Besitz
Besitz (lateinisch possessio) bezeichnet in der juristischen Fachsprache die tatsächliche Herrschaft über eine Sache. „Besitz“ bedeutet also, dass jemand tatsächlich über eine Sache verfügt, sie in seiner Gewalt hat. Dies gilt unabhängig davon, ob die Sache sein Eigentum ist oder nicht, also beispielsweise auch dann, wenn die Sache gemietet oder unrechtmäßig angeeignet ist.
In der juristischen Fachsprache bedeutet der Begriff Besitz oft zusätzlich den Willen, „diese Sache für sich zu behalten“ (Eigenbesitzwillen, lat. animus rem sibi habendi), also die „gewollte Sachherrschaft“.
Allgemeinsprachlich werden Besitz und Eigentum inhaltlich häufig unzutreffend synonym verwendet.
Direkt verwandte Themen sind Privateigentum und Eigentumstheorien.
Merkmale
Der Besitzer muss einerseits ein Näheverhältnis zu einer Sache haben, diese also in seiner Macht oder in seinem Gewahrsam haben, d. h. „tatsächliche Gewalt über die Sache“ (corpus) haben.[1] Andererseits muss der Besitzer auch einen Besitzwillen haben, das heißt den Willen, die Sache als die seinige zu behalten (animus possidendi, animus rem sibi habendi).
Auf einen Rechtsgrund kommt es hierbei nicht an. Auch der Dieb einer Sache ist nach dieser Definition ihr Besitzer. Der Besitz ist kein subjektives Recht.
Unterschied zum Eigentum
Während der Besitz das tatsächliche Herrschaftsverhältnis einer Person zu einer Sache bezeichnet, bezeichnet das Eigentum das rechtliche Herrschaftsverhältnis einer Person zu einer Sache. Der Eigentümer ist kraft seines Eigentums berechtigt, über die Sache frei zu verfügen und andere von jeder Einwirkung auf diese auszuschließen, soweit nicht Gesetze oder Rechte anderer Personen dem entgegenstehen. So kann der Eigentümer (der rechtliche Sachherrscher) vom Besitzer (dem tatsächlichen Sachherrscher) die Herausgabe der Sache und damit die Einräumung der tatsächlichen Sachherrschaft verlangen und gerichtlich durchsetzen, soweit der Besitzer kein Recht zum Besitz geltend machen kann.
Im Gegensatz zum Besitz braucht die abstrakte Herrschaftsgewalt des Eigentums keinen direkten Bezug zwischen Person und Sache. So kann eine in Europa lebende Person Eigentum an einem Mietshaus in Japan haben, ohne unmittelbaren Besitz an diesem zu haben. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einem Besitzmittlungsverhältnis. Der Mieter in Japan wäre unmittelbarer Besitzer; der Eigentümer in Europa nur mittelbarer Besitzer.
Andere Bedeutungen
Laien verwechseln oft die Begriffe Besitz und Eigentum oder halten sie von vornherein für gleichbedeutend. Folgerichtig verzeichnet beispielsweise der Duden – kein juristisches Fachwörterbuch, sondern ein Wörterbuch des allgemeinen Sprachgebrauchs – unter den Synonymen des Stichworts Besitz auch Eigentum. Entsprechend wird beim Stichwort Eigentum unter anderem Besitz als Synonym angegeben.[2] Dabei lässt sich anhand eines Diebstahls der Unterschied auch für den Laien relativ einfach erklären: Wenn jemand einem anderen einen Mantel (z. B. aus einer Garderobe) stiehlt, ist der Dieb zwar anschließend im Besitz des Mantels, aber der Mantel ist nicht sein Eigentum; das heißt, ein Dieb ist Besitzer, aber niemals Eigentümer.
Gelegentlich wird auch in wissenschaftlichen Texten der Begriff Besitz im Sinne von Eigentum benutzt. Dies liegt unter anderem daran, dass es verschiedene Eigentumstheorien gibt. In historischen Zusammenhängen und auf bestimmte Gesellschaften bezogen ist eine Anwendung der Begriffe Besitz und Eigentum im modernen Sinne nicht möglich.[3]
Umgangssprachlich und wissenschaftlich außerhalb der juristischen Fachsprache bezeichnet „Besitz“ auch die Dinge, über die man unmittelbare Verfügungsgewalt hat: Die Habe, rechtlich die Innehabung oder ein Sachinbegriff (mathematisch gesprochen: Eine „Menge“ von zusammen gehörenden Sachen).
Rechtslage in einzelnen Ländern
- Deutschland: Besitz (Deutschland)
- Österreich: Besitz (Österreich)
- Schweiz: Besitz (Schweiz)
- Liechtenstein: Besitz (Liechtenstein)
Literatur
- Dieter Krimphove: Das europäische Sachenrecht. Eine rechtsvergleichende Analyse nach der Komparativen Institutionenökonomik. Eul, Lohmar 2006, ISBN 3-89936-429-5, S. 45 ff.
- Therese Müller: Besitzschutz in Europa. Eine rechtsvergleichende Untersuchung über den zivilrechtlichen Schutz der tatsächlichen Sachherrschaft. Mohr Siebeck, Tübingen 2010, ISBN 978-3-16-150220-0 (Zugl. Diss. Freiburg 2009).
Weblinks
Einzelnachweise
- Siehe in Deutschland: § 854 Absatz 1 BGB; in Österreich § 309 ABGB und in der Schweiz Art. 919 Absatz 1 ZGB
- Vgl. Besitz und Eigentum bei Duden online, jeweils Abschnitt „Synonyme“.
- W. Theil: Eigentum und Verpflichtung: einige juristische Aspekte. In: H.J. Stadermann, O. Steiger: Verpflichtungsökonomik. Eigentum, Freiheit und Haftung in der Geldwirtschaft. S. 175–200 (Online-Version, PDF; 187 kB) (Memento vom 9. Oktober 2007 im Internet Archive)