Winterkasten
Winterkasten ist ein Stadtteil von Lindenfels im südhessischen Kreis Bergstraße.
Winterkasten Stadt Lindenfels | |
---|---|
Höhe: | 439 m ü. NHN |
Fläche: | 6,35 km²[1] |
Einwohner: | 690 (31. Dez. 2012)[1] |
Bevölkerungsdichte: | 109 Einwohner/km² |
Eingemeindung: | 31. Dezember 1971 |
Postleitzahl: | 64678 |
Vorwahl: | 06255 |
Winterkasten vom Birkenberg aus gesehen |
Geographische Lage
Winterkasten liegt im Vorderen Odenwald nördlich der Kernstadt Lindenfels am Oberlauf des Mergbachs, einem der beiden Quellbäche der Gersprenz. Der Ort liegt am Fuß der bewaldeten Neunkircher Höhe (605 m), die sich im Nordwesten der Ortschaft erhebt. Die Gemarkung erreicht ihren höchsten Punkt mit 590 Meter auf dem langgestreckten Höhenrücken der Neunkircher Höhe in der Nähe des Kaiserturms. Nördlich davon reicht sie bis in die Nachbarschaft des Radarturms mit der Parabolantenne (592 m ü. NN) der Deutschen Flugsicherung (DFS). Auch die Quelle des Mergbachs (früher Gersprenz-Quelle) liegt hier oben in der Waldgemarkung von Winterkasten. Die Eleonorenklinik liegt am Waldrand in 490 Meter Höhe. Nordöstlich der Neunkircher Höhe reicht ein Ausläufer der Gemarkung über die Germannshöhe bis zum Westhang des Rimdidim (498,5 m ü. NN). Im Westen reicht die Gemarkung bis in die Gipfelnähe des Raupensteins (545,3 m ü. NN) und im Südwesten bis auf das Buch (535,3 m ü. NN).
Die nächstgelegenen Ortschaften sind die Kernstadt Lindenfels im Süden, Winkel im Südwesten, Kolmbach im Westen, Neunkirchen im Nordwesten, Laudenau im Nordosten Klein-Gumpen im Osten und Gumpen im Südosten.
Geschichte
Von den Anfängen bis zum 18. Jahrhundert
Der Name Wintercasten bzw. Winterchasto wurde bereits im Jahr 773 in der Grenzbeschreibung der Mark Heppenheim, die ein Verwaltungsbezirk des Frankenreichs bezeichnete, benutzt.[2] Damit war allerdings die Neunkircher Höhe und nicht der heutige Ort Winterkasten gemeint.[3]
Die früheste bekannte Erwähnung des Ortes Winterkasten stammt von 1354, als der Pfalzgraf Rupprecht I. dem Heinrich von Rodenstein ein Gut zu Winterkasten als Lindenfelser Burglehen überlässt. Im 14. bis 16. Jahrhundert vergibt Kurpfalz Lehen über Winterkasten und die Hoheitsrechte wechseln mehrfach zwischen Herren von Rodenstein, den Ulnern von Dieburg, den Grafen von Katzenelnbogen, den Schenken von Erbach und den Pfalzgrafen. Für das 17. Jahrhundert ist dann überliefert, dass unter der Herrschaft von Erbach acht, der Rodensteiner neun und den Ulnern sieben Hausgesessene leben. Die Verwaltung wurde durch das Erbachische Amt Reichenberg ausgeübt.[4]
Auch die Gerichtsbarkeit wurde durch Kurpfalz mehrfach zum Lehen gegeben. Winterkasten gehörte zur Zent Reichelsheim dessen Untergericht den Erbachern und Rodensteinern je zur Hälfte gehörte. Die Grundherrlichkeit wurde für die erbachischen Hubengüter wurde in Laudenau ausgeübt, während die Ulnerschen Güter zusammen mit Klein-Gumpen ein Untergericht bildeten. So ist für 1443 belegt, dass Pfalzgraf Ludwig IV. den Schenken Otto von Erbach mit dem halben Dorf, Gericht, Zehnten usw. belehnte. Im 17. Jahrhundert gehörten zur Erbachischen Zent Reichelsheim die acht Erbachischen und neuen Rothensteiner Hausgesessenen, während für die sieben Ulnerschen Hausgesessenen das Gericht zu Gumpen bei der Mühle zuständig war. Als letzter männlicher Rodensteiner starb 1671 Georg Friedrich von Rodenstein. Teile des Erbes fielen zunächst an Johann Rudolf Victor Freiherr von Pretlack,[5] dessen Nachkommen es 1802 an die Freiherren von Gemmingen-Hornberg verkauften. Somit kamen auch die Rodensteiner Rechte an Winterkasten an die Freiherren von Gemmingen. 1826 trat die Freifrau von Gemmingen die ihr zustehende Patrimonialgerichtsbarkeit an das Großherzogtum Hessen ab und dieses übergibt es 1828 an die Grafen von Erbach-Erbach. Die verbleibenden standesherrlichen Vorrechte wurde erst 1848 nach der Märzrevolution mit dem „Gesetz über die Verhältnisse der Standesherren und adeligen Gerichtsherren“ abgeschafft.[4]
Ab 1544 war in der gesamten Grafschaft Erbach die Reformation eingeführt und im Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) durfte auch Winterkasten, wie der gesamte Odenwald, schwer gelitten haben.[6]
Auch den Zehnten an Winterkasten geben die Pfalzgrafen zu Lehen. Auch hier treten im 14. und 15. Jahrhundert die Schenken zu Erbach, die Herren von Rodenstein sowie die Kreisen von Lindenfels in Erscheinung, wobei letztere den Zehnten zum Afterlehen haben. Für das 17. Jahrhundert ist überliefert, dass die Ulner, Rodensteiner und Erbacher den großen und kleinen Zehnten beziehen „soweit ihre Güter gehen“ und der Pfarrer von Neunkirchen 1/3 des Zehnten hat.[4]
Ende des 18. Jahrhunderts gehörte Winterkasten zum gräflich erbachischen Amt Reichenberg. Das Patrimonialgericht Laudenau, zu dem auch Klein-Gumpen gehörte, hatten allerdings die Freiherren von Gemmingen inne.[7]
Winterkasten wird hessisch
Das ausgehende 18. und beginnende 19. Jahrhundert brachte Europa weitreichende Änderungen. Infolge der Napoleonischen Kriege wurde das Heilige Römische Reich (Deutscher Nation) durch den Reichsdeputationshauptschluss von 1803 neu geordnet. Dieses letzte Gesetzeswerk des alten Reiches setzte Bestimmungen des Friedens von Luneville um und leitete das Ende des alten Reiches ein. Unter Druck Napoléons gründete sich 1806 der Rheinbund, dies geschah mit dem gleichzeitigen Reichsaustritt der Mitgliedsterritorien. Dies führte am 6. August 1806 zur Niederlegung der Reichskrone, womit das alte Reich aufhörte zu bestehen. Am 14. August 1806 erhob Napoleon die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, gegen den Beitritt zum Rheinbund und Stellung hoher Militärkontingente an Frankreich, zum Großherzogtum, andernfalls drohte er mit Invasion. Durch die Rheinbundakte wurde die Grafschaft Erbach mediatisiert und zum größten Teil in das neu gegründete Großherzogtum Hessen eingegliedert, dazu gehörte auch das „Amt Reichenberg“. Das Amt blieb vorerst als standesherrschaftliches Amt erhalten.
Nach der endgültigen Niederlage Napoléons regelte der Wiener Kongress 1814/15 auch die territorialen Verhältnisse für Hessen, daraufhin wurden 1816 im Großherzogtum Provinzen gebildet. Dabei wurde das vorher als „Fürstentum Starkenburg“ bezeichnete Gebiet, das aus den südlich des Mains gelegenen alten hessischen und den ab 1803 hinzugekommenen rechtsrheinischen Territorien bestand, in „Provinz Starkenburg“ umbenannt.
1821/22 wurden im Rahmen einer umfassenden Verwaltungsreform die Amtsvogteien in den Provinzen Starkenburg und Oberhessen des Großherzogtums aufgelöst und Landratsbezirke eingeführt, wobei 1822 Winterkasten zum Landratsbezirk Erbach kam. Im Rahmen dieser Reform wurden auch Landgerichte geschaffen, die jetzt unabhängig von der Verwaltung waren. Für den Landratsbezirk wurden angesichts der Besitzverhältnisse zwei Landgerichtsbezirke geschaffen. Das Landgericht Freienstein mit Sitz in Beerfelden und das Landgericht Michelstadt zu dem auch Winterkasten gehörte. Diese Reform ordnete auch die Verwaltung auf Gemeindeebene neu. So war die Bürgermeisterei in Laudenau auch für Winterkasten zuständig. Entsprechend der Gemeindeverordnung vom 30. Juni 1821 gab es keine Einsetzungen von Schultheißen mehr, sondern einen gewählten Ortsvorstand, der sich aus Bürgermeister, Beigeordneten und Gemeinderat zusammensetzte.[8]
Die Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen berichtet 1829 über Winterkasten:
„Winterkasten (L. Bez. Erbach) luth. Filialdorf; liegt 4 St. von Erbach in einem sehr hohen Thale, und gehört dem Grafen von Erbach-Erbach. Der Ort hat 60 Häuser und 480 Einw., die außer 15 Reform. lutherisch sind. Man findet 3 Mahl-, 2 Oel- und 1 Schneidemühle. Die Gegend ist gewöhnlich noch bis tief in den Mai mit Schnee bedeckt. - Der Ort kommt 773 in der Heppenheimer Markbeschreibung, so wie 1012 in der Beschreibung des Lorscher Wildbanns im Odenwald vor. Er gehörte theils dem Grafen von Erbach-Erbach theils der Freiherr Familie von Gemmingen. Im Jahr 1826 trat die Freifrau von Gemmingen die ihr zu gestandene Patrimonialgerichtsbarkeit an den Staat und dieser dieselbe 1828 wieder an den Grafen von Erbach-Erbach ab. Letzterer Theil gehörte früher zum Ritterkanton Odenwald. Das Ganze war 1806 unter Hess. Hoheit gekommen.“[9]
1832 wurden die Verwaltungseinheiten weiter vergrößert und Kreise geschaffen, wobei die Landratsbezirke mit standesherrschaftlichen Orten, wie der Landratsbezirk Erbach, aber ausgespart blieben. 1842 wurde das Steuersystem im Großherzogtum reformiert und der Zehnte und die Grundrenten (Einnahmen aus Grundbesitz) wurden durch ein Steuersystem ersetzt, wie es in den Grundzügen heute noch existiert.
Im Neuestes und gründlichstes alphabetisches Lexicon der sämmtlichen Ortschaften der deutschen Bundesstaaten von 1845 heißt es:
„Winterkasten b. Erbach. — Dorf, zur evangel. Pfarrei Neunkirchen, resp. kathol. Pfarrei Lindenfels gehörig. 60 H. 480 evangel. E. — Großherzogthum Hessen. — Provinz Starkenburg. — Landrathsbezirk Erbach. — Landgericht Michelstadt. — Hofgericht Darmstadt. — Das Dorf Winterkasten, in einem sehr hohen Thale liegend, gehört zur Standesherrschaft des Grafen von Erbach-Erbach. Der Ort hat 2 Oel-, 1 Schneide- und 3 Mahlmühlen, und hat den Namen nicht mit Unrecht, denn die Gegend ist gewöhnlich noch bis tief in den Mai mit Schnee bedeckt. Uebrigens gehört Winterkasten zu dem Großherzogthume erst seit dem J. 1806.“[10]
Infolge der Märzrevolution 1848 wurden mit dem „Gesetz über die Verhältnisse der Standesherren und adeligen Gerichtsherren“ vom 15. April 1848 die standesherrlichen Sonderrechte endgültig aufgehoben.[11] Darüber hinaus wurden in den Provinzen, die Kreise und die Landratsbezirke des Großherzogtums am 31. Juli 1848 abgeschafft und durch „Regierungsbezirke“ ersetzt, wobei Winterkasten zum Regierungsbezirk Erbach kam. Bereits vier Jahre später, im Laufe der Reaktionsära, kehrte man aber zur Einteilung in Kreise zurück und Winterkasten wurde Teil des neu geschaffenen Kreises Lindenfels.[12]
Die im Dezember 1852 aufgenommenen Bevölkerungs- und Katasterlisten[13] für Winterkasten:[14] Zwei öffentliche Gebäude (Schul- und Rathaus); 60 Wohnhäuser mit 84 Familien und 570 Seelen, davon waren 561 lutheranisch, 6 reformatorisch und 3 katholisch. Von der Bevölkerung wurden weiterhin erfasst die Kinder mit 125 Knaben und 130 Mädchen und die Erwachsene mit 148 Männern und 167 Frauen. Die Beschäftigung wurde angegeben mit 21 Ackerleuten, 25 Gewerbsleute, 6 mit beides zugleich, 30 Taglöhnern und 33 Dienstboten. Die Gemarkung bestand aus 2358 Morgen, davon waren 1130 Morgen Ackerland, 454 Morgen Wiesen und 644 Morgen Wald.
1853 wurde Winterkasten dem Landgericht Fürth zugeordnet.
In den Statistiken des Großherzogtums Hessen werden, bezogen auf Dezember 1867, für das Filialdorf Winterkasten mit eigener Bürgermeisterei, 64 Häuser, 513 Einwohnern, der Kreis Lindenfels, die evangelische Pfarrei Neunkirchen des Dekanats Reinheim und die katholische Pfarrei Lindenfels des Dekanats Heppenheim, angegeben. Die Bürgermeisterei in Winterkasten war außerdem für den Wohnplatz Schleich (5 Häuser, 41 Einw.) zuständig.[15]
Nachdem das Großherzogtum Hessen ab 1871 Teil des Deutschen Reiches war, wurden 1874 eine Reihe von Verwaltungsreformen beschlossen. So wurden die landesständige Geschäftsordnung sowie die Verwaltung der Kreise und Provinzen durch Kreis- und Provinzialtage geregelt. Die Neuregelung trat am 12. Juli 1874 in Kraft und verfügte auch die Auflösung der Kreise Lindenfels und Wimpfen und die Eingliederung von Winterkasten in den Kreis Bensheim.[16]
Zeit der Weltkriege
Am 1. August 1914 brach der Erste Weltkrieg aus, der im ganzen Deutschen Reich der positiven wirtschaftlichen Entwicklung ein Ende setzte. Als nach der deutschen Niederlage am 11. November 1918 der Waffenstillstand unterschrieben wurde, hatte auch Winterkasten viele Gefallene zu beklagen, während der Krieg insgesamt rund 17 Millionen Menschenopfer kostete. Das Ende des Deutschen Kaiserreiches war damit besiegelt und die unruhigen Zeiten der Weimarer Republik folgten, in denen zwischen 1921 und 1930 rund 566.000 Auswanderer versuchten, den schwierigen Verhältnissen in Deutschland zu entfliehen.
Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler Reichskanzler, was das Ende der Weimarer Republik und den Beginn der Nationalsozialistischen Diktatur bedeutete. Vom 9. auf den 10. November 1938 wurden in der sogenannten Reichskristallnacht Synagogen niedergebrannt und die Wohnungen und Geschäfte jüdischer Familien verwüstet.
Die hessischen Provinzen Starkenburg, Rheinhessen und Oberhessen wurden 1937 nach der 1936 erfolgten Auflösung der Provinzial- und Kreistage aufgehoben. Zum 1. November 1938 trat dann eine umfassende Gebietsreform auf Kreisebene in Kraft. In der ehemaligen Provinz Starkenburg war der Kreis Bensheim besonders betroffen, da er aufgelöst und zum größten Teil dem Kreis Heppenheim zugeschlagen wurde. Der Kreis Heppenheim übernahm auch die Rechtsnachfolge des Kreises Bensheim und erhielt den neuen Namen Landkreis Bergstraße.[17][18]
Am 1. September 1939 begann mit dem Einmarsch deutscher Truppen in Polen der Zweite Weltkrieg, der in seinen Auswirkungen noch weit dramatischer war als der Erste Weltkrieg und dessen Opferzahl auf 60 bis 70 Millionen Menschen geschätzt werden. In der Endphase des Zweiten Weltkrieges in Europa erreichen die amerikanischen Verbände Mitte März 1945 den Rhein zwischen Mainz und Mannheim. Am 22. März überquerte die 3. US-Armee bei Oppenheim den Rhein und besetzte am 25. März Darmstadt. In den ersten Stunden des 26. März 1945 überquerten amerikanische Einheiten bei Hamm und südlich von Worms den Rhein von wo sie auf breiter Front gegen die Bergstraße vorrücken. Am 27. März standen die amerikanischen Truppen in Lorsch, Bensheim und Heppenheim und einen Tag später waren Aschaffenburg am Main sowie der westliche und nördlichen Teil des Odenwalds besetzt. Der Krieg in Europa endete mit der bedingungslosen Kapitulation aller deutschen Truppen, die am 8. Mai 1945 um 23:01 Uhr mitteleuropäischer Zeit in Kraft trat.
Das Großherzogtum Hessen war von 1815 bis 1866 ein Mitgliedsstaat des Deutschen Bundes und danach ein Bundesstaat des Deutschen Reiches. Es bestand bis 1919, nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Großherzogtum zum republikanisch verfassten Volksstaat Hessen. 1945 nach Ende des Zweiten Weltkriegs befand sich das Gebiet des heutigen Hessen in der amerikanischen Besatzungszone und durch Weisung der Militärregierung entstand Groß-Hessen, aus dem das Bundesland Hessen in seinen heutigen Grenzen hervorging.
Nachkriegszeit und Gegenwart
Wie die Einwohnerzahlen von 1939 bis 1950 zeigen hatte auch Winterkasten nach dem Krieg viele Flüchtlinge und Vertriebene aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten zu verkraften.
Im Jahr 1961 wurde die Gemarkungsgröße mit 635 ha angegeben, davon waren 196 ha Wald.[18]
Im Zuge der Gebietsreform in Hessen wurde die bis dahin selbstständige Gemeinde Winterkasten am 31. Dezember 1971 auf freiwilliger Basis nach Lindenfels eingemeindet.[19] Für Winterkasten wurde wie für alle nach Lindenfels eingegliederten Orte ein Ortsbezirk mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung eingerichtet.[20]
Gerichte in Hessen
Bis zur Trennung der Rechtsprechung von der Verwaltung nahmen die Ämter beide Funktionen, meist in Personalunion, wahr. Sie hatten in der Regel aber nur die Niedere Gerichtsbarkeit inne. Im Jahr 1826 trat die Familie von Gemmingen ihre Rechte am Patrimonialgericht Laudenau, zu dem Winterkasten gehörte, an den Staat ab. Nach Auflösung des Patrimonialgerichts 1827 nahm die erstinstanzliche Rechtsprechung „provisorisch“ zunächst für ein Jahr das Landgericht Lichtenberg[21], dann ab 1828 das Landgericht Michelstadt wahr[22], ab 1853 das Landgericht Fürth[23], ab 1879 das Amtsgericht Fürth[24], ab 1904 das Amtsgericht Reichelsheim[25] und nach dessen Auflösung 1968 das Amtsgericht Michelstadt.[26]
Territorialgeschichte und Verwaltung im Überblick
Die folgende Liste zeigt im Überblick die Territorien, in denen Winterkasten lag, bzw. die Verwaltungseinheiten, denen es unterstand:[18][27][28]
- vor 1718: Heiliges Römisches Reich, Grafschaft Erbach, Amt Reichenberg
- ab 1718: Heiliges Römisches Reich, Grafschaft Erbach-Erbach, Anteil an der Grafschaft Erbach, Amt Reichenberg
- ab 1806: Rheinbund, Großherzogtum Hessen, Fürstentum Starkenburg, Amt Reichenberg (Standesherrschaft Erbach)
- ab 1815: Deutscher Bund, Großherzogtum Hessen, Provinz Starkenburg, Amt Reichenberg
- ab 1820: Deutscher Bund, Großherzogtum Hessen, Provinz Starkenburg, Amt Reichenberg (Patrimonialgericht von Gemmingen)
- ab 1822: Deutscher Bund, Großherzogtum Hessen, Provinz Starkenburg, Landratsbezirk Erbach (Gemminger Anteil 1827 Landratsbezirk Reinheim, 1828 Landratsbezirk Erbach)
- ab 1848: Deutscher Bund, Großherzogtum Hessen, Regierungsbezirk Erbach
- ab 1852: Deutscher Bund, Großherzogtum Hessen, Provinz Starkenburg, Kreis Lindenfels
- ab 1867: Großherzogtum Hessen, Provinz Starkenburg, Kreis Lindenfels
- ab 1871: Deutsches Reich, Großherzogtum Hessen, Provinz Starkenburg, Kreis Lindenfels
- ab 1874: Deutsches Reich, Großherzogtum Hessen, Provinz Starkenburg, Kreis Bensheim
- ab 1918: Deutsches Reich, Volksstaat Hessen, Provinz Starkenburg, Kreis Bensheim
- ab 1938: Deutsches Reich, Volksstaat Hessen, Landkreis Bergstraße (Im Zuge der Gebietsreform 1938 werden die drei hessischen Provinzen Starkenburg, Rheinhessen und Oberhessen aufgelöst.)
- ab 1945: Amerikanische Besatzungszone, Groß-Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Kreis Bergstraße
- ab 1949: Bundesrepublik Deutschland, Land Hessen (seit 1946), Regierungsbezirk Darmstadt, Kreis Bergstraße
- am 31. Dezember 1970 wurde Winterkasten als Stadtteil in die Stadt Lindenfels eingegliedert.
Einwohnerentwicklung
• 1829: | 480 Einwohner, 60 Häuser[9] |
• 1867: | 513 Einwohner, 64 Häuser[15] |
Winterkasten: Einwohnerzahlen von 1829 bis 2012 | ||||
---|---|---|---|---|
Jahr | Einwohner | |||
1829 | 480 | |||
1834 | 470 | |||
1840 | 493 | |||
1846 | 494 | |||
1852 | 570 | |||
1858 | 504 | |||
1864 | 530 | |||
1871 | 502 | |||
1875 | 517 | |||
1885 | 547 | |||
1895 | 538 | |||
1905 | 691 | |||
1910 | 757 | |||
1925 | 627 | |||
1939 | 632 | |||
1946 | 878 | |||
1950 | 881 | |||
1956 | 703 | |||
1961 | 819 | |||
1967 | 833 | |||
1970 | 792 | |||
1980 | ? | |||
1990 | ? | |||
2000 | 735 | |||
2006 | 748 | |||
2011 | 708 | |||
2012 | 690 | |||
Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: Die Bevölkerung der Gemeinden 1834 bis 1967. Wiesbaden: Hessisches Statistisches Landesamt, 1968. Weitere Quellen: [18]; 2000; 2006; 2012: Stadt Lindenfels aus webarchiv. Zensus 2011[29] |
Religionszugehörigkeit
• 1829: | 465 lutheranische (= 96,88 %) und 15 reformierte (= 3,12 %) Einwohner[9] |
• 1961: | 657 evangelische (= 80,22 %), 157 katholische (= 19,17 %) Einwohner[18] |
Politik
Ortsbeirat
Für Winterkasten besteht ein Ortsbezirk (Gebiete der ehemaligen Gemeinde Winterkasten) mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung. Der Ortsbeirat besteht aus neun Mitgliedern.[20] Nach der Kommunalwahl 2021 setzt er sich aus sechs Vertretern der LWG/CDU und drei Vertretern der SPD zusammen. Nachfolger des langjährigen Ortsvorsteher Alfons Moritz (LWG / 1982–2021) ist Fabian Kopp (LWG / seit 2021).[30]
Wappen
Am 30. Juli 1971 wurde der Gemeinde Winterkasten ein Wappen mit folgender Blasonierung verliehen: Unter einem roten, mit drei silbernen sechsstrahligen Sternen belegten Schildhaupt eine schwarze Scheune (stilisiert) in Gold.[31]
Kultur und Sehenswürdigkeiten
Waldhufenkirche
Etwas abseits der Hauptstraße liegt das „Evangelische Gemeindezentrum Waldhufenkirche“ der Evangelischen Kirchengemeinde Winterkasten/Laudenau. Es wurde 1973 fertiggestellt und umfasst neben einem Kirchensaal im Obergeschoss mehrere Versammlungs- und Funktionsräume. Hauptsehenswürdigkeit ist das „Auferstehungsfenster“ nach dem Entwurf von Manfred Stumpf aus der Glaswerkstatt Peter Hermans, das 2005 entstand.
Regelmäßige Veranstaltungen
Das alljährliche Scheeserenne findet auf dem Sportplatz in Winterkasten statt. Die Aufgabe ist es dabei, selbstgebaute Rennwagen und Autos über einen Hindernisparcours zu steuern und diesen heil zu überstehen. Die Veranstaltung lockt jährlich viele Zuschauer und Besucher in den kleinen Ort.
Natur und Schutzgebiete
Die gefasste Quelle des Mergbachs ist als Naturdenkmal „Gersprenzquelle“ geschützt.[32] Der Verlauf des Mergbachs mit seinen Zuflüssen ist Teil des Natura2000-Schutzgebiets „Oberläufe der Gersprenz“ (FFH-Gebiet DE 6319-302).[33]
Wirtschaft und Infrastruktur
Eleonorenklinik
Durch die Eleonorenklinik ist Winterkasten ein weitbekannter Luftkurort. Sie ist eine Reha-Klinik, die sich auf die Behandlung hauptsächlich von Stoffwechselerkrankungen und gastroenterologischen Erkrankungen spezialisiert hat.
Auf dem Gelände der Eleonorenklinik befindet sich außerdem ein Bildungszentrum der Deutschen Rentenversicherung Hessen, das sowohl für Ausbildungs- und Weiterbildungszwecke der Mitarbeiter der Deutschen Rentenversicherung Hessen genutzt wird.
Literatur
- Heribert Reus: Gerichte und Gerichtsbezirke seit etwa 1816/1822 im Gebiete des heutigen Landes Hessen bis zum 1. Juli 1968. Hg.: Hessisches Ministerium der Justiz, Wiesbaden [1984].
Weblinks
- Winterkasten. In: Webauftritt der Stadt Lindenfels.
- Winterkasten, Landkreis Bergstraße. Historisches Ortslexikon für Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Literatur über Winterkasten In: Hessische Bibliographie[34]
Einzelnachweise
- Zahlen, Daten, Fakten. In: Webauftritt. Stadt Lindenfels, abgerufen im Oktober 2019.
- Karl Josef Minst [Übers.]: Lorscher Codex (Band 1), Urkunde 6a, Über die Mark Heppenheim. In: Heidelberger historische Bestände – digital. Universitätsbibliothek Heidelberg, S. 58, abgerufen am 4. Mai 2019.
- Regesten der Stadt Heppenheim und Burg Starkenburg bis zum Ende Kurmainzer Oberherrschaft (755 bis 1461). Nr. 5 (Digitale Ansicht [PDF; 2,0 MB] Im Auftrag des Stadtarchivs Heppenheim zusammengestellt und kommentiert von Torsten Wondrejz).
- Wilhelm Müller: Hessisches Ortsnamensbuch: Starkenburg. Hrsg.: Historische Kommission für den Volksstaat Hessen. Band 1. Selbstverlag, Darmstadt 1937, DNB 366995820, OCLC 614375103, S. 752 f.
- Pretlack, Johann Rudolf Victor Freiherr von. Hessische Biografie. (Stand: 10. Juli 2010). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS)..
- Alice Selinger: Odenwald, Bergstraße: Kultur & Genuss. Peter Mayer Verlag, Frankfurt 2005, ISBN 978-3-89859-300-7, S. 10 f. (Teilansicht [PDF; 156 kB; abgerufen am 12. März 2014]).
- Reus, [ohne Seitenzählung] Abschnitt: Standesherrliche Ämter und Patrimonialgerichte bis 1820 in Starkenburg.
- M. Borchmann, D. Breithaupt, G. Kaiser: Kommunalrecht in Hessen. W. Kohlhammer Verlag, 2006, ISBN 3-555-01352-1, S. 20 (Teilansicht bei google books).
- Georg Wilhelm Justin Wagner: Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen: Provinz Starkenburg. Band 1. Carl Wilhelm Leske, Darmstadt Oktober 1829, OCLC 312528080, S. 264 (Online bei google books).
- Johann Friedrich Kratzsch: Neuestes und gründlichstes alphabetisches Lexicon der sämmtlichen Ortschaften der deutschen Bundesstaaten. Teil 2. Band 2. Zimmermann, Naumburg 1845, OCLC 162810705, S. 798 (Online bei google books).
- Gesetz über die Verhältnisse der Standesherren und adeligen Gerichtsherren vom 7. August 1848. In: Großherzog von Hessen (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1848 Nr. 40, S. 237–241 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 42,9 MB]).
- Verordnung, die Eintheilung des Großherzogtums in Kreise Betreffend vom 12. Mai 1852. In: Großherzoglich Hessisches Ministerium des Inneren (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt 1852 Nr. 30. S. 224–229 (Online bei der Bayerischen Staatsbibliothek digital [PDF]).
- Wolfgang Torge: Geschichte der Geodäsie in Deutschland. Walter de Gruyter, Berlin, New York 2007, ISBN 978-3-11-019056-4, S. 172 (Teilansicht bei google books).
- Archiv für hessische Geschichte und Altertumskunde, Band 8, S. 505 ff, Historischer Verein für Hessen, Hessisches Staatsarchiv (Darmstadt) (Online bei google books)
- Ph. A. F. Walther: Alphabetisches Verzeichniss der Wohnplätze im Grossherzogtum Hessen. G. Jonghaus, Darmstadt 1869, OCLC 162355422, S. 96 (Online bei google books).
- Martin Kukowski: Hessisches Staatsarchiv Darmstadt: Überlieferung aus dem ehemaligen Grossherzogtum und dem Volksstaat Hessen. Band 3. K.G. Saur, 1998, ISBN 3-598-23252-7.
- Schlagzeilen aus Bensheim zum 175-jährigen Bestehen des „Bergsträßer Anzeigers“. (PDF; 9,0 MB) Die Entstehung des Kreises Bergstraße. (Nicht mehr online verfügbar.) 2007, S. 109, archiviert vom Original am 5. Oktober 2016; abgerufen am 9. Februar 2015.
- Winterkasten, Landkreis Bergstraße. Historisches Ortslexikon für Hessen (Stand: 7. Januar 2014). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS). Hessisches Landesamt für geschichtliche Landeskunde (HLGL), abgerufen am 10. März 2014.
- Karl-Heinz Gerstemeier, Karl Reinhard Hinkel: Hessen. Gemeinden und Landkreise nach der Gebietsreform. Eine Dokumentation. Hrsg.: Hessischer Minister des Inneren. Bernecker, Melsungen 1977, DNB 770396321, OCLC 180532844, S. 212.
- Hauptsatzung. (PDF; 37 kB) § 5. In: Webauftritt. Stadt Lindenfels, abgerufen im September 2019.
- Bekanntmachung, die Abtretung der Patrimonial-Gerichtsbarkeit der Freifrau von Gemmingen in den Ortschaften Laudenau, Kleingumpen und Winterkasten an den Staat betreffend vom 9. Februar 1827. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 6 vom 2. März 1827, s. 33.
- Reus, [ohne Seitenzählung] Abschnitt: Landgericht Lichtenberg.
- Bekanntmachung, 1. die Errichtung neuer Landgerichte zu Darmstadt und Waldmichelbach,
2. die künftige Zusammensetzung der Stadt- und Landgerichtsbezirke in der Provinz Starkenburg betreffend vom 20. Mai 1853. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 19 vom 26. April 1853, S. 221–230 (223f). - §§ 1, 3 Verordnung zur Ausführung des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes und des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze vom 14. Mai 1879. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 15 vom 30. Mai 1879, S. 197f.
- Bekanntmachung, die Errichtung eines Amtsgerichts in Reichelsheim i. O. betreffend vom 1. März 1904. In: Großherzogliches Ministerium der Justiz (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1904 Nr. 6, S. 84 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 2,9 MB]).
- Zweites Gesetz zur Änderung des Gerichtsorganisationsgesetzes (Ändert GVBl. II 210–16) vom 12. Februar 1968. In: Der Hessische Minister der Justiz (Hrsg.): Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen. 1968 Nr. 4, S. 41–44, Artikel 2, Abs. 1 d) (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 298 kB]).
- Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation. In: treemagic.org. 2006 .
- Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 1. Großherzoglicher Staatsverlag, Darmstadt 1862, DNB 013163434, OCLC 894925483, S. 43 ff. (Online bei google books).
- Ausgewählte Daten über Bevölkerung und Haushalte am 9. Mai 2011 in den hessischen Gemeinden und Gemeindeteilen. (PDF; 1,8 MB) In: Zensus 2011. Hessisches Statistisches Landesamt
- Ortsbeiräte nach der Kommunalwahl 2021. (PDF; 75 kB) In: Webauftritt. Stadt Lindenfels, Dezember 2021, abgerufen im Februar 2022.
- Genehmigung eines Wappens der Gemeinde Winterkasten, Landkreis Bergstraße vom 30. Juli 1971. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1971 Nr. 33, S. 1349, Punkt 1195 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 5,5 MB]).
- Liste der Naturdenkmale des Kreises Bergstraße. (PDF; 4,82 MB) Der Kreisausschuss des Kreises Bergstraße -untere Naturschutzbehörde-, 30. November 2011, abgerufen am 29. April 2021.
- 6319-302 Oberläufe der Gersprenz, Natura 2000 - Verordnung FFH-Gebiet. Regierungspräsidium Darmstadt, abgerufen am 29. April 2021.
- Info: Bitte auf Vorlage:HessBib umstellen, um auch nach 2015 erfasste Literatur zu selektieren!