British Expeditionary Force
British Expeditionary Force (BEF; deutsch Britisches Expeditionskorps) war, sowohl im Ersten Weltkrieg von 1914 bis 1918 als auch im Zweiten Weltkrieg 1939/40, die Bezeichnung des Truppenkontingents der British Army, das in Frankreich und Belgien eingesetzt war.
Ursprung
Die Gründung einer schnellen Eingreiftruppe des britischen Heeres unter der Bezeichnung British Expeditionary Force geht auf Richard Haldane in seiner Tätigkeit als Kriegsminister zurück. Während seiner Amtszeit wurden in Großbritannien zwei mögliche Kriegsszenarien für einen Krieg der Entente gegen Deutschland diskutiert. Entgegen der Ansicht der Navalisten, die meinten, Großbritannien solle einen reinen Seekrieg mit Deutschland führen und den Landkampf den Franzosen überlassen, ließ Haldane eine Expeditionsstreitmacht zusammenstellen, die zu Kriegsbeginn auf den Kontinent verlegt werden sollte. Ab 1911 war für den Kriegsfall ein Einsatz britischer Truppen auf dem Kontinent zur Unterstützung Frankreichs fest vereinbart.
Alternative Landungspläne
Zuvor hatte es seit den 1860er Jahren bis etwa 1905 auch britische Überlegungen zu einer Landung in Norddeutschland gegeben. Neben der Aufspaltung deutscher Kräfte sollte dabei in späteren Entwürfen vor allem der Nord-Ostsee-Kanal sowie eventuell Hafenstädte erobert werden. Während dieses Konzept auf britischer Seite eher von der Marine als vom Heer vorangetrieben und lediglich erörtert wurde, sah die deutsche Militärführung es als realistische Gefahr an, insbesondere, nachdem der ehemalige französische Außenminister Théophile Delcassé eine Landung in Norddeutschland im Oktober 1905 in einer Serie von Zeitungsartikeln öffentlich gemacht hatte. Als mögliche Anlandungsorte wurden die Westküste Schleswig-Holsteins oder der dänische Hafen Esbjerg angenommen, auch wenn im Generalstab mehrheitlich von einer Anlandung der Briten in Antwerpen ausgegangen wurde. Die deutsche Seite verstärkte daraufhin ihre Militärspionage und -aufklärung gegen Großbritannien und übte das Szenario mehrfach in der Generalstabsausbildung. Parallel wurden verstärkte diplomatische Bemühungen um eine Neutralität Dänemarks oder dessen Bindung an die deutsche Seite unternommen. Darüber hinaus wurde der im Jahr 1906 vom Reichstag budgetierte Ausbau von Eisenbahnverbindungen in Nord-Süd-Richtung auch mit einer möglichen britischen Landung und dem schnellen Transport eigener Truppen zu deren Bekämpfung begründet. Beispielsweise beruhte der Bau der Rendsburger Hochbrücke vor allem auf Forderungen des Militärs. 1911 wurde zudem das Ersatzheer beauftragt, neben der Auffüllung der Fronttruppen auch Einheiten in der Fläche bereitzuhalten. Begründung für diese Umstellung war vor allem eine mögliche Landung in Norddeutschland.
Ab etwa 1908 hielt Generalstabschef Helmuth Johannes Ludwig von Moltke aufgrund der inzwischen erreichten Stärke der eigenen Flotte, dänischer Neutralitätsversprechen und des teilweise erfolgten Eisenbahnausbaus das britische Eingreifen im Norden zunehmend für unwahrscheinlich. Dennoch verblieben bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs das IX. Reservekorps und vier gemischte Landwehrbrigaden zunächst in Schleswig-Holstein. Erst als am 22. August die britische Expeditionsarmee sicher auf dem westlichen Kriegsschauplatz erkannt worden war, setzten sich diese Verbände ebenfalls dorthin in Marsch.[1]
Erster Weltkrieg
Am 4. August 1914 marschierten deutsche Truppen in das neutrale Belgien ein. Großbritannien befahl am selben Tag die Mobilmachung seiner Armee. Herbert Kitchener wurde zum Kriegsminister ernannt. Kitchener sagte als einer der Ersten einen mehrjährigen Krieg voraus und gab noch am 5. August den Befehl zur Vergrößerung der Armee aus. Durch Armeebefehl 324 vom 21. August 1914 wurden aus angeworbenen Freiwilligen vorerst sechs neue Divisionen aufgestellt. Insgesamt konnten so bis 1915 mehr als 40 Divisionen als Kitcheners Armee oder Neue Armee für den Einsatz an der Westfront aufgebaut werden.
Nachdem die ersten Einheiten der BEF am 11. August in Le Havre angelandet waren, bestand die British Expeditionary Force in Frankreich bis Herbst 1914 aus vier Infanteriedivisionen und einer Kavalleriedivision. Geführt wurde sie von Sir John French. Die Infanteriedivisionen waren aufgeteilt in zwei Armeekorps unter Generalmajor Douglas Haig und James Grierson. Die Kavalleriedivision wurde geführt von Edmund Allenby. Der Einsatz der British Expeditionary Force entschied im September 1914 die Schlachten an der Marne und an der Aisne. Im Rahmen des Wettlaufes zum Meer wurde die B.E.F. von der Aisne nach Flandern verlegt und ab Oktober 1914 in fünf Korpsgruppen organisiert:
Oberbefehlshaber: Generalleutnant Sir John D. French
Generalstabschef: Generalleutnant Sir Archibald J. Murray
I. Korps (Generalleutnant Douglas Haig)
- 1. Division (Generalmajor Samuel H. Lomax)
- 2. Division (Generalmajor Charles Monro)
II. Korps (Generalleutnant Horace Smith-Dorrien)
- 3. Division (Generalmajor Hubert Hamilton)
- 5. Division (Generalmajor Charles Fergusson, ab 26. Oktober Thomas Morland)
III. Korps (Generalleutnant William Pulteney)
- 4. Division (Generalmajor Henry Wilson)
- 6. Division (Generalmajor John L. Keir)
IV. Korps (Generalleutnant Henry Rawlinson)
- 7. Division (Generalmajor Thompson Capper)
- 8. Division (Generalmajor Francis J. Davies)
Kavallerie Korps (Generalleutnant Edmund H. Allenby)
- 1. Kavallerie-Division (Generalmajor Henry de B. de Lisle)
- 2. Kavallerie-Division (Generalmajor Sir Hubert Gough)
- 3. Kavallerie-Division (Generalmajor Julian H. Byng)
Nach dem Abflauen der Ersten Flandernschlacht wurde die British Expeditionary Force durch die neuaufgestellten Kitchener-Divisionen der Territorial-Force ergänzt. Zum Jahresende 1914 wurde die B.E.F. deshalb in 1. Armee unter Haig und 2. Armee unter Smith-Dorrien, später Herbert Plumer, neu organisiert.
Wegen seiner unentschlossenen Führung wurde French für die britischen Fehlschläge und die hohen Verluste verantwortlich gemacht und im Dezember 1915 durch seinen Stellvertreter und Oberbefehlshaber der 1. Armee Haig ersetzt. Als Generalstabschef des B.E.F. wurde Generalleutnant Launcelot E. Kiggell bestimmt. Das britische Hauptquartier befand sich von Anfang April 1916 bis zur Auflösung im April 1919 auf Château de Beaurepaire bei Montreuil, nur während der Schlacht an der Somme verlegte General Haig seinen Gefechtsstand nach Beauquesne.
Weitere Armeen wurden wie folgt aufgestellt:
- die 3. Armee im Juli 1915 unter Charles Monro
- die 4. Armee im Februar 1916 unter Henry Rawlinson
- die Reservearmee im Mai 1916, im Oktober 1916 umbenannt in 5. Armee unter Hubert Gough
Weitere britische Expeditionskorps im Ersten Weltkrieg wurden im Mittelmeer (Mediterranean Expeditionary Force), Mesopotamien, Ägypten/Palästina, an der Saloniki-Front auf dem Balkan und in Italien eingesetzt. Diese wurden teilweise von Expeditionskorps der britischen Dominions Kanada, Australien und Neuseeland unterstützt.
Zweiter Weltkrieg
Nach der sogenannten Zerschlagung der Rest-Tschechei durch Nazideutschland im März 1939 beendeten Frankreich und Großbritannien die Appeasement-Politik und erklärten Deutschland nach dem Überfall auf Polen am 3. September 1939 den Krieg.
Ein neues British Expeditionary Force wurde ausgerüstet und nach Frankreich gesandt, zum Oberbefehlshaber wurde General Lord Gort ernannt. Die britischen Truppen wurden wegen der deutschen U-Bootgefahr nicht direkt an den Kanalhäfen ausgeladen, sondern großteils über Cherbourg geleitet, die Formationen der rückwärtigen Dienste landeten in Brest und St. Nazaire. Das Hauptquartier der BEF wurde am 14. September 1939 zunächst in Le Mans eingerichtet, bis 21. September waren die beiden ersten Korps zwischen Le Mans und Laval konzentriert. Aufgrund der defensiven Strategie der Westalliierten kam es in den ersten Kriegsmonaten zu keiner Offensive gegen Deutschland, eine solche war erst für das Jahr 1941 geplant. Deshalb fanden vom Spätsommer 1939 bis zum Frühjahr 1940 an der französisch-deutschen Grenze keine größeren Gefechte statt, so dass diese Phase in Deutschland auch als Sitzkrieg, in Großbritannien als Phoney War und in Frankreich als Drôle de Guerre bezeichnet wurde. Anfang Oktober 1939 übernahm das I. Korps den Front-Abschnitt Maulde-Gruson, am 12. Oktober das II. Korps den Abschnitt von Bouvines bis Lannoy. Im Januar 1940 traf die 48. Division, im Februar die 51. und die 50. Division neu auf dem Festland ein. Ende März 1940 wurde das III. Korps (42., 44. und 51. Division) gelandet, endlich trafen im April noch die 12., 23. und 46. Division in Nordfrankreich ein.
Organisation der British Expeditionary Force im Mai 1940
I. Corps Lieutenant General Michael Barker
- 1st Infantry Division – Major General H. R. L. G. Alexander
- 2nd Infantry Division – Major General H. C. Loyd
- 48th (South Midland) Infantry Division – Major General A. F. A. N. Thorne
II. Corps Lieutenant General Alan Brooke
- 3rd Infantry Division – Major General Bernard Law Montgomery
- 4th Infantry Division – Major General Dudley Graham Johnson
- 50th (Northumbrian) Infantry Division – Major General G. Le Q. Martel
III. Corps Lieutenant General Sir R. F. Adam
- 5th Infantry Division – Major General Harold Franklyn
- 42nd (East Lancashire) Infantry Division – Major General William G. Holmes
- 44th (Home Counties) Infantry Division – Major General Edmund Osborne
- 51st (Highland) Infantry Division – Major General V. M. Fortune
Weitere Armeetruppen
- 1st Armoured Division – Major General Roger Evans
- 52nd (Lowland) Infantry Division – Major General J. S. Drew
- 12th (Eastern) Infantry Division – Major-General R. L. Petre
- 23rd (Northumbrian) Infantry Division – Major General A. E. Herbert
- 46th (West Riding) Infantry Division – Major General H. O. Curtis
Am 10. Mai 1940 begann die deutsche Wehrmacht den Westfeldzug. Das BEF besetzte geplante Stellungen in Belgien; nach dem deutschen Durchbruch nahe Sedan musste es sich jedoch aus Belgien zurückziehen. Der deutsche Vormarsch kam unerwartet rasch voran, so dass das britische Kriegskabinett bereits am 19. Mai einen Abtransport der British Expeditionary Forces (BEF) erwog. In der Operation Dynamo erfolgte der Abtransport der britischen Truppen. Im Rahmen der Operation wurde vom 26. Mai bis zum 4. Juni 1940 nahezu das gesamte britische Expeditionskorps in Frankreich und Teile der französischen Armee, die von deutschen Truppen bei Dünkirchen eingekesselt waren, auf dem Seeweg nach Großbritannien evakuiert. Bis zum 4. Juni konnten insgesamt 338.226 alliierte Soldaten, davon etwa 110.000 französische, übergesetzt werden.
Literatur
- Arthur Hodges: Kitchener. Vorhut-Verlag Schlegel, Berlin 1937.
- Hugh Sebag-Montefiore: Dunkirk. Fight to the last man. Penguin, London 2007, ISBN 978-0-14-102437-0.
- Nick Smart: Biographical Dictionary of British Generals of the Second World War. Pen & Sword Military, Barnsley 2005, ISBN 1-84415-049-6.
Einzelnachweise
- Lukas Grawe: Albion an Holsteins Küsten? Der preußische Generalstab und die Furcht vor einer britischen Landung in Norddeutschland und Dänemark, 1905–1914. (pdf) In: Militärgeschichtliche Zeitschrift Band 79 Heft 1. 8. Mai 2020, S. 26–64, abgerufen am 15. Juni 2021.