Kaon
Die vier Arten von Kaonen oder K-Mesonen sind Hadronen aus der Gruppe der Mesonen.
K+ | |
---|---|
Klassifikation | |
Boson Hadron Meson | |
Eigenschaften [1] | |
elektrische Ladung | +1 e |
Ruheenergie | 493,677(16) MeV |
SpinParität | 0− |
Isospin | 1⁄2 (Iz = +1⁄2) |
Strangeness | +1 |
mittlere Lebensdauer | 1,2380(20) · 10−8 s |
Wechselwirkungen | stark schwach elektromagnetisch Gravitation |
Quark- Zusammensetzung |
us |
K0 | |
---|---|
Klassifikation | |
Boson Hadron Meson | |
Eigenschaften [1] | |
elektrische Ladung | neutral |
Ruheenergie | 497,611(13) MeV |
SpinParität | 0− |
Isospin | 1⁄2 (Iz = −1⁄2) |
Strangeness | +1 |
mittlere Lebensdauer | 5,116(21) · 10−8 s (KL) 8,954(4) · 10−11 s (KS) |
Quark- Zusammensetzung |
ds |
Jedes Kaon enthält ein leichtes u- oder d-Quark und ein mittelschweres Strange-Anti-Quark oder aber jeweils die entsprechenden Antiteilchen. Das Strange-Quark (bzw. das Strange-Antiquark) macht die Kaonen zu den leichtesten Mesonen mit Strangeness (dt.: Seltsamkeit). Nach dieser Eigenschaft lassen sich die Kaonen in zwei Isospin-Dubletts organisieren:
K-Anti-Mesonen | K-Mesonen | |||
---|---|---|---|---|
Isospin | -½ | +½ | -½ | +½ |
Quark- Zusammensetzung | ||||
Strangeness | −1 | +1 |
Wie alle Mesonen haben Kaonen ganzzahligen Spin und sind somit Bosonen. Sie unterliegen der starken Wechselwirkung und gehören damit zu den Hadronen.
Eigenschaften
Die Kaonen haben eine Masse von rund 493,7 MeV/c² (K+, K−) bzw. 497,6 MeV/c² (K0, K0). Sie zerfallen nur über die schwache Wechselwirkung und sind daher vergleichsweise langlebig. Die Lebensdauer des geladenen Kaons beträgt 1,24 · 10−8 s. Für K0 und K0 ist die Lebensdauer nicht definiert; ihre quantenmechanischen Mischungen (siehe unten) haben Lebensdauern von 5,1 · 10−8 s (KL) und 9,0 · 10−11 s (KS).
Die CPT-Invarianz impliziert, dass die Teilchen-Antiteilchenpaare K+ ↔ K− und K0 ↔ K0 jeweils identische Massen und Lebensdauern haben. Präzisionsmessungen dieser Größen haben dies bestätigt.
Entdeckung
Die Kaonen wurden 1947 von George Rochester und Clifford Charles Butler in der Höhenstrahlung entdeckt. Erklärt wurde ihr Auftreten mit der Reaktion π+ + n → K+ + Λ. Ursprünglich bekamen sie den Namen seltsame Teilchen (engl. strange particles), weil ihre Lebensdauer deutlich länger war als die der anderen damals bekannten instabilen Teilchen. Um dies zu beschreiben, wurde die Quantenzahl „Strangeness“ eingeführt. Diese wird zwar von der starken Wechselwirkung, die für die Produktion der Kaonen verantwortlich ist, erhalten, aber von der schwachen Wechselwirkung, über die sie zerfallen, verletzt.
Heute wird die relativ lange Lebensdauer der Kaonen mit dem Strange-Quark (kurz s-Quark) erklärt. Strange-Quarks entstehen über die starke Wechselwirkung paarweise mit Strange-Antiquarks, aus denen sich dann beispielsweise zwei Kaonen oder – wie im Entdeckungsprozess – ein Kaon und ein Baryon mit Strangeness bilden.
Da die Kaonen nach der Produktion in verschiedene Richtungen fliegen, können sich die beiden Strange-Quarks nicht im Umkehrprozess wieder annihilieren. Der Zerfall findet durch die Umwandlung des Strange-Quarks in das leichtere Up-Quark statt, die mit ihrer geringen Wahrscheinlichkeit die auffällig lange Lebensdauer der Kaonen erklärt. Die Umwandlung kann nur über die schwache Wechselwirkung erfolgen, da sie als einzige die Strangeness nicht erhält.
Das τ-θ-Rätsel und die Paritätsverletzung
Anfang der 1950er Jahre waren zwei verschiedene positiv geladene Mesonen mit Strangeness bekannt, die nach ihren Zerfallsprodukten unterschieden wurden:
Die Endzustände dieser Reaktionen haben verschiedene Parität, was nach damaliger Vorstellung auch für die Ausgangszustände τ und θ gelten sollte. Präzisionsmessungen von Masse und Lebensdauer zeigten jedoch keinerlei Unterschied zwischen τ und θ. Als dann 1956 die Paritätsverletzung der schwachen Wechselwirkung entdeckt wurde, war klar, das es dasselbe Teilchen war, das daraufhin K+ genannt wurde. Der Zerfall erhält also nicht die Parität des Ausgangsteilchens.
CP-Erhaltung
Mischung der neutralen Kaonen
Das Kaon erlangte besondere Bedeutung im Zusammenhang mit der CP-Symmetrie. Zwar ist die P-Symmetrie maximal verletzt, aber die kombinierte Symmetrie aus Parität P und Ladungskonjugation C bei allen Reaktionen in guter Näherung erhalten.
In Bezug auf starke (und elektromagnetische) Wechselwirkung alleine wären K0 und K0 auch die physikalischen Kaonzustände (exakter: die experimentell beobachtbaren Masseneigenzustände). Da es aber durch die schwache Wechselwirkung eine Kopplung zwischen diesen beiden Zuständen gibt, sind die physikalischen Kaonzustände Mischungen, die sich unter der Annahme von CP-Symmetrie wie folgt ergeben:
Es gilt:
Daraus ergeben sich die CP-Eigenzustände
-
- mit
und
-
- mit
Unter der Annahme von CP-Symmetrie können diese Zustände nur CP-erhaltend zerfallen, woraus sich zwei verschiedene Zerfallskanäle mit sehr unterschiedlichen Phasenräumen und dementsprechend sehr unterschiedlichen Lebensdauern ergeben:
- (schnell, da großer Phasenraum)
- (langsam, da kleiner Phasenraum).
Tatsächlich hat man zwei Arten neutraler Kaonen gefunden, die sich stark in ihrer Lebensdauer unterscheiden. Diese wurden als K0S (short-lived, mittlere Lebensdauer (8,953±0,005) · 10−11 s) und K0L (long-lived, mittlere Lebensdauer (5,116±0,020) · 10−8 s) bezeichnet. Die mittlere Lebensdauer der langlebigen Variante ist also um einen Faktor von ungefähr 600 größer als die der kurzlebigen. Die beiden Kaonen unterscheiden sich geringfügig in der Masse: das K0L ist um 3.48e-12 MeV schwerer.
Aufgrund der angenommenen CP-Symmetrie lag es nahe, das beobachtete K0S mit K01 und das beobachtete K0L mit K02 zu identifizieren; demgemäß würde das K0L stets in drei und nie in zwei Pionen zerfallen.
CP-Verletzung
James Cronin und Val Fitch fanden jedoch 1964 heraus, dass das K0L mit einer kleinen Wahrscheinlichkeit (etwa 10−3) auch in zwei Pionen zerfällt. Daraus ergibt sich, dass die physikalischen Zustände keine reinen CP-Eigenzustände sind, sondern jeweils zu einem kleinen Anteil auch den anderen CP-Eigenzustand enthalten:
Dieses Phänomen ist in Experimenten sehr genau überprüft worden und wird als CP-Verletzung durch Mischung bezeichnet, weil sie durch eine Mischung der CP-Eigenzustände zum physikalischen Zustand gekennzeichnet ist. Da auf diese CP-Verletzung nur indirekt durch Beobachtung des Zerfalls rückgeschlossen werden kann, ist sie in der Fachliteratur sehr verbreitet auch als indirekte CP-Verletzung bekannt. Cronin und Fitch erhielten für ihre Entdeckung 1980 den Nobelpreis für Physik.
Zusätzlich gibt es auch noch eine direkte CP-Verletzung, also eine Verletzung direkt im beobachteten Zerfall selbst. Diese ist nochmals um einen Faktor von etwa 1000 kleiner als die indirekte CP-Verletzung und wurde daher auch erst drei Jahrzehnte später am CERN experimentell bestätigt: 1988 durch die NA31-Kollaboration (Sprecher Heinrich Wahl) und dann genauer in den 1990er Jahren im Folgeexperiment NA48.
Bemerkenswert bleibt, dass die CP-Verletzung (direkt wie indirekt) nur in geringem Maße auftritt, im Gegensatz zur maximalen Paritätsverletzung der schwachen Wechselwirkung. Der Grund hierfür ist weiterhin unbekannt.
Literatur
- Donald Perkins: Hochenergiephysik. Oldenbourg 1991, ISBN 3-486-24347-0.
- Bogdan Povh et al., Teilchen und Kerne. 6. Auflage. Springer, 2004, ISBN 3-540-21065-2.
- Jonathan L. Rosner, Bruce D. Winstein: Kaon physics. Univ. of Chicago Press, Chicago 2001, ISBN 0-226-90228-5.
Siehe auch
Einzelnachweise
- Die Angaben über die Teilcheneigenschaften (Infobox) sind, wenn nicht anders angegeben, entnommen aus: P.A. Zyla et al. (Particle Data Group): 2020 Review of Particle Physics, Summary Tables – Mesons. In: Prog. Theor. Exp. Phys. 2020, 083C01 (2020). Particle Data Group, abgerufen am 18. Juni 2021 (englisch).