Reichsabtei Stablo-Malmedy
Die Reichsabtei Stablo-Malmedy, auch Fürstabtei Stablo-Malmedy genannt, war ein geistliches Territorium im Heiligen Römischen Reich auf dem Gebiet des heutigen Belgien. Die Anfänge lagen im Jahr 648. Das Benediktinerkloster war nach einer Zeit des Niedergangs im Sinne von Gorze und Cluny eine wichtige Reformabtei des hohen Mittelalters, verlor im Spätmittelalter an Bedeutung und erlebte in der frühen Neuzeit mit der Orientierung an der Bursfelder Kongregation einen neuen Aufschwung. Insbesondere im 17. und 18. Jahrhundert wurde die Doppel-Abtei von Laienäbten geleitet. Die Geschichte der Reichsabtei endete 1792–1796. Die Reichsabtei bestand im Wesentlichen aus den in Personalunion verbundenen Klöstern Stablo und Malmedy.
Territorium im Heiligen Römischen Reich | |
---|---|
Reichsabtei Stablo-Malmedy | |
Wappen | |
Karte | |
Stift Stablo-Malmedy im 16. Jahrhundert | |
Alternativnamen | Stavelot-Malmedy |
Herrschaftsform | Wahlfürstentum |
Herrscher/ Regierung | Fürstabt |
Heutige Region/en | BE-WLG |
Reichstag | Reichsfürstenrat: 1 Virilstimme auf der geistlichen Bank |
Reichsmatrikel | 2 Reiter 22 Fußsoldaten 120 Gulden (1522) |
Reichskreis | Niederrheinisch-Westfälisch |
Hauptstädte/ Residenzen | Kloster Stablo, Kloster Malmedy |
Konfession/ Religionen | römisch-katholisch, jüdische Minderheit |
Fläche | 520 km²[1] oder 727 km²[2] |
Einwohner | 23.000 (Ende 18. Jhd.)[3] |
Aufgegangen in | 1794: Frankreich: Département Ourthe 1815: Westteil zu Vereinigten Niederlanden, Ostteil zu Preußen |
Lage und Besitzungen
Das Territorium des Doppelklosters lag auf dem rechten Ufer der Maas in den Ardennen. Es bestand am Ende aus den beiden Klöstern und ihrem jeweiligen Umland als Fürstentum Stablo sowie der Grafschaft Logne sowie die Gebiete Xhignesse und Hamoir. Wichtige Orte neben den Klosterstandorten und Städten Stablo und Malmedy waren Wellin und Leignon. Weitere Besitzungen der Abtei lagen im Haspengau, an der Maas, dem Rhein und der Mosel.
Im Norden und Westen grenzte das eigentliche Territorium an das Hochstift/Fürstentum Lüttich und an das Herzogtum Limburg. Im Süden und Osten lag das Herzogtum Luxemburg.
Das Gebiet wurde von den Flüssen Ourthe, Amel und Lesse durchflossen. Eine alte Römerstraße von Lothringen nach Köln und eine weitere von Arlon nach Namur durchquerten das Gebiet.
Die Bevölkerung sprach zum Teil Französisch und zum Teil die wallonische Sprache, den regionalen Dialekt.
Geschichte
Früh- und Hochmittelalter
Der Hausmeier Grimoald gründete um 648 die Benediktinerklöster Stablo und Malmedy. Mit Grundbesitz ausgestattet wurden sie von König Sigibert III. Dabei unterstand Stablo dem Bistum Lüttich. Malmedy gehörte zur Diözese Köln. Der anfängliche Besitz war mit einem Durchmesser von 12 Meilen recht umfangreich, wurde aber einige Zeit später auf etwa die Hälfte verkleinert.
Erster Abt und eigentlicher Gründer war Remaclus. Die ersten Mönchen lebten wohl nach der Regel des Heiligen Columban. Erst später gingen sie zur Benediktinerregel über. Einer der bedeutenden Nachfolger war Bischof Agilolf von Köln. In späterer Zeit wurde der Abtstuhl häufig durch weltliche Laien insbesondere durch Herzöge von Lothringen besetzt. Um 870 wirkte in Stablo der Theologe Christian von Stablo. Die Normannen haben die Abtei geplündert und den Konvent 881 zeitweise vertrieben. Odilo, er regierte zwischen 937 und 954, begann mit der baulichen und geistlichen Erneuerung. Er begann mit der Einführung der Grundsätze der Gorzer Reform. Unter Abt Poppo (1020–1048) fand die Cluniazensische Reform Eingang in der Fürstabtei. Von Stablo-Malmedy hat er die Reform in weiteren Klöstern Lothringens verbreitet. Er diente als enger Berater und Diplomat Heinrich II., Konrad II. und Heinrich III. und wurde von den Kaisern bei seinen Reformbemühungen unterstützt. In seine Zeit fällt der endgültige Wiederaufbau des Klosters und der Bau der Klosterkirche von Stablo.
Erzbischof Anno von Köln hat zeitweise die Besitzungen des Klosters Malmedy beansprucht, ohne sich damit durchsetzen zu können. Abt Wibald (1130–1138) war nicht nur ein bedeutender Gelehrter und Stifter, sondern hat unter Lothar III., Konrad III. und Friedrich I. eine wichtige reichspolitische Rolle gespielt. Er erwirkte von Lothar III. eine Urkunde mit einer goldenen Bulle, die die Zugehörigkeit zum Reich auf immer festschrieb.
Spätmittelalter
Die Äbte des Spätmittelalters waren in geistlicher und politischer Hinsicht wenig bedeutend. Heinrich von Geldern, der zugleich Bischof von Lüttich war, wurde etwa wegen seines unwürdigen Lebensstils von Papst Gregor X. abgesetzt. Neben Mönchen wurden auch Mitglieder mächtiger Familien oder weltliche Geistliche Äbte. Viele von ihnen waren militärisch in Fehden aktiv und waren sittenlos. Spätestens seit 1376 begannen sich die Äbte als Fürsten zu bezeichnen. Eine nennenswerte Rolle im Reich spielten sie indes nicht mehr. Großen Einfluss hatten auch die Vögte in dieser Zeit. Wichtige Besitzungen wie die Burg von Logne wurden etwa an die Herren von Arenberg verpfändet, die großen Einfluss auf das Land nahmen. Nach einer Phase des Niedergangs kam es ab 1438 zu erneuten Reformbemühungen, die aber nicht nachhaltig waren.
Frühe Neuzeit
Nach dem Tod des schwachen Abtes Caspar Poncin (1460–1499) wählte der Konvent Wilhelm von Manderscheid zum Abt (1499–1546), weil die Mönche hofften, mit Hilfe von dessen einflussreicher Familie die Position von Stablo und Malmedy etwa gegenüber den Arenbergern zu stärken. Unter Wilhelm, der auch Abt der Abtei Prüm war, setzte ein neuer Aufschwung ein. Unter seinem Abbatiat wurde das innere Klosterleben nach den Grundsätzen der Bursfelder Kongregation geregelt. Der offizielle Beitritt zur Kongregation erfolgte allerdings erst 1654. Allerdings begann mit Wilhelm auch die Ära von Laienäbten (Kommendataräbte), die bis ins 18. Jahrhundert anhielt. Ihm gelang es auch mit Unterstützung von Karl V., die Herrschaft über Logne zurückzugewinnen. Weil die Burg nur noch eine Ruine war, ließ er ein neues Schloss bauen. Dieses diente auch als Residenz des Fürstabtes. Auch waren dort das Archiv und die Kasse untergebracht. An der Abteikirche von Stablo wurde der Westturm erbaut. In Malmedy ließ er das 1482 zerstörte Abteiviertel und die 1521 durch Brand beschädigte Klosterkirche neu erbauen. Wilhelms Neffe, Christoph von Manderscheid-Kail (1547–1576) setzte als Koadjutor und Nachfolger den Aufbau fort und widersetzte sich dem Eindringen des Protestantismus.
Durch die Unabhängigkeitsbestrebungen in den Niederlanden wurde die Reichsabtei in ihrem Bestand gefährdet. Es kam zu Plünderungen durch auswärtige Truppen. In der Folge kamen die Äbte aus dem Haus Wittelsbach. Dazu zählten etwa 1580 Ernst von Bayern (1581–1612), Ferdinand von Bayern (1612–1650), Wilhelm II. von Bayern (1650–1658) und Maximilian Heinrich von Bayern (1657 bzw. 1658–1660). Bis auf Wilhelm waren sie zugleich Kurfürsten von Köln. Auch unter ihrer Herrschaft kam es immer wieder zu Übergriffen von fremden Soldaten auf das Territorium der Abtei.
Im 18. Jahrhundert wurde in Malmedy eine neue Klosterkirche gebaut, diese diente in den 1920er Jahren als Kathedrale der kurze Zeit bestehenden Bistums Eupen-Malmedy. Der letzte Abt Célestin Thys floh 1792 vor den französischen Revolutionstruppen. Das Territorium der gesamten Fürstabtei wurde 1795 besetzt und an Frankreich angegliedert. Ein Jahr später wurden beide Klöster aufgehoben. Auf dem Wiener Kongress fielen die zur Diözese Köln gehörenden Gebiete mit Malmedy an Preußen. Stablo kam an das Königreich der Niederlande und fiel 1830 an Belgien. Nach dem Ersten Weltkrieg gehörte auch Malmedy zu Belgien.[4]
Verfassung
Es handelte sich bei Stablo und Malmedy um eine Doppelabtei bestehend aus zwei Benediktinerklöstern. Während Stablo in kirchlicher Hinsicht dem Bistum Lüttich unterstand, gehörte Malmedy zum Erzbistum Köln. Aber dennoch bildeten beide reichsrechtlich ein einheitliches Territorium.
Die Reichsabtei hatte in der frühen Neuzeit Sitz und Stimme im Reichsfürstenrat. Später gehörte das Territorium zum niederrheinisch-westfälischen Reichskreis.
An der Spitze stand der Abt beziehungsweise Fürstabt. Dieser wurde von den Mönchen in einer Vollversammlung beider Klöster gewählt. Jedem Kloster stand ein Prior vor. Bei Vakanz bildeten die beiden Kapitel die höchste Macht. Zur Zeit der Kommendataräbte verfügten diese über das fürstliche Einkommen, während die geistliche Macht bei den Prioren lag.
Zwischen beiden Klöstern gab es immer wieder Streit um die Vorherrschaft. Ein erster Konflikt wurde etwa 980 durch das Konzil von Ingelheim beigelegt. Dieses verpflichtete die Mönche sich einem Oberhaupt unterzuordnen. Im Jahr 1095 spaltete sich Malmedy zeitweise ab. Durch das angebliche Eingreifen des heiligen Remaclus (Triumphus Sancti Remacli) legte Heinrich IV. die Vorherrschaft von Stablo fest. Aber dennoch kam es zu weiteren Konflikten zwischen beiden Konventen. Wilhelm Egon von Fürstenberg (1692–1694) versuchte als Verwalter vergeblich einen engeren Zusammenschluss zwischen beiden Häusern zu stiften.
Abt Heinrich von Merode (1439–1460) verstärkte den zentralen Status von Abt und Klöstern als er die überkommenen Privilegien und Rechte erneuern ließ. Die gesamte weltliche Macht lag beim Abt. Allerdings hatte dieser Wahlkapitulationen zu beachten, die von den beiden Kapitel vor der jeweiligen Regierungsübernahme verfasst wurden. Außerdem existierten auch Landstände. In diesen waren die beiden Prioren, die Vorsteher der Lehnsherrschaften, die Schöffen der Lehnsgerichte von Stablo und Malmedy, den Bürgermeister der Städte sowie den Vertretern der Gemeinden zusammen. Diese hatten das Recht über Steuern und Abgaben zu beschließen.
Wichtigster weltliche Amtsträger war als Befehlshaber des militärischen Aufgebots der sogenannte Podestat. In der Grafschaft Logne entsprach ihm der Burggraf.
Ernst von Bayern schuf 1559 den Conseil provincial als fürstliches Beratungsgremium und oberstes Gericht. Präsident war stets der Prior von Stablo und sein Stellvertreter der von Malmedy. Darunter bildeten die beiden Lehnsgerichte als Berufungsinstanzen für die lokalen Gerichte die nächste Ebene des Gerichtswesens. Gegen die Beschlüsse des Conseil provincial konnte zunächst beim Gericht in Aachen und nach 1645 beim Großen Rat von Mecheln beziehungsweise Luxemburg sowie beim Reichskammergericht in Wetzlar und beim Reichshofrat in Wien Berufung eingelegt werden.
Der Fürst erhielt seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts einen Anteil von etwa 20 % des Gesamteinkommens der Abtei. Hinzu kamen weitere Anteile an den Einkünften der Abtei. Diese waren bereits seit dem 9. Jahrhundert vom Einkommen der Konvente getrennt.
Sofern der Fürst im Land residierte, lebte er zunächst meist in dem Kloster von Stablo, er hatte auch Räume in Malmedy. In der frühen Neuzeit residierten die Fürstäbte zeitweise auf dem Schloss Fort de Logne im Westen ihres Machtbereichs[5]; Wilhelm von Manderscheid ließ 1525 bis 1535 eine neue, relativ luxuriöse Residenz auf einem Hügel in der Mitte zwischen den beiden Klöstern errichten[6].
Die meisten Einwohner lebten von der Landwirtschaft. Wirtschaftlich war diese aber wenig ergiebig. Es entwickelten sich daher verschiedene Gewerbezweige. Darunter spielten zeitweise die Pulvermühlen und zahlreichen Gerbereien eine wichtige Rolle. Auch die Herstellung von Stoffen und Spitzen spielte eine Rolle. Seit dem Mittelalter hatte die Abtei das Recht der Münzprägung.
Literatur
- Heribert Surges: Geschichte der Abtei Malmedy-Stavelot. A. Schneider, Malmedy 1912.
- Alfred Bruns: Reichsabtei Stablo-Malmedy. In: Gerhard Taddey (Hrsg.): Lexikon der deutschen Geschichte. Personen, Ereignisse, Institutionen. Von der Zeitwende bis zum Ausgang des 2. Weltkrieges. 2., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 1983, ISBN 3-520-80002-0, S. 1185.
- Eberhard Linck: Sozialer Wandel in klösterlichen Grundherrschaften des 11. bis 13. Jahrhunderts. Studien zu den familiae von Gembloux, Stablo-Malmedy und St. Trond (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte. Bd. 57). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1979, ISBN 3-525-35368-5 (zugl. Diss. Freiburg i. Br. 1976).
- Phillippe George: Les reliques de Stavelot-Malmedy. Nouveaux documents. Art & Histoire, Malmedy 1989.
- Thomas Vogtherr: Der König und der Heilige. Heinrich IV., der Heilige Remaklus und die Mönche des Doppelklosters Stablo-Malmedy (= Schriften des Historischen Kollegs – Vorträge. 25). Oldenbourg, München 1990 (Digitalisat).
- Gerhard Köbler: Fürstabtei Stablo-Malmedy. In: Gerhard Köbler: Historisches Lexikon der deutschen Länder. Die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart. 4. vollständig überarbeitete Auflage. Beck, München 1992, ISBN 3-406-35865-9, S. 597.
Einzelnachweise
- Gerhard Köbler: Historisches Lexikon der deutschen Länder. Die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart. 7. vollständig überarbeitete Auflage. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-54986-1, S. 678.
- Reichsabtei Stablo-Malmedy auf rheinische-geschichte.lvr.de (Memento des Originals vom 15. Oktober 2011 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Reichsabtei Stablo-Malmedy auf rheinische-geschichte.lvr.de (Memento des Originals vom 15. Oktober 2011 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Eupen und Malmedy nach 1918 (Memento vom 8. Juli 2012 im Webarchiv archive.today)
- „Festung von Logne“, heute Domaine de Palogne, ca. 40 km westlich von Stavelot, im Ourthe-Tal; von diesem Schloss sind keine Baureste erhalten. Sie war schon 1427 aus Geldmangel verpfändet worden
- davon ist nichts an Bauresten erhalten