Trommelwolf
Der Trommelwolf (Hygrolycosa rubrofasciata) ist eine Spinne aus der Familie der Wolfsspinnen (Lycosidae). Er ist paläarktisch verbreitet und erhält seinen Trivialnamen durch das Balzverhalten des Männchens, das Trommelbewegungen beinhaltet. Der Trommelwolf ist neben der in Griechenland endemischen Art H. strandi einer von zwei in Europa vorkommenden Sumpfwölfen (Hygrolycosa) und außerdem Spinne des Jahres 2022.
Trommelwolf | ||||||||||||
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Trommelwolf (Hygrolycosa rubrofasciata), Weibchen | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Hygrolycosa rubrofasciata | ||||||||||||
(Ohlert, 1865) |
Merkmale
Das Weibchen des Trommelwolfs erreicht eine Körperlänge von 4,5 bis 6,9 Millimetern, wobei sich der Durchschnittswert hier auf 5,5 ± 0,7 Millimeter beläuft. Das Männchen kann 4,9 bis 5,6 Millimeter lang werden.[1] Der grundsätzliche Körperbau der Art gleicht dem anderer Sumpfwölfe (Hygrolycosa).
Sexualdimorphismus
Wie viele andere Spinnen weist auch der Trommelwolf einen ausgeprägten Sexualdimorphismus (Unterschied der Geschlechter) auf. Dieser kann sich mitunter in der Größe der Geschlechter bemerkbar machen, da das Weibchen der Art im Regelfall größer als das Männchen wird. Die optischen Hauptunterschiede beider Geschlechter liegen jedoch in der Farbgebung.[2]
Weibchen
Der Carapax (Rückenschild des Prosomas bzw. Vorderkörpers) des Weibchens ist 2,44 bis 3,03 Millimeter und durchschnittlich 2,85 ± 3,03 Millimeter lang sowie 1,79 bis 2,13 und dabei durchschnittlich 2,11 ± 0,18 Millimeter breit. Das Verhältnis zwischen Länge und Breite des Carapax beläuft sich beim Weibchen auf 1,28 bis 1,43 und dabei durchschnittlich auf 1,35 ± 0,04 Millimeter. Er ist außerdem um 13° geneigt.[3]
Beim Weibchen ist der Carapax leicht gelbbraun gefärbt und mit zwei rötlichen ab den posterior (vorgesetzt) lateralen (seitlichen) Augen beginnenden Bändern versehen. An den Flanken befinden sich braune Punkte. Die Färbung der Ränder beläuft sich auf ein Rotbraun. Die Cheliceren (Kieferklauen) des Weibchens erscheinen rotgelb, während sie frontal mit dunkleren Linien versehen sind. Das Sternum (Brustschild des Prosomas) besitzt eine leicht gelbliche Färbung und an den Flanken dunkelrote Punkte.[3]
Die Beine des Weibchens sind gelbbraun gefärbt. Die Femora (Schenkel) und die Patellae (Glieder zwischen den Femora und den Tibien) erscheinen dabei jedoch heller und haben braune Punkte.[3]
Das Opisthosoma (Hinterleib) des Weibchens weist dorsal (oberhalb) eine blasse rotbräunliche Grundfarbe auf. Anterior (vorne) befindet sich auf dieser Seite ein ebenfalls blasser Lanzettfleck und posterior (hinten) verläuft dort ein breites median (mittig) angelegtes Band, das braun gefärbt ist und Reihen weißer Punkte enthält. Die Flanken des Opisthosomas sind ebenfalls geblasst und besitzen schwarze Punkte. Ventral hat es eine gelbweiße Farbgebung.[3]
Männchen
Beim Männchen nimmt der Carapax 2,33 bis 2,68 Millimeter der Körperlänge ein, während er bei diesem Geschlecht 1,78 bis 1,95 Millimeter breit ist. Die Neigung des Carapax beträgt beim Männchen 5°.[4]
Der Carapax des Männchens ist ähnlich wie bei Weibchen gelbbraun gefärbt, dabei allerdings nicht aufgehellt. Je zwei dunkelbraune breite Bänder verlaufen hier lateral auf diesem Körperteil. Submarginal (unterrandig) sind auf dem Carapax des Männchens ebenso dunkelbraune Punkte befindlich. Die gleiche Farbgebung besitzen die Ränder des Carapax. Die Cheliceren des Männchens sind gelbbraun gefärbt und weisen frontal dunkelbraune Bänder auf. Das Sternum hat hier eine gelbbraune Färbung und dessen Rand große, dunkle und gerundete Punkte.[4]
Die Beine sind wie beim Weibchen gelbbraun gefärbt, allerdings unterscheiden sich beim Männchen die Femora und die Patellae lediglich dadurch, dass diese dunkelbraun gefärbt sind. Die Femora der Pedipalpen sind beim Männchen mit dunkelbraunen Ringen versehen, während die Patellae und die Tibien (Schienen) hier eine braune Färbung besitzen.[4]
Die braun gefärbte Dorsalseite des Opisthosomas des Männchens verfügt über stark herausstechende gelbweiße Punkte. Der Lanzettfleck ist anders als beim Weibchen gelbbraun gefärbt. Die Seiten des Opisthosomas tragen beim Männchen gelbweiße Streifungen. Die Ventralseite des Opisthosomas ist hier gelbbraun gefärbt und weist kleine dunkelbraune Punktierungen auf.[4]
Genitalmorphologische Merkmale
Ein einzelner Bulbus (männliches Geschlechtsorgan) des Trommelwolfs wird unter anderem durch sein Cymbium (erstes und vorderstes Sklerit bzw. Hartteil des Bulbus) charakterisiert, dessen Spitze mit mehreren Makrosetae (chitinisierten Haaren) bedeckt ist. Das Tegulum (zweites und mittleres Sklerit) hat eine spitz zulaufende Apophyse (chitinisierter Fortsatz) und der gekurvte Embolus (drittes und letztes Sklerit) besitzt eine teilweise transparente Lamina (Gewebeschicht) auf seiner konkaven Fläche.[4]
Die Platte der Epigyne (weibliches Geschlechtsorgan) ist beim Trommelwolf länger als breit. Teile des weiblichen Geschlechtsapparats der Art sind durch das Integument (äußere Körperhülle) bereits von außen erkennbar. Die Kopulationsöffnungen der Epigyne befinden sich posterior angelegt an zwei medianen Rissen. Die Kopulationskanäle sind vergleichsweise kurz. Die Spermatheken (Samentaschen) zeichnen sich mitunter durch ihre lange und teilweise kurvige Gestalt aus. Der breitere Teil der Samentaschen erscheint zwiebelförmig und ist außerdem mit Knoten ausgestattet.[4]
Verwechslungen mit dem Gewöhnlichen Stachelbein
Präpariertes Weibchen | Präpariertes Männchen |
Der Trommelwolf ähnelt dem Gewöhnlichen Stachelbein (Zora spinimana) aus der Familie der Wanderspinnen (Miturgidae), das eine ähnliche Färbung wie der Trommelwolf aufweist und ebenso ähnliche Habitate bewohnt. Anderweitig gibt es in Mitteleuropa keine weitere Spinnenart, die dem Trommelwolf ähnelt.[2]
Vorkommen
Das Verbreitungsgebiet des Trommelwolfs erstreckt sich von Europa über Russland bis nach Südsibirien. In Europa selber ist die Art flächendeckend verbreitet und wurde bislang in Kontinentaleuropa lediglich in Portugal, Kroatien, Serbien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, dem Kosovo, Nordmazedonien, Griechenland, Moldau und dem europäischen Teil der Türkei sowie anderweitig auf den Inselgruppen Franz-Josef-Land und Spitzbergen, der russischen Doppelinsel Nowaja Semlja, Island, der Insel Irland und den Mittelmeerinseln nicht nachgewiesen.[5] In Österreich ist der Trommelwolf in Höhen von bis zu 800 Metern über dem Meeresspiegel anzutreffen.[2]
Auf Großbritannien ist die Art überwiegend in den Distrikten West Suffolk, King’s Lynn and West Norfolk, der Grafschaft Suffolk sowie in der Grafschaft Cambridgeshire in England nachgewiesen. Weitere Funde des Trommelwolfs auf der Insel erfolgten vereinzelt im ebenfalls zu Suffolk zählenden Distrikt East Suffolk, der Landschaft New Forest und der Grafschaft Hampshire sowie früher im Landschaftspark Sherwood Forest und darüber hinaus in den Grafschaften Nottinghamshire und Lincolnshire.[6]
Lebensräume
Der Trommelwolf ist eine hygrophile (feuchtigkeitsliebende) Art und bewohnt unter anderem Moore, Sümpfe, Feuchtwiesen oder feuchte Wälder.[2] Außerdem bewohnt er Niedermoore mit Buschwerk.[3] Auf Großbritannien ist die Art auch in Bruchwäldern in der Nähe von Fahrwegen vorfindbar.[6]
Häufigkeit und Gefährdung
Die Häufigkeit des Trommelwolfs variiert je nach geographischer Lage. In Mitteleuropa etwa ist die Art weitverbreitet, dabei im Norden jedoch deutlich häufiger als im Süden.[7]
Auch wird die Situation der Populationsgefährdungen der Spinne je nach Land und Region unterschiedlich aufgefasst. In der Roten Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands bzw. der Roten Liste und Gesamtartenliste der Spinnen Deutschlands (2016) wird der Trommelwolf in der Kategorie 3 („gefährdet“) gelistet, da die Art hier allgemein als selten gilt. Langfristig sind die Bestände der Art in Deutschland als mäßig zurückgehend zu werten, während für kurzfristige Analysen nicht ausreichend Daten vorhanden sind. Eine Änderung der Bestandswertigkeit von der vorherigen Roten Liste (1996), wo der Trommelwolf in gleicher Kategorie gelistet wurde, erfolgte demzufolge jedoch nicht.[8] In Österreich gilt die Art als vom Aussterben bedroht.[2]
In der Roten Liste Großbritanniens (2017) wird der Trommelwolf ähnlich wie in Deutschland nach IUCN-Maßstab in der Kategorie EN („Endagered“ bzw. gefährdet) gewertet.[6] In der Roten Liste der Spinnentiere (Arachnida) Norwegens (2015) sind die Bestände der Art in der Kategorie NT („Near Threatened“ bzw. potenziell gefährdet) und in der Roten Liste der Spinnen Tschechiens (2015) in der Kategorie VU („Vulnerable“ bzw. verletzlich) erfasst.[9]
Biologie
Der Trommelwolf zählt zu den tagaktiven Vertretern der Wolfsspinnen (Lycosidae).[2] Die bodenbewohnende Art vollführt eine recht versteckte Lebensweise und hält sich beispielsweise in Moospolstern oder in Streuschichten auf, während sie sich im Winter gelegentlich unter am Boden liegenden Holzstücken aufhält.[7] Der Trommelwolf legt wie die meisten Wolfsspinnen kein Spinnennetz an, sondern erlegt Beutetiere freilaufend als Lauerjäger. Die Hauptbeute stellen Insekten dar.[2]
Der Lebenszyklus des Trommelwolfs entspricht grundsätzlich dem anderer Wolfsspinnen (Lycosidae). Die Phänologie (Aktivitätszeit) ausgewachsener Individuen liegt bei beiden Geschlechtern im Zeitraum zwischen März und November.[5] Der Paarung geht ein charakteristisches Balzverhalten voraus, bei der Balz trommelt das Männchen mit seinem Opisthosoma auf trockene Blätter und erzeugt dabei ein charakteristisches Schnurrgeräusch.[2] Dieses ist auch für das menschliche Gehör aus mehreren Metern Entfernung vernehmbar. Ein paarungswilliges Weibchen, das auf die Balz eines Männchens reagiert, signalisiert diesem durch Vibrationen des eigenen Körpers seine Bereitschaft für eine Begattung.[3] Das Männchen stirbt meist nach der Paarung.[2]
Der einige Zeit nach der Paarung vom Weibchen angefertigte Eikokon enthält etwa 60 Eier und wird von diesem wie bei Wolfsspinnen üblich an den Spinnwarzen angeheftet ununterbrochen mit sich geführt. Anders als bei anderen Vertretern dieser Familie halten sich die geschlüpften Jungtiere jedoch nicht auf dem Opisthosoma ihrer Mutter, sondern an den Resten des Kokons auf. Bei diesem Verhalten handelt es sich vermutlich um eine Anpassung an die vom Trommelwolf bewohnten Feuchtbiotope.[2] Die Jungtiere verlassen nach einer weiteren Zeitperiode das Muttertier und erlangen das Adultstadium im Herbst und überwintern.[3]
Systematik
Die Systematik des Trommelwolfs erfuhr mehrfach Änderungen. Der Artname ist eine abgeänderte Zusammensetzung aus den lateinischen Wörtern rubro für „rot“ sowie „fascia“ für „Binde“ und deutet somit auf die teilweise rötlichen Bänderungen der Art hin.[10] Der Trommelwolf ist außerdem die Typusart der Sumpfwölfe (Hygrolycosa).[11]
Die Art wurde bei ihrer 1865 von Gustav Heinrich Emil Ohlert durchgeführten Erstbeschreibung, bei der zuerst ein Weibchen beschrieben wurde, in die Gattung der Erdwölfe untergegliedert und erhielt dabei die Bezeichnung T. rubrofasciata. Anschließend erhielt die Spinne von verschiedenen Autoren unterschiedliche Bezeichnungen sowie Umstellungen. Die heute gängige Bezeichnung H. fasciata wurde zuerst 1908 seitens Friedrich Dahl verwendet und ist seit einer weiteren Anwendung 1959 unter Jacobus Theodorus Wiebes die durchgehend angewandte Bezeichnung des Trommelwolfs.[11]
Auszeichnung zur Spinne des Jahres 2022
Der Trommelwolf wurde von der Arachnologischen Gesellschaft (AraGes) zur Spinne des Jahres 2022 auserwählt, um sowohl auf sein markantes Balzverhalten und die unübliche Art der Jungtiere, sich anfangs auf dem Opisthosoma ihres Muttertieres aufzuhalten, als auch auf den Rückgang seiner bevorzugten Habitate aufmerksam zu machen. Insbesondere soll dabei auf das Austrocknen der Moore hingewiesen werden, die als Speicher von Kohlenstoff in Anbetracht des fortschreitenden Klimawandels eine immer wichtigere Rolle einnehmen. Ein weiteres Ziel für die Wahl des Trommelwolfs als Spinne des Jahres ist außerdem das Erlangen von Daten über die Verbreitung der Spinne.[2]
Die Koordination der Wahl lag beim Naturhistorischen Museum Wien, in Zusammenarbeit mit der Arachnologischen Gesellschaft und der European Society of Arachnology (ESA). An der Wahl waren 84 Arachnologen aus 27 europäischen Ländern beteiligt.[2]
Einzelnachweise
- Sven Almquist: Swedish Araneae, part 1 – families Atypidae to Hahniidae (Linyphiidae excluded). In: Scandinavian Entomology (Hrsg.): Insect Systematics & Evolution, Supplement. Band 62, Nr. 1. Interpress, 2005, S. 207–208.
- Christoph Hörweg: SPINNE DES JAHRES 2022. Arachnologische Gesellschaft e. V., abgerufen am 9. Januar 2022.
- Sven Almquist: Swedish Araneae, part 1 – families Atypidae to Hahniidae (Linyphiidae excluded). In: Scandinavian Entomology (Hrsg.): Insect Systematics & Evolution, Supplement. Band 62, Nr. 1. Interpress, 2005, S. 208.
- Sven Almquist: Swedish Araneae, part 1 – families Atypidae to Hahniidae (Linyphiidae excluded). In: Scandinavian Entomology (Hrsg.): Insect Systematics & Evolution, Supplement. Band 62, Nr. 1. Interpress, 2005, S. 207.
- Wolfgang Nentwig, Robert Bosmans, Daniel Gloor, Ambros Hänggi, Christian Kropf: Hygrolycosa rubrofasciata (Ohlert, 1865). In: araneae - Spiders of Europe. Naturhistorisches Museum Bern, abgerufen am 6. Januar 2022.
- Summary for Hygrolycosa rubrofasciata (Araneae). (PHP) In: Spider Recording Scheme. British Arachnological Society, abgerufen am 9. Januar 2021 (englisch).
- Heiko Bellmann: Der Kosmos Spinnenführer. Kosmos, 2016, ISBN 978-3-440-15521-9, S. 170.
- Detailseite. (HTPPS) Rote-Liste-Zentrum, abgerufen am 9. Januar 2022.
- Hygrolycosa rubrofasciata. (HTPPS) In: Spinnen Forum Wiki. Arachnologische Gesellschaft, abgerufen am 9. Januar 2022.
- Gustav Heinrich Emil Ohlert: Arachnologische Studien. In: Programm zur öffentlichen Prüfung der Schüler der höheren Burgschule Königsberg. Königsberg 1865, S. 10.
- Naturhistorisches Museum der Burgergemeinde Bern: World Spider Catalog – Steatoda triangulosa. Abgerufen am 9. Januar 2022.
Literatur
- Sven Almquist: Swedish Araneae, part 1 – families Atypidae to Hahniidae (Linyphiidae excluded). In: Scandinavian Entomology (Hrsg.): Insect Systematics & Evolution, Supplement. Band 62, Nr. 1. Interpress, 2005, S. 1–284.
- Heiko Bellmann: Der Kosmos Spinnenführer. Kosmos, 2016, ISBN 978-3-440-15521-9 (432 S.).
- Gustav Heinrich Emil Ohlert: Arachnologische Studien. In: Programm zur öffentlichen Prüfung der Schüler der höheren Burgschule Königsberg. Königsberg 1865, S. 1–12.
Weblinks
- Hygrolycosa rubrofasciata bei Global Biodiversity Information Facility
- Hygrolycosa rubrofasciata bei Fauna Europaea
- Hygrolycosa rubrofasciata im World Spider Catalog
- Hygrolycosa rubrofasciata beim Rote-Liste-Zentrum
- Hygrolycosa rubrofasciata bei der British Arachnological Society
- Hygrolycosa rubrofasciata bei araneae - Spiders of Europe
- SPINNE DES JAHRES 2022 von Christoph Hörweg
- Hygrolycosa rubrofasciata beim Wiki der Arachnologischen Gesellschaft e. V.