Heinrich Kämpchen
Heinrich Wilhelm Kämpchen (* 23. Mai 1847 in Altendorf an der Ruhr; † 6. März 1912 in Linden, heute zu Bochum) war ein deutscher Bergmann und Arbeiterdichter.
Leben
Heinrich Kämpchen war Sohn eines Bergmannes und wurde ebenfalls Bergmann. Über sein Leben ist wenig bekannt. Wir wissen nicht, wie lange er mit seinen Eltern und seinen Geschwistern, einem Bruder und zwei Schwestern, in Altendorf gelebt hat. Die häufige Behauptung, er sei schon mit 13 Jahren auf der Zeche Hasenwinkel in Linden eingefahren, lässt sich nicht belegen. Logische Überlegungen machen dagegen Angaben, er habe nach der Volksschulzeit zwei Jahre Privatunterricht erhalten, zumindest wahrscheinlich. Die Grundlagen seiner sehr guten Allgemeinbildung, seiner Kenntnisse in der Literaturgeschichte, in der Metrik und literarischen Formenlehre kann er kaum im Elternhaus oder in der Volksschule erhalten haben. Wohl aber könnte ein zweijähriger Einzelunterricht die Grundlagen gelegt haben, mit denen er sich später autodidaktisch sein umfangreiches Wissen angeeignet hat.
Unstrittig ist, dass er lange auf Zeche Hasenwinkel gearbeitet hat. Er wird Ende 1889 oder Anfang 1890 vorgeblich wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls entlassen, den er wahrscheinlich zwei Jahre zuvor erlitten hatte. Die wahre Ursache seiner Entlassung dürfte aber seine Teilnahme am Streik der Ruhrbergarbeiter 1889, wo er als Sprecher der Belegschaft seiner Zeche aufgetreten war, sowie die Veröffentlichung des Gedichtes Lumpenparade und ähnlicher Werke gewesen sein. In seinen Entlassungspapieren wird ihm eine Betriebszugehörigkeit von 24 Jahren bescheinigt. Daraus folgt, dass er 1865/1866 erstmals auf Hasenwinkel eingefahren ist. Somit verbleiben zwischen dem Ende des mutmaßlichen Privatunterrichts und seiner ersten Einfahrt auf Hasenwinkel ca. drei Jahre, die er auf einer anderen Zeche zugebracht haben muss. Aufgrund seines Arbeitsunfalls erhält er nach seiner Entlassung eine Rente als Frühinvalide, die wie in jener Zeit üblich, so gering war, dass sie gerade fürs Überleben reicht. Er lebt fortan in großer Armut. Daran änderten auch die bescheidenen Honorare nichts, die er für Veröffentlichungen seiner Gedichte in der Bergarbeiter Zeitung und vereinzelt im „Wahren Jakob“ erhielt.
Zwischen 1872 und 1874 besuchte er die Bergvorschule in Dahlhausen. Obwohl er diese erfolgreich absolvierte, verzichtete er auf seine Fortbildung zum Steiger.
Die durch die Reform des Knappschaftsrechts 1854 hervorgerufene Verschlechterung der Arbeitsbedingungen im Bergbau erlebte H. Kämpchen an seinem Vater und später am eigenen Leib. Schon früh engagierte er sich für die Rechte der Bergleute. Politisch stand er der Sozialdemokratie nahe. Mit Inkrafttreten der Sozialistengesetze 1878 kommt er auf die Schwarze Liste, polizeilichen Überwachungslisten, die im Rahmen der Verfolgung von Sozialdemokraten angelegt worden sind. Obwohl 1890 das Sozialistengesetz seine Gültigkeit verloren hat, bleibt er weiterhin unter Überwachung der Obrigkeit.
H. Kämpchen unterhielt eine freundschaftliche Beziehung zu Georg Breuker, ebenfalls Bergmann und sozialkritischer Dichter. Etwa seit 1877 bis zu seinem Tod lebte H. Kämpchen als Kostgänger bei einer Familie in Linden. Er war zeitlebens nicht verheiratet.
Seit März 2014 wird sein Grab auf dem katholischen Friedhof Linden in der Route der Industriekultur in mehreren Themenrouten aufgeführt.
Literarisches Schaffen
H. Kämpchen war einer der talentiertesten sozialistischen Dichter seiner Zeit, der vor dem Hintergrund der herben Schönheit seines geliebten Ruhrgebiets mit großer Emotionalität die Sorgen und Nöte der Bergarbeiter thematisierte. Vorbild war ihm die engagierte Vormärzlyrik, während er politisch von Ferdinand von Lassalles Schriften beeinflusst wurde. Sein Werk ist gekennzeichnet durch die Bevorzugung einer politischen Lyrik mit deutlichen Bezügen zu tagespolitischen Geschehnissen. Erste Veröffentlichungen erscheinen 1889. Mit der im selben Jahr wöchentlich erscheinenden „Deutschen Bergarbeiter Zeitung“ erhält er ein Forum, das seine Werke regelmäßig veröffentlicht. Er verfasste auch den Text für das „Internationale Knappenlied“, das in sozialistischen Kreisen weite Verbreitung fand.
Sozialkritische Literatur gab es auch schon vor den Veröffentlichungen von H. Kämpchen, aber er ist einer der ersten sozialkritischen Dichter, die selbst dem Arbeitermilieu entstammen. Viele seiner Gedichte geben die Arbeitsbedingungen des Bergmannes so anschaulich-konkret wieder wie es nur ein Autor schildern kann, der selbst unter Tage gearbeitet hat.
Ehrungen
- In Bochum-Linden, Bottrop-Fuhlenbrock, Essen-Burgaltendorf, Hattingen-Welper und Herne-Eickel sind Straßen nach ihm benannt.
- In Bochum-Linden ist eine Hauptschule nach ihm benannt
- Gedenktafel an seinem Wohnhaus in Linden
- Grabstätte auf dem katholischen Friedhof Linden, seit 1989 mit einer von Tisa von der Schulenburg gestalteten Gedenktafel bedeckt
Werke
- Aus Schacht und Hütte. Gedichte. Möller, Bochum 1899.
- Neue Lieder. Gedichte. Hannsmann, Bochum 1904.
- Was die Ruhr mir sang. Hannsmann, Bochum 1909.
- Aus der Tiefe. Hrsg. und eingeleitet von Wilhelm Helf. Hansmann, Bochum 1931.
- Das Lied des Ruhrkumpels. Hrsg. und eingeleitet von Waltraut Seifert und Erhard Scherner. Verlag des Ministeriums für Nationale Verteidigung, Berlin 1960.
- Durch Nacht zum Licht. Gedichte und Lieder aus dem Bergmannsleben 1889–1912. Ausgewählt und eingeleitet von Wilhelm Helf. Hrsg. von der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie. Industriegewerkschaft Bergbau und Energie, Bochum 1962.
- Seid einig, seid einig – dann sind wir auch frei. Hrsg. von Rolf-Peter Carl. Asso-Verlag, Oberhausen 1984, ISBN 3-921541-54-9
- Lesebuch Heinrich Kämpchen. Zusammengestellt und mit einem Nachwort von Joachim Wittkowski, Verlag Aisthesis, 2013, ISBN 978-3-89528-911-8
Literatur
- Heinrich Kämpchen. In: Franz Osterroth: Biographisches Lexikon des Sozialismus. Verstorbene Persönlichkeiten. Bd. 1. J. H. W. Dietz Nachf., Hannover 1960, S. 152–153.
- Kämpchen, Heinrich. In: Lexikon sozialistischer deutscher Literatur.Von den Anfängen bis 1945. Monographisch-biographische Darstellungen Bibliographisches Institut, Leipzig 1964, S. 272–274 (Bibliografie S. 274).
- Fritz Hüser: Kämpchen, Heinrich. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 10, Duncker & Humblot, Berlin 1974, ISBN 3-428-00191-5, S. 727 f. (Digitalisat).
- Rolf-Peter Carl u. a. (Hrsg.): Seid einig, seid einig – dann sind wir auch frei: Gedichte von Heinrich Kämpchen. Asso-Verlag, Oberhausen 1984, ISBN 3-921541-54-9.
- Essener Köpfe – wer war was? Verlag Richard Bracht, Essen 1985, ISBN 3-87034-037-1.
- Chronik des Ruhrgebietes. Chronik-Verlag, Dortmund 1987, ISBN 3-88379-089-3.
- Margrid F. Gantenberg: Gedenktafel für Heinrich Kämpchen, dem Chronisten der Arbeit. In: Forum Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur. 2000, 1, S. 105–106.
- Hugo Ernst Käufer: Kortum & Kämpchen. Zwei Bochumer Dichter. In: derselbe: Lesezeichen. Ausgewählte Essays, Reden und Rezensionen aus fünfzig Jahren. Grupello, Düsseldorf 2001, ISBN 3-933749-70-0.
- Künstlerduo Sago: Das ist Bergmannsleben: ein Hörbuch mit Gedichten des Arbeiterdichters Heinrich Kämpchen, Aisthesis-Verlag, 2013, ISBN 978-3-8498-1037-5
Weblinks
- Literatur von und über Heinrich Kämpchen im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Kurzbiografie zu Heinrich Kämpchen In: Bochumer Persönlichkeiten
- Heinrich Kämpchen im Lexikon Westfälischer Autorinnen und Autoren
- Zum 100. Todestag von Heinrich Kämpchen. Von Jens Dirksen aus der NRZ vom 6. März 2012
- Beschreibung dieser Sehenswürdigkeit auf der Route der Industriekultur (archivierte Version)