Projekt 877
Das Projekt 877 Paltus (russisch Палтус ‚Heilbutt‘), von der NATO mit dem Codenamen Kilo- oder Kilo-I-Klasse bezeichnet, ist ein ursprünglich sowjetischer Typ Jagd-U-Boot aus den 1980er-Jahren. Boote der Kilo-Klasse befinden sich bis heute bei der Russischen Seekriegsflotte im Einsatz. Zudem entwickelte sich die Paltus-Klasse mit 37 an sieben verschiedene ausländische Marinen verkauften U-Booten zu einem Exporterfolg.
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Geschichte
Nach den Projekten 641 und 641B Som, die jeweils Weiterentwicklungen des Vorgängertyps waren, stellte die Paltus-Klasse eine komplette Neuentwicklung dar. Diese letzte Entwicklung konventionellen sowjetischen U-Boot-Baus wurde in den 1970er-Jahren vom Konstruktionsbüro Rubin entwickelt und ab 1980 auf verschiedenen Werften gebaut. Das bereits Ende 1980 fertiggestellte Typboot wurde 1982 in Dienst gestellt; je nach Quelle wurde das zweite Boot der Klasse jedoch bereits im Jahr 1981 in Dienst gestellt.
Insgesamt wurden 24 Boote für die Marine gebaut, wovon heute je nach Quelle noch 16 oder 17 Boote in Dienst stehen. Diese verteilen sich auf die Pazifik-, die Nord- und die Schwarzmeerflotte sowie die Baltische Flotte. Ein Teil der Boote wurden dabei in den leicht verbesserten Versionen 887K mit einer verbesserten Feuerleitanlage und 877M mit der Möglichkeit zum Einsatz drahtgelenkter Torpedos gefertigt.
Technik
Die Kilo-Klasse ist eine konventionell angetriebene U-Boot-Klasse mit einem vielfältigen Fähigkeitenspektrum. Hierzu zählen insbesondere die Bekämpfung von U-Booten und Überwasserschiffen, das Legen von Minen sowie Patrouillen- und Überwachungsaufgaben.
Als erstes konventionell getriebenes Serienboot aus sowjetischer Produktion hat die Kilo-Klasse einen tropfenförmigen Rumpf. Dieses Design erhöht die Unterwassergeschwindigkeit und senkt den Geräuschpegel. Der Antrieb erfolgt im Gegensatz zu den Vorgängerklassen mit nur noch einer anstelle von drei dieselelektrisch angetriebenen Schrauben, was die Effizienz und die Geräuschentwicklung verbessert. Angetrieben wird diese einzige Welle von einem 5500 PS starken Elektromotor. Dieser wiederum wird bei Unterwasserfahrt von den Batterien, bei Schnorchel- oder Überwasserfahrt von zwei Dieselmotoren mit angeschlossenen Generatoren gespeist. Der Rumpf ist als Zweihüllenrumpf ausgelegt. Dabei ist der innere Rumpf, der wiederum in sechs wasserdichte Abteilungen unterteilt ist, der Druckrumpf, während sich zwischen den beiden Rümpfen die Wassertanks zur Regulierung des Auftriebs befinden. Wie bereits beim Projekt 641B ist die gesamte Haut mit einer Gummischicht überzogen, welche die Ortbarkeit durch Sonar reduzieren soll. Am Heck befindet sich ein T-förmiges Leitwerk. Konkret gibt es lediglich ein nach unten gerichtetes Seitenruder sowie auf beiden Seiten ein Höhenruder. Zwei weitere, ausfahrbare Höhenruder befinden sich vor dem Turm.
Ein einzelnes Boot, B-871 Alrosa, ist anstelle des konventionellen Propellerantriebs mit einem Düsenringpropeller ausgerüstet.[1]
Die Bewaffnung besteht bei allen Booten der Kilo-Klasse aus sechs Torpedorohren vom Standardkaliber 533 mm, welche in zwei Reihen von je drei Rohren übereinander im Bug angeordnet sind. Mit Hilfe einer automatischen Schnellladevorrichtung kann binnen fünf Minuten nachgeladen werden. Zusätzlich zu den sechs vorgeladenen Torpedos können zwölf weitere Torpedos mitgeführt werden, was insgesamt 18 Waffen ergibt. Alternativ können bis zu 24 Seeminen an Bord genommen werden, die ebenfalls durch die Torpedorohre ausgestoßen werden. Die Boote der Projekte 877M und 877EKM sind zudem in der Lage, durch zwei der Rohre drahtgelenkte Torpedos einzusetzen, was die Präzision der Waffen erhöht. Die nachgerüsteten indischen Boote des Projekts 877EKM sind zudem befähigt, Kalibr-Seezielflugkörper einzusetzen. Von diesen ebenfalls durch die Torpedorohre ausgestoßenen Waffen werden üblicherweise vier Stück in Ergänzung zu 14 Torpedos mitgeführt.
Exporte
Ab 1985 wurden erste Boote an Exportkunden ausgeliefert. Dazu zählten die Lieferungen von je einem Boot an die Warschauer-Pakt-Staaten Polen und Rumänien. Während ORP Orzeł bis heute bei der polnischen Marine zur See fährt, ist die Delfinul der rumänischen Marine seit 1995 inaktiv. In den Jahren 1986 bis 1991 wurden entsprechend einem im Jahre 1980 geschlossenen Vertrag acht Boote an die indische Marine geliefert, wo sie als Sindhughosh-Klasse in Dienst gestellt wurden. Zwei weitere Boote wurden 1986 und 1987 an Algerien geliefert.[3] Anfang der 1990er Jahre konnten zudem der Iran und die Volksrepublik China als Kunden gewonnen werden, welche drei respektive zwei Boote abnahmen. In den Jahren 1997 und 2000 erhielt die indische Marine noch je ein weiteres Boot.
Die meisten dieser Exportboote entsprechen dem Projekt 877EKM, wobei das E für Export und KM für die bereits bei der russischen Marine auf späteren Booten eingeführten Verbesserungen steht. Nicht ganz klar ist die Einordnung der Orzeł und der Delfinul, die je nach Quelle entweder dem Projekt 877E noch ohne die Verbesserungen oder bereits dem Projekt 877EKM entsprechen. Bei den beiden letzten indischen Booten, vor allem aber beim zweiten wurden Verbesserungen eingeführt, welche über das ursprüngliche Projekt 877EKM hinausgehen. Trotzdem werden sie meist noch nicht zum Projekt 636 gezählt. Die älteren acht Boote wurden ab 1997 auf russischen Werften auf diesen Stand aufgerüstet. Dabei wurde insbesondere das verbesserte Sonar des Projekts 636 (MGK-400EM statt MGK-400), der Klub-S-Raketenkomplex (NATO Codename: SS-N-27 „Sizzler“) und ein neuer in Deutschland entwickelter, aber in Indien gebauter Batterietyp eingerüstet.[4]
Zwischenfälle
Am 14. August 2013 ereigneten sich auf dem in der Werft in Mumbai liegenden Boot Sindhurakshak mehrere Explosionen, die einen Großbrand auslösten. Das Boot sank während der Löscharbeiten im flachen Wasser.[5] 18 im Boot eingeschlossene Besatzungsangehörige kamen ums Leben.[6]
Vergleichbare Typen
Die Paltus-Klasse zählte bei der Indienststellung in den 1980er-Jahren zu den leisesten und größten konventionellen U-Booten der Welt. Vergleichbare westliche Muster waren die amerikanische Barbel-Klasse und die davon abgeleitete niederländische Zwaardvis-Klasse (für Taiwan auch als Hai-Lung-Klasse gebaut), die japanische Uzushio- und Yūshio-Klasse, sowie der für Argentinien gebaute deutsche Entwurf TR 1700. Deutlich kleiner waren die Boote vom Typ A 90B Agosta sowie die größte Variante der Klasse 209, der Typ 209/1500. Eher vergleichbar dürften die rund ein Jahrzehnt später entwickelten Boote der Upholder- und der Collins-Klasse sein. Auf den Exportmärkten konnte die Paltus-Klasse dieser Konkurrenz gegenüber einen erheblichen Anteil erobern, was vor allem auf das günstige Preis-Leistungs-Verhältnis und die im Vergleich zu westlichen Staaten sehr lockeren Exportbeschränkungen zurückzuführen sein dürfte. Aus rein technologischer Sicht dürfte die Paltus-Klasse den neuesten westlichen Entwicklungen mit außenluftunabhängigem Antrieb – und entsprechendem Preis – wie der Scorpène-Klasse, der U-Boot-Klasse 212 A oder U-Boot-Klasse 214 nicht gewachsen sein, weshalb in Russland am komplett neuentwickelten Projekt 677 Lada/Amur gearbeitet wurde, das aber nach erheblichen Schwierigkeiten mit dem ersten Boot nicht in Serie, sondern nach einem verbesserten Modell gebaut werden soll.
Siehe auch
Weblinks
- Kilo-Klasse auf GlobalSecurity.org (englisch)
- Sindhughosh-Klasse auf Bharat Rakshak
- Kilo-Klasse auf naval-technology.com
- Kilo-Klasse auf sinodefence.com
Einzelnachweise
- alrosa.net. Abgerufen am 13. Dezember 2014 (englisch).
- Algeria Buys Two Subs from Russia. 19. September 2012, abgerufen am 14. August 2013 (englisch).
- defenseindustrydaily.com
- U-Boot-Tragödie in Indien. Russische Hersteller vermuten Gasexplosion. RIA Novosti, 15. August 2013, abgerufen am 15. August 2013.
- Navy’s probe into submarine INS Sindhurakshak tragedy nowhere near completion. timesofindia.com, 19. September 2013, abgerufen am 7. Januar 2014 (englisch).