Kunstraub
Illegaler Handel mit Kulturgut aus Raubgrabungen, zerstörerische Plünderungen von antiken Kultstätten und Kunstraub aus Kirchen, Museen und Sammlungen steht neben Geldwäsche, Korruption, Drogen-, Menschen- und illegalem Waffenhandel mittlerweile weltweit an oberster Stelle krimineller Aktivitäten.[1] Laut LKA-Bayern entstehen jährliche Schäden in Höhe von 5 Milliarden US-Dollar, der Bundesverband der Sachverständigen nennt eine Schadenssumme von 6 bis 8 Milliarden US-Dollar pro Jahr[2][3]
In der Statistik des BKA wird die Zahl der in Deutschland polizeilich registrierten Diebstahls-Delikte im Bereich Antiquitäten, Kunst- und sakrale Gegenstände für 2018 mit 1.403 Fällen angegeben. Das höchste Vorkommen seit 2001 war mit 2.930 Delikten im Jahr 2012 zu verzeichnen.[4] Die Aufklärungsquote lag in Deutschland 2018 bei 25,5 %.[5]
Motive
Der international anerkannte Kriminologe John E. Conklin zählt fünf Motive für Kunstdiebstahl auf:
- Täter, die hoffen, gestohlene Kunst selber an Hehler oder durch Vermittlung veräußern zu können.
- Solche Täter oder Gruppen, die Kunstwerke auf Bestellung und für eine Provision stehlen.
- Kunstdiebe, die die Kunstwerke gegen ein Lösegeld den Eigentümern zum Rückkauf anbieten.
- Jene Täter, die die Kunst für sich und ihre eigene Sammlung stehlen und schließlich
- Eine vergleichsweise kleine Gruppe von Tätern, die Kunst stiehlt, um damit politische Ziele durchzusetzen.[6]
Immer häufiger werden Kunstwerke von der Organisierten Kriminalität und sogar auf Bestellung gestohlen. Diese Kunstwerke werden dann als Geldanlage, zur Geldwäsche oder als Zahlungsmittel verwendet. Häufigstes Motiv ist allerdings das der persönlichen Bereicherung. Nach Angaben des Art Loss Registers werden Kunstwerke von Picasso, Miró und Chagall am häufigsten entwendet.
Den Raub von Kunstwerken zum Zwecke der Erpressung nennt man Artnapping, dies betrifft vor allem Kunstwerke die aufgrund ihrer Bekanntheit nicht verkauft werden können und deren Bedeutung so groß ist, dass der Eigentümer die Zerstörung nicht riskieren möchte.
Kunstraub von antiken und archäologischen Gegenständen
Illegaler Handel mit archäologischen Funden und Kunstobjekten wird als Antikenhehlerei bezeichnet. (Siehe Hauptartikel: Antikenhehlerei und Raubgrabung)
- Auf Zypern wurden infolge der Vertreibung griechischer Zyprioten nach 1974 verschiedene byzantinische Kirchen geplündert. Siehe dazu auch: Panagia tis Kyras (Livadia) oder Panagia Kanakaria.
Kunstraub durch Krieg
Vor 1900 war es gängige Praxis, bei Kriegen Schätze, einschließlich Kunstwerke, des Kriegsgegners als Kriegsbeute zu plündern oder zu rauben. In Artikel 56 der Haager Landkriegsordnung von 1899 ächteten die Unterzeichnerstaaten den Kunstraub. In der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten von 1954 erweiterten die Unterzeichnerstaaten nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges die Regeln zum Schutz von Kulturgut.
- Die im Zuge des Zweiten Weltkrieges und anderer Kriege geraubte Kunst und Kunstgegenstände werden häufig als Beutekunst bezeichnet. Im Zweiten Weltkrieg war der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg mit systematischem Kunst- und Kulturraub in den besetzen Ländern beauftragt. Zudem bereicherten sich Nazigrößen, allen voran Hermann Göring, systematisch an Raubkunst. Heute geht die Wissenschaft davon aus, dass sich Göring über 4.000 Kunstwerke illegal aneignete.[7]
- Im Zuge des Irakkrieges wurden zahlreiche wertvolle Exponate aus dem archäologischen Irakischen Nationalmuseum in Bagdad geraubt; einige davon wurden später bei Kunstauktionen versteigert oder privaten Kunstsammlern feilgeboten.
Einige spektakuläre Kunstdiebstähle
- 1911 – Raub der Mona Lisa aus dem Louvre in Paris.
- 1945 – Teile des Domschatzes aus der Domschatzkammer Quedlinburg wurden von einem US-amerikanischen Soldaten entwendet.
- 1962 – Sogenannter Madonnenraub der Volkacher Rosenkranzmadonna von Tilman Riemenschneider, nach einer Rettungsaktion des Wochenmagazins Stern gerettet.
- 1969 - Caravaggios „Christi Geburt mit den Heiligen Laurentius und Franziskus“ wurde in der Nacht vom 17. auf 18. September aus dem barocken Oratorio di San Lorenzo in Palermo entwendet. Vermutet wurde ein Mafia-Diebstahl.[8][9]
- 1966–1983 – Viermaliger Raub eines Rembrandt-Bildes aus der Dulwich Picture Gallery: Damit ist dies das am häufigsten gestohlene Gemälde.
- 1979 – Der Kunstdiebstahl von Gotha mit Diebstahl von Gemälden von Frans Hals, Jan Brueghel der Ältere, Anthonis van Dyck, Hans Holbein der Ältere, u. a.
- 1989 – Aus Schloss Charlottenburg wurden zwei Gemälde von Carl Spitzweg gestohlen: Der Liebesbrief und eine Fassung des Bilds Der arme Poet.
- 1990 – Kunstraub von 13 Gemälden im Isabella Stewart Gardner Museum in Boston (u. a. Das Konzert von Jan Vermeer und drei Gemälde Rembrandt van Rijns).
- 1994 und 2004 – Raub zweier Versionen des Schreis von Edvard Munch aus dem Museum in Oslo.
- 1994 – Zwei Turner-Gemälde aus der Schirn-Kunsthalle in Frankfurt.
- 2002 – Zwei Van Goghs aus dem Van Gogh Museum, Amsterdam.
- 2003 – Raub der Saliera aus dem Kunsthistorischen Museum, Wien.
- 2006 – Raub von vier Kunstwerken (Picasso, Matisse, Dali und Monet) aus dem Museum Chacara do Ceu in Rio de Janeiro.[10]
- 2008 – Bewaffneter Kunstraub aus der Sammlung E.G. Bührle, Zürich: Es wurden Gemälde von Cézanne, Van Gogh, Monet und Degas gestohlen.
- 2008 – Raub aus der Pinacoteca do Estado de São Paulo in Brasilien (jeweils zwei Bilder von Pablo Picasso und Lasar Segall).[11]
- 2010 – Über Nacht wurden fünf Gemälde (Picasso, Matisse) aus dem Musée d’art moderne de la Ville de Paris in Paris entwendet.[12][13]
- 2012 – Raub von 7 Gemälden, darunter Picasso, Monet, Gauguin u. a., aus der Kunsthal Rotterdam, Rotterdam.[14]
- 2013 – Das Borghorster Stiftskreuz wurde aus der Nikomedeskirche in Borghorst entwendet.
- 2014 – Für 71 Bilder, die im August aus einer Villa in Wien-Hietzing gestohlen wurden, vorwiegend wertvolle Werke österreichischer Künstler wie Oskar Kokoschka, wurde für die Wiederbeschaffung die Rekordsumme von 250.000 € ausgelobt.[15]
- 2015 – Am 19. November wurden aus dem Museum Castelvecchio in Verona 17 Gemälde (u. a. Bilder von Tintoretto und Rubens) im Wert von ca. 15 Millionen Euro gestohlen.
- 2017 – Am 27. März wurde aus dem Berliner Bode-Museum eine rund 100 kg schwere Big-Maple-Leaf-Goldmünze geraubt.
- 2019 – Am 14. September wurde die Plastik America des italienischen Bildhauers Maurizio Cattelan aus dem Blenheim Palace gestohlen.
- 2019 – Am 25. November fand der Dresdner Juwelendiebstahl statt: Es wurden Teile dreier Juwelengarnituren aus dem Grünen Gewölbe in Dresden gestohlen.
Kunstdiebstahl in Filmen
Auswahl an Filmen, in denen es um Kunstdiebstahl geht. Meist werden hier die Diebe mythologisiert während sie mit der Realität des organisierten Verbrechens nichts gemein haben.
- Topkapi
- Thomas Crown ist nicht zu fassen. (The Thomas Crown Affair)
- The Last Mission – Das Himmelfahrtskommando
- Der Zug (The Train)
- Headhunters
- Trance – Gefährliche Erinnerung (2013)
Recht
International gelten folgende Konventionen:
- UNESCO-Konvention gegen illegalen Handel mit Kulturgut vom 14. November 1970[16] − in Deutschland ratifiziert als Gesetz zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens, in Kraft getreten 2008 (konkretisiert mit Verordnung über das Verzeichnis wertvollen Kulturgutes nach dem Kulturgüterrückgabegesetz)[17]
- UNIDROIT-Konvention über gestohlene oder rechtswidrig exportierte Kulturgüter vom 25. Juni 1995[18]
Galerie berühmter gestohlener Gemälde (Auswahl)
- Jan van Eyck: Nur Richter
- Johannes Vermeer: Das Konzert (um 1658–1660)
- Rembrandt: Der Sturm auf dem See von Genezereth (1633)
- Govaert Flinck (früher Rembrandt zugeschrieben): Landschaft mit einem Obelisk (1638)
- Amedeo Modigliani:
La Femme à l'éventail (1919) - Vincent van Gogh: Kirchengemeinde die Reformierte Kirche in Nuenen verlassend (1884)
- Vincent van Gogh: Blick auf die See bei Scheveningen (1882)
- Caspar David Friedrich: Landschaft mit Regenbogen (um 1810)
- Franz Marc: Der Turm der Blauen Pferde 1913 (verschwunden seit 1945)
- Charing Cross Bridge, London von Claude Monet (1901). Triton
- Waterloo Bridge, London von Claude Monet (1901). Triton
- Femme devant une fenêtre ouverte, dite la Fiancée von Paul Gauguin (1888). Triton
- Selbstporträt von Jacob Meijer de Haan (circa 1889–91). Triton
Literatur
- John E. Conklin: Art Crime. Praeger Publishers, Westport 1994
- Bénédicte Savoy: Kunstraub. Napoleons Konfiszierungen in Deutschland und die europäischen Folgen. Böhlau Verlag, Köln/Weimar/Wien 2010, ISBN 978-3-205-78427-2. (Übersetzung von Bénédicte Savoy: Patrimoine annexé. Les biens culturels saisis par la France en Allemagne autour de 1800. Éditions de la Maison des sciences de l’homme, Paris 2003, ISBN 978-2-7351-0988-3).
- Andrea F. G. Raschèr: Kunstraub ist nicht zu fassen. In: KUR – Kunst und Recht, Volume 10, Issue 1 (2008), S. 9. doi:10.15542/KUR/2008/1/3
- Steen Kittl, Christian Saehrendt: Geier am Grabe van Goghs und andere häßliche Geschichten aus der Welt der Schönen Künste. DuMont, Köln 2010, ISBN 978-3-8321-9093-4.
- Nora Koldehoff, Stefan Koldehoff: Aktenzeichen Kunst. Die spektakulärsten Kunstdiebstähle der Welt. DuMont, Köln 2004, ISBN 3-8321-7435-4.
- Stefan Koldehoff mit Tobias Timm: Kunst und Verbrechen. Galiani Verlag, Berlin 2020, ISBN 3-86971-176-0.
- Sandy Nairne: Die leere Wand, Museumsdiebstahl - Der Fall der zwei Turner-Bilder. Piet Meyer Verlag, Bern/Wien 2013, ISBN 978-3-905799-19-4.
- Milbry Polk, Angela M. Schuster: The looting of the Iraq Museum. Baghdad - the lost legacy of ancient Mesopotamia. Abrams, New York 2005, ISBN 0-8109-5872-4.
- Volker Michael Strocka (Hrsg.), mit Beiträgen von Wilfried Fiedler, Gerhard Kaiser, Günter Schade und Rainer Wahl: Kunstraub. Ein Siegerrecht? Historische Fälle und juristische Einwände. Willmuth Arenhövel, Berlin 1999, ISBN 3-922912-48-6.
- Peter Watson, Cecilia Todeschini: Die Medici-Verschwörung. Der Handel mit Kunstschätzen aus Plünderungen italienischer Gräber und Museen. Parthas-Verlag, Berlin 2006, ISBN 978-3-86601-905-8.
- Merten Lagatz, Bénédicte Savoy, Philippa Sissis (Hrsg.): Beute. Ein Bildatlas zu Kunstraub und Kulturerbe. Matthes & Seitz, Berlin 2021.
- Isabelle Dolezalek, Bénédicte Savoy, Robert Skwirblies (Hrsg.): Beute. Eine Anthologie zu Kunstraub und Kulturerbe. Matthes & Seitz, Berlin 2021.
- Susanna Partsch: Wer klaute die Mona Lisa? Die berühmtesten Kunstdiebstähle der Welt. C.H. Beck 2021
Siehe auch
Einzelnachweise
- Kunstdiebstähle: Lösegeld für eine Leinwand, Der Tagesspiegel vom 25. Oktober 2012, abgerufen am 26. Dezember 2019
- Kunstdiebstahl verursacht weltweit 6 bis 8 Mrd. US-Dollar Schaden pro Jahr, b.v.s. vom 1. Dezember 2009, abgerufen am 26. Dezember 2019
- Erfahrungsaustausch "Sicherheit in Museen (Memento vom 4. November 2017 im Internet Archive), (aus W&S 6/2009) abgerufen am 26. Dezember 2019
- Polizeilich erfasste Fälle des Diebstahls von Antiquitäten, Kunst- und sakralen Gegenständen in Deutschland von 2001 bis 2018, Statista von April 2019, abgerufen am 26. Dezember 2019
- Polizeiliche Aufklärungsquote bei Diebstahl von Antiquitäten, Kunst- und sakralen Gegenständen in Deutschland von 1987 bis 2018, Statista von April 2019, abgerufen am 26. Dezember 2019
- Sandy Nairne: Die leere Wand, Museumsdiebstahl - Der Fall der zwei Turner-Bilder. Piet Meyer Verlag, Bern/Wien 2013, S. 16.
- Nazi-Raubkunst: Görings Schatz jetzt online, in Spiegel-Online vom 20. Juni 2012, abgerufen am 26. Dezember 2019
- „Entführter“ Caravaggio: Neue Details zu legendärem Kunstdiebstahl, ORF-News vom 24. September 2019, abgerufen am 26. Dezember 2019
- A Caravaggio for Christmas: is his stolen Nativity masterpiece about to reappear? in: The Guardian vom 16. Dezember 2018 (engl.), abgerufen am 26. Dezember 2019
- Spektakulärer Kunstraub in Rio, n-tv vom 25. Februar 2006, abgerufen am 26. Dezember 2019
- Kunstraub Brasilianische Polizei stellt Picasso-Stich sicher, Der Tagesspiegel vom 18. August 2018, abgerufen am 26. Dezember 2019
- Paris art museum theft the work of lone robber, The Guardian vom 20. Mai 2010 (engl.), abgerufen am 26. Dezember 2019
- Prozess um spektakulären Kunst-Diebstahl in Pariser Museum, Monopol vom 31. Januar 2017, abgerufen am 26. Dezember 2019
- Kunstraub: Heisse Spur zu gestohlenen Gemälden aus Rotterdam, Die Welt vom 30. Januar 2013, abgerufen am 26. Dezember 2019
- 250.000 Euro Belohnung nach Kunstdiebstahl, ORF vom 30. September 2014, abgerufen am 26. Dezember 2019
- Generalkonferenz der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (12. Oktober bis 14. November 1970 in Paris): Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (BGBl. 2007 II S. 626, 627)
- UNESCO-Übereinkommen seit 1948, Webseite: Deutsche UNESCO-Kommission, abgerufen am 26. Dezember 2019
- Unidroit-Übereinkommen über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter (Memento vom 1. März 2011 im Internet Archive) (pdf; 682 kB), abgerufen am 26. Dezember 2019
Weblinks
- BKA-Datenbank: Fahndung nach Sachen
- BKA-Datenbank: Sichergestellter Gegenstände
- Interpol-Seite über Kunstdiebstähle (Memento vom 1. Oktober 2011 im Internet Archive) (englisch)
- FBI - Art Crime Team (englisch)
- FBI Art Theft (englisch)
- Lost Art-Datenbank, Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Magdeburg
- Dresden, Kairo, Paris: Das sind die spektakulärsten Kunstraube der letzten 100 Jahre, Focus Online vom 27. November 2019
- Kriminalität: Die teuersten Kunstraube aller Zeiten, Statista vom 26. November 2019