwa 250.000 Mann (mit 186 Flugzeugen) standen den Alliierten gegenüber; darunter waren auch abgekämpfte und kranke Soldaten. Der deutsche Geheimdienst schätzte etwa 500.000 Mann auf alliierter Seite. In Dramont und Agay kam es zu heftigen Gefechten zwischen deutschen und amerikanischen Verbänden. Ein französisches Kommando, das am ersten Tag an der Pointe d’Esquillon abgesetzt worden war, um im Massif de l’Esterel durch Sprengungen deutsche Verstärkungen zu verhindern, landete in einem von deutschen Soldaten kurz zuvor verminten Gelände, wodurch viele Fallschirmspringer getötet, verletzt oder gefangen genommen wurden. Nach der erfolgreichen Landung folgten den Angriffstruppen die Hauptquartiere des VI. US-Korps und der 7. US-Armee sowie die von General Jean de Lattre de Tassigny befehligte französische B-Armee (später in französische 1. Armee umbenannt) – bestehend aus dem I. und II. französischen Korps – mit insgesamt sieben Divisionen.
Erfolge
Bereits zwei Wochen nach dem Beginn der Landeoperation am 15. August war die Provence eingenommen. Am 17. August war der Befehl des OKW an die Armeegruppe G zur Räumung Südfrankreichs ergangen, nachdem auch die Truppen in Nordfrankreich nach der Bildung des Kessels von Falaise lediglich versuchen konnten, sich mit möglichst geringen Verlusten über die Seine zurückzuziehen.[2]
Größere Häfen an der Atlantik- und Mittelmeerküste sollten dabei besetzt gehalten werden und in aussichtsloser Lage unbrauchbar gemacht werden. Es gelang französischen Truppen aber, Toulon schon am 23. August und Marseille am 29. August ohne größere Zerstörungen zu befreien. In Toulon kämpfte das 6e régiment de tirailleurs sénégalais unter Oberst Raoul Salan an vorderster Front.[3]
Vorauseinheiten des VI. US-Korps erreichten Grenoble am 23. August – 83 Tage früher als geplant. Ende August kam es bei Montélimar im Rhônetal zu einer größeren Schlacht, nachdem die alliierten Voraustruppen den deutschen Rückzugsweg durch das Rhônetal am Nebenfluss Drôme blockiert hatten. Der deutschen 19. Armee gelang mit hohen Verlusten ein Durchbruch. Am 1. September wurde nach heftigen Straßenkämpfen zwischen der Résistance und deutschen Truppen auch Nizza befreit, zwei Tage später betraten französische Einheiten Lyon. Der schnelle Rückzug der 19. Armee, von der 11. Panzer-Division nur zeitweilig verzögert, gab der Schlacht den Beigeschmack eines nordwärts eilenden Rennens durch das Rhônetal. Nordwärts ziehende Truppen der französischen 1. Infanterie-Division trafen am 11. September in Saulieu, westlich von Dijon, auf Aufklärungseinheiten der 6. US-Panzerdivision aus General Pattons 3. US-Armee – 77 Tage früher als geplant. Zur gleichen Zeit hatte der rechte Flügel der 7. US-Armee die Burgundische Pforte bei Montbéliard erreicht.
Feier zum 60. Jahrestag
Die Zeremonien zum 60. Jahrestag der Landung in der Provence fanden am 15. August 2004 nacheinander in Le Muy, auf dem Militärfriedhof von Draguignan, in Saint-Raphaël, in Cavalaire-sur-Mer und auf der Reede von Toulon an Bord des Flugzeugträgers Charles de Gaulle statt. Der französische Staatspräsident Jacques Chirac ehrte in Gegenwart von sechzehn afrikanischen Staats- und Regierungschefs das immense Opfer der Kräfte der Freiheit, die vor sechzig Jahren an der Landung in der Provence teilgenommen haben. Im Beisein von etwa 200.000 Zuschauern an der Küste Toulons zeichnete der Präsident 21 Kriegsveteranen, hauptsächlich Afrikaner, aus. Das Kreuz der Ehrenlegion verlieh er der Stadt Algier, die im Zweiten Weltkrieg bis zur Befreiung von Paris Hauptstadt des kämpfenden Frankreichs gewesen war, für ihre Rolle bei der Beherbergung des französischen Komitees der nationalen Befreiung.
Literatur
- Christian Zentner: Der Zweite Weltkrieg. Ein Lexikon. Tosa, Wien 2003, ISBN 3-85492-818-1.
- Jeffrey J. Clarke, Robert Ross Smith: Riviera to the Rhine. Teil der Reihe: United States Army in World War II – European Theater of Operations. Office of the Chief of Military History, Department of the Army, Washington D.C. 1993.
- Gassend Jean-Loup: Autopsy of a Battle, the Liberation of the French Riviera. Schiffer, Atglen 2014, ISBN 978-0-7643-4580-7.
Weblinks
Einzelnachweise
- Countdown zum Untergang – Das lange Ende des Zweiten Weltkrieges 2. September 1944. bei 29 Min. 30 Sek.
- siehe auch Bericht des Kommandanten Heeresgebiet Südfrankreich (1. Juli bis 2. September 1944) (Memento des Originals vom 4. März 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (Rhonetal-Befehl vom 18./19. August 1944)
- LDH Toulon vom 26. August 2004: Demba et Dupont : le retour … (Memento vom 15. Juni 2010 im Internet Archive) Artikel der Französischen Liga für Menschenrechte über die Widmung des 23. August als Gedenktag journée du tirailleur in Senegal