Kraichgaubahn
Die Kraichgaubahn ist eine 64,8 km lange Eisenbahnstrecke in der Region Kraichgau im Nordwesten Baden-Württembergs. Sie führt von Karlsruhe über Bretten und Eppingen nach Heilbronn und wurde 1880 fertiggestellt. Internationale Bekanntheit erlangte die Strecke ab 1992 durch den Umbau zur weltweit ersten Zweisystem-Stadtbahnstrecke, der Abschnitt zwischen Karlsruhe und Bretten ist damit eine Keimzelle des so genannten Karlsruher Modells.
Grötzingen–Heilbronn | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Streckennummer: | 4201 (Grötzingen–Stebbach) 4950 (Crailsheim–Stebbach) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Kursbuchstrecke (DB): | 710.4 (bis etwa 2009: 710.4 (Achern–Karlsruhe–Eppingen) und 710.42 (Eppingen–Heilbronn–Öhringen); bis etwa 1998: 776; bis etwa 1970: 564; bis etwa 1950: 321b; bis etwa 1945: 304a) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Streckenlänge: | 64,8 km | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Spurweite: | 1435 mm (Normalspur) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Streckenklasse: | D4 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Stromsystem: | 15 kV, 16,7 Hz ~ | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Maximale Neigung: | 12 ‰ | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Minimaler Radius: | 450 m | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Höchstgeschwindigkeit: | Grötzingen-Bretten 110 km/h Bretten-Heilbronn 100 km/h | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Zweigleisigkeit: | Jöhlingen–Wössingen im Bf Gölshausen im Bf Eppingen im Bf Schwaigern Leingarten–Heilbronn-Kanalbrücke | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Geographie
Topographie
In ihrem westlichen Teil verläuft die Strecke quer zur Hauptfließrichtung der Kraichgauer Wasserläufe. Letztere fließen in nordwestliche Richtung, während die Bahn von Karlsruhe bis Eppingen nach Nordosten strebt. Der daraus resultierende Wechsel von Berg und Tal zwingt die Bahn zu einem kurvenreichen Verlauf. Insgesamt werden zwischen den Tälern von Pfinz, Walzbach, Saalbach, Kraichbach, Elsenz und Lein fünf Bergrücken gequert, davon drei mit Tunnel. Nur zwischen Flehingen und Sulzfeld kann auf etwas längerer Strecke das Tal des Kohlbachs genutzt werden. Im östlichen Teil sind die natürlichen Gegebenheiten günstiger, hier verläuft die Strecke zum großen Teil durch das Tal der Lein.
Streckenverlauf
Die Kraichgaubahn beginnt im Bahnhof Karlsruhe-Grötzingen, wo sie von der Bahnstrecke Karlsruhe–Mühlacker nach links abzweigt. Zunächst ist die Strecke eingleisig, anschließend folgt zwischen Jöhlingen West und Wössingen Ost ein erster zweigleisiger Abschnitt. Vor dem Bahnhof Bretten kreuzt sie niveaufrei die württembergische Westbahn, auf der heute die Linie S9 der Stadtbahn Karlsruhe und der Regional-Express Heidelberg–Stuttgart verkehren. Von Bretten-Gölshausen bis zum Haltepunkt Gölshausen Industrie und von Eppingen West bis Eppingen Bahnhof verläuft sie erneut zweigleisig, dazwischen gibt es mehrere Kreuzungsbahnhöfe. Hinter Eppingen zweigt bei Stebbach die Bahnstrecke Steinsfurt–Stebbach nach links ab, ab Leingarten West verläuft die Kraichgaubahn wieder zweigleisig. In Heilbronn Hbf trifft sie auf den Anfang der Stadtbahn Heilbronn und der Hafenbahn Heilbronn sowie auf das dritte Gleis der Frankenbahn und führt in das Gleis 6 des Hauptbahnhofs.
Geschichte
Entstehungsgeschichte bis 1880
Um 1870 war der mittlere Kraichgau von vier Bahnlinien umgeben. Diese waren:
- die badische Rheintalbahn, die Heidelberg über Bruchsal mit Karlsruhe verband;
- die württembergische Westbahn, die von Bruchsal über Bretten nach Bietigheim verlief;
- die württembergische Nordbahn von Stuttgart über Bietigheim nach Heilbronn;
- die badische Odenwaldbahn mit Verbindung zur Nordbahn, die Heidelberg über Meckesheim, Sinsheim und Jagstfeld mit Heilbronn verband.
Das von diesen Linien beschriebene Viereck umfasste ein weites Gebiet im Grenzland zwischen Baden und Württemberg um die badische Stadt Eppingen herum. Diese und ihr Umland, das traditionelles Durchgangsland von Handelswegen war, drohten von den Verkehrsströmen und der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung abgehängt zu werden und hatten sich daher wiederholt für den Bau einer Eisenbahnlinie durch diese Region eingesetzt. Auch die württembergische Stadt Heilbronn, die für sich bessere Verkehrswege nach Westen wünschte, und Karlsruhe unterstützten diese Forderungen.
So kam der Plan auf, eine Strecke von Karlsruhe (genauer: Grötzingen) über Bretten und Eppingen nach Heilbronn zu bauen. Neben lokalen Bedürfnissen spielten hier auch größere Zusammenhänge eine Rolle, nämlich der Gedanke einer möglichst direkten Linie von Frankreich in Richtung Nürnberg und von dort weiter nach Osten. Einer solchen direkten Verbindung halber erhielt die erwähnte Streckenführung nach Heilbronn den Vorzug gegenüber einer rein badischen Strecke, die von Bretten an die Meckesheim-Jagstfelder Bahn angeschlossen hätte.
Das Vorhaben erhielt Zustimmung von staatlichen Stellen in beiden Ländern. Die badische Regierung sah sich jedoch nicht zu einer schnellen Umsetzung in der Lage, da sie mit anderen Eisenbahnbauten (hauptsächlich der Schwarzwaldbahn) ausgelastet war. Um den Bau zu beschleunigen, bot die Stadt Karlsruhe unter Bürgermeister Wilhelm Florentin Lauter an, den badischen Abschnitt bis Eppingen unter eigener Regie zu bauen und den Staatsbahnen zur Nutzung zu überlassen, die dafür zunächst einen Pachtzins zahlen und die Strecke später in Ratenzahlungen zurückkaufen sollten.
Die badische Regierung ging auf diesen Vorschlag ein, und so wurde der Bau mit Gesetz vom 30. März 1872 beschlossen. Vor Baubeginn mussten jedoch Verhandlungen mit Württemberg geführt werden. Diese mündeten in einem am 29. Dezember 1873 geschlossenen Staatsvertrag, der noch weitere Verbindungen zwischen den Staaten im Neckartal und Kinzigtal vorsah. Württemberg sollte den Abschnitt Heilbronn–Eppingen bauen; Eppingen wurde zum Wechselbahnhof bestimmt. Der badische Abschnitt sollte die Westbahn in Bretten kreuzen. Diese wurde bis dahin auf ganzer Länge von Württemberg betrieben, d. h. auch auf badischem Territorium zwischen Ruit (bei Bretten) und Bruchsal. Um die Kreuzung einer badischen mit einer württembergischen Bahn zu vermeiden, reklamierte Baden sein Rückkaufsrecht, das es laut Vertrag über die Westbahn für den auf seinem Territorium befindlichen Abschnitt besaß. Die Verhandlungen darüber zogen sich mehrere Jahre lang hin, bis mit Staatsvertrag vom 15. November 1878 der Abschnitt Bruchsal–Bretten gegen Entschädigung an Baden fiel.
Aufgrund einer im badischen Eisenbahnwesen eingetretenen Finanzkrise tat sich die Stadt Karlsruhe zunächst schwer, einen Bauunternehmer für die Strecke zu finden, so dass die Konzession erst am 15. November 1876 erteilt werden konnte. Bauunternehmer wurde die Ph. Holzmann & Cie in Frankfurt am Main. Am 15. Oktober 1879 wurde die Strecke Grötzingen–Eppingen eröffnet; schon am 10. Oktober 1878 hatten die württembergischen Staatsbahnen den Abschnitt zwischen Heilbronn und Schwaigern eröffnet, und am 7. August 1880 wurde die Lücke zwischen Eppingen und Schwaigern geschlossen. Planung und Bau des württembergischen Abschnitts unterstanden Oberbaurat Carl Julius Abel, auf badischer Seite führte Max Becker die Aufsicht für die Großherzoglich Badischen Staatseisenbahnen. In der Diskussion um die Trassenführung des Reststückes stellte der Gemeinderat der damals noch selbstständigen Gemeinde Stetten am Heuchelberg die Planer vor vollendete Tatsachen: Der örtliche Haltepunkt wurde gebaut, noch bevor feststand, ob die Strecke den Ort überhaupt tangieren würde.
Im daran anschließenden 12,79 Kilometer langen Abschnitt von Stetten nach Eppingen verzögerte der Bau sich um gut zwei Monate dadurch, dass die Großherzoglich Badische Regierung darauf bestand, die Strecke über Gemmingen verlaufen zu lassen, statt wie von der Württembergischen Regierung gewünscht auf kürzerem Wege an Stebbach vorbei zu führen.[3]
Mit der Vollendung der Strecke übernahmen die Badischen Staatseisenbahnen in Abänderung der ursprünglichen Vereinbarungen das volle Eigentum an der Bahn, indem sie die von Karlsruhe ausgegebene Anleihe von 12 Millionen Mark übernahm.[4] Die Fahrgastzahlen auf der Kraichgaubahn stiegen in den Folgejahren kontinuierlich an.
1880 bis 1945
Im Jahr 1900 wurde die Kraichgaubahn außerdem durch eine Verbindung nach Steinsfurt an die Bahnstrecke Meckesheim–Bad Friedrichshall angeschlossen. Diese Verbindung verlief entlang der Elsenz.
Die an der Kraichgaubahn gelegenen Orte Dürrenbüchig und Gölshausen (heute Stadtteile von Bretten) hatten sich beschwert, keinen Haltepunkt bekommen zu haben. Ihrem Wunsch wurde 1906 nachträglich entsprochen. 1888 erfolgte der zweigleisige Ausbau des Streckenstücks Bretten–Eppingen–Heilbronn als Teil einer militärischen Nachschubroute von Mitteldeutschland über Nürnberg, Crailsheim, Heilbronn, Bretten, Bruchsal, Zweibrücken ins Saargebiet und nach Lothringen. Die Bedeutung der Verbindung in Friedenszeiten blieb dagegen gering, und der Wunsch nach Schnellzugverbindungen zwischen Karlsruhe und Würzburg/Nürnberg über die Kraichgaubahn fand bei den Bahnverwaltungen kein Gehör. Jedoch wurde wegen Überlastung des Stuttgarter Hauptbahnhofs von 1906 bis 1914 der von und nach Paris verkehrende Luxuszug „Paris-Karlsbad-Express“ über die Kraichgaubahn geführt. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs brachte das Ende dieses Fernzugs.[5]
Am 31. März 1920 gingen die Badische und die Württembergische Staatsbahn in der neu gegründeten Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft auf. Aufgrund der Reparationszahlungen, die Deutschland nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg zahlen musste, fehlte allerdings Geld für einen weiteren Ausbau der Bahnstrecke. So blieben Bemühungen der Folgejahre, auch den Streckenabschnitt Durlach–Bretten durchgehend zweigleisig auszubauen, erfolglos. Ab 1935 wurden erstmals so genannte „Dieseleiltriebwagen“ des Typs VT 137 eingesetzt.
Deutsche Bundesbahn (1945–1992)
Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs erlitt auch die Kraichgaubahn wie die meisten anderen Eisenbahnlinien hohe Schäden. Da die Wehrmacht Brücken in Grötzingen und in Rinklingen sprengte, war die Strecke zwischen Karlsruhe und Bretten mehrere Monate lang nicht befahrbar, der Schienenverkehr von Karlsruhe in den Kraichgau musste über Bruchsal geführt werden. Gleichzeitig war die Strecke bis zur Wiederinbetriebnahme des Bietigheimer Eisenbahnviadukts im August 1945 Teil der einzigen Schienenverbindung zwischen Karlsruhe und Stuttgart.
Im Mai 1972 endete die Ära des planmäßigen Dampfbetriebes. Fortan verkehrten auf der Kraichgaubahn Schienenbusse und mit Lokomotiven der Baureihe 218 und der Baureihe 212 bespannte Silberling-Züge. Ab 1976 gab es von Seiten der Deutschen Bundesbahn Pläne, die Regionalstrecke gemeinsam mit der Strecke zwischen Eppingen und Sinsheim stillzulegen. So hatte sie den zwischen Bretten und Heilbronn durchgehend zweigleisigen Streckenabschnitt größtenteils auf ein Gleis zurückgebaut. Gegen die Stilllegungspläne regte sich damals in der Bevölkerung heftiger Widerstand, mit Sonderzügen und Straßenblockaden machte besonders die Eppinger Bevölkerung auf sich aufmerksam.
In den späten achtziger Jahren übernahmen Dieseltriebwagen der Baureihe 628 den Personenverkehr. Gleichzeitig wurde der Betrieb zwischen Bretten und Heilbronn an Wochenenden teilweise eingestellt.
Übernahme durch die AVG und Ausbau zur Stadtbahn (seit 1992)
In der Folge übernahm die Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG), ein Unternehmen der Stadt Karlsruhe, ab etwa 1990 die Kosten für die Modernisierung und Elektrifizierung der Strecke im Rahmen eines Pilotprojekts. Als Stromsystem kam dabei der bei der Deutschen Bahn übliche Wechselstrom mit 16,7 Hz zum Einsatz.
Die Strecke wurde am 25. September 1992 im Abschnitt Karlsruhe–Bretten-Gölshausen als Linie „B“ in das Netz der Karlsruher Stadtbahn integriert, nachdem die 1957 eröffnete erste Stadtbahnstrecke, die Albtalbahn, als Linie „A“ bezeichnet wurde. Während letztere durchgehend mit Gleichstrom betrieben wurde, wechselte die Linie B beim Übergang vom Straßenbahn- ins Eisenbahnnetz neben dem rechtlichen Status auch das Stromsystem. Dies war gleichzeitig der finale Schritt der Entstehungsgeschichte des „Karlsruher Modells“.
Während die bestehenden Bahnhöfe modernisiert wurden, entstanden auch zahlreiche neue Haltepunkte, insbesondere in der Stadt Bretten, beispielsweise die zentrumsnähere Haltestelle „Stadtmitte“. Die AVG baute außerdem mehrere auf ein Gleis zurückgebaute Streckenabschnitte wieder zweigleisig aus, während das durchgehende zweite Gleis von Jöhlingen West nach Wössingen Ost völlig neu entstand. Da auch alle Tunnel zweigleisig ausgelegt waren, war eine durchgehende Elektrifizierung der Strecke ohne hohen Aufwand möglich, da das einzelne Gleis lediglich in die Mitte des Tunnels verlegt werden musste.
Der Erfolg der neuen Stadtbahnlinie stellte sich sofort ein: Anstatt vorher durchschnittlich 1800 Reisende nutzten Anfang 1993 nun täglich 8500 Fahrgäste die Bahn zwischen Karlsruhe und Bretten. Selbst auf den Triebwagenfahrten der Bundesbahn wuchsen die Fahrgastzahlen. Da nun auch an Sonntagen regelmäßige Züge angeboten wurden, stieg hier die Zahl der Bahnreisenden sogar um das 30-Fache.[6] Also erschien eine Verlängerung der Stadtbahnstrecke über Bretten hinaus sinnvoll. 1996 wurden die verbliebenen durchgehenden DB-Züge von Karlsruhe nach Heilbronn aufgegeben. Fortan verkehrten diese nur noch zwischen Bretten-Gölshausen und Heilbronn.
Als am 1. Juni 1997 die Stadtbahn bis nach Eppingen verlängert wurde, verkehrten die DB-Züge noch zwischen Eppingen und Heilbronn, ehe am 26. September 1999 die Stadtbahn den Hauptbahnhof von Heilbronn erreichte, nachdem es an Wochenenden schon ab März 1999 einen Stadtbahn-Vorlaufbetrieb zwischen Eppingen und Heilbronn gegeben hatte. Am 5. November 2000 wurden auch der Haltepunkt Böckingen-Sonnenbrunnen und das zweite Gleis Böckingen-Berufsschulzentrum – Heilbronn Hbf in Betrieb genommen.[7] Der Umbau des Abschnitts Eppingen–Heilbronn kostete etwa 72 Millionen Deutsche Mark,[7] also etwa 55,2 Millionen Euro.[8] Im Jahr 2000 wurde der Bahnhof von Bretten grundlegend modernisiert. Seit 21. Juli 2001[7] fahren die Züge der Kraichgaubahn über den Heilbronner Hauptbahnhof hinaus bis in die Innenstadt, seit 2004 bis zum östlichen Stadtrand und seit dem 10. Dezember 2005 nach zweieinhalbjähriger Bauzeit auf einem Abschnitt der Bahnstrecke Heilbronn–Crailsheim bis nach Öhringen.
Zwischen 2003 und 2004 war die Kraichgaubahn Teil der „längsten Stadtbahnlinie der Welt“, als planmäßig durchgehende Fahrten von Freudenstadt über die Murgtalbahn nach Karlsruhe und weiter bis Heilbronn mit einer Länge von 155 km und einer Reisezeit von über 3½ Stunden möglich waren. Da diese Linienführung jedoch zu anfällig für Verspätungen war und gleichzeitig die Verlängerung bis Öhringen anstand, musste sie wieder aufgegeben werden, und die Linienführung wurde in Richtung Baden-Baden–Achern abgeändert. Der Fahrplan 2005/2006 bot täglich eine durchgehende Verbindung von Öhringen nach Freudenstadt mit einer Fahrzeit von 4 Stunden und 14 Minuten.
Am 11. Dezember 2009 wurde der Haltepunkt Böckingen West eingeweiht, der in den acht Monaten zuvor für rund 1,6 Millionen Euro erbaut wurde.[9]
Der Bahnübergang in km 119,898 am Haltepunkt Böckingen Sonnenbrunnen wurde am 11. Februar 2019 außer Betrieb genommen und durch eine Unterführung sowie am 28. März 2019 durch einen Bahnübergang für Geh- und Radverkehr mit einer Sicherungsanlage der Bauart BÜP93/LzF-ÜS in km 119,902 ersetzt.[10]
Das Verkehrsministerium plant, ab Dezember 2022 eine Expressverbindung von Karlsruhe nach Heilbronn einzurichten, die nicht die Innenstädte bedient. Diese Züge könnten aufgrund vergaberechtlicher Vorschriften nicht von der AVG betrieben werden. Diese Leistungen wurden als Teil des Netzes 7b „Karlsruher Netze“ an DB Regio vergeben, die dort Triebzüge des Typs Alstom Coradia Continental einsetzen will.[11] Es wird erwartet, dass für die Umsetzung der Planungen des Verkehrsministeriums die Herstellung der Zweigleisigkeit zwischen Schwaigern und Leingarten erforderlich sein könnte. Die Planungs- und Baukosten hierfür werden nach Stand 2021 auf etwa 24 Millionen Euro geschätzt.[12] Mit der Fertigstellung ist nicht vor Ende 2024 zu rechnen.
Da bei Einführung der Expressverbindungen zwischen Karlsruhe Hauptbahnhof und Heilbronn eine von drei stündlichen Verbindungen in die Karlsruher Innenstadt entfallen muss, plant der Landkreis Karlsruhe den Ausbau des Abschnittes zwischen Grötzingen und Bretten, um zukünftig 3 Stadtbahnverbindung stündlich zusätzlich zu der Expressverbindung anbieten zu können. Geplant ist der zweigleisige Ausbau zwischen Grötzingen Pfinzbrücke und dem Jöhlinger Tunnel sowie zwischen Wössingen Ost und Dürrenbüchig. Ferner sieht die Planung ein zusätzliches Kehrgleis im Bereich Gölshausen/Bauerbach vor[13]
Betrieb
Betreiber der Eisenbahnstrecke ist die Albtal-Verkehrs-Gesellschaft, welche die Strecke für 25 Jahre von der Deutschen Bahn gepachtet hat. Auf der Strecke verkehrt die Linie S4 (Karlsruhe–Bretten–Heilbronn–Öhringen) der AVG mit Elektrotriebwagen der Typen GT8-100C/2S, GT8-100D/2S-M sowie ET 2010.
Der Karlsruher Verkehrsverbund (KVV) sowie der Heilbronner Hohenloher Haller Nahverkehr (H3NV) sind an der Strecke beteiligt und treffen in Eppingen aufeinander. Weitere Verbünde werden tangiert.
Unterwegshalte
Die Bahnsteighöhe über Schienenoberkante beträgt in Wössingen Ost, Bretten, Bretten Schulzentrum, Bauerbach, Zaisenhausen, Gölshausen Industrie sowie an allen Halten zwischen Eppingen und Heilbronn 55 cm, somit ist ein ebenengleicher Einstieg in die bevorzugt eingesetzten Mittelflur-Stadtbahnwagen der Bauart GT 8-100D/2S-M möglich. An allen anderen Haltestellen beträgt die Bahnsteighöhe 38 cm.
Alle Bahnsteige haben eine Länge von mindestens 120 m, damit in Zeiten mit besonders hoher Verkehrslast – insbesondere im morgendlichen Berufs- und Schülerverkehr – der Einsatz von Triebwagen in Dreifachtraktion möglich ist. Da aber die Innenstadtbereiche in Karlsruhe und Heilbronn aufgrund baulicher Einschränkungen nur für eine Doppeltraktion ausgelegt sind, verkehren Züge nur selten in maximaler Länge, auch aufgrund des dabei bestehenden Aufwandes für die Zugtrennung bzw. -zusammenführung vor den Innenstädten.
Der Abschnitt von Grötzingen (Kilometer 0,0) bis hinter Eppingen (Kilometer 43,5) besitzt die offizielle Streckennummer 4201. Der folgende Abschnitt bis Heilbronn (Kilometer 140,0 bis 118,6) ist Teil der Strecke 4950, welche in Crailsheim beginnt, deren Nullpunkt aber bereits der Bahnhof Goldshöfe an der Oberen Jagstbahn ist.
Die sich anschließenden Halte in der Heilbronner Innenstadt sind Bahnhofsvorplatz (mit Wechsel von EBO auf BOStrab und Stromsystemwechsel), Neckar-Turm am Kurt-Schumacher-Platz, Rathaus, Harmonie, Friedensplatz, Finanzamt und Pfühlpark. Direkt im Anschluss an diese Station folgt die Rampe zur Überleitung auf die Strecke Heilbronn–Crailsheim mit umgekehrtem Systemwechsel: von BOStrab zurück auf EBO.
Fahrplan
Durchgehende Bahnen fahren zwischen Karlsruhe und Heilbronn zweimal pro Stunde, eine Verbindung ist dabei jeweils ein „Eilzug“ mit einer geringeren Anzahl an Zwischenhalten. Die Fahrzeit zwischen den Marktplätzen der beiden Großstädte beträgt regulär 107 Minuten, per Eilzug sind es 89 Minuten.
Eilzüge begannen bis Ende 2010 bereits auf der Rheintalbahn in Achern und endeten in Weinsberg, während die anderen Bahnen bis Öhringen verkehren. Bis Gölshausen, und werktags außer Samstags auch bis Bauerbach/Flehingen, wird das Angebot um stündlich eine weitere Fahrt verdichtet, ebenso bestehen ab Schwaigern stündlich ein bis zwei zusätzliche Fahrten, die bis Öhringen durchgebunden sind.
Seit Dezember 2003 fährt darüber hinaus zweimal täglich pro Richtung der so genannte Kraichgau-Sprinter von Karlsruhe nach Heilbronn. Dieser hält unterwegs nur in Karlsruhe-Durlach, Bretten und Eppingen und benötigt 61 Minuten. Im Gegensatz zu den normalen Stadtbahnzügen, die durch die Karlsruher Innenstadt verkehren, wird diese vom Kraichgau-Sprinter umfahren. Das ist auch die schnellste Bahnverbindung, die es je zwischen den beiden Städten gab: Der Paris-Karlsbad-Express benötigte früher (1906–1914) ohne Zwischenhalt 76 Minuten.
Güterverkehr
Auch wenn die Kraichgaubahn die Großstädte Karlsruhe und Heilbronn verbindet, bestand zu keinem Zeitpunkt zwischen den beiden Städten oder darüber hinaus nennenswerter Schienengüterfernverkehr. Von Bedeutung war die Strecke hauptsächlich für die Landwirtschaft im fruchtbaren Kraichgau, insbesondere während der Rübenkampagne für den Abtransport von Zuckerrüben. Diese Form des Transports wurde von der Deutschen Bahn Ende 1993 wie auch auf allen anderen baden-württembergischen Eisenbahnstrecken eingestellt, im Jahr 2001 war im Rahmen des Rationalisierungsprogramms „MORA C“ sogar die vollständige Einstellung des Güterverkehrs im Gespräch. Daraufhin übernahm die AVG nach dem Personenverkehr auch den Güterverkehr auf der Kraichgaubahn zwischen Bretten und Heilbronn, während es zwischen Karlsruhe und Bretten schon seit längerer Zeit keine Bahnkunden im Güterverkehr mehr gab.
Momentan bedient die AVG im Güterverkehr regelmäßig Gleisanschlüsse in Eppingen (zwei metallverarbeitende Betriebe und die Raiffeisen-Warengenossenschaft) und in Sulzfeld (ein metallverarbeitender Betrieb).
Siehe auch
Literatur
- Bundesbahndirektion Karlsruhe: 100 Jahre Kraichgaubahn 1879-1979. Eigenverlag, Heidelberg 1979.
- Dieter Ludwig: Die Kraichgaubahn: Schienenverkehr zwischen Karlsruhe und Eppingen von den Anfängen bis heute. Verlag Regionalkultur, Ubstadt-Weiher 2004, ISBN 3-89735-289-3.
- Klaus Bindewald: Die Stadtbahn Heilbronn: Schienenverkehr zwischen Eppingen und Öhringen. Verlag Regionalkultur, Ubstadt-Weiher 2005, ISBN 3-89735-416-0.
- Karl Müller: Die badischen Eisenbahnen in historisch-statistischer Darstellung. Heidelberger Verlagsanstalt und Druckerei, Heidelberg 1904 (uni-koeln.de).
- Hans-Wolfgang Scharf: Die Eisenbahn im Kraichgau. Eisenbahngeschichte zwischen Rhein und Neckar. EK-Verlag, Freiburg (Breisgau) 2006, ISBN 3-88255-769-9.
Weblinks
Einzelnachweise
- DB Netze - Infrastrukturregister
- Eisenbahnatlas Deutschland. 9. Auflage. Schweers+Wall, Aachen 2014, ISBN 978-3-89494-145-1.
- Königliches Staatsministerium: Entwurf eines Gesetzes, betreffend die weitere Ausdehnung des Eisenbahnnetzes und den Bau von Eisenbahnen in der Finanzperiode 1. April 1879∣81. In: Verhandlungen der Württembergischen Kammer der Abgeordneten von 1877 bis 1879. Erster Beilagen‐Band. Zweite Abtheilung. Beilage 164. Stuttgart 7. Januar 1878, Motive, S. (3) 773 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Karl Müller: Die badischen Eisenbahnen in historisch-statistischer Darstellung. Heidelberger Verlagsanstalt und Druckerei (Hörning und Berkenbusch), 1904, S. 174 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- 100 Jahre Kraichgaubahn S. 82/83.
- Andreas Janikowski, Jörg Ott: Deutschlands S-Bahnen. Geschichte, Technik, Betriebe. transpress, Stuttgart, 2002, ISBN 3-613-71195-8
- Andreas Berk, Günter Koch und Dieter Ludwig: Stadtbahn und ihre Entwicklung: Schrittweiser Aufbau des Netzes. In: Inbetriebnahme der Stadtbahn in der Heilbronner Innenstadt – Die Region Heilbronn realisiert ihre Visionen. Archiviert vom Original am 16. Januar 2017; abgerufen am 16. Januar 2017.
- Finanzierung. In: karlsruher-modell.de. TransportTechnologie-Consult Karlsruhe GmbH (TTK), abgerufen am 16. Januar 2017.
- Stadtbahn-Halt Böckingen-West eingeweiht. Heilbronner Stimme GmbH & Co. KG, 11. Dezember 2009, abgerufen am 10. März 2017.
- Wesentliche Änderungen der NBS-AT und NBS-BT. (PDF) Archiviert vom Original am 2. Oktober 2019; abgerufen am 2. Oktober 2019.
- Karlsruher Netze: DB Regio soll Zuschlag für Verkehrsleistungen erhalten. Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg, 27. Juli 2019, abgerufen am 20. Januar 2020.
- Präsentation AVG zur Zweigleisigkeit S4 Stand Oktober 2021 2 MB. 12. Oktober 2021, abgerufen am 6. Februar 2022.
- Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) - Sachstandsbericht weitere Infrastrukturprojekte. Sitzungsvorlage KT/41/2020 für den Kreistag. Landkreis Karlsruhe, 16. Juli 2020, abgerufen am 27. Juli 2020.