Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz
Das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG) ist ein deutsches Gesetz, das außerhalb des Anwendungsbereichs des Betäubungs- und des Arzneimittelgesetzes den Umgang mit neuen psychoaktiven Stoffen (NPS) reguliert. Es enthält neben Begriffsbestimmungen ein umfassendes Umgangsverbot, das nur in Ausnahmen zu Gunsten der Wissenschaft oder von Behörden durchbrochen wird. Bestimmte Umgangsformen sind zudem strafrechtlich sanktioniert. Das NpSG wurde als Artikel 1 des Gesetzes zur Bekämpfung der Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe verkündet.
Basisdaten | |
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Titel: | Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz |
Abkürzung: | NpSG |
Art: | Bundesgesetz |
Geltungsbereich: | Bundesrepublik Deutschland |
Rechtsmaterie: | Besonderes Verwaltungsrecht, Nebenstrafrecht |
Fundstellennachweis: | 2121-6-28 |
Erlassen am: | 21. November 2016 |
Inkrafttreten am: | 26. November 2016, BGBl. I S. 2615 |
Letzte Änderung durch: | Art. 8 G vom 27. September 2021 (BGBl. I S. 4530, 4588) |
Inkrafttreten der letzten Änderung: |
28. Januar 2022 (Art. 10 G vom 27. September 2021) |
GESTA: | M058 |
Weblink: | Text des Gesetzes |
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten. |
In Österreich und in der Schweiz gibt es ähnliche Gesetze. Siehe dazu im Artikel Neue psychoaktive Substanzen.
Regelungsbedarf
Mit dem Auftreten und der Verbreitung immer neuer chemischer Varianten bekannter Betäubungsmittel und psychoaktiver Stoffe, die nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs[1] nicht unter den Arzneimittelbegriff und das Arzneimittelgesetz fallen, war aus Sicht des Gesetzgebers eine Regelungs- und Strafbarkeitslücke für NPS entstanden, deren Einzelstoffe auch nicht in die Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) aufgenommen worden waren.[2] Dem NpSG unterfallen, anders als dem BtMG, daher ganze Stoffgruppen:[3] zunächst nur die Gruppe der 2-Phenethylamine und der synthetischen Cannabinoide, seit der Gesetzesänderung im Juli 2019 auch weitere Gruppen.
Regelungsumfang
Das Gesetz regelt den Umgang mit den sogenannten neuen psychoaktiven Stoffen, wobei es sich gemäß § 2 Nr. 1 NpSG um Stoffe und Zubereitungen aus den in der Anlage genannten Stoffen und Stoffgruppen handelt.
Verbot des unerlaubten Umgangs
Im Herzen der gesetzlichen Regelung liegt ein umfassendes Verbot des Umgangs mit den NPS. Dies betrifft folgende Umgangsformen: Handel, Inverkehrbringen, Herstellen, Verbringung in, aus oder durch den Geltungsbereich des Gesetzes, Erwerb, Besitz und das Verabreichen einem anderen, § 3 Abs. 1 NpSG. Davon Ausgenommen ist die nach dem jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik anerkannte Verwendung zu gewerblichen, industriellen oder wissenschaftlichen Zwecken, sowie die Verwendung durch eine Behörde.
Strafrechtliche Konsequenzen
Gemäß § 4 Abs. 1 NpSG wird der Handel, das Inverkehrbringen, die Verabreichung sowie – zum Zweck des Inverkehrbringens – die Herstellung und das Verbringen eines neuen psychoaktiven Stoffes in den Geltungsbereich des Gesetzes im Grundtatbestand mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die Qualifikationen gemäß § 4 Abs. 3 NpSG, die auch die Abgabe von NPS an minderjährige einschließen, sehen eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren vor. Damit handelt es sich um ein Verbrechen. Neben der vorsätzlichen Tatbegehung sind auch der Versuch und die fahrlässige Begehung strafbar.
Der gewerbs- oder bandenmäßige Handel mit NPS rechtfertigt als schwere Straftat die Telekommunikationsüberwachung auch ohne Wissen des Betroffenen (§ 100a Abs. 2 Nr. 9a StPO) sowie die Untersuchungshaft bei Wiederholungsgefahr (§ 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO).[4]
Handhabung von Besitz und Erwerb
Der bloße Besitz von NPS wird nach § 4 NpSG zwar nicht strafrechtlich verfolgt,[5] ist jedoch nach § 3 NpSG verboten und unterliegt daher, unabhängig von einem Strafverfahren, der verwaltungsrechtlichen Sicherstellung und Vernichtung nach den §§ 47 bis 50 des Bundespolizeigesetzes und den Vorschriften der Polizeigesetze der Länder.
Dasselbe gilt grundsätzlich auch für den Erwerb. Hier ist jedoch zu beachten, dass durch den Akt des Erwerbs möglicherweise der Tatentschluss zum Inverkehrbringen beim Veräußerer hervorgerufen wird, sodass von einer strafbaren Anstiftung ausgegangen werden könnte. Diese Argumentation ergibt sich aus der Gesetzesbegründung des Bundestages.[6] Dem wird entgegen gehalten, dass in diesem Fall der Erwerber kein eigenes Unrecht verübe, wie auch dem Gesetz zu entnehmen sei, da es Erwerb und Besitz explizit aus dem Strafkatalog des § 4 NpSG ausgenommen habe.[7] Mangels höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Rechtslage ungeklärt.
Im Gesetz geregelte Stoffgruppen
Das Gesetz umfasst Vertreter der im Folgenden aufgeführten Stoffgruppen, wobei die Stoffgruppendefinitionen auch die möglichen geladenen Formen und Salze eines Stoffes beinhalten. Die Stoffgruppen sind in einer Anlage zum Gesetz enthalten.
Alle Stoffgruppen bzw. Untergruppen sind definiert durch Kernstrukturen und die Positionen für Bindungsorte sowie die möglichen Strukturen für mit R1, R2, R3, ... und X gekennzeichnete Substituenten.
Von 2-Phenethylamin abgeleitete Verbindungen
In der Gruppe der 2-Phenethylamine werden ca. 2.000 Stoffe beschrieben, die eine pharmakologische Wirkung aufweisen und bei denen nach bisherigen Erkenntnissen von einem Missbrauch zu Rauschzwecken ausgegangen werden kann.[8] Es handelt sich um Amphetamine und Cathinone, aber auch andere Ethylamine, welche sich von folgender Struktur ableiten lassen, wobei es sich bei A um ein Ringsystem handelt:
R1 und R2 können Wasserstoff, Alkyl-, Cycloalkyl-, Benzyl-, Alkenyl-, Alkylcarbonyl-, Hydroxy- und Aminogruppen (Organische Gruppen bis einschließlich sechs Kohlenstoffatome) sein. Der Stickstoff kann ferner Bestandteil eines cyclischen Systems, beispielsweise Pyrrolidinyl-, Piperidinyl-, sein. Eingeschlossen sind auch Ringsysteme unter Einbeziehung von Teilen des Strukturelements B. Ausgenommen sind Verbindungen, bei denen das Stickstoffatom direkt in ein cyclisches System integriert ist, das an das Ringsystem A anelliert ist. Die Substituenten R1 und R2 können weiterhin mit beliebigen, chemisch möglichen Kombinationen der Elemente Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Schwefel, Fluor, Chlor, Brom oder Iod substituiert sein. Die auf diese Weise entstehenden Substituenten dürfen dabei eine durchgehende Kettenlänge, ohne Mitzählung von Wasserstoffatomen, von maximal zehn Atomen aufweisen. Atome von Ringstrukturen werden dabei nicht in die Zählung einbezogen.
R3, R4, R5 und R6 können Wasserstoff, Fluor, Chlor, Brom, Iod, Alkyl-, Cycloalkyl-, Benzyl-, Phenyl-, Alkenyl-, Alkinyl-, Hydroxy-, Alkoxy-, Alkylsulfanyl-, Alkyloxycarbonylgruppen (Organische Gruppen bis einschließlich zehn Kohlenstoffatome), einschließlich Verbindungen bei denen Substitutionen mit dem Ringsystem A verbunden sind. Die aufgeführten Gruppen können weiterhin mit beliebigen, chemisch möglichen Kombinationen der Elemente Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Schwefel, Fluor, Chlor, Brom oder Iod substituiert sein. Die auf diese Weise entstehenden Substituenten dürfen dabei eine durchgehende Kettenlänge, ohne Mitzählung von Wasserstoffatomen, von maximal zehn Atomen aufweisen. Atome von Ringstrukturen werden dabei nicht in die Zählung einbezogen.
Eingeschlossen sind ferner Verbindungen wie Cathinone, bei denen der β-Kohlenstoff eine Ketogruppe aufweist.
Mögliche Ringsysteme A können hierbei folgende Gruppen, einschließlich ihrer substituierten Derivate sein:
Fünfringe | Sechsringe | Bicyclen | Tricyclen | ||||||
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Cyclopentyl |
Cyclohexyl |
Indanyl |
Tetralinyl | ||||||
Phenyl |
Indenyl |
Naphthyl | |||||||
Furanyl |
Dihydrobenzofuranyl |
Methylendioxyphenyl |
Ethylendioxyphenyl |
2,3,5,6-Tetrahydrobenzodifuranyl |
2,3,6,7-Tetrahydrobenzodifuranyl |
3,4,6,7-Tetrahydrobenzodipyranyl |
3,4,8,9-Tetrahydrobenzodipyranyl | ||
Benzofuranyl |
Benzo[1,2-b;5,4-b′]difuranyl |
Benzo[1,2-b:4,5-b′]difuranyl | |||||||
Pyrrolyl |
Pyridyl | ||||||||
Thienyl |
Diese Ringsysteme können an jeder Position mit Wasserstoff, Fluor, Chlor, Brom, Iod, Alkyl-, Alkenyl-, Alkinyl-, Alkoxy-, Carboxy-, Alkylsulfanyl- und Nitrogruppen substituiert sein, wobei organische Substituenten sechs Kohlenstoffatome nicht überschreiten. Die Gruppen können zudem mit beliebigen, chemisch möglichen Kombinationen der Elemente Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Schwefel, Fluor, Chlor, Brom oder Iod substituiert sein. Die auf diese Weise entstehenden Substituenten dürfen dabei eine durchgehende Kettenlänge, ohne Mitzählung von Wasserstoffatomen, von maximal acht Atomen aufweisen. Atome von Ringstrukturen werden dabei nicht in die Zählung einbezogen.
Cannabimimetika/synthetische Cannabinoide
Die Stoffgruppe der Cannabinoidmimetika/synthetischen Cannabinoide umfasst
Benzodiazepine
Die Gruppe der Benzodiazepine umfasst 1,4- und 1,5-Benzodiazepine und ihre Triazolo- und Imidazolo-Derivate sowie einige speziell substituierte Untergruppen, die sich von Loprazolam, Ketazolam, Oxazolam und Chlordiazepoxid ableiten. Die maximale Molekülmasse beträgt jeweils 600 g·mol−1. Sie entfalten durch ihre Bindung an GABA-Rezeptoren psychotrope Wirkungen. Nicht aufgenommen sind 2,3-Benzodiazepine, da bei ihnen ein anderer Wirkungsmechanismus vorliegt und nicht mit einem ausgeprägten Suchtpotenzial zu rechnen ist.
Von N-(2-Aminocyclohexyl)amid abgeleitete Verbindungen
Die Gruppe enthält Abkömmlinge von N-(2-Aminocyclohexyl)amid mit einer bestimmten, in der Anlage zum NpSG definierten Grundstruktur und einer maximalen Molekülmasse von 500 g·mol−1. Diese wirken als volle Agonisten vor allem an Opioidrezeptoren vom Typ μ. Die Wirkungen und Nebenwirkungen sind mit denen von Morphin vergleichbar. Sie werden missbräuchlich als „Ersatz“ oder „Ergänzung“ für die klassischen Opiate Morphin und Heroin verwendet.
Von Tryptamin abgeleitete Verbindungen
Diese Stoffgruppe ist weiter untergliedert in:
- Indol-3-alkylamine (Derivate des 2-(Indol-3-yl)-ethylamins)
- Δ9,10-Ergolene (z. B. LSD-Abkömmlinge).
Sie wirken primär psychedelisch beziehungsweise halluzinogen. In den Anmerkungen zum Gesetzesentwurf heißt es zum Hintergrund, dass Stoffe dieser Gruppe nicht nur zu einer Selbst-, sondern auch zur Fremdgefährdung führen können, wenn im Rauschverlauf aufgrund halluzinogener Zustände nicht kontrollierbare Handlungen auftreten.[9]
Kritik
Ob das NpSG dem geltenden Recht, vor allem dem BtMG und dem Grundstoffüberwachungsgesetz (GÜG) sowohl regelungstechnisch als auch im Hinblick auf die Drogenprävention überlegen ist, wird bezweifelt.[10][11] Das NpS-Gesetz bereitet auch nach Worten der Münchner Oberstaatsanwältin Susanne Wosylus „in der praktischen Anwendung große Schwierigkeiten“, da § 4 Abs. 1 NpSG nur den Handel, das Inverkehrbringen und das Verabreichen, aber nicht den Besitz, Erwerb oder Konsum von neuen psychoaktiven Substanzen unter Strafe stellt.[12][5]
Das Bundesgesundheitsministerium hatte im Januar 2017 eine Evaluation zu den Auswirkungen des NpSG ausgeschrieben.[13][14] Der Evaluationsbericht, der vom Institut für Therapieforschung (IFT) 2019 angefertigt und im Oktober 2020 dem Gesundheitsausschuss des Bundestags vorgelegt wurde, ergab, dass das Gesetz vermutlich keinen wesentlichen Einfluss auf die Konsumprävalenz von NpS gehabt habe. Das Verbot der Substanzen habe den Konsum nicht verhindert, sondern zu einer Verlagerung der Bezugswege auf das Internet und den Schwarzmarkt geführt, so der Bericht.[15][16][17]
Weblinks
- Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung: Verbessertes Vorgehen gegen Legal Highs, 28. Juni 2019
- Gesundheitsexperten begrüßen geplantes Verbot von Neuen psychoaktiven Substanzen Ärzteblatt, 7. Juli 2016
- Handel mit psychoaktiven Stoffen bislang nicht gestoppt Ärzteblatt, 26. April 2017
- Neue psychoaktive Stoffe Gesetz (Volltext), abgerufen am 29. August 2021.
Einzelnachweise
- EuGH, Urteil vom 10. Juli 2014 - C‑358/13 und C‑181/14 -.
- BR-Drucksache 231/16 vom 6. Mai 2016.
- Jörn Patzak: Endlich Schluss mit den „Legal Highs“!? – Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG) ist gestern in Kraft getreten 27. November 2016.
- Matthias Wallenfels: Kräutermischungen: Neues Gesetz schärft Waffen gegen Legal Highs Ärztezeitung, 28. November 2016.
- Uwe Hellmann: Wirtschaftsstrafrecht. Kohlhammer Verlag, 30. Oktober 2018, ISBN 978-3-17-031444-3, S. 250.
- BR-Drucksache 231/16. S. 18, abgerufen am 18. Mai 2021.
- Jörg Patzak: Das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG). In: NStZ 2017. C.H. Beck, S. 263.
- BR-Drucksache 231/16 vom 6. Mai 2016, S. 22.
- Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit - Verordnung zur Änderung der Anlage des Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes und von Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes, vom 14. März 2019 (PDF).
- Stellungnahme der Bundesärztekammer zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe (Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz - NpSG) 7. Dezember 2015.
- Jan Fährmann, Tibor Harrach, Heiko Kohl, Sonja C. Ott, Marcel Schega, Rüdiger Schmolke, Bernd Werse: Wie mit NpS zukünftig umgehen? Kritik an dem Referentenentwurf zum Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG) 3. Alternativer Drogen- und Suchtbericht 2016, S. 18–29.
- Thomas Schmidt: Staatsanwälte warnen vor tödlichen Folgen von "Legal Highs". In: sueddeutsche.de. 5. Oktober 2017, abgerufen am 5. Oktober 2017.
- Evaluation zu den Auswirkungen des Gesetzes zur Bekämpfung der Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe (NpSG) (Memento vom 11. Februar 2017 im Internet Archive) bund.de – Verwaltung Online, abgerufen am 11. Februar 2017.
- Öffentliche Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) zum Thema „Evaluation zu den Auswirkungen des Gesetzes zur Bekämpfung der Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe (NpSG)“ 17. Januar 2017.
- Evaluation der Auswirkungen des Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes (NpSG). (PDF) In: deutsche-apotheker-zeitung.de. Ludwig Kraus (Leitung), 29. August 2019, S. 405, abgerufen am 24. Oktober 2020.
- I. Habich: „Legal Highs“-Verbot ohne Nutzen, DAZ.online, 21. Oktober 2020.
- aerzteblatt.de: Grüne erklären Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz für gescheitert, 16. Oktober 2020.