Ukrainer in Deutschland
Die Ukrainer in Deutschland stellen mit rund 130.000 ukrainischen Staatsbürgern (2014) die 17.-größte ausländische Bevölkerungsgruppe in Deutschland. Sie haben zahlreiche Institutionen und Organisationen gebildet, wie die Zentralvereinigung von Ukrainern in Deutschland und die Vereinigung der Ukrainischen Diaspora in Deutschland.
Die meisten Ukrainer leben in Berlin, München, Magdeburg, Leipzig und Chemnitz. Weitere bedeutende Gemeinden finden sich in Ansbach, Potsdam, Erfurt und Dresden. Die Ukrainer sind prozentual besonders im Osten Deutschlands stark vertreten. In Thüringen ist ihr Anteil gering, wogegen die Ukrainer in Brandenburg und Sachsen mit bedeutenden Diaspora-Gemeinden vertreten sind. Allgemein fällt auf, dass die Ukrainer in Deutschland bevorzugt in Großstädten leben.
Neben Deutsch beherrschen die meisten in Deutschland lebenden Ukrainer Ukrainisch und Russisch. Viele gehören der 2018 gegründeten ukrainisch-orthodoxen Landeskirche an, daneben gibt es russisch-orthodoxe und römisch-katholische ukrainische Christen sowie jüdische Ukrainer in Deutschland.
Geschichte
Die erste nennenswerte Migrationswelle von Ukrainern nach Deutschland fand im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts statt und ist auf die sozialen und ökonomischen Missstände zurückzuführen. Während der beiden Weltkriege standen ebenfalls wirtschaftliche sowie politische Gründe im Vordergrund. Im Zweiten Weltkrieg, sowie in der Nachkriegszeit, waren die Migrationsmotive fast ausschließlich politisch motiviert.[1] Insbesondere Personen, welche vor Repressionen der Sowjetunion flohen, wurden in Deutschland aufgenommen. Dazu gehören ebenfalls Angehörige der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN).
Die ausländischen Einheiten der OUN (Zakordonni Chastyny OUN; Закордонні Частини ОУН) begannen ab 1945, ihr Zentrum in München aufzubauen. Zunächst zogen die Einheiten der OUN in das Gebäude Dachauer Straße 9, später in die Lindwurmstraße 205. 1954 wurde im Haus Zeppelinstraße 67 das neue Büro eröffnet, wo ein Verlagshaus im Untergeschoss gegründet wurde, in dem unter anderem die Zeitung Schljach Peramohi gedruckt wurde.[2] Im selben Haus wohnten die Exilpolitiker Jaroslaw und Jaroslawa Stezko. Im Jahr 2010 wurde auf Veranlassung des ukrainischen Präsidenten Wiktor Juschtschenko eine Gedenktafel am Haus angebracht.[3] Bis heute residiert in dem Gebäude das Ukrainische Institut für Bildungspolitik e.V.[4]
Weitere nennenswerte Zentren der ukrainischen Emigration in München sind die Ukrainische Freie Universität München, die Kathedrale Maria Schutz und St. Andreas oder die Orthodoxe St. Petrus und Pauluskirche. Zudem sind auf dem Waldfriedhof zahlreiche ukrainische historische Persönlichkeiten beigesetzt.
Seit Anfang der 1990er Jahre kam es zu einem Zustrom an Ukrainern, die in Europa oft unter prekären Verhältnissen arbeiteten, um ihre Familie in der Heimat zu versorgen. Anders als in Polen, Ungarn und Tschechien, wo sich die Lebensverhältnisse nach dem Ende des Kommunismus bald zu verbessern begannen, schrumpfte die Bevölkerung in der Ukraine deutlich und die Lebenserwartung nahm ab.[5] Auch im Gefolge der Einwanderung deutschstämmiger Aussiedler und Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion kamen Ukrainer nach Deutschland, da einige Spätaussiedler ihre russischen, kasachischen oder auch ukrainischen Ehepartner in die Bundesrepublik brachten.
Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 trafen die Bundesländer Vorkehrungen für die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine. Die Deutsche Bahn ermöglicht seit dem 27. Februar 2022 Menschen mit ukrainischem Pass die kostenlose Reise aus Polen nach Deutschland[6] und plant Sonderzüge.[7]
Persönlichkeiten
- Iwan Bahrjanyj (1907–1963), Schriftsteller und Exilpolitiker, lebte ab 1945 in der Bundesrepublik
- Stepan Bandera (1909–1959), Politiker und Partisan, lebte ab 1946 in Deutschland
- Dmytro Doroschenko (1882–1951), Historiker und Politiker
- Mykola Kapustjanskyj (1879–1969), General
- Platon Kornyljak (1920–2000), Priester
- Pawlo Skoropadskyj (1873–1945), General und Politiker, lebte ab 1919 in Deutschland
- Jaroslaw Stezko (1912–1986), Exilpolitiker, lebte ab seiner Verhaftung 1942 in Deutschland
- Jaroslawa Stezko (1920–2003), Politikerin, lebte bis 1991 in Deutschland
- Dmitrij Tschižewskij (1894–1977), Slawist, Philosoph und Kulturwissenschaftler russisch-ukrainischer Herkunft
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- Ukrainische Gemeinde, Botschaft der Ukraine in Deutschland
- Grzegorz Rossoliński-Liebe: Stepan Bandera. The Life and Afterlife of a Ukrainian Nationalist. Fascism, Genocide, and Cult. ibidem-Verlag, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-8382-0604-2. S. 317/318
- Gedenktafel für Nazi-Kollaborateur und Antisemiten – wer ist verantwortlich?
- Ukrainisches Institut für Bildungspolitik e.V. auf dach-ukraine.de
- Gerhard Gnauck: Ukrainer suchen ihr Glück im Ausland oft vergeblich. In: Die Welt, 6. Dezember 2011, abgerufen am 30. November 2021.
- Deutsche Bahn lässt ukrainische Flüchtlinge kostenlos fahren. In: t-online.de. 27. Februar 2022, abgerufen am 27. Februar 2022.
- Artikel: Bahn erleichtert Geflüchteten aus der Ukraine Weiterreise nach Deutschland – Sonderzüge in Planung. In: deutschebahn.com. 27. Februar 2022, abgerufen am 28. Februar 2022.