Eutzsch
Eutzsch ist ein Ortsteil der Stadt Kemberg im Landkreis Wittenberg in Sachsen-Anhalt.
Eutzsch Stadt Kemberg | |
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Höhe: | 67 m ü. NHN |
Fläche: | 13,83 km² |
Einwohner: | 509 (31. Dez. 2012)[1] |
Bevölkerungsdichte: | 37 Einwohner/km² |
Eingemeindung: | 1. Januar 2010 |
Postleitzahl: | 06901 |
Vorwahl: | 03491 |
Lage des Ortsteils Eutzsch der Stadt Kemberg | |
Geographie
Eutzsch liegt ca. 6 km südlich der Lutherstadt Wittenberg am Rand der von unzähligen, zum Teil begradigten Kleinstgewässern oder deren Spuren durchzogenen holozänen Elbaue. Unmittelbar westlich des Orts verläuft ein ehemaliger Altarm der Elbe, die bei Wittenberg wiederum dem nördlichen Teil eines vom Fläming bis zur Dübener Heide aufgeweiteten Urstromtals folgt.[2]
Der Ort selber liegt auf einer gegenüber der ihn umgebenden Auenlandschaft maximal 1 Meter höheren Erhebung aus angelagerten Flusssedimenten, die im Verlauf der Geschichte – insbesondere im Umfeld der Dorfkirche und des Friedhofs – möglicherweise auch noch zusätzlich künstlich aufgeschüttet wurde. Während östlich des Orts und darin Auenböden überwiegen, beginnt westlich davon eine ausgedehnte Fläche aus Gleyen mit Eisenausscheidungshorizont – mit einer markanten, heute bewaldeten, ursprünglich pleistozänen Dünenaufhäufung in etwa 1,6 km Entfernung westlich der Ortsmitte.[2]
Geschichte
1004 wurde Eutzsch in einer Aufzählung von dem Kloster Berge bei Magdeburg zehntpflichtigen Burgen als Usizi erstmals urkundlich erwähnt, obwohl von entsprechenden Befestigungsanlagen archäologisch keinerlei Spuren überkommen sind. Der Name leitet sich aus dem slawischen Vornamen Uš sowie dem patronymischen Suffix ‑ici ab.[3]
Im 16. Jahrhundert gelangte Eutzsch in den Besitz der Universität Wittenberg und ihrer Mitglieder. So erwarb unter anderem Lucas Cranach der Jüngere 1555 ein Dreihüfnergut ebenda. Noch im 19. Jahrhundert bestand das Wittenberger Patronat über Kirche, Pfarre und Schule weiter – als Ersatz für die 1814 geschlossene Universität wurde es jedoch vom 1817 neugegründeten Evangelischen Predigerseminar ausgeübt.[3]
Bis zum Jahr 1838 bestand die Gemarkung Eutzsch im Rahmen der üblichen Dreifelderwirtschaft im Wesentlichen aus drei großen östlich des Orts gelegenen Feldern, die jeweils in mehrere Gewanne eingeteilt waren, in jedem von denen jeder Bauer in der Regel mindestens eine Parzelle bewirtschaftete. Als Eutzscher Besonderheit sind fast alle dieser Parzellen vom Ort bis zur Gemarkungsgrenze hin durchgängig angelegt sowie parallel westöstlich ausgerichtet. Daran änderte auch die 1846 abgeschlossene Separation noch nichts.[3]
Seine geographische Lage in der Elbaue setzte Eutzsch in geschichtlicher Zeit zahlreichen größeren Überflutungen aus, zumeist im Gefolge von Frühjahrshochwassern. Belegt sind entsprechende Ereignisse unter anderem zwischen 1595 und 1602 (insgesamt zehnmal), für 1620, 1651, 1655, 1789, 1798, 1799, 1814, 1830, 1838, 1845, 2002 (aufgrund gleich zweier Deichbrüche in Pratau und Seegrehna) sowie zuletzt 2013 (aufgrund des europaweiten damaligen Hochwassers).[4]
Archäologisch nicht mehr greifbare frühere Bemühungen um Hochwasserschutz lassen sich aus den Eutzscher Flurnamen Dammstücke und Dammfeld herauslesen. Die noch heute bestehenden Gewässer Landwehr, Alte Landwehr und Eutzscher Landwehr deuten neben Verteidigungs- und Entwässerungszwecken auch auf das Ziel einer Flutabwehr durch ihre bereits hochmittelalterlichen Wälle und Gräben hin. Für eines davon ist in dem Deckerschen Kartenwerk von 1816–21 sogar eine Schleuse belegt.[4]
1558 wurde für den Oberlanddamm zwischen Pretzsch und Pratau eine Deichordnung erlassen, 1840 wurde der Katzhaindamm als westliche Fortsetzung des Oberlanddamms errichtet, bis 1862 wurden – im Gefolge des Jahrhunderthochwassers von 1845 – alle Schutzdämme der Elbaue um Eutzsch herum umfassend erneuert sowie ausgebaut.[4]
Am 1. Juli 1950 wurde die bis dahin eigenständige Gemeinde Pannigkau Eutzsch als Ortsteil eingegliedert. Zum 1. Januar 2010 schließlich wurde die bis dahin selbstständige Gemeinde Eutzsch zusammen mit den Gemeinden Dabrun, Rackith, Radis, Rotta, Schleesen, Selbitz, Uthausen und Wartenburg in die Stadt Kemberg eingemeindet.[5] Gleichzeitig wurde auch die Verwaltungsgemeinschaft Kemberg, zu der Eutzsch gehörte, aufgelöst.
Sehenswürdigkeiten
→ Siehe auch: Liste der Kulturdenkmale in Eutzsch
In seinem Kern ist Eutzsch ein Straßendorf, das um eine von zwei Straßen umschlossene mittlere Fläche aus Kirche und Friedhof herum angelegt wurde. Die zahlreichen historischen landwirtschaftlichen Anwesen sind überwiegend als Vierseit- oder Dreiseithöfe errichtet, deren Ausmaße und Architektur vom Wohlstand der ansässigen Bauern zeugen. Nur eines der Bauernhäuser sowie die Taubenhäuser zweier weiterer Höfe stehen bislang jedoch unter Denkmalschutz.
Chausseehaus
An der ehemaligen Gabelung der Bundesstraßen 2 und 100 (Straßen Am Teich sowie Straße des Friedens) liegt ein ehemaliges Chausseehaus, das 1834 nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel erbaut wurde.
Dorfkirche
Die Dorfkirche wurde 1688 im Auftrag der Universität Wittenberg vermutlich durch Wolf Caspar von Klengel in barockem Stil wiederaufgebaut, nachdem sie im Dreißigjährigen Krieg fast vollständig zerstört worden war. Der flachgedeckte, achteckige Saalbau mit quadratischem Westturm wurde Ende des 19. Jahrhunderts gotisierend umgestaltet und erhielt damals zusätzlich eine halbrunde Apsis.[6] 1890 wurde als Abschluss der Sanierung des Weiteren eine Orgel mit elf Registern auf zwei Manualen und Pedal des Eilenburger Orgelbauers Conrad Geissler eingebaut.[7]
Die Kirche wird von einem unverändert betriebenen Friedhof umgeben, an dessen westlichem Eingang am rechten Torpfosten eine Elbhochwassermarke von 1830 angebracht ist.[8] Ihre Eingangstür weist filigran ausgearbeitete Schnitzfiguren auf. An der Orgelempore erinnern Wittenberger Fakultätswappen von 1503, 1507 und 1607 an den Umstand, dass das Dorf früher der Universität Wittenberg gehörte. Besonders kostbares Ausstattungsstück ist eine in ein Gefallenendenkmal eingearbeitete hölzerne Kreuzigungsgruppe aus dem 16. Jahrhundert.
Das Gebäude ist seit jeher unbeheizt, Gottesdienste und andere Veranstaltungen finden daher im Winterhalbjahr im Gemeindehaus statt. 2011 erhielt die Kirche ein neues Dach und einen neuen Unterbau[6], 2014 wurde auch der Turm saniert.[9] Die gesamte historische Innenausstattung aus dem 19. Jahrhundert samt Wand- und Deckenmalereien ist in restauriertem Zustand gleichfalls vollständig erhalten.
- Eutzsch, Dorfkirche, Haupteingang mit Schnitzwerk (2021)
- Eutzsch, Dorfkirche, Turmeingang (2021)
- Eutzsch, Dorfkirche, Sakristeieingang (2021)
- Eutzsch, Dorfkirche, Kirchenschiff von unten (2021)
- Eutzsch, Dorfkirche, Taufstein mit Deckel in Gestalt der Turmhaube der Schlosskirche Wittenberg (2021)
- Eutzsch, Dorfkirche, Blick zur Orgelempore (2021)
- Eutzsch, Dorfkirche, Kirchenschiff von oben (2021)
- Eutzsch, Dorfkirche, in ein Denkmal für die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs eingebundene Kreuzigungsgruppe aus dem 16. Jahrhundert (2021)
- Eutzsch, Dorfkirche, Apsis (2021)
- Eutzsch, Dorfkirche, Blick von SW (2021)
Conrad-Geissler-Orgel von 1890 in der Dorfkirche
Auf der Westempore der Dorfkirche befindet sich in originalem, voll funktionsfähigen Zustand die Conrad-Geissler-Orgel von 1890 mit mechanischer Spiel- und Registertraktur. Die Steuerung der elf Register erfolgt zeituntypisch, aber für ihren Erbauer durchaus charakteristisch über Schleifladen. Wenngleich das Instrument im 20. Jahrhundert ein elektrisches Gebläse erhalten hat, so ist auch die historische Balgtretanlage auf der rechten Seite noch vorhanden. Der Spieltisch des Instruments ist in das kompakte neugotische Gehäuse integriert und verfügt neben Notenpult sowie Orgelbank sogar noch über den ursprünglichen Spiegel für den Organisten; lediglich zwei neuzeitliche Leuchten wurden inzwischen ergänzt.
Das Firmenschild weist die Orgel als Opus 104 ihres Erbauers aus, ihre Register verteilen sich – bei für eine Dorfkirche auffälliger 16′-igkeit sowie aufgespaltener Klangkrone des Hauptwerks – auf die zwei Manuale und das Pedal wie folgt:
Disposition der Conrad-Geissler-Orgel von 1890 in Eutzsch, Dorfkirche | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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- Koppeln: Manualcoppel (II/I), Pedalcoppel (I/P)
- Spielhilfe: Klingelzug
Wirtschaft und Infrastruktur
Wirtschaft
In Nachfolge der LPG „Sieg des Sozialismus“ überwiegen in Eutzsch weiterhin landwirtschaftliche Strukturen: einerseits als Einzelhöfe im Neben- oder Haupterwerb, andrerseits unter dem Dach der in Seegrehna sitzenden Agrargenossenschaft Elbniederung Eutzsch eG.
Einziger größerer sonstiger Betrieb ist der etwas außerhalb des Dorfs gegenüber dem Bahnhaltepunkt gelegene RHG-Doppelstandort RHG Baustoffe und RHG Bau und Garten, welcher aus der ehemaligen Heide-Handels GmbH & Co. KG hervorgegangen ist. Dieser bietet neben dem branchenüblichen Baumarkt- und Gartencenterangebot auch Arbeitskleidung, Tierbedarf, eine Pflanzenauswahl, Geräteverleih und -werkstatt sowie einen Schlüsseldienst an.
Bildung
In dem denkmalgeschützten ehemaligen Schulgebäude von 1832 befindet sich die Kindertageseinrichtung „Zwergenhäuschen“ aus Krippe, Kindergarten und Hort.[10]
Verkehr
Die Bundesstraße 2, die Wittenberg und Bad Düben verbindet, verlief bis 2019 direkt durch die Gemeinde. Die Bundesstraße 100 nach Halle (Saale) zweigt über einen Kreisverkehr südöstlich des Orts von der B 2 ab. Die Hauptstraße des Orts wurde im Norden und Süden verschwenkt, womit eine Fortführung des massiven Durchgangsverkehrs der letzten Jahrzehnte unterbunden ist.
Die eingleisige, nicht-elektrifizierte Eisenbahnstrecke Pratau–Bad Schmiedeberg mit dem Haltepunkt Eutzsch wurde 2014 stillgelegt. In den Sommern 2016 und 2017 verkehrten auf der Strecke an den Wochenenden wieder Reisezüge der Heide-Bahn bis nach Eilenburg, die in den Sommern 2018 und 2019 sogar bis Leipzig verlängert wurden. Dieser Zugverkehr ist jedoch seit 2020 wegen Infrastrukturmängeln wieder eingestellt.[11]
Literatur
- Harald Meller und Susanne Friederich (Hrsg.): Archäologie in der Flussaue. 20 Jahre Hochwasserschutz und Ortsumgehung Eutzsch. Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt – Landesmuseum für Vorgeschichte, Halle (Saale) 2018 (= Archäologie in Sachsen-Anhalt. Sonderband 27).
Weblinks
Einzelnachweise
- Stadt Kemberg. Integriertes Gemeindliches Entwicklungskonzept (IGEK). (PDF; 15,1 MB) Darin speziell: S. 16, abgerufen am 28. Oktober 2021.
- Mechthild Klamm: Der Naturraum von Eutzsch, Lkr. Wittenberg. In: Harald Meller und Susanne Friederich (Hrsg.): Archäologie in der Flussaue. 20 Jahre Hochwasserschutz und Ortsumgehung Eutzsch. Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt – Landesmuseum für Vorgeschichte, Halle (Saale) 2018 (= Archäologie in Sachsen-Anhalt. Sonderband 27), S. 11–14.
- Christian Zschieschang: Eutzsch vom Mittelalter bis in die Neuzeit. In: Harald Meller und Susanne Friederich (Hrsg.): Archäologie in der Flussaue. 20 Jahre Hochwasserschutz und Ortsumgehung Eutzsch. Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt – Landesmuseum für Vorgeschichte, Halle (Saale) 2018 (= Archäologie in Sachsen-Anhalt. Sonderband 27), S. 158–162.
- Jörg Herrmann: Denkwürdigkeiten zu Überschwemmungen in der Gemarkung Eutzsch. In: Harald Meller und Susanne Friederich (Hrsg.): Archäologie in der Flussaue. 20 Jahre Hochwasserschutz und Ortsumgehung Eutzsch. Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt – Landesmuseum für Vorgeschichte, Halle (Saale) 2018 (= Archäologie in Sachsen-Anhalt. Sonderband 27), S. 15–18.
- Gebietsänderungen vom 01. Januar bis 31. Dezember 2010. Abgerufen am 28. Oktober 2021.
- Kirche Eutzsch. Abgerufen am 28. Oktober 2021.
- Orgelbau-Nachrichten. In: Zeitschrift für Instrumentenbau 11 (1891), Heft 24, S. 345–347 – hier speziell: S. 347.
- Eutzsch. Abgerufen am 28. Oktober 2021.
- Eutzsch: Kirche hat ihre Turmhaube wieder. In: Mitteldeutsche Zeitung. 14. April 2014. Abgerufen am 28. Oktober 2021.
- Kemberg | Eutzsch: Kita „Zwergenhäuschen“. Abgerufen am 11. November 2021.
- Heide-Bahn. Abgerufen am 28. Oktober 2021.