Anno II.
Anno II. von Köln (auch Hanno von Köln, Hanno II. etc.; * um 1010 in Altsteußlingen bei Ehingen; † 4. Dezember 1075 in Köln) war Erzbischof von Köln von 1056 bis 1075, Erzkanzler für Italien und Kanzler der römischen Kirche sowie in der Zeit von 1062 bis 1065 Regent des römisch-deutschen Reiches. Er ist ein Heiliger der katholischen Kirche.
Leben und Wirken
Anno entstammte dem schwäbischen Adelsgeschlecht der Edelfreien von Steusslingen. Aus diesem stammten auch der Erzbischof Werner von Magdeburg, Annos Bruder, und der Bischof Burchard II. von Halberstadt, sein Neffe.
Nach kurzer Ritterausbildung schlug Anno auf Empfehlung eines Verwandten, der Kanoniker in Bamberg war, die kirchliche Laufbahn ein. So besuchte er die Domschule am Bamberger Dom und die Domschule in Paderborn. Er kehrte als Scholastiker nach Bamberg zurück und unterrichtete dann selbst an der Domschule. Da der Dom St. Georg als einen der Patrozinien hat, ist spätestens dort seine lebenslange Verehrung dieses Heiligen anzunehmen. Heinrich III. berief ihn nach 1046 als Kaplan an den kaiserlichen Hof und erhob ihn um 1054 zum Dompropst von Goslar und 1056 zum Erzbischof von Köln als Nachfolger des Erzbischofs Hermann.
Er wurde als eine Persönlichkeit beschrieben, die asketisch lebte, ehrwürdigen Auftretens und ehrgeizigen, bisweilen skrupellosen Charakters sein konnte. Als Erzbischof von Köln war Anno Reformbestrebungen gegenüber offen, aber stets und zuvorderst darauf bedacht, die Besitztümer der Kölner Diözese zu mehren.
In Köln scheiterte dann zwar sein Bestreben, das lukrativ erscheinende Kloster Malmedy an die Diözese zu ziehen (da die Gründungsstatuten des Klosters die Einheit mit dem Mutterkloster Stablo verlangten). Nach der Rückgabe des als Geschenk vom Kaiser empfangenen Klosters 1071 gelang es dem Erzbischof aber, die Angriffe der Pfalzgrafen vom Niederrhein abzuwehren und so seine Stellung am Hofe zu stärken. Mit dem Kloster Siegburg, das nach dem Vorbild des italienischen Reformklosters Fruttuaria reformiert wurde, vermochte er aber auch die eher kaisertreu und papstfeindlich ausgerichtete rheinische Reformbewegung zu stützen. Vorangetrieben von Anno und seinen Nachfolgern, verbreitete sich die Siegburger Reform über das Erzbistum Köln und weitere Gebiete.
Nach dem Tod Kaiser Heinrichs III. 1056 übernahm Kaiserin Agnes die Regentschaft für den sechsjährigen Heinrich IV. Zuerst noch mit Papst Viktor II. als väterlichem Berater an ihrer Seite, geriet sie bald in Konflikt mit einigen Fürsten des Reichs. Der Groll gegen Agnes machte sich sowohl an der Vergabe von Lehen als auch und vor allem an der Wahl Bischofs Heinrich von Augsburg zum neuen Berater fest. Agnes geriet nun zunehmend in die Kritik der deutschen Fürsten, zu deren Anführer sich Anno aufschwang. Im Schutz dieser Gruppe, zu der etwa auch Erzbischof Siegfried I. von Mainz, Graf Ekbert von Meißen, Herzog Otto von Northeim zählten, plante Anno den sogenannten Staatsstreich von Kaiserswerth, mit dem er den jungen Heinrich IV. im April 1062 in seine Hand brachte.
Dazu ließ er ein Schiff prachtvoll ausstatten und lockte den unerfahrenen Heinrich, der sich mit seiner Mutter auf einer Reise nach Nimwegen befand, auf der Höhe der heute zu Düsseldorf gehörenden Kaiserpfalz Kaiserswerth zu einer Besichtigung. Das mit gedungenen Ruderern besetzte Boot legte mit Betreten Heinrichs sofort ab. Der junge Heinrich versuchte zwar noch, sich in den Rhein zu flüchten, wurde aber vom Grafen Ekbert von Meißen wieder an Bord gebracht.
Trotz anfänglichen Widerstrebens der aufgebrachten Kölner Bevölkerung gelang es Anno, nachdem er auch die Reichskleinodien der Kaiserin an sich gebracht hatte, sich von 1062 bis 1065 zum Regenten des Deutschen Reiches zu machen. Obwohl ihm Erzbischof Adalbert von Bremen zur Seite gestellt war, ließ sich Annos Machtposition nun kaum noch beschränken. So leitete Anno als Reichserzkanzler für das Königreich Italien die Synode von Mantua, die 1064 Alexander II. als Papst bestätigte und damit einen Streit beendete, der seit 1061 schwelte: Schon 1061 hatte das Kardinalskollegium Anselm von Lucca zu Papst Alexander II. gewählt, damit aber ein erst 1059 verabschiedetes Dekret zur Mitwirkung des Kaisers verletzt. Eine von Kaiserin Agnes nach Basel berufene Versammlung geistlicher und weltlicher Würdenträger wählte daraufhin am 28. Oktober 1061 Cadalus von Parma als (Gegen-)Papst Honorius II. Nachdem dann die einander bekämpfenden Päpste von Herzog Gottfried von Lothringen in ihre Bistümer verwiesen worden waren, um eine kaiserliche Entscheidung abzuwarten, konnte Anno auf der deutsch-italienischen Synode in Augsburg im Oktober 1062 durchsetzen, dass sein Neffe Burchard von Halberstadt mit der Fahrt nach Rom beauftragt wurde, den Fall zu begutachten. Dies Gutachten fiel zugunsten Alexanders II. aus, was dazu führte, dass er dann in Mantua endgültig anerkannt wurde.
Mit diesen Handlungsvollmachten dürfte sich Anno auf dem Zenit seiner Machtentfaltung befunden haben. Schon 1063 zwangen ihm andere Fürsten den Erzbischof Adalbert von Bremen als Miterzieher des minderjährigen Kaisers auf. Ab 1068 fanden sich dann die ersten Dissonanzen zwischen dem Kölner und dem Papst. Annos Einfluss am Hof muss jedoch noch mindestens bis 1072 angenommen werden. Er trat dann noch einmal als Vermittler im sächsischen Aufstand auf, mittlerweile jedoch wahrscheinlich ohne politische Ambitionen.
1066 setzte er seinen Neffen Kuno I. von Pfullingen als Erzbischof von Trier ein. Als Anno für seinen Freund Friedrich I., den Bischof von Münster, im Jahr 1074 eine Heimfahrtgelegenheit organisieren wollte und zu dem Zweck im Kölner Hafen ein Schiff eines Kaufmanns beschlagnahmen ließ, widersetzte sich der Kaufmann dieser Maßnahme. Schnell war die ganze Stadt aufgebracht, und man wollte gegen den ungeliebten Machthaber vorgehen.
Anno zog sich mit seinen Getreuen zurück und verschanzte sich im Dom. Die Menge tobte, ein sich versteckender Kleriker wurde vom Pöbel getötet, weil man ihn für Anno hielt. Unterdessen gelang es Anno zusammen mit einigen Begleitern durch eine sogenannte „Katzenpforte“ (im Volksmund heute „Annoloch“ genannt) in der Kölner Stadtmauer unentdeckt aus der Stadt zu fliehen und sich so vor der mordlustigen Bevölkerung in Sicherheit zu bringen.
In den folgenden Tagen scharte Anno bewaffnete Gefolgsleute um sich und kehrte vier Tage später nach Köln zurück, um die Stadt zu belagern. Angesichts der Waffenkraft der Belagerer ergaben sich die Aufständischen jedoch rasch, öffneten die Stadttore und ließen den Erzbischof ein. Anno forderte die Aufständischen auf, zu ihren Taten zu stehen und Buße zu tun, um Vergebung zu erlangen. Er verurteilte auch die Rädelsführer des Aufstandes und verhängte teilweise drakonische Strafen (zum Beispiel Blendung). Etwa 600 Kaufleute verließen die Stadt. Nach einem Bericht von Lampert von Hersfeld war die Stadt fast völlig verödet und schauriges Schweigen herrschte auf den leeren Straßen. Über diejenigen, welche sich der Buße entzogen und flohen, sprach er den Kirchenbann aus. In der Folge kam es teilweise zu Selbstjustiz durch Annos Truppen, welche renitente Aufständische verfolgten.
Der Ursprung des Aufstandes lag wohl in einem wachsenden Selbstbewusstsein der Stadtbevölkerung sowie in der generellen Unzufriedenheit mit dem strengen Erzbischof. Diese Unzufriedenheit hatte verschiedene Ursachen: Zum Beispiel hohe Steuern, Annos rücksichtslose Reichspolitik (Entführung des Kaisers, Streit um das Kloster Malmedy usw.). Zu Ostern 1075 hob Anno im Angesicht seines Todes den Bannspruch auf und vergab den Sündern.
Tod und Verehrung
Anno starb am 4. Dezember 1075 in Köln, wo ihm zu Ehren eine pompöse Totenfeier ungesehenen Ausmaßes abgehalten wurde. Bei der Hineinlegung des Leichnams in den sogenannten Annoschrein wurde der gesamte Körper mit einem byzantinischen Seidentuch, Siegburger Löwenstoff genannt, umhüllt und sein Kopf mit einem weiteren orientalischen Stoff bedeckt. Nach sieben Tagen wurde der Annoschrein in das Kloster Siegburg überführt und dort begraben. Nachfolger von Anno II. wurde 1076 Hildolf. Zwischen 1077 und 1081 verfasste vermutlich ein Siegburger Mönch das sogenannte Annolied zu Ehren des Erzbischofs. Am 29. April 1183 wurde Anno von Papst Lucius III. heiliggesprochen. Anno, der fortan als Patron gegen die Gicht wirken soll, hat seinen Gedenktag am 4. Dezember, speziell in Deutschland aber am 5. Dezember. 1391 übergab das Kloster Siegburg einige Reliquien des heiligen Anno an das Kloster Grafschaft im Sauerland, eine seiner Stiftungen.
Wirkungsgeschichte
Neuerdings erfreut sich die Figur des Kölner Erzbischofs einiger Beliebtheit innerhalb des Genres der historischen Romane. Jörg Kastners Romane Anno 1074. Der Aufstand gegen den Kölner Erzbischof (1998) und Anno 1076. Die Schatten von Köln (2002) thematisieren den Aufstand der Kölner Bürger gegen den mächtigen Erzbischof, dem Kastner eine Lepraerkrankung andichtet. Auch in Eva Steins’ Kriminalgeschichte Der Ring des Anno (2004), einem Lokalkrimi für Kinder, taucht die Gestalt des Klerikers als Nebenfigur auf.
1979 veröffentlichten die Bläck Fööss mit Feschers Köbes[1] ein Lied[2] über den Bürgeraufstand gegen Anno. Im Rahmen der Neukonzeption des Skulpturenprogramms des Kölner Rathausturms in den 1980er Jahren wurde Anno II. durch eine Figur von Werner Franzen im vierten Obergeschoss auf der Südseite des Turms verewigt.[3] In der romanischen Kirche St. Clemens (Drolshagen) wurde Anno anlässlich der Renovierung 2016 auf einem Fresko in der rechten Seitenapsis von Clemens Hillebrand in Seccomalerei dargestellt. Dieses zeigt ihn bei der Grundsteinlegung der genannten Kirche; im Hintergrund sind symbolisch die zahlreichen anderen Kirchengründungen des Bischofs erkennbar.
Quellen
- Lampert von Hersfeld: Annalen. Neu übersetzt von Adolf Schmidt. Erläutert von Wolfgang Dietrich Fritz. 4., gegenüber der 3. um einen Nachtrag erweiterte Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2000, ISBN 3-534-00176-1.
- Friedrich Wilhelm Oediger: Die Regesten der Erzbischöfe von Köln, 313–1099. Band 1, Bonn 1961.
- Mauritius Mittler (Hrsg.): Libellus de translatione sancti Annonis archiepiscopi et Miracula sancti Annonis (= Siegburger Studien. Band 3–5). 3 Bände. Siegburg 1966–1968.
Literatur
- Friedrich Wilhelm Bautz: Anno II. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 1, Bautz, Hamm 1975. 2., unveränderte Auflage Hamm 1990, ISBN 3-88309-013-1, Sp. 179–180.
- Heinz Bühler: Adel, Klöster und Burgherren im alten Herzogtum Schwaben. Gesammelte Aufsätze. Hrsg. von Walter Ziegler. Konrad, Weissenhorn 1996, ISBN 3-87437-390-8, Kapitel Geschichte der Grafen von Achalm und ihrer Verwandten, Annos Herkunft. S. 809–815.
- Friedrich Wilhelm Oediger: Anno II., von Steusslingen. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 1, Duncker & Humblot, Berlin 1953, ISBN 3-428-00182-6, S. 304–306 (Digitalisat).
- Joachim Oepen: Anno II. von Köln als Reichsbischof. In: Wolfgang Hasberg, Hermann-Josef Scheidgen (Hrsg.): Canossa. Aspekte einer Wende. Pustet, Regensburg 2012, ISBN 978-3-7917-2411-9, 57–71.
- Georg Jenal: Erzbischof Anno II. von Köln (1056–75) und sein politisches Wirken. Ein Beitrag zur Geschichte der Reichs- und Territorialpolitik im 11. Jahrhundert (= Monographien zur Geschichte des Mittelalters. Band 8). 2 Bände. Stuttgart 1974–1975, ISBN 3-7772-7422-4.
- Theodor Lindner: Anno II. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 1, Duncker & Humblot, Leipzig 1875, S. 472–475.
- Theodor Lindner: Anno II. - Der heilige Erzbischof von Köln, 1056–1075. Duncker & Humblot, Leipzig 1869.
- Dieter Lück: Annos Standesverhältnisse, verwandtschaftliche Beziehungen und Werdegang bis zur Bischofsweihe (= Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein. Band 172). 1970, OCLC 831035289.
- Dieter Lück: Die Kölner Erzbischöfe Hermann II. und Anno II. als Erzkanzler der römischen Kirche. In: Archiv für Diplomatik. Band 16, 1970.
- Dieter Lück: Anno II. von Köln (ca. 1010–1075). In: Bernhard Poll (Hrsg. im Auftrag der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde): Rheinische Lebensbilder. Band 7. Rheinland Verlag, Köln 1977, ISBN 3-7927-0282-7, S. 7–24.
Weblinks
- Literatur von und über Anno II. im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Anno II archiepiscopus Coloniensis im Repertorium „Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters“
Anmerkungen
- De Bläck Fööss: „Uns Johreszigge,“ EMI Elektrola, Köln 1979. Text: Hans Knipp nach Leonhard Ennen: „Geschichte der Stadt Köln“ und B. Gravelott: „De Feschers em hellige Kölle“, Albert-Vogt-Verlag, St. Goar/Köln 1977
- Köbes zum hören
- stadt-koeln.de: Skulpturen des vierten Obergeschosses, abgerufen am 15. Januar 2015
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
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Hermann II. | Erzbischof von Köln 1056–1075 | Hildolf |