Zeche Vereinigte Gibraltar Erbstollen
Die Zeche Vereinigte Gibraltar Erbstollen war ein Steinkohlenbergwerk im Bochumer Stadtteil Stiepel am Kemnader See. Die Zeche ist aus einer Konsolidation der Zeche Hagensieperbank mit der Zeche Gibraltar Erbstollen entstanden.[1]
Zeche Vereinigte Gibraltar Erbstollen | |||
---|---|---|---|
Allgemeine Informationen zum Bergwerk | |||
Förderung/Jahr | max. 117.792 t | ||
Informationen zum Bergwerksunternehmen | |||
Beschäftigte | min. 8 max. 548 | ||
Betriebsbeginn | 1865 | ||
Betriebsende | 1925 | ||
Nachfolgenutzung | Bootshaus der Fakultät für Sportwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum | ||
Geförderte Rohstoffe | |||
Abbau von | Steinkohle | ||
Geographische Lage | |||
Koordinaten | 51° 25′ 22,5″ N, 7° 15′ 29,4″ O | ||
| |||
Standort | Stiepel | ||
Gemeinde | Bochum | ||
Kreisfreie Stadt (NUTS3) | Bochum | ||
Land | Land Nordrhein-Westfalen | ||
Staat | Deutschland | ||
Revier | Ruhrrevier |
Geschichte
Die Anfänge
Die Zeche lässt sich auf das Jahr 1786 zurückführen, in dem durch das Königliche Oberbergamt Dortmund die Genehmigung zum Kohlenabbau erteilt wurde. Ein ab 1830 aufgefahrener etwa 2000 Meter langer Erbstollen diente insbesondere dem Kohletransport zur Ruhr und der Entwässerung der Grubenbaue.[2] Am 18. März 1865 erfolgte die Konsolidation des Stollentriebes Hagensieperbank mit der Zeche Gibraltar Erbstollen der Berechtsame Eisensteinfeld Oberruhr zur „Zeche Vereinigter Gibraltar Erbstollen“. Dadurch verlor der Stollenbetrieb im Lottental seine Funktion und wurde aufgegeben. Die gesamte Berechtsame umfasste 5 Geviertfelder. Im Jahr 1867 war das Bergwerk in Betrieb, es war ein Schacht vorhanden. Im Jahr 1874 wurde das Bergwerk in Fristen gesetzt und ab dem Jahr 1876 wieder in Betrieb genommen.
Die weiteren Jahre
Im Jahr 1879 wurde das Bergwerk erneut in Fristen gesetzt und im Jahr 1883 wurde die Zeche Vereinigte Gibraltar Erbstollen stillgelegt. Im Jahre 1919 wurde das Bergwerk erneut in Betrieb genommen und ein Förderstollen aufgefahren. Der Stollen befand sich am Nordufer des Kemnader Stausees, vermutlich handelt es sich hierbei um den bereits vorhandenen aber verfallenen Erbstollen, der aufgewältigt wurde. Das Grubenfeld hatte eine Ausrichtung von 1500 Metern streichend und 450 Metern querschlägig.[ANM 1] Im Jahr 1920 waren zwei Tagesüberhauen in Betrieb, die Teufe bis zur Wettersohle betrug 100 Meter. Im Jahr 1921 wurde begonnen, einen seigeren Förderschacht am Nordufer des Kemnader Stausees zu teufen. Im Jahr 1922 erreichte der Förderschacht eine Teufe von 234 Metern. Die tiefste Sohle lag bei einer Teufe von 200 Metern (−127 Meter NN), im gleichen Jahr wurde mit der Förderung begonnen.[3] Die Zeche erreichte zu dieser Zeit ihre höchste Leistungsfähigkeit.[1] Die Abwetter wurden durch mehrere Tagesüberhauen abgewettert. Im Jahr 1924 wurde im Stollenbetrieb zusätzlicher Unterwerksbau betrieben. Am 15. August des Jahres 1925 wurde die Zeche Vereinigte Gibraltar Erbstollen endgültig stillgelegt und soff ab.[3] Im Jahr 1928 kam es zur Konsolidation mit der bereits 1904 stillgelegten Zeche Glückswinkelburg.[2]
Förderung und Belegschaft
Die ersten bekannten Förderzahlen des Bergwerks stammen aus dem Jahr 1867, es wurden 1046 Tonnen Steinkohle gefördert. Im Jahr 1869 wurden 628 Tonnen Steinkohle und eine nicht näher bezifferte Menge Erz gefördert. Die ersten bekannten Belegschaftszahlen des Bergwerks stammen aus dem Jahr 1872, damals waren acht Bergleute auf dem Bergwerk beschäftigt, die eine Förderung von 174 Tonnen erbrachten. Im Jahr 1919 wurden mit 80 Bergleuten 6764 Tonnen Steinkohle gefördert. Im Jahr 1920 stieg die Förderung auf 50.858 Tonnen Steinkohle; diese Förderung wurde mit 270 Bergleuten erbracht. Die maximale Förderung der Zeche wurde im Jahr 1922 mit 548 Bergleuten erbracht, es wurden 117.792 Tonnen Steinkohle gefördert. Die letzten bekannten Förder- und Belegschaftszahlen des Bergwerks stammen aus dem Jahr 1925, als mit 320 Bergleuten 67.834 Tonnen Steinkohle gefördert wurden.[3] Bei den in den 1920er Jahren geförderten Steinkohlen handelte es sich bereits um sogenannte Esskohlen.[2]
Nutzung in der NS-Zeit
Etwa Anfang 1933 zog der Stahlhelm-Bund in das leer stehende Betriebsgebäude und nannte es Duesterberg-Haus – nach Theodor Duesterberg, einem Bundesführer der Vereinigung. Das Gebäude wurde ferner ein Sitz des Reichsarbeitsdienstes, der hier ab dem 8. März 1933 ein Führerschulungslager einrichtete. Es war außerdem auch Standort für eine Bochumer SA-Standarte, die ab Juni 1933 hier eine Führerschule unterhielt.[4]
Politische Gegner, zum Beispiel Gewerkschafter und Sozialdemokraten, wurden teilweise monatelang auf dem Gelände der Zeche Gibraltar gefangengehalten und gefoltert. Hans Mugrauer (1899–1975), ein Bergmann und Gewerkschaftssekretär, berichtete:
- „Wem die Nazis ganz übel mitspielen wollten, den verschleppten sie nach Gibraltar – bald ein gefürchtetes Wort! Es handelte sich um eine stillgelegte, kleine Schachtanlage im südlichen Teil Bochums, die als SA-Kaserne und Folterkammer genutzt wurde.“
Mugrauer floh für viele Jahre ins Ausland. Der Gemeindevorsteher von Querenburg, August Bahrenberg, starb an den Folgen der in der Zeche Gibraltar erlittenen Folter am 3. Mai 1933 im Alter von 53 Jahren.
Nachnutzung
Mindestens bis Anfang 1957 bestand im Hauptgebäude das Flüchtlingsheim Notlager Gibraltar für zuletzt 150 Menschen.[5] Später soll sich eine Riemenfabrik auf dem Gelände befunden haben.[6] Im Jahr 1965 wurde die Berechtsame von der Zeche Herbede übernommen.[7]
Was geblieben ist
Heute steht nur noch das Hauptgebäude der Anlage. Nach einer aufwändigen Renovierung, abgeschlossen 1984, befinden sich hier das Bootshaus der Fakultät für Sportwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum und eine Gaststätte. Eine Gedenktafel erinnert an die jüngere Vergangenheit. Zwischen Zechengebäude und Stollenmundloch steht eine restaurierte ehemalige Grubenlokomotive aus der Zeche mit drei Loren als Denkmal. Seit März 2014 wird die Zeche auch in der Route der Industriekultur, Themenroute Bochum aufgeführt.
Seit April 2021 ist in der oberen Etage eine Eventlocation angesiedelt, deren Inhaberin in der Vergangenheit enge Kontakte zur Nazi-Szene in Nordrhein-Westfalen unterhielt.[8][9]
Lage
- Anschrift: Bootshaus der Ruhr-Universität, Oveneystraße 71, 44797 Bochum
Einzelnachweise
- Der frühe Bergbau an der Ruhr: Zeche Vereinigte Gibraltar (zuletzt abgerufen am 22. Oktober 2012).
- Wilhelm Hermann, Gertrude Hermann: Die alten Zechen an der Ruhr. 4. Auflage. Verlag Karl Robert Langewiesche, Nachfolger Hans Köster KG, Königstein i. Taunus 1994, ISBN 3-7845-6992-7.
- Joachim Huske: Die Steinkohlenzechen im Ruhrrevier. Daten und Fakten von den Anfängen bis 2005 (= Veröffentlichungen aus dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum 144). 3. überarbeitete und erweiterte Auflage. Selbstverlag des Deutschen Bergbau-Museums, Bochum 2006, ISBN 3-937203-24-9.
- Stadt Bochum – Leidenswege - Zeche Gibraltar (zuletzt abgerufen am 22. Oktober 2012).
- Artikel in der WAZ/Bochumer Stadtanzeiger vom 23. Februar 1957.
- Johannes Volker Wagner: Hakenkreuz über Bochum: Machtergreifung und Nationalsozialistischer Alltag. Bochum 1983.
- www.fördergerüste.de: Ver. Gibraltar Erbstollen (zuletzt abgerufen am 22. Oktober 2012).
- Karoline Poll: Kemnader See: Nazi-Vorwürfe gegen neue Restaurant-Pächterin - waz.de. 11. Dezember 2021, abgerufen am 11. Dezember 2021 (deutsch).
- Antifa Klüngel Bochum: Neonazistin betreibt Eventlocation in ehemaliger SA Kaserne “Zeche Gibraltar” in Bochum | Infoportal Antifaschistischer Gruppen aus Bochum. Abgerufen am 11. Dezember 2021 (deutsch).
Weblinks
- Stiepeler Zechen (Memento vom 27. Januar 2014 im Internet Archive)
- Der frühe Bergbau an der Ruhr: Historische Karte um 1840 (abgerufen am 22. Juli 2016)
- Der frühe Bergbau an der Ruhr: Karte der Situation um 2000 (abgerufen am 22. Juli 2016)
- Der frühe Bergbau an der Ruhr: Umgebungskarte (abgerufen am 22. Juli 2016)
- Beschreibung dieser Sehenswürdigkeit auf der Route der Industriekultur (archivierte Version)
Anmerkungen
- Als querschlägig wird die Richtung bezeichnet, die horizontal quer zur Längsachse der Lagerstätte verläuft. (Quelle: Förderverein Rammelsberger Bergbaumuseum Goslar e.V. (Hrsg.): Erzabbau im Rammelsberg.)