Kloster Schussenried

Das Kloster Schussenried ist eine ehemalige Reichsabtei in Bad Schussenried im Landkreis Biberach in Oberschwaben. Das Chorherrenstift der Prämonstratenser bestand von 1183 bis 1803. Heute wird das Konventsgebäude unter dem Namen Neues Kloster Schussenried als Veranstaltungs- und Ausstellungszentrum genutzt. Der barocke Bibliothekssaal gilt als eine Hauptsehenswürdigkeit der Oberschwäbischen Barockstraße. Die ehemalige Klosterkirche St. Magnus dient als katholische Pfarrkirche.

Kloster Schussenried 1721
Neues Kloster und Kirche

Geschichte

Um 1150 besaßen Konrad und Beringer von Schussenried in Shuzenriet einen Herrensitz. Da sie keine Erben hatten, übertrugen sie ihren Besitz 1183 dem Prämonstratenserorden. Dieses Jahr gilt als Gründungsdatum des Chorherrenstiftes durch das Prämonstratenserstift Rot an der Rot. Im Sommer oder Herbst 1183 kam ein Propst Friedrich mit zwölf weiteren Chorherren von Weißenau nach Schussenried, auch die Stifter traten dem Konvent bei. Das Familienwappen wurde das Wappen des neuen Klosters.

Um 1185 begann der Bau der Konventskirche. Im Jahr 1188 wurden hier bereits der verstorbene Propst Friedrich sowie der zum Priester geweihte Beringer von Schussenried beigesetzt, 1191 folgte auch sein Bruder Konrad von Schussenried.

Es folgten Erbauseinandersetzungen mit Konrad von Wartenberg, der Ansprüche anmeldete. In den „Wartenbergischen Wirren“ floh der Konvent vorübergehend nach Weißenau, der neue Propst Manegold bat Papst Coelestin III. um seinen Rechtsbeistand. Nachdem dieser die Stiftung bestätigt hatte und mit Hilfe des Konstanzer Bischofs 1205 ein Vergleich geschlossen war, konnten die vertriebenen Chorherren ins Kloster zurückkehren. Der Klosterbau währte allerdings noch einige Zeit. Am 13. Februar 1211 erteilte Papst Innozenz III. dem Kloster ein Schutzprivileg. Erst unter dem von 1223 bis 1248 amtierenden Propst Konrad II. konnte die Weihe der Kirche und des Klosters vorgenommen werden. Unter seiner Leitung wurde dem Kloster auch mit dem Zellerhof weiteres Eigentum hinzuerworben. Schon bald kamen weitere Güter in Hopferbach, Kürnbach, Laimbach, Schwaigfurt, Olzreute, Kleinwinnaden, Roppertsweiler, Sattenbeuren und Eggatsweiler hinzu. Außerdem wurde das Patronatsrecht in einer Reihe Pfarreien erworben. Im Jahr 1227 war bereits die Zollfreiheit erlangt worden, im Jahr 1240 folgten die Vogteirechte.

Zunächst war die Mutter Gottes die Schutzpatronin der Kirche, gegen 1366 wurde ihr noch der Allgäuheilige Magnus beigefügt, die Kirche wurde nun als Gozhus Unser Frawen und Sanct Mang bezeichnet.

Am 11. Januar 1440 wurde der bisherige Propst Konrad V. zum Abt geweiht. Seit 1452 stand das Kloster unter dem Schutz der Truchsessen von Waldburg sowie der Georgsritterschaft. Vom späten 15. Jahrhundert an war das Kloster nur noch dem Kaiser verpflichtet und war seit 1487 von fremden Gerichten befreit. 1512 erlangte die Abtei in allen Orten der Grundherrschaft auch die Hoch- und Blutgerichtsbarkeit.

Die Klosterkirche wurde um 1493 bis 1498 umgebaut und gotisiert. Um 1493 wurde der Kirchturm erhöht und ein neuer Chorraum errichtet, 1497 wurden das Langhaus und der Kreuzgang eingewölbt und in den Folgejahren eine Anzahl neuer Schrein- und Flügelaltäre aufgestellt. 1482 hatte Abt Heinrich Österreicher vor der Westfassade einen schlossartigen Anbau mit einer Eingangshalle sowie über dem Nordflügel des Kreuzganges eine Bibliothek errichten lassen.

Bis ins 15. Jahrhundert setzte sich der Konvent vor allem aus Chorherren niederadliger oder patrizischer Herkunft zusammen. Danach bestand er vor allem aus bürgerlichen und bäuerlichen Mitgliedern.

Bau des Neuen Klosters

Deckengemälde im Treppenhaus des Neuen Klosters

Die heutige Bezeichnung Neues Kloster verweist auf den barocken Neubau der Klosteranlage nach 1752. Am 20. März 1748 stellte Abt Siard Frick (1733–1750) seinem Konvent einen Riss sowie ein Modell des geplanten Neubaus nach Planungen des Architekten Dominikus Zimmermann vor. Doch den Neubau führte nicht er, sondern dessen Schüler Jakob Emele aus, der sich jedoch stark an den Risszeichnungen und dem in der Klosterbibliothek aufbewahrten Modell seines Meisters orientierte. Die ursprünglich geplante Vierflügelanlage mit integrierter Kirche kam aus finanziellen Gründen zum Stillstand. Der heutige Dreiflügelbau ist der Nordflügel mit Ansätzen der West- und Ostflügel der ursprünglich geplanten Anlage und nimmt von dieser etwa ein Drittel ein.

Durch den Reichsdeputationshauptschluss fiel das Kloster 1803 als Ausgleich für linksrheinische Gebietsverluste an die Grafen von Sternberg-Manderscheid und kam 1806 im Zuge der Mediatisierung unter Staatshoheit des Königreichs Württemberg. Zu diesem Zeitpunkt gehörten dem Kloster die späteren Gemeinden Schussenried, Michelwinnenden, Otterswang, Reichenbach, Stafflangen, Winterstettendorf und Allmannsweiler sowie weitere einzelne Höfe und Weiler. Die Klostergebäude verkaufte eine Erbengemeinschaft der Grafen 1835 an das Königreich Württemberg. Die Bestände der einst sehr bedeutenden Klosterbibliothek wurden verscherbelt und sind vielfach verschollen.

Nutzung als Krankenhaus

Die ehemalige Klosteranlage im Luftbild, 1890

1875 wurde in den Klostergebäuden die Königliche Heil- und Pflegeanstalt Schussenried eingerichtet, die in der Folge durch Neubauten erweitert wurde. Das Krankenhaus wurde mehrfach umbenannt: ab 1953 hieß es Psychiatrisches Landeskrankenhaus, ab 1996 Zentrum für Psychiatrie, und seit 2009 wird es als Hauptsitz und Standort Schussenried des ZfP Südwürttemberg betrieben. Das barocke Konventsgebäude selbst wurde bis 1997 vom Zentrum für Psychiatrie benutzt.

Heutige Nutzung

Kloster Schussenried zählt zu den landeseigenen Kulturdenkmälern und wird von der Einrichtung „Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg“ betreut. Die ehemalige Klosterkirche dient als römisch-katholische Pfarrkirche. Der ehemalige Klosterbezirk ist darüber hinaus von den Einrichtungen des ZfP Südwürttemberg geprägt.

Veranstaltungsort

Seit 1998 wird das „Neue Kloster“ (das barocke Konventsgebäude) als Tagungs- und Veranstaltungsstätte genutzt. 2003 fand in den Räumen beispielsweise eine Landesausstellung zur Säkularisation statt.

Museum

Seit 2010 ist das Neue Museum Kloster Schussenried Zweigmuseum des Landesmuseums Württemberg.[1] 2012 fand eine Ausstellung anlässlich der internationalen Kunstausstellung Experimentelle statt. Die Dauerausstellung „Verborgene Pracht – vom Leben hinter Klostermauern“ informiert nicht nur über die Geschichte des Klosters Schussenried und die Kulturgeschichte schwäbischer Klöster, sondern zeigt auch die Ausstellung „200 Jahre Psychiatriegeschichte im Neuen Kloster“. Denn von 1875 an war im Kloster die Königliche Heil- und Pflegeanstalt Schussenried untergebracht, in der psychisch erkrankte Menschen behandelt wurden. Zahlreiche Exponate und historisches Bildmaterial belegen die Entwicklung der Psychiatrie zur medizinischen Wissenschaft und verdeutlichen, wie sich die Behandlung und Unterbringung der Patienten im Laufe der Zeit gewandelt hat. Diese Ausstellung ist der zweite Standort des Württembergischen Psychiatriemuseums in Zwiefalten.[2]

Bibliothekssaal

Bibliothekssaal

Zum Museum gehört der lichtdurchflutete Rokoko-Bibliothekssaal im nördlichen Konventsneubau. Er gilt als spektakulärster Teil der Klostergebäude. Auf zwei Geschossen befinden sich die geschlossenen Bücherschränke. Das Ausstattungsprogramm gehörte zu den reichsten und ausführlichsten im 18. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum. Das Deckenfresko, das Franz Georg Hermann 1757 vollendete, zeigt in einer verwirrenden Fülle das Wirken der göttlichen Weisheit in Apokalypse, Wissenschaft, Bildender Kunst und Technik.

Zu den letzten Plastiken, die für den Raum geschaffen wurden, gehören acht Gruppen von kirchlichen Irrlehrern, denen acht große Figuren der Kirchenlehrer gegenüberstehen. Sie wurden 1766 von Fidel Sporer fertiggestellt.

Klosterkirche und Chorgestühl

Pfarrkirche St. Magnus, Blick zum Chor
Pfarrkirche St. Magnus, Chorgestühl

Die 1185 erbaute Klosterkirche und heutige Pfarrkirche St. Magnus wurde im 15. Jahrhundert umgebaut und gotisiert. Im 18. Jahrhundert wurde der Innenraum barockisiert.

Die Kirche besitzt ein hochbarockes, überreich ausgeschmücktes Chorgestühl aus Nussbaumholz, das 1715–1717 von Georg Anton Machein (1685–1739) und seiner Werkstatt geschaffen wurde und wie das Buxheimer Chorgestühl zur figürlich ausgestatteten Gruppe der „schwäbischen Akanthus-Chorgestühle“ gehört. In den Dorsalfeldern befinden sich Reliefs aus Lindenholz, deren thematischer Schwerpunkt auf dem Marienleben und der Passion Christi liegt. Flankiert werden sie von Statuetten vierundzwanzig männlicher und vier weiblicher Ordensgründer. 1930 wurde das Chorgestühl im Rahmen einer Renovierung zerlegt und 1932 näher am Hochaltar aufgestellt. Dabei wurde die Nordseite mit der Südseite vertauscht, so dass jetzt die chronologische Reihenfolge bei den Reliefszenen nicht mehr im Westen, sondern im Osten beginnt. Leider hat der Holzwurm im Lindenholz deutlich sichtbare Spuren hinterlassen.

Hochaltar
Ordensgründer, Heilige und ReliefdarstellungenChorraumOrdensgründer, Heilige und Reliefdarstellungen
Sündenfall mit Verheißung des ErlösersMariä Geburt
Augustinus von Hippo
4./5. Jahrhundert
Verfasser der Augustinusregel
Norbert von Xanten
11./12. Jahrhundert
Gründer der Prämonstratenser
Mariä TempelgangMariä Verkündigung
Paulus von Theben
3./4. Jahrhundert
Erster Eremit, Vorbild für die Pauliner
Antonius der Große
3./4. Jahrhundert
Vater des abendländischen Mönchtums
Vermählung Marias mit JosefMariä Heimsuchung
Benedikt von Nursia
5./6. Jahrhundert
Gründer der Benediktiner
Bernhard von Clairvaux
11./12. Jahrhundert
Bedeutender Abt der Zisterzienser
Geburt ChristiAnbetung der drei Könige
Franz von Assisi
12./13. Jahrhundert
Gründer des Ordens der Minderen Brüder
Dominikus von Caleruega
12./13. Jahrhundert
Gründer der Dominikaner
Darstellung Jesu im TempelFlucht nach Ägypten
Basilius der Große
4. Jahrhundert
Vater des morgenländischen Mönchtums
Hieronymus
4./5. Jahrhundert
Eremit, Kirchenlehrer
Der zwölfjährige Jesus im TempelHeilige Familie in Nazareth
Bruno von Köln
11./12. Jahrhundert
Gründer der Kartäuser
Wilhelm von Malavalle
12. Jahrhundert
Eremit, Vorbild für die Wilhelmiten
Versuchung ChristiHochzeit zu Kana
Ignatius von Loyola
15./16. Jahrhundert
Gründer der Jesuiten
Philipp Neri
16. Jahrhundert
Gründer der Oratorianer
Verklärung ChristiAbschied Jesu von Maria
Petrus de Murrone
13. Jahrhundert
Eremit, Gründer der Coelestiner-Eremiten
Philippus Benitius
13. Jahrhundert
Generalprior der Serviten
Christus am ÖlbergGeißelung Jesu
Petrus Nolascus
12./13. Jahrhundert
Mitgründer der Mercedarier
Johannes von Matha
12./13. Jahrhundert
Mitgründer des Trinitarierordens
Dornenkrönung JesuChristus vor Pilatus
Franz von Paola
15./16. Jahrhundert
Gründer der Paulaner (Minimen)
Johannes von Gott
15./16. Jahrhundert
Vorbild für die Barmherzigen Brüder
Kreuztragung JesuKreuzigung Jesu
Kajetan von Thiene
15./16. Jahrhundert
Mitgründer der Theatiner
Johannes Colombini
14. Jahrhundert
Gründer der Jesuaten
Beweinung Christi (Pietà)Grablegung Jesu
Franz von Sales
16./17. Jahrhundert
Mitgründer der Salesianerinnen (Visitantinnen)
Laurentius Justinianus
14./15. Jahrhundert
Gründer der regulierten Chorherren vom Hl. Georg
Auferstehung ChristiChristi Himmelfahrt
Klara von Assisi
12./13. Jahrhundert
Gründerin der Klarissen
Teresa von Ávila
16. Jahrhundert
Reformerin der Karmeliten
Aussendung des Heiligen GeistesMariä Himmelfahrt
Birgitta von Schweden
14. Jahrhundert
Gründerin der Birgittinen
Johanna von Frankreich
15./16. Jahrhundert
Gründerin der Annuntiatinnen

Die Inschrift „Romuald von Camaldoli“ am Chorgestühl ist falsch, denn die dort befindliche Figur stellt ohne Zweifel Johannes von Matha dar. Teresa von Ávila ist mit dem falschen Attribut versehen: Das Kreuz mit der Dornenkrone Christi und den Leidenswerkzeugen gehört zu Bernhard von Clairvaux.

Siehe auch: Tabelle mit Bildern (Wikimedia Commons)

Literatur

  • Hubert Kohler (Hrsg.): Bad Schussenried. Geschichte einer oberschwäbischen Klosterstadt. Festschrift zur 800-Jahrfeier der Gründung des Prämonstratenserstifts. Thorbecke, Sigmaringen 1983, ISBN 3-7995-4060-1.
  • Johannes May: Die himmlische Bibliothek im Prämonstratenserkloster Schussenried (Marbacher Magazin, Sonderheft 87/1999). 2. Auflage. Deutsche Schillergesellschaft, Marbach 2000, ISBN 3-933679-27-3.
  • Johann Georg von Memminger: Gemeinde Schussenried, in: Beschreibung des Oberamts Waldsee. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1834, S: 190ff.
  • Sybe Wartena: Die Süddeutschen Chorgestühle von der Renaissance bis zum Klassizismus. München 2008 (Dissertation an der Ludwig-Maximilians-Universität).
Commons: Kloster Schussenried – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Pressemitteilung MWK Baden-Württemberg: Neues Zweigmuseum des Landesmuseums Württemberg in Kloster Schussenried eröffnet, abgerufen am 26. November 2015.
  2. Eckart Roloff und Karin Henke-Wendt: Ein Kloster voller Psychiatriegeschichte. (200 Jahre Psychiatriegeschichte im Neuen Kloster) In: Besuchen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Eine Tour durch Deutschlands Museen für Medizin und Pharmazie. Band 2, Süddeutschland. Verlag S. Hirzel, Stuttgart 2015, S. 27–29, ISBN 978-3-7776-2511-9

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