Marienkirche (Eilenburg)
Die evangelische Kirche St. Marien in Eilenburg wird wegen ihrer Lage im Stadtteil Berg auch Bergkirche genannt. Der ursprüngliche romanische Bau wurde von 1516 bis 1522 in eine spätgotische Hallenkirche umgestaltet. Historische Bedeutung hat die Kirche als Lutherstätte.
Geschichte
Gründung der Kirche
Die Entstehungszeit der südwestlich der Burg Eilenburg liegenden Kirche ist unbekannt bzw. umstritten. Noch heute wird häufig auf eine angebliche Gründung um 949 und einen ersten Ausbau um 999 verwiesen, was erstmals in der 1696 erschienenen „Eilenburgischen Chronica“ von Jeremias Simon[1] behauptet wird. Der hölzerne Bau soll demnach der Besatzung des benachbarten Burgwardmittelpunktes Ilburg gedient haben. Die wohl in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts gegründete Kirche der Burg trug jedoch das Patrozinium des Hl. Peters. Nicht gänzlich auszuschließen ist jedoch Patrozinienwechsel.
Die ältesten erhaltenen Bauteile der Marienkirche stammen aus der Romanik und gehören ins 12. Jahrhundert. Die Angabe bei Jeremias Simon, die ältere Holzkirche sei etwa 1140 durch eine aus Stein gebaute Kirche ersetzt worden, bedarf ebenfalls der Überprüfung. Kunsthistorisch werden die Reste von Kämpfernfriesen mit Palmettenornament am Triumphbogen in die Zeit um 1200 datiert. Erhalten sind weiterhin die Fensternischen an der Nord- und Südwand sowie eine romanische Säulenbasis, die in umgekehrter Position an der Turmtür als Sitz wiederverwendet wurde. Aufgrund der Entstehung der Stadt Eilenburg mit der jüngeren Stadtkirche St. Nikolaus in dieser Zeit ist jedoch ein etwas höheres Alter der Marienkirche wahrscheinlich.
Spätgotischer Umbau
Das heutige Erscheinungsbild der Kirche geht auf einen Umbau zwischen 1516 und 1522 zurück. Dabei wurden das Langhaus und der Chorraum als Backsteinbau mit Hausteingliedern teilweise neu aufgerichtet und ein Netzgewölbe eingefügt, dessen Ausmalungen bis heute erhalten blieben.
Die Portalvorhalle, das Sakristeiobergeschoss und der Turm wurden völlig neu erbaut.
Reformation und Renaissanceumbauten
Historische Bedeutung erlangte die Kirche in der Reformationszeit. 1521 wurde auf Martin Luthers Betreiben Gabriel Zwilling als evangelischer Pfarrer für Eilenburg eingesetzt. Zwilling prangerte das bestehende System an. Am Neujahrstag feierte dieser in weltlichem Gewand in der Marienkirche einen Abendmahlsgottesdienst mit Protestanten aus Eilenburg und den umliegenden Gemeinden, sogar aus Wurzen und Leipzig reisten Gläubige an. Im Mai 1522 verfasste Luther auf dem benachbarten Schloss Eilenburg einen Brief, in dem er sich für einen protestantischen Pfarrer für Eilenburg einsetzte. Luther predigte bei dieser Gelegenheit in der Marienkirche. Wenig später wurde der Magdeburger Domprediger Andreas Kauxdorf als erster evangelischer Pfarrer inauguriert. Luther predigte nachweislich noch 1536 und 1545 in St. Marien.
Im 17. Jahrhundert erhielt die Kirche eine neue Innenausstattung, so etwa 1603 ihre erste Orgel und 1625 ihr aus drei neuen Glocken bestehendes Geläut, außerdem den Taufstein, den Altaraufbau und die Emporen.
Spätere Umbauten
1851 wurde das Innere der Kirche erneut umgestaltet, wobei auch die Kanzel, auf der einst Luther gepredigt hatte, durch eine neue ersetzt wurde.
Während die Innenstadt von Eilenburg mit der Nikolaikirche am Ende des Zweiten Weltkrieges starke Schäden erlitt, blieb die Marienkirche 1945 weitestgehend unbeschädigt. In den 1980er Jahren wurde die mittlerweile baufällige Kirche umfangreich saniert und erscheint seitdem annähernd in ihrem ursprünglichen Zustand.
Baubeschreibung
Das dreischiffige Langhaus besteht aus 4 Jochen auf achteckigen Pfeilern mit gekehlten Seiten. Das Mittelschiff zeigt ein Netzgewölbe und die Seitenschiffe sowie der breiträumige Chor ein Sterngewölbe. Im Westen steht ein quadratischer Turm, an der Nordseite des Chores ein zweigeschossiger Anbau mit einer kreuzrippengewölbten Sakristei.
Ausstattung
Im Chor ist eine spätgotische Sakramentsnische erhalten. Der Taufstein ist ein achtseitiges Becken mit reichem Wappenschmuck und mit Inschriften in Rollwerkkartuschen, das von Widderköpfen über einem erneuerten Fuß getragen wird. Von den zahlreichen Grabdenkmälern ist besonders das Grabmal von J. von Haideck († 1554) hervorzuheben, das die gerüstete Figur des Verstorbenen in einem kräftigen Relief zeigt und das von Frührenaissance-Architektur gerahmt wird. Des Weiteren sind die Grabmäler von C. von Ponickau († 1556), Chr. von Wahren († 1559) und Simon Schröter dem Älteren aus Torgau zu nennen.
Altar
Der Altar aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts hat einen dreiteiligen Aufbau mit korinthischer Säulenordnung, geschnitzten, zum Teil figürlichem Wangenschmuck und allegorischen Aufsatzfiguren. Das Hauptbild trägt eine Darstellung von Sünde, Tod und Erlösung im Sinne der späten Cranach-Altäre, jedoch ohne stilistischen Zusammenhang.
Die folgende Beschreibung geht im Wesentlichen auf Gustav Schönermark zurück, der den Altar 1892 detailliert porträtierte. Er befand damals die „Architektur und Sculptur“ am Altaraufbau als „noch ziemlich gut“, wohingegen die Bilder teilweise in schlechterem Zustand gewesen sein sollen.[2] Heute stellt sich der Altar in restauriertem Zustand dar.
Der Aufbau ist geteilt durch vier freie Säulen, von denen die mittleren beiden vortreten. In der Mitte unten ist das Abendmahl dargestellt. Am Postament links befindet sich der Apostel Matthäus mit dem Engel, rechts der Evangelist Markus mit dem Löwen. Das Hauptbild stellt Jesus Christus am Kreuz dar. In der Darstellung spritzt sein Blut aus der Seite auf einen betenden Mann, möglicherweise Longinus, den Moses auf die Gesetzestafeln verweist. Auf der anderen Seite ist der herzutretende Johannes der Täufer dargestellt. Vor ihm liegt das Gotteslamm mit der Siegesfahne. Er berührt, die Hand erhebend, den Fuß des Gekreuzigten. Diese Zusammenstellung des ersten und letzten Propheten zu den Seiten des Kreuzes ist ein im 17. Jahrhundert beliebtes Motiv. Rechts neben dem Hauptbild ist oben die Verkündigung der Geburt des Christkindes an die Hirten durch Engel mit Spruchbändern abgebildet. Unten findet sich die Taufe Christi im Jordan dargestellt. An der linken Seite oben wird Christus als guter Hirte mit dem Schaf auf der Schulter gezeigt. Darunter ist eine Darstellung Martin Luthers vor dem Hintergrund Eilenburgs unterwegs mit Reisenden zu sehen. Über dem allseitigen Ausbau befindet sich eine gut geschnitzte weibliche Halbfigur. Im rechten Ausbau ist gemalt der Evangelist Johannes mit dem Adler abgebildet. Links befindet sich der Evangelist Lukas mit dem Opferrind. Im Aufbau ist ein Bildnis von Christus am Ölberg. Auf dem Kropf über der Säule links befindet sich eine allegorische Figur, bei der es sich mutmaßlich um den Glauben handelt. Ihre Beigabe, die als Kreuz vermutet wurde, war 1892 nicht mehr vorhanden. Rechts ist eine weitere Allegorie in Gestalt eines Ankers abgebildet, die die Hoffnung symbolisiert. In der Kartuschenbekrönung vermutete Schönermark damals das Bildnis Marias. Als Spitze des Ganzen dient eine allegorische Figur mit zwei Kindern, die Caritas bedeutend.
Orgel
Die Orgel wurde 1864 von dem bekannten Eilenburger Orgelbaumeister Conrad Geißler gebaut. Das Schwellwerk ist für eine zu dieser Zeit im deutschen Sprachraum entstandene Orgel noch etwas Besonderes, da diese Spielhilfe dort erst im ausgehenden 19. Jahrhundert und mit dem Aufkommen der pneumatischen Traktur verbreitet in Orgeln eingebaut wurde.[3] Ab den 1980er Jahren war das Instrument Verfall und Vandalismus ausgesetzt. Im Jahre 2000 wurde die Orgel von der Orgelbaufirma Voigt aus Bad Liebenwerda für 300.000 D-Mark restauriert und erklingt seit Herbst 2000 wieder in nahezu originalem Zustand. 2007 folgte noch eine Verschönerung des Gehäuses mit Farbe und Gold. Das Instrument hat 22 Register auf zwei Manualen und Pedal. Die noch der klassischen sächsischen Orgelbautradition folgend gebauten und intonierten Grundstimmen sind mit einigen typisch romantischen Registern ergänzt. Somit eignet die Orgel sich am besten für die Musik des 19. Jahrhunderts. Die Spiel- und Registertrakturen sind mechanisch.[4] Seit der Sanierung gaben u. a. Matthias Eisenberg und Michael Schönheit Konzerte in der Marienkirche.[5]
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- Koppeln: II/I, I/P
- Spielhilfen: Fußschweller, Handregister
Glocken
Vom Geläut von 1625 existiert nur noch die große Glocke mit 1,24 m Durchmesser und einem Gewicht von 1,2 t. Sie hing an einem gekröpften Stahljoch und schwieg seit 2012 aus Sicherheitsgründen. 2019 wurde sie wegen Abnutzung und Haarrissen in einer holländischen Gießerei umfangreich repariert. Sie erhielt dabei auch eine neue Krone, einen neuen Klöppel und ein gerades Holzjoch.[6] Das über den Erwartungen gelegene Spendenaufkommen erlaubte darüber hinaus den Neuguss einer zweiten, ursprünglich noch nicht vorgesehenen, klanglich zur großen Glocke passenden, mittleren Glocke der gleichen Firma. Im Zuge dieser Arbeiten entstand auch ein neuer Glockenstuhl, da der von 1400 wegen Altersschwäche aufgegeben wurde. Die Weihe des Geläuts geschah im Mai 2019.[7][8][9]
Pfarrhaus
Das zur Marienkirche gehörige Pfarrhaus, welches unter Denkmalschutz stand, musste im Jahr 2007 abgerissen werden, da der Hang, auf dem es stand, instabil war. Schon zu DDR-Zeiten war der Hang zur Marienstraße, und etwas vom Pfarrhaus entfernt, auch zur Bergstraße hin, ins Rutschen geraten, konnte aber mit großen Betonelementen vorerst stabilisiert werden.
Einzelnachweise
- Eilenburgische Chronica/ Oder Beschreibung Der sehr alten Burg/ Schlosses und Stadt Eilenburg/ Nach dero Situation oder Lager/ Benahmung/ alten Einwohnern/ Uhrsprung und Erbawung ... Religion, Nahrung und Bequemligkeit/ Regenten und Beambten ... Ingleichen was so wohl in Kriegs- als Friedens-Zeiten/ daselbst und in der umligenden Gegend ... sich vor Denckwürdiges begeben und zugetragen. Aus vielen alten und neuen bewehrten Autoribus, wie auch andern glaubwürdigen Schrifften und Archiven ... zusammen getragen ... / Von M. Jeremias Simon/ Käyserl. gekr. Poeten und Pfarrern zu Limehna. Leipzig, Lanckisch, 1696. Online-Ausgabe: Halle (Saale), Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, 2008 (online).
- Gustav Schönermark: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunst-Denkmäler der Provinz Sachsen. Herausgegeben von der Historischen Commission der Provinz Sacshen. Sechzehntes Heft. Kreis Delitzsch. Druck und Verlag von Otto Hendel, Halle a. d. S. 1892, S. 88
- Jiri KOCOUREK: Orgelland Sachsen, Seite 9
- kirchenmusik-eilenburg - Geißler-Orgel. Abgerufen am 29. März 2019.
- Conrad Geißler. Abgerufen am 15. Januar 2020.
- https://www.glockenläuteanlagen.de/?mod=references
- Auf dem Eilenburger Berg sollen wieder zwei Glocken läuten. Abgerufen am 6. November 2021.
- Eilenburger heißen die Glocken willkommen. Abgerufen am 6. November 2021.
- Glockenschau für Eilenburger Kirche am 24. April in Holland. Abgerufen am 6. November 2021.