Relegation (Sport)
Als Relegation (von lateinisch relegatio ‚Fortschickung‘, ‚Verbannung‘, ‚Verweisung‘) werden im Sport Qualifikationsspiele bezeichnet, bei denen es für die Beteiligten in der Regel entweder um die Verhinderung des Abstiegs in eine tiefere oder um den Aufstieg in eine höhere Liga geht. Die Bezeichnung relegatio bezieht sich dabei lediglich auf die Mannschaft, die in einem oder mehreren Vergleichen ihren Abstieg zu verhindern versucht. In manchen Sportarten werden Relegationsturniere oder -runden gespielt. In der Schweiz wird dafür die Bezeichnung Barrage verwendet.
Wortherkunft
Relegatio bedeutet im Lateinischen Verweisung, Entfernung, Verbannung. Früher wurde Relegation noch für die Verweisung von einer Hochschule verwendet. Die Vorsilbe re entspricht eigentlich dem deutschen Wort bzw. Wortteil zurück. Der Wortteil lega ist zum italienischen Begriff für bestimmte Gruppierungen, Vereinigungen oder Gruppierungen (z. B. auch politische Parteien) geworden, entsprechend in anderen Sprachen Liga (deutsch), ligue (französisch) und league (englisch).
Im Sport werden diese Worte für nach Wertigkeit geordnete Spielgruppen verwendet, in denen annähernd gleichstarke Sportler bzw. vor allem Mannschaften aufeinandertreffen und eine Rangfolge ausspielen. Zumeist ist vorab festgelegt, dass eine bestimmte Anzahl an best- bzw. schlechtestplazierten Teilnehmern im kommenden Wettbewerb in der nächsthöheren bzw. nächstniedrigeren Liga antreten dürfen/müssen. Diese Umstufung nennt man Aufstieg (englisch/französisch promotion) bzw. Abstieg (englisch relegation, französisch relégation).
In Deutschland wird der Begriff Relegation seit 1982 (zuerst eingeführt im Fußball) widersinnigerweise für Entscheidungsspiele und Entscheidungsrunden verwendet, bei denen es in der Regel nur für einzelne Teilnehmer um den Abstieg in eine niedrigere Liga geht, für andere hingegen um einen Aufstieg. Es gibt beispielsweise ein oder mehrere Entscheidungsspiele zwischen einer der schlechtesten Mannschaften der höheren und einer der besten der niedrigeren Spielklasse; der (Gesamt-)Sieger dieser Spiele steigt auf bzw. nicht ab, der Verlierer steigt ab bzw. nicht auf. Ein passenderer, weil allgemeinerer Begriff hierfür wäre Qualifikationsspiel bzw. -runde.
Es kann sich aber auch (noch stärker der Wortbedeutung widersprechend) um reine Aufstiegsspiele oder Aufstiegsrunden handeln, in denen alle beteiligten Mannschaften nur aufsteigen können (wie zum Beispiel in einem Entscheidungsspiel zwischen Tabellenführern zweier gleichwertiger Spielgruppen, dann meist Staffeln einer Liga genannt; diese sind in der Regel nach geografischen Kriterien getrennt). Der passendere Begriff hierfür wäre demzufolge Aufstiegsspiel.
In Deutschland hat sich der Begriff Relegationsspiel eingebürgert, obwohl bei der Einführung mutmaßlich eine Internationalisierung (die meist eine Anlehnung an die englische Sprache bedeutet) beabsichtigt gewesen sein dürfte. Offenbar hat man dabei schlecht recherchiert, denn im Englischen trägt der Begriff relegation die ursprüngliche Bedeutung Abstieg.
In der Schweiz werden der aus dem Französischen stammende Begriff Barrage (pl. Barrages) oder einfach die Begriffe Auf-/Abstieg verwendet. In Abgrenzung zu anderen Bedeutungen des Wortes Barrage wie Talsperre, Stausee oder Sperrfeuer müsste es exakter eigentlich Match de Barrage oder Barrage-Spiel heißen. Der Begriff wird vor allem in Sportarten benutzt, die in Frankreich ihren Ursprung haben wie Pétanque oder in Frankreich sehr beliebt sind wie Rugby oder Radsport, und hat sich unter anderem in der deutschsprachigen Schweiz, der Tschechischen Republik, in Griechenland und Polen durchgesetzt.
Fußball
Deutschland
In der deutschen Fußball-Bundesliga finden mit Unterbrechungen seit 1975 Aufstiegs- bzw. Relegationsspiele statt. Im gesamten Fußball-Ligasystem in Deutschland gibt es Relegationsspiele.
Geschichte der französischen Relegationsspiele
In den ersten Jahren (1932 bis 1939 und 1945 bis 1950) gab es zwischen erster und zweiter Division keine Barrages, sondern nur einen direkten Ab- bzw. Aufstieg. Dies galt auch von 1957 bis 1963, 1970 bis 1979 sowie zwischen 1993/94 und 2015/16 einschließlich.
In folgenden Zeiträumen hingegen existierten Relegationsspiele, und zwar entweder mit Hin- und Rück- sowie notfalls einem Entscheidungsmatch (bei zwei beteiligten Mannschaften), in Turnierform mit einer einfachen Punkterunde (bei drei oder vier Teilnehmern) oder in mehreren Überkreuzspielen (bei vier bis sieben Teilnehmern):
- 1950/51, 1963/64–1967/68, 1969/70: je zwei Erst- und Zweitdivisionäre
- 1951/52–1956/57, 1968/69, ab 2016/17: je ein Erst- und Zweitdivisionär
- 1979/80: ein Erst- und drei Zweitdivisionäre
- 1980/81–1983/84: ein Erst- und vier Zweitdivisionäre
- 1984/85–1992/93: ein Erst- und sechs Zweitdivisionäre
In den 1950er und 1960er Jahren waren die Gewichte zwischen den Mannschaften aus den beiden Ligen noch annähernd gleichmäßig verteilt: Zwölf Erst- und neun Zweitdivisionäre überstanden die Barrages erfolgreich. Hingegen gelang es in den Relegationsrunden ab 1979/80, als sich jeweils ein einziger Erstligist mit bis zu sechs unterklassigen Mannschaften auseinandersetzen musste, Ersteren nur in fünf der 14 Jahre, sich auf diesem Weg doch noch den Klassenerhalt in der Division 1 zu sichern. Dabei wurden in diesem Zeitraum mit einer Ausnahme stets drei Aufstiegsplätze vergeben, die aber in der übergroßen Zahl der Fälle an Teams der Division 2 gingen.[1]
Relegationsspiele
In der Tabelle sind Teilnehmer und – nur bei Einzelpaarungen – Spielergebnisse aufgeführt. Die Vereine, die aufgrund der Relegation in der Folgesaison der ersten Liga angehörten, sind fett dargestellt. In den Jahren, in denen mehr als zwei Mannschaften beteiligt waren, gab es drei unterschiedliche Modi:
Modus A: Jeder spielte einmal gegen jeden Teilnehmer (einfache Punktrunde).
Modus B: Jeder Teilnehmer bestritt Hin- und Rückspiel gegen die beiden Mannschaften aus der Liga, der er selbst nicht angehörte; aus allen Ergebnissen wurde eine Tabelle erstellt, deren zwei Punktbeste aufstiegen.
Modus C: Zunächst Überkreuzspiele zwischen den Zweit- und Drittplatzierten der Zweitligagruppen, deren Bester anschließend gegen den drittletzten Erstligisten um einen Division-1-Platz spielte.
Saison | Erstligist(en) | Zweitligist(en) | Modus bzw. Ergebnisse |
---|---|---|---|
1951 | FC Sète, RC Lens | FC Rouen, RCFC Besançon | Modus A |
1952 | Olympique Marseille | US Valenciennes | 4:0, 1:3 |
1953 | Stade Rennes UC | RC Strasbourg | 1:3, 0:4 |
1954 | Stade Français | RC Paris | 1:1, 2:3 |
1955 | OSC Lille | Stade Rennes UC | 6:1, 1:0 |
1956 | OSC Lille | US Valenciennes | 2:1, 0:1, 0:4 |
1957 | Stade Rennes UC | OSC Lille | 2:0, 1:3, 1:2 |
1964 | Stade Français, RC Paris | FC Metz, SC Toulon | Modus B |
1965 | FC Rouen, Olympique Nîmes | FC Limoges, US Boulogne | Modus B |
1966 | OSC Lille, Olympique Nîmes | FC Limoges, SEC Bastia | Modus B |
1967 | FC Toulouse, Olympique Nîmes | AS Aix, SEC Bastia | Modus B |
1968 | RC Strasbourg, RC Lens | Stade Reims, Olympique Nîmes | Modus B |
1969 | AS Monaco | AS Angoulême | 2:1, 0:1, 0:2 |
1970 | AC Ajaccio*, SEC Bastia | AS Nancy, Olympique Avignon | Modus B |
1980 | Olympique Lyon | Olympique Avignon, Stade Rennes, FC Tours | Modus C |
1981 | FC Tours | Stade Brest, La Paillade Montpellier, US Nœux, FC Toulouse | Modus C |
1982 | US Valenciennes | FC Mulhouse, FC Rouen, CS Thonon, FC Toulouse | Modus C |
1983 | FC Tours | Olympique Nîmes, Stade Reims, Stade Rennes, SC Toulon | Modus C |
1984 | AS Saint-Étienne | Olympique Marseille, OGC Nizza, RC Paris, FC Tours | Modus C |
1985 | FC Rouen | Le Havre AC, FC Mulhouse, Olympique Nîmes, OGC Nizza, Stade Rennes, AS Saint-Étienne | Modus C |
1986 | AS Nancy | Olympique Alès, EA Guingamp, Olympique Lyon, FC Mulhouse, RC Paris, AS Saint-Étienne | Modus C |
1987 | FC Sochaux | SM Caen, AS Cannes, Olympique Lyon, La Paillade Montpellier, FC Mulhouse, Chamois Niort | Modus C |
1988 | Chamois Niort | Olympique Alès, SM Caen, Olympique Lyon, FC Mulhouse, FC Sochaux, RC Strasbourg | Modus C |
1989 | RC Strasbourg | Brest Armoricaine, Le Havre AC, Olympique Lyon, FC Mulhouse, Olympique Nîmes, Stade Rennes | Modus C |
1990 | OGC Nizza | AS Nancy, Olympique Nîmes, Stade Rennes, FC Rouen, RC Strasbourg, US Valenciennes | Modus C |
1991 | FC Toulouse | Stade Laval, Le Havre AC, RC Lens, Olympique Nîmes, RC Strasbourg, US Valenciennes | Modus C |
1992 | Stade Rennes | SCO Angers, Girondins Bordeaux, FC Istres, Le Mans UC, RC Strasbourg, US Valenciennes | Modus C |
1993 | US Valenciennes | SCO Angers, AS Cannes, FC Martigues, OGC Nizza, Stade Rennes, FC Rouen | Modus C |
* Ajaccio durfte aufgrund einer nachträglichen Ligaaufstockung doch ebenfalls noch in der höchsten Spielklasse verbleiben.
Österreich
In Österreich steigt das Schlusslicht der 2. Liga ab. Die Meister der drei Regionalligen kämpfen in einem Play-off mit dem Vorletzten der Ersten Liga um zwei Aufstiegsplätze. Diese Regelung wird ab der Saison 2014/15 dahingehend geändert, dass die Meister der (dann wahrscheinlich nur noch zwei Regionalligen) direkt in die Erste Liga aufsteigen werden.[2]
Schweiz
Im Ligasystem des Schweizerischen Fussballverbands spielte von der Saison 2003/04 bis zur Saison 2011/12 der Tabellenneunte der Super League gegen den Tabellenzweiten der Challenge League um einen Platz in der Super League. Diese Barrage wurde zwischenzeitlich zu Gunsten eines einzigen Auf-/Absteigers abgeschafft. Ab der Saison 2018/19 wurde die Barrage wieder ausgespielt.
Weitere Länder
Neben der „normalen“ Regelung mit festen Ab- und Aufsteigern haben verschiedene Fußballverbände in ihren Ligen abweichende Ab-/Aufstiegsmodi etabliert:
- Argentinien: Es gibt zwei feste Ab- bzw. Aufsteiger. Die dritt- und viertletzten der Primera Division spielen gegen die 3. und 4. der Nacional B um die Plätze in der ersten Liga.
- England: Zwei oder drei Mannschaften steigen direkt auf, vier dahinter platzierte Mannschaften spielen in Play-offs um einen weiteren Platz.
- Italien: Zwei Teams aus der Serie B steigen direkt auf. Beträgt die Punktedifferenz zwischen Platz 3 und 4 weniger als 10 Punkte, spielen die Plätze 3 bis 6 in Play-offs den dritten Aufsteiger aus.
- Niederlande: Nur der Tabellenletzte der Eredivisie steigt ab, und der Meister der Eerste Divisie steigt auf. Der 16. und 17. der ersten Liga und die sechs Periodenmeister der zweiten Liga spielen in einem Play-off-Modus um zwei weitere Plätze.
- Belgien: Ab der Saison 2020/21 wird wieder eine Relegation eingeführt. In der Saison 2020/21 steigt der Tabellenletzte der Division 1A ab; der Meister der Division 1B steigt auf. Die Mannschaft auf Platz 15 der Division 1A spielt gegen den Zweiten der Division 1B um den letzten freien Platz in der Division 1A. Nachdem die geplante Reduzierung der Division 1A von 18 auf 16 Vereine erst nach der Saison 2022/23 erfolgt,[3] andererseits ab der Saison 2021/22 in der Division 1B wieder die Sieger beider Tranchen in Aufstiegsspielen um den direkten Aufstieg in die Division 1A spielten, wird der Verlierer dieser Aufstiegsspiele in der Saison 2021/22 Regelationsspiele gegen die Mannschaft auf Platz 17 der Division 1A austragen.[4] Nach der Saison 2022/23 finden keinen Relegationsspiele statt; ab der Saison 2023/24 spielt der Verlierer der Aufstiegsspiele gegen Platz 15 der Division 1A.[5]
Pétanque
Beim Boule-Spiel Pétanque wird eine Barrage als Entscheidungsspiel in der Poule gespielt.
Weblinks
Einzelnachweise
- Alle Angaben nach Alex Graham: Football in France. A statistical record 1894-2005. Soccer Books, Cleethorpes 2005, ISBN 1-86223-138-9, S. 28ff.
- Direkt-Aufstieg ab Saison 2014/15 fix. Der Standard, 14. Dezember 2012, abgerufen am 31. Mai 2013.
- Communication après l’Assemblée Générale de la Pro League. Pro League, 31. Juli 2020, abgerufen am 2. August 2020 (französisch).
- François Zaleski: Pro League 2020-2021: 16 clubs, mini-playoffs et 2 montants potentiels. RTBF, 7. Juli 2020, abgerufen am 7. Juli 2020 (französisch).
- Vote de l’Assemblée Générale de la Pro League en faveur de l‘intégration des U23 et la prolongation du format. Pro League, 14. Juni 2021, abgerufen am 15. September 2021 (französisch).