Talsperre
Eine Talsperre staut mit einem Absperrbauwerk in einem Tal ein Fließgewässer zu einem Stausee auf; dabei bilden die gegenüberliegenden Talflanken den seitlichen Halt der Talsperre und die Begrenzung des Stauraumes.
In der Fachwelt versteht man Talsperre als Oberbegriff für alle dazugehörigen Anlagen wie das Absperrbauwerk, den Stauraum, die Entnahmebauwerke sowie die Hochwasserentlastungsanlage.[1][2] Im allgemeinen Sprachgebrauch ist auch der Stausee einbezogen. Häufig wird ausschließlich dieser als Talsperre bezeichnet.
Definition
Technisch-fachlich
Die technisch-fachliche Definition ist: Eine Talsperre ist eine bauliche Anlage zum Stauen von fließendem Wasser (Stauanlage), die über den Querschnitt des Wasserlaufs hinaus die ganze Talbreite abschließt. Im Gegensatz dazu schließt ein Wehr nur den Querschnitt eines Wasserlaufs auf dessen Breite ab. Der Stauraum dient als Speicher (DIN-Norm 19700-11).[3]
Darunter fallen nicht nur ursprüngliche Sperren und Wehre in Gebirgstälern. Auch im Gebirgsvorland und Flachland wird Wasser in so genannten Flachlandspeichern gestaut.[4]
Funktionen einer Talsperre
Talsperren dienen folgenden Hauptzwecken:
- Trinkwasserversorgung,
- Energieerzeugung,
- Betriebswasserversorgung (Industrie und Landwirtschaft),
- Hochwasserschutz,
- Niedrigwasseraufhöhung,
- Schiffbarmachung.
Zusätzlich werden viele Stauseen und ihre näheren Umgebungen für Freizeit- und Sportaktivitäten und zur Erholung genutzt. Des Weiteren können Stauseen zur Fischzucht verwendet werden.
Ausbaugrad
Für die Speicherfunktion einer Talsperre ist der Ausbaugrad ein wichtiger Parameter. Es handelt sich hierbei um das Speichervolumen des Stauraumes dividiert durch das Volumen des Jahreszuflusses. Sehr gut ausgestattete Talsperren haben einen Ausbaugrad von 1,0 (100 %) oder mehr. Aber auch Talsperren mit einem Ausbaugrad von 0,3 (30 %) sind noch in der Lage, Hochwässer deutlich zu dämpfen und begrenzt Niedrigwasser aufzuhöhen. Es gibt auch Talsperren mit einem Ausbaugrad von 1 bis 2 %, doch können diese kaum zur Speicherbewirtschaftung genutzt werden.
Klassifizierung der Absperrbauwerke
Man unterscheidet folgende Ausführungen der Absperrbauwerke:
Staudamm
Die Talsperre wird aus Gestein und Erde aufgeschüttet. Die Stabilität des Bauwerks ist durch das Eigengewicht und den flachen Böschungswinkel gegeben. Bei der Abdichtung wird zwischen einer Oberflächendichtung und einer Kerndichtung unterschieden.
Bei der Oberflächendichtung wird der Damm auf der Wasserseite zum Beispiel durch eine Lehm- oder Tonschicht abgedichtet. Es gibt jedoch auch andere Ausführungen dieser Dichtungsart – wie etwa Asphaltschichten. Der Nachteil bei dieser Ausführung ist, dass die Dichtung Witterungseinflüssen und Wellenschlag ausgesetzt ist, und daher eher einem Verschleiß unterliegt.
Bei der Kerndichtung befindet sich ein sogenannter Dichtriegel im Innern des Dammes. Der Nachteil dieser Ausführung ist, dass spätere Nachbesserungen oder Sanierungen erheblich erschwert sind. Darüber hinaus steht als Widerlager gegen die horizontal wirkenden Kräfte (der Wasserdruck ist gegen den Damm gerichtet) nur der Dammschüttkörper hinter der Kerndichtung zur Verfügung, denn der Wasserdruck wirkt auf die Dichtung. Damit kommen Dämme mit Oberflächendichtung mit weniger Dammschüttmaterial aus.
Der Überlauf (Hochwasserentlastungsanlage) wird bei Erddämmen meist gemauert oder betoniert ausgeführt und möglichst auf gewachsenen Boden oder besser sogar auf Fels gegründet.
Diese Sperren werden oft, aber nicht ausschließlich, für kleine Becken an kleinen Flüssen verwendet. Eine weitere Einsatzmöglichkeit sind auch große Talquerschnitte mit schwierigem Baugrund. Wenn aufgrund der Baugrundverhältnisse wie beispielsweise eine geringe Druckfestigkeit des anstehenden Bodens nur geringe Bodenpressungen möglich sind, ist die Dammkonstruktion wegen ihrer großen Aufstandsfläche eine der besten Lösungen für eine Talsperre.
Gewichtsstaumauer
Diese Mauern werden im Kern aus Mauerwerk oder Beton hergestellt. Die Oberfläche wird abgedichtet und die Mauerkrone befestigt. Diese Talsperrenart hält dem Druck der Wassermassen allein auf Grund ihres Gewichtes stand.
Bogenstaumauer oder Gewölbestaumauer
Bei sehr hohen und nicht sehr breiten Tälern werden vorrangig Bogenstaumauern angewendet. Die Mauer ist nicht eben, sondern bildet einen gegen die Wasserseite vertikal und horizontal gespannten Bogen. Der durch das Wasser erzeugte Druck auf die Mauer wird über den Bogen auf die seitlich im Berg gelegenen Fundamente abgeleitet. Bei dieser Mauerform ist die Bindung an den Fels besonders wichtig. Bogenstaumauern werden beispielsweise bei Stauseen in der Schweiz und in Österreich am häufigsten angewendet.
- Beispiele:
Bogengewichtsmauer
Als Mischform zwischen reinen Bogenstaumauern und Gewichtsstaumauern: Ein Teil der Lasten wird über Bogenwirkung abgetragen, der Rest durch die Kragträgerwirkung der Mauer. Die notwendige Aufstandsfläche ist geringer als bei einer Gewichtsstaumauer. Die Vorteile sind gegenüber einer Gewichtsstaumauer eine geringere Masse und gegenüber einer Bogenstaumauer die geringere Belastung der Talflanken und geringere Wirkung des Schwindens des Betons.
- Beispiele:
Pfeilerstaumauer
Eine Pfeilerstaumauer ist im Wesentlichen eine Betonstaumauer mit Pfeilern, die die Kräfte in den Untergrund ableiten, sowie mit materialsparenden Zwischenräumen.
- Beispiele:
Bauteile einer Talsperre
- Viele Talsperren haben eine Vorsperre, die ein Vorbecken aufstaut. Sinn der Vorsperre ist in der Regel, Fremd- und Trübstoffe sowie Sedimente von der Hauptsperre möglichst fernzuhalten. Darüber hinaus minimiert eine Vorsperre mit festem Dauerstau die nicht immer ästhetisch anmutenden trockenfallenden Uferzonen im Stauwurzelbereich.
- Das Überlaufbauwerk beziehungsweise die Hochwasserentlastungsanlage führt große Hochwässer schadlos am Absperrbauwerk vorbei.
- Der Grundablass dient der Regulierung des Wasserspiegels, insbesondere bei Hochwasser, bei Bautätigkeiten und bei einer völligen Entleerung der Talsperre.
- Die Betriebswasserentnahmeleitung entnimmt im regulären Betrieb das Wasser für den Turbinenbetrieb, die Trinkwassergewinnung und/oder die Unterwasserabgabe. Sie kann baulich mit dem Grundablass verbunden sein, wird aber häufig als separate Leitung ausgeführt.
- Die Nachsperre bzw. das Ausgleichsbecken unterhalb der Hauptsperre gleicht unregelmäßige, durch Turbinenbetrieb zur Spitzenstromerzeugung entstandene Unterwasserabgaben aus und gewährleistet eine kontinuierliche Abgabe ins Unterwasser.
- Mindestens ein Zulauf- und ein Unterwasserpegel dokumentiert bei den größeren Talsperren die hydrologische Situation und die korrekte Betriebsweise.
- Mess- und Kontrolleinrichtungen zur Messung und Aufzeichnung des Wasserspiegels, der Verformung des Absperrbauwerkes, des Sickerwassers und des Wetters.
Sicherheit
Talsperren-Katastrophen können enorme Schäden verursachen. Deshalb werden hohe Anforderungen an die Projekte, den Bau und den Betrieb sowie an die Kontrolle großer Stauanlagen gestellt. Mehrere mögliche Bedrohungen können zu einer Gefahrensituation führen:[7]
- Verhaltensanomalie des Bauwerks (z. B. Verschiebung, Verformung) oder seines Untergrunds (z. B. Veränderung der Sickerströmung);
- Hangrutschung oder Massesturz (Bergsturz, Gletscherabbruch) in den Stauraum;
- extremes Hochwasser;
- stärkeres Erdbeben;
- Sabotage oder militärische Einwirkung.
Die drei ersten Bedrohungen werden in der Regel früh erkannt, so dass Maßnahmen ergriffen werden können, bevor die Bevölkerung evakuiert werden muss (bei Hangrutschungen beispielsweise das Anlegen von Drainagen oder das vorsorgliche Absenken des Stausees).
Sicherheitsmaßnahmen
Die in der Regel gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitskonzepte umfassen:
- die konstruktive Sicherheit, die eine entsprechende Planung und Realisierung der Anlagen voraussetzt;
- die Überwachung, welche die Einrichtung einer straffen Überwachungsorganisation voraussetzt;
- das Notfallkonzept, das entsprechende Vorbereitungen für den Gefährdungsfall voraussetzt.
Konstruktive Sicherheit
Die konstruktive Sicherheit wird dadurch gewährleistet, dass die Anlagen so geplant und realisiert werden, dass sie allen vorhersehbaren Last- und Gebrauchsfällen sicher standhalten. Bei der Planung sind alle Einwirkungen, die eine Stauanlage beeinflussen können, zu berücksichtigen. Man unterscheidet zwischen ständigen Einwirkungen, wie dem Eigengewicht, veränderlichen Einwirkungen, wie dem Wasserdruck oder Sedimenten, klimatischen Einwirkungen und schließlich zufälligen Einwirkungen, wie Hochwasser oder Erdbeben.
Um bei Bedarf den Wasserspiegel absenken oder einen See in kürzester Zeit leeren und, wenn nötig, auch leer halten zu können, müssen entsprechende konstruktive Vorkehrungen (Grundablass) getroffen werden. Überdies muss jede Stauanlage auch bei vollem Becken die Hochwasser über eine Hochwasserentlastung sicher abführen oder durch einen entsprechenden Freiraum im Staubecken vollständig zurückhalten können.
Überwachung
Die regelmäßige und genaue Überwachung der Stauanlagen soll es erlauben, jede Beeinträchtigung ihrer Sicherheit rechtzeitig erkennen zu können. Dies erfolgt in der Regel durch visuelle Kontrollen, Direktmessungen und Funktionsproben der beweglichen Abschluss- und der Entleerungsvorrichtungen. Die Überwachung umfasst:
- Hochwasserentlastung: Die Hochwasserentlastung dient dem kontrollierten Ableiten von Hochwässern für den Fall, dass der Speicher bereits voll ist und im Einzugsgebiet des Speichers sehr viel Regen fällt. Durch Öffnungen in der Staumauerkrone, über die eine Brücke führt, kann das Wasser im Hochwasserfall geordnet abfließen.
- Grundablässe: Durch die Grundablässe kann der Speicher bei Gefahr rasch geleert werden.
- Überwachung durch Begehung: Die visuellen Kontrollen erlauben nicht nur, den Zustand der Stauanlage und der zugehörigen Nebenbauwerke (Verwitterung der Materialien, Rissbildung usw.) zu überprüfen, sondern auch denjenigen der sichtbaren Bauteile der Fundamente und der Abstützung der Flanken des Stauraumes. Weltweit werden gegen 70 Prozent der besonderen Ereignisse bei Stauanlagen durch visuelle Kontrollen festgestellt.
- Messtechnische Überwachung
- Mit einem umfangreichen Messsystem wird erfasst, wie die Talsperre auf die Wasserdruckbelastung und andere äußere Einflüsse reagiert.
- Wetterstationen: Wetterstationen liefern Temperatur- und Niederschlagswerte. Sie werden gebraucht, um das Verhalten der Sperre beurteilen zu können. Die Wetterwerte werden aber auch benötigt, um den Speicherinhalt optimal zu nutzen.
- Geodätische Messungen: Mindestens einmal jährlich werden geodätische Messungen durchgeführt. Das sind absolute Lage- und Höhenmessungen.
- Wassermessungen: Das Messen der Sickerwässer ist bei Talsperren besonders wichtig. Vor allem der Untergrund von Sperren ist nie vollständig dicht. Sickerwässer im Untergrund gehören zum normalen Betrieb von Talsperren. Die Sickerwässer lassen Rückschlüsse auf Veränderungen im Sperrenkörper und im Sperrenuntergrund zu. Der Wasserdruck im Fundament von Sperren hat als Sohlenwasserdruck bei Gewichtsmauern besondere Bedeutung. Er wirkt aus dem Gebirgsfundament auf den Sperrenkörper. Durch ausreichendes Ableiten des Sickerwassers wird die Standsicherheit der Sperre gewährleistet. Der Druck auf die Sohle der Sperre wird ständig mit Piezometern oder Manometern gemessen.
- Verformungsmessungen: Das Messen der Verformungen beruht auf dem physikalischen Prinzip, dass sich jedes Bauwerk verformt, wenn es belastet wird. Staumauern werden durch Wasserdruck und Temperaturschwankungen belastet. Die dadurch auftretenden Verformungen bei Talsperren sind jedoch so gering, dass sie mit freiem Auge nicht zu erkennen sind. Mit Hilfe verschiedener Spezialinstrumente werden alle Bewegungen registriert. Eine Maßnahme ist beispielsweise die so genannte Fugenspaltmessung.
- Extensometermessung: Bei der Extensometermessung wird die Längenänderung der Staumauer in verschiedene Richtungen der Staumauer registriert.
- Lotmessung: Mit einem Lot im Innern der Staumauer wird gemessen, ob sich die Dammkrone horizontal verschiebt.
- Inklinometermessung: Das Inklinometer misst mögliche Veränderungen des Neigungswinkels einer Staumauer.
- Mit einem umfangreichen Messsystem wird erfasst, wie die Talsperre auf die Wasserdruckbelastung und andere äußere Einflüsse reagiert.
Notfallkonzept
Zudem ist in vielen Ländern die Erstellung eines Notfallkonzepts vorgeschrieben, damit die Bewohner unterhalb einer Stauanlage informiert und im Bedarfsfall evakuiert werden können. In der Schweiz bestehen für die Nahzone der 62 Stauanlagen von mehr als 2 Millionen m³ Stauraum sirenenbasierte Wasseralarmsysteme. Als Nahzone gilt das Gebiet, das bei plötzlichem totalem Bruch der Anlage innerhalb von zwei Stunden überflutet wird.
Deutschland
Die Überwachung findet in Deutschland in Abstimmung mit der staatlichen Aufsichtsbehörde des jeweiligen Bundeslandes statt. Einmal im Jahr erfolgt eine Talsperrenschau. Die Aufsichtsbehörde besichtigt mit dem Betreiber den Staudamm mit den dazugehörenden Anlagen. Jährlich muss für jede Talsperre ein Sicherheitsbericht erstellt werden. Grundlage für den Bericht ist das vom DVWK (Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau) herausgegebene Merkblatt 231 „Leitfaden Sicherheitsbericht Talsperren“. In größeren Abständen (ca. alle 10 Jahre) müssen die Talsperren einer vertieften Überprüfung unterzogen werden.
Für jede Talsperre existiert ein „Talsperrenbuch“ mit folgenden Bestandteilen:
- Angaben und Entscheidungen aus der Planungs- und Bauzeit
- Zusammenstellung der Antrags- und Genehmigungsunterlagen
- Beschreibung der Gesamtanlage
- Beschreibung der Einzelbauwerke
- Betrieb und Unterhaltung
- Zeichnerische Darstellung
Österreich
In Österreich ist für die Beurteilung der Sicherheit sowohl von neu zu errichtenden Talsperren, als auch für die weitere Genehmigung einer bestehenden Anlage, die Staubeckenkommission[8][9][10] zuständig. Die Überwachung der Sicherheit einer Talsperre obliegt der Eigentümerin, allerdings werden auch von staatlichen Organen unabhängige Sicherheitsüberprüfungen durchgeführt.
Ökologische Risiken
Talsperrenbauten sind mit erheblichen ökologischen Veränderungen und Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft verbunden. Das natürliche Fließgewässerregime wird in der Regel erheblich verändert.
Die Risiken wachsen mit der Größe der Talsperre. Mehrere Nationen und internationale Banken sind zu dem Schluss gekommen, dass die Langzeitfolgen von Großstaudämmen nicht vorhersehbar sind. Wo sie vorhersehbar waren, wurden Studien teilweise nicht veröffentlicht. Belegt ist dies in Deutschland durch die Nichtveröffentlichung von Gutachten für eine Hermes-Bürgschaft für den Ilisu-Staudamm.
Bei stark Geschiebe führenden Flüssen im Zulauf besteht die Gefahr der Versandung. Der Gezhouba-Staudamm hat durch diesen Effekt bereits nach sieben Jahren ein Drittel seiner Staukapazität eingebüßt.
Die USA haben erklärt, keine Großstaudämme mehr zu realisieren, da die ökologischen Schäden zu groß seien. Schon heute investiere man Milliarden Dollar, um die Auswirkungen der bestehenden Dammbauten zu lindern. China dagegen verwirklichte den Drei-Schluchten-Damm trotz der Warnungen vieler Wissenschaftler und Politiker vor den Folgen des Staudammbaus. Dort wurden die Hauptgegner – von Umsiedlung betroffene Bevölkerung, Umweltschützer, Politiker und das Militär – mit verschiedenen Mitteln politisch ruhiggestellt. Die Berichterstattung über die bereits eingetretenen Folgen wie Hangabgänge und Wasserverschmutzung wurde behindert.
In Hochgebirgen besteht insbesondere bei Speicherkraftwerken, die nicht durchgehend betrieben werden, die Gefahr einer sogenannten Schwallwasserbildung: Bei abgeschaltetem Kraftwerk ist das Unterwasser fast trocken, bei laufendem Betrieb sind im Fluss hochwasserähnliche Zustände. Neben den ökologischen Auswirkungen eines derartigen Betriebes ist es hier auch denkbar, dass Menschen durch den plötzlich einsetzenden Wasserschwall erheblich gefährdet werden.
Neben der Gefahr eines Dammbruchs wird in einigen Gebieten auch die Gefahr der Auslösung von Erdbeben („reservoir induced seismicity“) vermutet.[11]
Talsperren, die einem Speicherbetrieb unterliegen, haben jahreszeitlich bedingt wechselnde Wasserstände. Die trockenfallenden Uferflächen weisen oft nur eine geringe oder gar keine Vegetation auf, bestehen dann aus Geröll oder Schlamm und werden von manchen Kritikern „Mondlandschaften“ genannt. In einigen Talsperren haben sich aber extrem seltene Pflanzen auf genau diesen Flächen ausgebreitet und benötigen für ihren Fortbestand weiterhin wechselnde Wasserstände. Hierzu gehören zum Beispiel Strandling, Hirschsprung und Knorpelmiere.[12]
Anzahl der Talsperren
Die ICOLD – Internationale Kommission für große Talsperren zählt 58.402 große Talsperren, davon 23.842 in China, 9.265 in den USA und 5.102 in Indien sowie unter anderem 307 in Deutschland.[13]
Geschichte
Weltweit
Die älteste noch teilweise erhaltene Talsperre der Erde ist das Sadd-el-Kafara im Wadi el Garawi bei Kairo, Ägypten (verschiedenen Angaben zufolge zwischen 2950 und 2500 v. Chr. erbaut).
Ein Vorläufer heutiger Talsperren war das kupferzeitliche Trinkwasserreservoir von Jawa im heutigen Jordanien mit einem Erd- und Steindamm, das auf das 4. Jahrtausend vor Christus datiert wird und das zur Bewässerung und zur Wasserversorgung gebaut wurde.
Weitere bedeutende große Talsperrenbauten des Altertums sind Nimrods Staudamm in Mesopotamien, der um 2000 v. Chr. südlich von Samarra gebaut wurde, um den Tigris umzuleiten, der Staudamm von Ma'rib um 750 v. Chr. im Jemen, der 31 m hohe Staudamm Anfengtang von 591 v. Chr. in China, der 34 m Damm Paskanda Ulpotha auf Sri Lanka von 460 v Chr., der 30 m hohe Steinkastendamm von Gukow in China von 240 v. Chr., und die römische Staumauer von Subiaco die etwa 60 n. Chr. gebaut wurde und mit 40 bis 50 m bis 1305 die höchste der Welt war.
Die Römer errichteten Talsperren vor allem in den trockenen Randbereichen ihres Imperiums. Ihre Ingenieure führten zahlreich innovative Konzepte in den Talsperrenbau ein, darunter die ersten Bogengewichtsmauern, Bogenstaumauern, Pfeilerstaumauern und Vielfachbogenmauern (siehe Römische Talsperre).
Deutschland
Die ältesten Talsperren Deutschlands sind:
- Mittlerer Pfauenteich (1298)
- Gräfingründer Teich (vor 1310)
- Greifenbachstauweiher (1396)
- Großer Galgenteich (1465)
- Filzteich (1485)
- Oberer Großhartmannsdorfer Teich (1593)
- Oberer Kiliansteich (1610)
- Teufelsteich (1696)
- Birnbaumteich (1699)
- Wilhelmsthaler See (1712)
- Oderteich (1722)
Älteste Trinkwassertalsperre Deutschlands ist die Eschbachtalsperre in Remscheid (1891). Ihrem Bau folgten in rascher Folge weitere Talsperren (siehe Liste von Talsperren in Deutschland[14]): bis Ende 1914 wurden etwa 37 Talsperren fertiggestellt.
Österreich
In Österreich sind Talsperren zumeist als Wasserkraftwerke ausgeführt und werden von Energieversorgungsunternehmen betrieben, da die (Trink-)Wasserversorgung nie ein Problem darstellte. Kleinere Sperrbauwerke wurden im ausgehenden Mittelalter im Rahmen des Holztriftes errichtet, wobei später mit der Chorinsky-Klause oder der Prescenyklause beachtliche Dimensionen erreicht wurden. Die Seeklause in Steeg aus dem 16. Jahrhundert diente der Regulierung des Wasserstandes des Hallstätter Sees. In Wien wurde die Wasserversorgung bereits im 16. Jahrhundert durch Wasserleitungen sichergestellt (siehe: Wiener Wasserversorgung). Das Wasser der zwischen 1895 und 1898 errichtete Talsperre des Wienerwaldsees wurde zu Beginn als Nutzwasser an die Stadt Wien verkauft. Nach entsprechenden Umbauten wurde dem See später zwar auch Trinkwasser entnommen, heute dient der Stausee als Rückhaltebecken und der Naherholung. Die ersten Talsperren für Wasserkraftwerke wurden knapp nach dem Ersten Weltkrieg in Erlaufboden, Enzigerboden und am Spullersee errichtet, alle für den Bahnstrom.
Schweiz
Im 19. Jahrhundert, mit dem Beginn der Industrialisierung, wurde in der Schweiz mit dem Bau zahlreicher Stauanlagen für die Stromerzeugung begonnen. Am Anfang wurden größere Laufkraftwerke an den Flüssen des Mittellandes gebaut, später folgten Speicherwerke im Alpenraum. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden bemerkenswerte Anlagen: die Stauanlage von Montsalvens, die erste Bogenstaumauer Europas, oder die Stauanlage Schräh, die weltweit erste Anlage mit einer Höhe über 100 m. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte der Bau von Stauanlagen einen großen Aufschwung. Am meisten wurde in den Jahren 1950 bis 1970 gebaut. In dieser Periode wurden Talsperren mit Höhen von über 200 m realisiert (Grande Dixence, Mauvoisin, Contra, Luzzone). Heute, am Anfang des 21. Jahrhunderts, ist die Periode des intensiven Baus von Stauanlagen praktisch abgeschlossen. Neu gebaut werden vor allem noch Anlagen für den Hochwasserschutz oder für die Erzeugung von künstlichem Schnee sowie Geschiebesammler.
Die Sicherheit der großen und der mittleren Stauanlagen (rund 190 Anlagen) wird vom Bund überwacht. Davon dienen 86 Prozent der Produktion elektrischer Energie, die übrigen vor allem der Wasserversorgung (Trinkwasser, Bewässerung) oder dem Rückhalt von Hochwasser, Geschiebe oder Lawinen. Darüber hinaus gibt es mehrere Hundert kleinere Anlagen. Davon dient ein großer Teil keinem besonderen Zweck mehr (z. B. weil die Stromproduktion eingestellt wurde).[15]
Siehe auch
- Liste der Speicherseen in der Schweiz
- Liste von Talsperren in Deutschland
- Liste der Stauseen in Österreich
- Liste von Talsperren der Welt
- Liste der größten Stauseen der Erde
- Liste der größten Talsperren der Erde
- Liste von durch Stauseen überfluteten Orten in der Schweiz
- Liste der Staudämme und Stauseen in Namibia
Literatur
- Peter Rißler: Talsperrenpraxis. 1. Auflage. R. Oldenbourg, München und Wien 1998, ISBN 3-486-26428-1.
- H. Bretschneider, K. Lecher, M. Schmidt: Taschenbuch der Wasserwirtschaft. 6. Auflage. Paul Parey, Hamburg/ Berlin 1982, ISBN 3-490-19016-5.
- Paul Ziegler: Der Thalsperrenbau nebst einer Beschreibung ausgeführter Thalsperren. Seydel, Berlin 1900 (digitalis.uni-koeln.de).
- Mathias Döring: Stauanlagen. In: Taschenbuch der Wasserwirtschaft. 9. Auflage. Springer Fachmedien, Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-528-12580-6.
- Benjamin Brendel: Staudämme. In: Vernetzt, Wege und Räume der Infrastruktur (= Moderne Regional. Band 17, Nr. 1). 2017 (moderne-regional.de).
Weblinks
- Structurae: Staudämme, Talsperren und andere Stützbauwerke
- Typen von Talsperren (Memento vom 4. April 2008 im Internet Archive)
- Bauweise von Stauwerken
- e-lernen Stausee und Stromproduktion
- Volker Bettzieche: 100 Jahre technische Entwicklung des Talsperrenbaus in Deutschland. (PDF; 543 kB). In: Wasserwirtschaft. Heft 1/2, 2010.
- Westfälische Talsperren im Bildarchiv des LWL-Medienzentrums für Westfalen
- Talsperren in Westfalen – beliebte Erholungsorte und wichtige Wasserreservoire (Beitrag auf WESTFALEN REGIONAL)
Einzelnachweise
- Peter Rißler: Talsperrenpraxis. R. Oldenbourg Verlag, München 1999, S. 3, Bild 1.1.
- DIN 4048, Teil 1 Wasserbau, Begriffe. Beuth-Verlag, Berlin 1987, Nr. 1.2.
- Hans-Ulrich Sieber: Was bringt die neue DIN 19700 für die Sicherheitsbewertung von Stauanlagen. (Memento vom 17. Dezember 2015 im Internet Archive) Vortrag auf dem Deutschen Talsperrenkomitee, 2004 (PDF).
- Zum Beispiel baute man 1965 den Flachlandspeicher „Talsperre Spremberg“. Er dient nicht nur dem Hochwasserschutz der Stadt Cottbus und der Wasserversorgung naheliegender Braunkohlekraftwerke, sondern auch der Regulierung des Wasserstandes im ökologisch sensiblen Spreewald. Quelle: Komplizierte Sanierung – Umbau der Talsperre in Spremberg bei laufendem Betrieb. In: Märkische Oderzeitung. 23. Dezember 2009, S. 9.
- Sächsisches Wassergesetz (SächsWG) § 84
- Niedersächsisches Wassergesetz (NWG) § 86
- Der Text dieses Abschnitts entstammt weitgehend der Botschaft des Schweizerischen Bundesrates zu einem Bundesgesetz über die Stauanlagen, Bundesblatt 2006 6037 (PDF; 569 kB), S. 6040 ff.
- Staubeckenkommissions-Verordnung 1985 (Rechtsinformationssystem des Bundes), abgerufen am 24. September 2018.
- Staubeckenkommission auf der Website des Österreichischen Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus, abgerufen am 24. September 2018.
- 12 Thesen zur Sicherheit der großen Talsperren in Österreich (Österr. Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus), PDF, abgerufen am 24. September 2018.
- P. Talwani: On the Nature of Reservoir-induced Seismicity. In: Pure Appl. Geophys. 150, 1997, S. 473–492.
- Justus Teicke, Kathrin Baumann: Talsperrenbetrieb für den Naturschutz. In: WasserWirtschaft. 04/2010. (www.talsperrenkomitee.de (Memento des Originals vom 13. März 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , PDF; 227 kB).
- Number of Dams by Country Members auf der Website der ICOLD, abgerufen am 17. Juli 2016.
- in der Spalte „Bauzeit“ auf das Dreieck klicken – dann werden die Talsperren chronologisch sortiert.
- Der vorstehende Text entstammt der Botschaft des Schweizerischen Bundesrates zu einem Bundesgesetz über die Stauanlagen, Bundesblatt 6037 von 2006 (PDF; 569 kB), S. 6041 (gemeinfreier Text).