Thaur
Thaur ist eine Gemeinde mit 4112 Einwohnern (Stand 1. Jänner 2021) im Bezirk Innsbruck-Land in Tirol (Österreich). Die Gemeinde liegt im Gerichtsbezirk Hall in Tirol. Thaur ist eine beliebte Wohngemeinde. Trotz des Siedlungsdrucks, der sich aus der Nähe zur Landeshauptstadt Innsbruck ergibt, blieb der bäuerlich-dörfliche Ortskern weitgehend erhalten.
Thaur | ||
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Wappen | Österreichkarte | |
Basisdaten | ||
Staat: | Österreich | |
Bundesland: | Tirol | |
Politischer Bezirk: | Innsbruck-Land | |
Kfz-Kennzeichen: | IL | |
Fläche: | 21,07 km² | |
Koordinaten: | 47° 18′ N, 11° 28′ O | |
Höhe: | 633 m ü. A. | |
Einwohner: | 4.112 (1. Jän. 2021) | |
Bevölkerungsdichte: | 195 Einw. pro km² | |
Postleitzahl: | 6065 | |
Vorwahl: | 05223 | |
Gemeindekennziffer: | 7 03 58 | |
Adresse der Gemeindeverwaltung: |
Dorfplatz 4 6065 Thaur | |
Website: | ||
Politik | ||
Bürgermeister: | Christoph Walser (Thaurer Einheitsliste) | |
Gemeinderat: (Wahljahr: 2016) (15 Mitglieder) |
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Lage von Thaur im Bezirk Innsbruck-Land | ||
Thaur von Nordwesten | ||
Quelle: Gemeindedaten bei Statistik Austria |
Geografie
Thaur liegt am östlichen Fuß der Nordkette, an der alten Dörferstraße von Innsbruck nach Hall und ist eines der MARTHA-Dörfer. Die Gemeinde bildet ein Haufendorf in leichter Hanglage, das hauptsächlich nördlich dieser Straße gelegen ist. Den höchsten Punkt des Gemeindegebietes bildet die Hintere Bachofenspitze (2668 m ü. A.) in der Gleirsch-Halltal-Kette.
Nachbargemeinden
Geschichte
Ein Urnengräberfeld aus der Bronzezeit weist darauf hin, dass das Gebiet schon um 1000 v. Chr. besiedelt war.
Der Name Thaur stammt eventuell aus der keltischen Sprache und bedeutet ‚Fels, Berg(pass)‘, vgl. Tauern. Eine weitere Namensherkunft könnte das rätoromanische taur bzw. tgaura „Ziege“ darstellen, und somit auf Weidenutzung hinweisen. 827 wird Thaur in der sogenannten Quartinus-Urkunde als „Taurane“ erstmals genannt – dortiger Besitz wird an das Kloster Innichen übertragen.[1]
Im Mittelalter war die Salzgewinnung von Bedeutung.
Die Burg von Thaur wurde im 13. Jahrhundert ausgebaut und war Gerichtssitz. Nach einem Brand und einem folgenschweren Erdbeben sind heute nur noch Ruinen vorhanden.
Die Gemeinde hat fünf Kirchen aufzuweisen. Bedeutend ist die barocke Wallfahrtskirche Romedikirchl oberhalb des Ortes. Sie ist nahe der vermutlichen Heimstatt des Heiligen Romedius, dem Schloss Thaur, erbaut. Vom einst stolzen Schloss sind nur mehr Ruinen erhalten. Einst war Schloss Thaur eine der größten Burgen im Inntal.
Seit 1959 hatte die Gemeinde Anteil an der Tiroler Zollfreizone (Katastralgemeinde Thaur II, eine Exklave im Haller Gemeindegebiet). 1971 wurde ein weiterer Streifen am Inn als Gewerbe- und Industriezone gewidmet (Gewerbe- und Industriezone Au).[2]
Nach den Grundzusammenlegungen (Flurbereinigungen) in der Thaurer Au bis 2006[3][4] werden nun auch die Thaurer Felder, von alters her recht zerstückelte Gründe, bereinigt.[5] Inwieweit das dort noch lesbare Römische Wegenetz, das als bedeutendes archäologisches Denkmal der frühen Siedlungsgeschichte des Mittelinntales unter Denkmalschutz steht, tatsächlich aus der Römerzeit stammt, ist noch unklar.[6][7]
Bevölkerungsentwicklung
Politik
Bürgermeister
Zum Bürgermeister von Thaur wurde 2016 Christoph Walser gewählt. Er gewann mit 50,49 % gegen seine Konkurrenten, den amtierenden Bürgermeister Konrad Giner (28,83 %), Thomas Rainer (8,78 %) und Josef Bertsch (11,9 %).[8]
Gemeinderat
Der Gemeinderat besteht aus 15 Mitgliedern und setzt sich seit der Gemeinderatswahl 2016 aus Mandaten der folgenden Parteien zusammen:[8]
- 4 Bürgermeisterliste Konrad Giner
- 6 Thaurer Einheitsliste
- 1 SPÖ und parteiunabhängige Liste Thaur
- 1 Bürger in Thaur
- 1 DU-zählst.at
- 2 Die Grünen Thaur
Wappen
Blasonierung: In Silber auf grünem Dreiberg drei rotbedachte Türme.[9]
Das 1953 verliehene Gemeindewappen entspricht dem Siegel des vom 13. Jahrhundert bis 1809 bestehenden Gerichtes Thaur.[10] Die drei Türme deuten auf die einstige Burg Thaur hin, von der nur noch eine Ruine übrig ist.
Wirtschaft und Infrastruktur
Südlich der neuen Bundesstraße nach Hall liegt ein bedeutendes Industrie- und Gewerbegebiet, das direkt an das der Gemeinde Hall angrenzt. Von großer Bedeutung ist der Gemüseanbau in den umliegenden Feldern. Thaur ist Sitz der Unternehmen Physiotherm (Infrarotkabinen) und Tyromont (Berg- und Pistenrettungsgeräte, z. B. Akja, gegründet 1953).
Unweit südlich von Thaur liegt die Inntal Autobahn (A12), und damit auch die Europastraße E45 bzw. E60. Noch davor liegt die Tiroler Straße (B171). Thaur wird von der Landesstraße L372 durchquert. Der nächstgelegene Bahnhof befindet sich in Rum, wo ein Anschluss zur S-Bahn Tirol besteht. Mit dem Flughafen Innsbruck existiert eine Fluganbindung in nicht allzu weiter Entfernung.
Kultur und Sehenswürdigkeiten
- Pfarrkirche Maria Himmelfahrt:
- Eine der fünf Kirchen in der Gemeinde und Sitz der Urpfarre Thaur. Spätgotischer Bau. Urkundlich erwähnt 1244. Geweiht 1487. 1766 barock umgestaltet. Im 19. Jahrhundert entbarockisiert und mit Fresken von Franz Pernlochner versehen. Klassizistischer Hochaltar mit spätgotischer Muttergottes. 4 Rokokoaltäre im Langhaus.[11]
- Vigilkirche:
- Erstmals urkundlich im 14. Jahrhundert erwähnt. 1643 von Salinenbeamten neu erbaut. Einrichtung aus dem 19. Jahrhundert.[11]
- Ulrichskirche und Afrahof:
- Ursprünglich romanische Anlage. Im 16. Jahrhundert umgebaut. Hölzerne Westempore und Kassettendecke aus dem 16. Jahrhundert. Spätgotische Malereien des Meisters der Magdalenenkapelle in Hall in Tirol. Flügelaltärchen aus dem 16. Jahrhundert.[11]
- Schlosskirche:
- Die Schlosskirche zu den Hll. Aposteln Petrus und Paulus ist die ehemalige Wallfahrtskirche zum Hl. Romedius, einem Eremiten aus dem heutigen Südtirol. 1432 geweiht. Neu errichtet 1648. Stuckaturen und Altäre aus dem Rokoko.[11]
- An der Haller Straße, Station einer ehemaligen Wallfahrt. Erbaut und gestiftet von Erzherzog Ferdinand II. von Tirol. Renaissancesäulenaltar aus dem ehemaligen Haller Damenstift.[11]
- Ruinen des Schlosses Thaur:
- Ehemals größte Burganlage im Inntal und Gerichtssitz. Im 13. Jahrhundert im Besitz der Grafen von Andechs, später im tirolischen. Ab dem 16. Jahrhundert zunehmender Verfall. Seit einigen Jahren Theateraufführungen.[11]
- Die 1700 Meter hoch gelegene Kaisersäule erinnert an den Besuch von Kaiser Franz I. am 22. Oktober 1815.[11]
Brauchtum
In Thaur wird die Krippentradition großgeschrieben. Fast in jedem Haus findet sich eine Weihnachtskrippe. Viele Künstler aus dem Dorf haben sich mit dem Bauen von – meist orientalischen – Bergen, dem Schnitzen von Figuren oder dem Malen der Hintergründe befasst. Die bekannteste Künstlerfamilie sind die Giner. Das Brauchtum wird mit Krippenausstellungen und Mullerlaufen (einem Fasnachtsbrauch) gepflegt.
Thaur ist die einzige verbleibende Gemeinde in Tirol, in der noch eine Palmeselprozession veranstaltet wird. Dabei wird eine lebensgroße Christusfigur auf einem Esel – beide geschnitzt – von der Pfarrkirche unter Glockengeläute zur Schlosskirche gezogen, wo in der Allerheiligenlitanei um Schutz und Hilfe gebetet wird, und anschließend in das Nachbardorf Rum weitergeführt. Der Weg zurück nach Thaur führte früher über die noch autofreie Dörferstraße, heute jedoch auf einem Feldweg.
Ebenfalls findet als einzige Gemeinde noch eine Grablegungsprozession am Karfreitag statt. Wie bei einem Begräbnis wird ein lebensgroßer Christuskörper unter den Klängen der Musikkapelle, die Trauermärsche spielt, und dem Beten des schmerzhaften Rosenkranzes durch das Dorf getragen. In der Kirche wieder angekommen, wird der „Grablieger“ in das große, den ganzen Altarraum verdeckende, Heilige Grab gelegt. Bei der Feier der Osternacht am Folgetag wird die Auferstehung bildlich mit dem Hochziehen der Heilig-Grab-Leinwand und dem Erscheinen des auferstandenen Christus dargestellt. Weiters wird an Christi Himmelfahrt die Himmelfahrt sichtbar vollzogen: Christus schwebt von vier Engeln begleitet im Mittelschiff der Pfarrkirche nach den Fürbitten während des feierlichen Hochamtes durch ein Loch in der Decke „zum Himmel auf“.
Der Thaurer Partisanerbund, eine 1660 begründete Vereinigung, die bei Prozessionen das Allerheiligste begleitet, wurde 2013 von der UNESCO unter der Bezeichnung Sakramentsgarden in Tirol als Immaterielles Kulturerbe in Österreich anerkannt.
Persönlichkeiten
Söhne und Töchter des Ortes
- Johann Giner der Ältere (1756–1833), Bildhauer und Krippenschnitzer
- Franz Xaver Pernlochner (1847–1895), Maler
- Ferdinand Stabinger (1866–1948), Bildhauer und Lehrer
- Ambros Giner (1887–1965), Abt des Klosters Neustift
- Konrad Lechner (1901–1994), Abt des Klosters Neustift
- Maria Giner (1922–2018), Politikerin (ÖVP)
- Chrysostomus Giner (* 1930), Abt des Klosters Neustift
- Christoph Walser (* 1975), Bürgermeister der Gemeinde Thaur und Präsident der Wirtschaftskammer Tirol
Mit Thaur verbunden
- Künstlerfamilie Giner, Maler und Krippenschnitzer im 18. und 19. Jahrhundert
- Hartmann Grisar (1845–1932), Jesuit und Kirchenhistoriker, lebte in Thaur
- Claudia Giner (* 1985), Schlagersängerin, wuchs in Thaur auf
- Toni Innauer (* 1958), Skispringer, Trainer und Manager, lebt in Thaur
Literatur
- Gemeinde Thaur: Örtliches Raumordnungskonzept. Fortschreibung Umweltbericht zur strategischen Umweltprüfung (SUP). November 2014 (pdf, 8,3 MB; thaur.tirol.gv.at, abgerufen am 29. März 2015) – umfangreiche Bestandsaufnahme naturrelevanter Aspekte im Gemeindegebiet.
Weblinks
- Offizielle Seite der Gemeinde
- Thaur auf www.tirolatlas.uibk.ac.at
- Thaur, in der Datenbank Geschichte Tirol des Vereines „fontes historiae – Quellen der Geschichte“
- Chronos Thaur: Verein für Dorfgeschichte
Einzelnachweise
- Martin Bitschnau, Hannes Obermair: Tiroler Urkundenbuch, II. Abteilung: Die Urkunden zur Geschichte des Inn-, Eisack- und Pustertals. Bd. 1: Bis zum Jahr 1140. Universitätsverlag Wagner, Innsbruck 2009, ISBN 978-3-7030-0469-8, S. 61–64, Nr. 86.
- Die Thaurer Dorfgeschichte: 1971. Verein für Dorfgeschichte Thaur: chronos-thaur.at, abgerufen am 13. März 2015.
- Grundzusammenlegung Thaurer Au West, tirol.gv.at (PDF; 569 kB)
- Grundzusammenlegung: Thaurer Au unter Dach und Fach! In: Der Schlossbichler. Zeitschrift für Thaur, Nr. 08 / 3. Jahrgang, April 2006, S. 6 (pdf, thaur.tirol.gv.at).
- Bescheid (…) für die Zusammenlegung „Thaurer-Felder“. (PDF; 280 KB) In: portal.tirol.gv.at. Amt der Tiroler Landesregierung, Agrarbehörde, 27. Mai 2009, abgerufen am 13. Februar 2019 (direkter Download).
- Johannes Pöll: Jahresbericht zur archäologischen Denkmalpflege 2009. Bundesdenkmalamt, 2009, S. 31, archiviert vom Original am 1. Juli 2016; abgerufen am 28. Oktober 2017.
- Auf den Thaurer Feldern gab es früher viele Siedlungen. In: meinbezirk.at. 14. Juli 2010, abgerufen am 24. Oktober 2019.
- Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen 2016: Gemeinde Thaur. In: wahlen.tirol.gv.at. Land Tirol, 2016, abgerufen am 2. August 2017.
- Landesgesetzblatt für Tirol, Nr. 4/1953. (Digitalisat)
- Eduard Widmoser: Tiroler Wappenfibel. Tyrolia-Verlag, Innsbruck 1978, ISBN 3-7022-1324-4, S. 27.
- Dehio Tirol, Verlag Anton Schroll & Co. Wien 1980, S. 804–808