Taubenhaus
Taubenhäuser dienen der Haltung von Haustauben. Sie wurden häufig in Sachsen und darüber hinaus, besonders auf Ritter- und Bauerngütern, aufgestellt.[1] Sie werden auch als Taubenpfähle, Taubenpfeiler oder Taubentürme bezeichnet.[2] In Altbayern und Österreich werden sie auch Taubenkobel genannt.[3]
Im nordostbayerischen Raum wurden Taubenräder, aus Stroh geflochtene, auf einem Wagenrad drehbar gelagerte Taubenhäuser, errichtet.[4][5]
Nach dem Anthropologen und Sexualforscher Ernest Bornemann ist ein Taubenhaus (Columbaria, Genecium, Frauenhaus) auch folgendes: Privatharem eines fränkischen Grundherrn des Mittelalters. Das Wort ist eine Übersetzung des lateinischen Spottnamens, den die Grundherren selber ihren Mägdehäusern gegeben haben. Die hörige Magd war die Columba, die „Taube“ des Herrn, mit der er tun konnte, was er wollte.[6]
Beschreibung
Ein Taubenhaus ist ein meist aus Holz gebautes kleines Haus, das auf einer runden drei Meter hohen Säule ruht, die zum Schutz vor Räubern (Marder, Ratten) mit Blech beschlagen sein kann. Die Form des Häuschens kann vier-, sechs-, achteckig oder auch rund sein. Die Dachbedeckung besteht aus mit Dachpappe benagelten Brettern, aus Ziegel oder Schiefer. Taubenhäuser haben zu jeder Seite ein Flugloch mit Fallbrett, das zum Öffnen und Schließen des Ein- und Ausganges dient. Zum Verschließen können auch die unter dem Flugloch angebrachten Flugbretter genutzt werden, die den Tauben zum Anflug und als Rastplatz dienen. Das Flugloch selbst ist viereckig oder rund, ähnlich einem Bogenfenster. Da es im Taubenhaus recht dunkel wird, wenn die Fluglöcher verschlossen sind, werden zu jeder Hauptseite Fensterscheiben angebracht und zum Schutz mit Draht bespannt. Die innere Einrichtung der Taubenhäuser ähnelt denen der Taubenkästen.[1]
Nachteile
Taubenhäuser bieten den Haustauben nur unzureichenden Schutz vor Witterungseinflüssen, Haarraubwild (Marder, Iltis, Wiesel, wildernde Katzen), Krähen und Elstern.[7] Sie lassen sich nur schwer reinigen und schlecht desinfizieren und sind daher gute Brutstätten für Ungeziefer. Nester und Tauben lassen sich nur schwer kontrollieren. Die Pflege erkrankter Tauben ist nur eingeschränkt möglich. Der Halter von in Taubenhäusern untergebrachten Tauben muss daher ungenügende Zuchtergebnisse und Flugleistungen seiner Schützlinge sowie erhöhte Tierverluste durch natürliche Feinde und Krankheiten, besonders der Jungen, in Kauf nehmen.[1][8]
Entstehung und Formen
Für das Taubenhaus übernahm man die häufig bestehende Hausform: das hölzerne Langhaus mit strohgedecktem Satteldach, das zum Schutz vor Katze, Marder, Iltis und Wiesel auf Pfähle gestellt wurde. In der statisch einfachsten Lösung wurde das Haus auf vier Säulen gestellt. Später beschränkte man sich auf zwei Säulen mit seitlichen Verstrebungen. Wurde das Längshaus zu einem Quadrat verkürzt, konnte eine weitere Stütze gespart werden und die Sicherheit der Tauben gegen tierische Räuber wurde noch größer. Der quadratische Grundriss wurde beliebig zum Sechseck oder Achteck variiert.[3] Kreuzformen blieben Ausnahmen.[9]
- Altes (niederländisches?) Taubenhaus in einer Radierung von Abraham (1564–1651) und Frederik Bloemaert (1610–1669).
- Taubenhaus auf zwei Pfählen im ehemaligen Rittergut Kürbitz im Vogtland
- Taubenhaus mit quadratischem Grundriss im ehemaligen Wallfahrtsort Mariabrunn in der Gemeinde Röhrmoos im Landkreis Dachau, spätes 20. Jahrhundert
- Taubenhaus mit quadratischem Grundriss im bayerischen Anzing, Anfang 20. Jahrhundert
- Sechseckiges Taubenhaus in Nivnice, Tschechien
- Achteckiges Taubenhaus in Landsham
- Kreuzförmiges Taubenhaus am Evangelischen Kirchengemeindehaus in Fechheim (Neustadt bei Coburg)
Taubenräder
Taubenräder, auch Taubenradhäuser oder Radkobel, sind eine besondere Form des Taubenhauses, dem ein Wagenrad als Boden dient. Dieses ist waagerecht mit einem Achsstumpf verbunden und wird, wie das Taubenhaus, auf einen Pfosten aufgesetzt. Einige sind drehbar gelagert. Das Wagenrad ist mit der Grundplatte verbunden, in die senkrechte Stäbe eingesetzt sind, um die ein Flechtwerk aus Stroh gewunden ist. Bei traditionellen Taubenrädern wurde meist Roggenstroh verwendet, moderne Taubenräder besitzen ein Flechtwerk aus Sisal. Je Taubenpaar sind zwei Brutnischen vorgesehen, deren Einflugöffnungen ausgespart wurden. Ihre Anzahl variiert nach der Größe des Hauses, die mit 55 Zentimetern bis 1,3 Metern im Durchmesser angegeben wird. Ein Anstrich schützt das Geflecht vor Witterungseinflüssen.
Zur Zierde hängen an einigen Taubenrädern gedrechselte kleine Holzglocken, Eicheln oder Tannenzapfen. Zur individuellen Ausschmückung wird auch das Dach genutzt: einige besitzen Erker mit Türmchen und Kugeln oder Wetterfahnen. Gestanzte Kupferblechstreifen dienen ebenfalls diesem Zweck.[10]
- Taubenrad im Vogtländischen Freilichtmuseum Landwüst
- Ein zweites Taubenrad im Vogtländischen Freilichtmuseum Landwüst
Siehe auch
Literatur
- Wolfram Kleiss und Liselotte Soltani: Taubenhäuser in Deutschland und Europa. Reimer, Berlin 2006, ISBN 978-3-496-02791-1.
- Wolfram Kleiss: Taubenhäuser in Europa, Iran und Ägypten. Reimer, Berlin 2017, ISBN 978-3-496-01575-8.
- Paul Kolbeck: Von Tauben-Wohnungen. In Ders.:Abhandlung über Taubenzucht. Daisenberg: Regensburg 1821. S. 34–39, (Volltext bei Wikisource).
- Gottlob Neumeister: Die Wohnungen der Tauben. In Ders.: Das Ganze der Taubenzucht. 3. Auflage im Text zeitgemäß umgearbeitet und herausgegeben von Gustav Prütz. Nebst 17 Tafeln. B. F. Voigt, Weimar 1876, S. 5–6, doi:10.5962/bhl.title.50691.
- Rudolf Piemer: Eine Zierde der Bauernhöfe – Taubenhäuser. In: Der Heimatbote. Heft 16. (o. J., online (PDF; 118 kB), abgerufen am 19. Juli 2013).
Weblinks
Einzelnachweise
- Die Wohnungen der Tauben. In: Gottlob Neumeister: Das Ganze der Taubenzucht. 3. Auflage im Text zeitgemäß umgearbeitet und herausgegeben von Gustav Prütz. Nebst 17 Tafeln. B. F. Voigt, Weimar 1876, S. 5–6, doi:10.5962/bhl.title.50691.
- Taubenhäuser oder Taubenpfeiler. In: Bruno Dürigen: Die Geflügelzucht. Hand- und Lehrbuch der Rassenkunde, Zucht, Pflege und Haltung von Haus-, Hof- und Ziergeflügel. 2. Band, Haltung, Züchtung und Nutzung des Geflügels. Vierte und fünfte neubearbeitete Auflage. Paul Parey, Berlin 1923–1927. S. 494f. (Digitalisat bei HathiTrust).
- Alois Kammermeier: Taubenkobel in Altbayern. In: Volkskunst. Zeitschrift für volkstümliche Sachkultur. 2/1978, S. 122–129.
- Karl Bedal: Taubenhäuser im nordöstlichen Bayern und im Egerland. In: Volkskunst. Zeitschrift für volkstümliche Sachkultur. 2/1978, S. 130–136.
- Angelika Halama: Taubentürme und Geflügelhäuser in Mecklenburg-Vorpommern. In: Frank Norbert Nagel (Hrsg.): Türme, Schornsteine, Industrie-Mühlen, Landart. Bedeutung und Bewertung von Landmarken in der Kulturlandschaft. ISBN 3-8334-5035-5, S. 97–120.
- Ernest Bornemann: Sexuallexikon. Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main Wien Zürich 1968, ISBN 3-7632-1333-3, S. 627.
- Unterbringung. In: Manfred Hartmann: Das Taubenbuch. Deutscher Landwirtschaftsverlag, Berlin 1986, S. 145.
- Haltung. In: Kurt Vogel: Biologie, Haltung, Fütterung. Ein Fachbuch für Züchter und Halter von Haustauben, Wildtauben, Sport- bzw. Brieftauben sowie anderen Flugsporttauben (= Die Taube). 3., unveränd. Auflage. Deutscher Landwirtschaftsverlag, Berlin 1984, S. 233, OCLC 246277835.
- Halama, S. 105.
- Klaus Kahn: Einmalig: die fränkischen Taubenräder. In: Geflügel-Börse. 6/2002, S. 8–9.