Conrad Geißler

Conrad Geißler, auch Geissler[1] (* 18. Mai 1825 in Eilenburg; † 24. Mai 1897 ebenda) war ein deutscher Orgelbaumeister. Geißler fertigte in 45 Arbeitsjahren 120 Orgeln hauptsächlich für Kirchen des mitteldeutschen Raumes.

Leben und Wirken

Restaurierte und nahezu original erhaltene Geißler-Orgel in der Marienkirche Eilenburg

Geißler wurde 1825 als Sohn des Seminardirektors Gottfried Geißler in Eilenburg geboren. Geißler erlernte das Orgelbauhandwerk bei Ludwig Weineck in Eilenburg und assistierte ihm als Geselle beim 1844 abgeschlossenen Neubau der Orgel in der Nikolaikirche. Da Weineck jedoch bis spätestens 1845 nach Bayreuth umgezogen war, folgte Geißler ihm, um seine Ausbildung zu beenden. Während seiner anschließenden Wanderjahre lernte Geißler bei Johann Gottlob Mende in Leipzig (1846–1848), Franz Ullmann in Wien (1848–1850), Franz Borgias Maerz in München (1850/1851), Eberhard Friedrich Walcker in Ludwigsburg (1851) und Gustav Schlimbach in Speyer (1851/1852).

Nach dem Abschluss der Wanderjahre und dem Erwerb des Meisterbriefes gründete Geißler 1852 ein eigenes Orgelbauunternehmen in seiner Heimatstadt Eilenburg. Sein erstes Werk war eine Orgel für die katholische Kirche in Torgau. Zunächst wandte er das neue Bauprinzip der Kegellade an. Die 1853 gebaute Orgel für die Dorfkirche in Profen ist vermutlich die älteste erhaltene Orgel mit Kegellade in Ostdeutschland. Nach vier in dieser Form gefertigten Orgeln kehrte Geißler 1857 zur klassischen Bauart mit mechanischer Schleiflade zurück.

Nach einem wohlwollenden Beitrag in der Urania: Musik-Zeitschrift für Orgelbau, Orgel- und Harmoniumspiel im Jahr 1854 zu seinem Profener Opus besserte sich die Auftragslage Geißlers spürbar. Der Orgelbauer fertigte vorrangig mittlere und kleinere Orgeln für zahlreiche Dorfkirchen Mitteldeutschlands, die kleinste in Zemnick mit gerade vier Registern. Größere Orgeln baute er für die Stadtkirche Bad Schmiedeberg (1853 oder 1855), die Marienkirche in Eilenburg (1863 oder 1864), Hartenstein bei Zwickau (1870), Thonberg (1873) und Mühlberg/Elbe (1887). Seine größte Orgel mit drei Manualen und 44 Registern baute er für die Stadtkirche in Torgau (1871–1873). Während seine kleineren Werke in großer Zahl erhalten geblieben sind, verschwanden bis heute alle dreimanualigen Werke Geißlers durch Um- oder Neubauten; die in Torgau ging durch Zerstörung im 2. Weltkrieg verloren.[2]

Geißler beschäftigte in seiner gegenüber der Nikolaikirche auf der anderen Straßenseite stehenden Werkstatt 8 bis 15 Mitarbeiter. Dank seiner guten wirtschaftlichen Lage konnte er es sich im Allgemeinen leisten, auf Reparatur- und Umbauaufträge zu verzichten, so dass deren Zahl gering blieb. Größere Umbaumaßnahmen nahm er an den Orgeln der Stadtkirchen in Schkölen (1857), Sorau (1880), Düben (1894) sowie 1883 an der Weineck-Orgel in der Nikolaikirche Eilenburg (Erweiterung auf 42 Register[3]) vor. Außerdem setzte er im Jahr 1869 in Püchau die Orgel Gottfried Silbermanns in die neue Kirche um.

Geißler baute zunächst Orgeln mit Kegelladen, die erst 1842 erfunden worden waren. Ansonsten verzichtete er im Laufe der Jahre immer mehr auf Neuerungen oder Experimente und setzte auf konservative, bewährte Bauweisen. Seine Orgeln waren solide und hatten eine lange Haltbarkeit. In seinen späten Schaffensjahren verlor er, ähnlich wie Friedrich Ladegast, mit seinem Festhalten an traditionellen Konstruktionsprinzipien zunehmend Aufträge an Konkurrenzfirmen wie Sauer, Walcker und Rühlmann, die ab etwa den 1880er Jahren meist nur noch Orgeln mit der damals neu in Mode gekommenen pneumatischen Traktur fertigten.

Aus seiner Ehe mit Auguste Helene Ernstina Kaldrack gingen fünf Kinder hervor, von denen drei den Vater nicht überlebten. Seine Tochter Margarete wurde Kantorin in Eilenburg. Nach dem Tod Geißlers 1897 scheiterte die Suche nach einem Nachfolger; eine Konditoreifirma kaufte das Werkstattgrundstück in der Rinckartstraße 7. Das Haus wurde im April 1945 durch amerikanischen Artilleriebeschuss zerstört.[2]

Werkliste (unvollständig)

Die Opusliste umfasste 120 Orgeln als Neubauten (und möglicherweise auch Umbauten), vor allem in der Umgebung von Eilenburg, Torgau, Delitzsch und Wittenberg, aber auch um Leipzig, Grimma, Zwickau, Naumburg (Saale) und Apolda herum, einzelne in der Niederlausitz, der Mark Brandenburg und Schlesien, eine in Russland. Einige Werke sind erhalten. Nicht mehr vorhandene Instrumente sind kursiv gesetzt.

Orgelneubauten

JahrOrtGebäudeBildManualeRegisterBemerkungen
1853 Torgau Katholische Kirche erster Orgelneubau, nicht erhalten
1854 Profen Dorfkirche II/P 24 zweite Orgel, erhalten, wahrscheinlich älteste bestehende größere Kegelladenorgel im heutigen Ostdeutschland
1853 oder 1855 Bad Schmiedeberg Stadtkirche St. Nikolai
II/P 26 1930 pneumatisiert, Ende der 1990er Jahre durch Fa. Voigt restauriert und wieder mit mechanischen Trakturen ausgestattet[4][5]
1855 Kolkwitz Dorfkirche Kolkwitz
II/P 18 erhalten
1855 Mockritz 7
1856 Schöna 9
1856 Hohenlubast 7
1857 Dörstewitz 8
1858 Gorsdorf 9
1859 Priester Kirche 10
1861 Freyburg an der Unstrut Kirche St. Marien II/P 25
1863 Eilenburg Marienkirche
II/P 22 restauriert und nahezu original erhalten
1867 Groß Särchen Kirche II/P 21
1868 Jessen Stadtkirche St. Nicolai II/P 21 erhalten[6]
1869 Cainsdorf Evangelische Kirche II/P 20 verändert erhalten → Orgel
1870 Hartenstein Stadtkirche II/P 24 erhalten, teilweise durch Orgelbau Eule rekonstruiert → Orgel
1870 Kreischa Kirche II/P 21
1870 Seyda Kirche II/P 18 erhalten
1871–1873 Torgau Stadtkirche St. Marien III/P 44 Geisslers größte Orgel, 1945 zerstört
1873 Tiefenfurt, heute Parowa, Schlesien Kirche, heute Kirche des heiligen Antonius II/P 23 erhalten[7]
1873 Thonberg bei Leipzig Kirche II/P 23 zusammen mit Rühlmann und Ladegast, nicht erhalten
1874 Klein Wanzleben Kirche II/P 20
1874 Ludsen Evangelische Kirche I/P 10 nicht erhalten
1875 Trajuhn Kirche I/P 9 erhalten
1875 Machern St. Nikolai (Machern) II/P 15
1875–1876 Krostitz St. Laurentius II/P 19 erhalten[8]
1876 Schweinitz Kirche II/P 23
1877 Thum Kirche II/P 29
1878 Polenz Kirche II/P 13 erhalten[9]
1879 Lößnig Gethsemanekirche zu Lößnig II/P 10 erweitert, erhalten
1882 Arnsnesta Dorfkirche
I/P 8 Op. 82, erhalten
1882 Lauta St. Laurentius I/P 9 erhalten[10]
1885 Dahlenberg 7
1887 Döbern 7
1887 Mühlberg an der Elbe Klosterkirche II/P 25 erhalten[11]
1888 Wörblitz II/P 9
1888 Zemnick 5
1890 Eutzsch Dorfkirche
II/P 11 Op. 104, unverändert und voll funktionsfähig erhalten
um 1893 Boragk Dorfkirche Boragk II/P 9 erhalten
1895 Uebigau St.-Nikolai-Kirche
II/P 18 Bis auf die Prospektpfeifen original erhalten[12]
1897 Thallwitz Kirche Thallwitz II/P 21 erhalten[13]
1897 Sitzenroda Kirche
1897 Hohenroda bei Borna Kirche nach seinem Tod eingeweiht
? Mehlsdorf, Fläming Dorfkirche I/P 5 Erbauungsjahr nicht angegeben, möglicherweise Leihorgel, ab etwa 1890 als Ersatz für jeweils zu erbauende neue Orgel in verschiedenen Kirchen

Nicht genau zu datieren waren Geißler-Orgeln in Gentha, Staupitz, Mölkau, Knautnaundorf und Weidenhain.

Literatur

  • Dieter Voigt: Die Geissler-Orgel der evangelischen St. Marien-Kirche zu Eilenburg. In: Ars Organi 51 (2003), Heft 2, S. 100–104.
  • Wolfgang Beuche: Conrad Geißler. in: Die Persönlichkeiten von Eilenburg. Books on Demand, Norderstedt 2012.

Einzelnachweise

  1. Geißler ist die in der Literatur vorrangig anzutreffende Schreibweise, unter anderem im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek. Zu Lebzeiten Geißlers wurde die Schreibweise Geissler verwendet, was unter anderem auf den Firmenschildern an seinen Werken nachvollziehbar ist.
  2. Conrad Geißler - Große Kreisstadt Eilenburg. Abgerufen am 8. Oktober 2021.
  3. Nikolaikirche - Große Kreisstadt Eilenburg. Abgerufen am 8. Oktober 2021.
  4. Conrad Geißler - Große Kreisstadt Eilenburg. Abgerufen am 8. Oktober 2021.
  5. Stadtkirche Schmiedeberg. Abgerufen am 1. November 2021.
  6. Orgel in Jessen Orgeldatabase, mit Disposition
  7. Orgel in Parowa Orgeldatabase, mit Disposition
  8. Orgel in Krostitz Orgeldatabase, mit Disposition
  9. Orgel in Polenz Kirchenkreis, abgerufen am 3. Dezember 2018.
  10. Orgel in Lauta Orgeldatabase, mit Disposition
  11. Orgel in Mühlberg Orgeldatabase, mit Disposition
  12. Orgel in Uebigau Orgeldatabase, mit Disposition
  13. Orgel in Thallwitz Orgeldatabase, mit Disposition
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.