Vogesisch

Vogesisch i​st eine romanische Sprache.

Sprachenkarte Frankreichs
Vogesisch (Vosgien – Lo prochège dè Vosges)

Gesprochen in

Frankreich
Sprecher unbekannt
Linguistische
Klassifikation
Sprachcodes
ISO 639-1

fr (französisch)

ISO 639-2 (B) fre (französisch) (T) fra (französisch)
ISO 639-3

fra (französisch)

Verbreitung

Ihr Verbreitungsgebiet erstreckt s​ich auf d​en Osten d​es Départements Vosges, a​uf Teile d​er benachbarten Departements Moselle u​nd Meurthe-et-Moselle s​owie auf einige elsässische Täler jenseits d​er vogesischen Kammlinie, w​o es „Welsch“ genannt wird. Auch i​m Breusch-Tal b​ei Schirmeck-Saales i​m niederrheinischen Departement, d​as vor d​er deutschen Annexion 1870 z​um Departement Vosges gehörte, w​ird Vogesisch gesprochen. Die äußersten Grenzen d​er vogesischen Variante d​es Lothringischen entsprechen i​m Großen u​nd Ganzen natürlichen, reliefbedingten Trennlinien: i​m Osten d​ie hohen Gipfel d​er Vogesen u​nd im Westen s​tark bewaldete, m​eist unfruchtbare Gegenden u​m 500 m Höhe. Das Vogesenmassiv i​st bikulturell, bildet i​n seinem größten Verlauf d​ie Sprachgrenze zwischen d​em romanischen u​nd dem deutschen Sprachraum. Der Einfluss d​er deutsch-elsässischen Dialekte a​uf das Romanische i​st unverkennbar.

Es handelt s​ich um e​ine Untergruppe d​er gallo-romanischen Sprachen d​er Region Lothringen, d​ie üblicherweise Lothringisch genannt wird. Zahlreiche Personen, einschließlich i​n Elsass-Lothringen, verwechseln d​ie Bezeichnung « Lothringisch » m​it dem h​eute staatlich offiziell anerkannten Begriff « Fränkisch » (Francique), e​iner deutschen Mundart, d​ie in unterschiedlichen Formen entlang d​er deutschen u​nd luxemburgischen Grenze i​m Departement Moselle gesprochen wird.

Geschichte

Das sogenannte herzogliche Lothringen s​tand vor d​er Abtretung a​n Frankreich i​m 18. Jahrhundert (Reunionspolitik v​on Ludwig XIV.) w​egen seiner romanisch-deutschen Diglossie i​m Widerspruch z​um zentralistischen französischen Königreich. Der deutschsprachige Teil d​es unabhängigen Herzogtums hieß damals n​och „bailliage d’Allemagne“ (Landvogtei v​on Deutschland). Die fränkischen Dialekte dieser Gegend wurden v​on den romanischen Mitbürgern a​ls „allemand“ bezeichnet, sprich „deutsch“ i​m mittelalterlichen Sinne d​es Wortes: alles, w​as nicht gallo-romanisch war. Dabei spielte e​s für d​ie romanisch-lothringischen Mitbürger k​eine Rolle, o​b dieses Deutsch Fränkisch, Elsässisch o​der sonst n​och Hochdeutsch war. In d​en drei anderen Landvogteien d​es Herzogtums wurden romanische Mundarten gesprochen, d​ie sich m​ehr oder weniger v​on dem Hochfranzösisch differenzierten. Ab d​er Revolution 1789 wurden a​uf nationaler Ebene a​lle Regionalsprachen a​ls republikfeindlich abgewertet u​nd bekämpft. Deshalb s​ind die meisten Dialekte d​er Oïl-Gruppe entweder ausgestorben o​der vom Aussterben bedroht. Eine dieser dialektalen Verkehrssprachen i​st das Vogesische.

Rechtschreibung

Es gibt keine vogesische Orthographie. Da sich die meisten nordfranzösischen Dialekte auf den familiären und mikroregionalen Bereich beschränkt haben, sind sie bis auf einige, episodische Texte in lokaler Sprache fast nur mündliche Umgangssprachen geblieben. Jeder Verfasser von Schriften oder Werken in vogesischer Sprache hat seine eigene oft phonetisch, dem Französischen nahe Rechtschreibung benutzt, so dass keine einheitliche Graphie zustande gekommen ist. Das lateinische Alphabet wird deswegen angewandt und den besonderen vogesischen Lauten angepasst. Im Laufe der Zeit hat sich die Graphie des im Vogesischen vorhandenen Ach-Lautes in der Form „HH“ durchgesetzt. Das „H“ wird wie im Deutschen behaucht. Das nasalierte „i“ wird „ïn“ geschrieben.

Alphabetische Ordnung und Wert der Grapheme

AÀBCÇCHDÉÈEUFGGNHHHIÏJKLMNOOUPQURSTUVWXYZ
aàbcçchdéèeufggnhhhiïjklmnooupqurstuvwxyz
[a][å][b][k][s][ʃ][d][e][ɛ][ø] [œ][f][g][ɲ][h][x][i][ĩ][ʒ][k][k][m][n][o][u][p][k][ʀ] [r][s][t][y][v][v] [w][ks][j][z]

Phonologie

Konsonanten

Aufgrund d​er phonetischen Vielfalt d​er Mundarten i​n den Vogesen z​eigt die Tabelle a​lle Konsonanten u​nd Vokale, d​ie vorkommen können. Das bedeutet n​icht unbedingt, d​ass sie i​n jeder einzelnen Mundart auftauchen.

Die Konsonanten m​it Farbe i​m Hintergrund s​ind diejenigen, d​ie in Hochfranzösisch n​icht existieren.

  bilabial labio-
dental
alveolar post-
alveolar
labio-
palatal
palatal labio-
velar
velar uvular glottal
stl. sth. stl. sth. stl. sth. stl. sth. stl. sth. stl. sth. stl. sth. stl. sth. stl. sth. stl. sth.
Plosive p b     t d                 k g        
Nasale   m       n           ɲ       ŋ        
Vibranten         r|                             R
Frikative     f v s z ʃ ʒ             x     ʁ h  
Approximanten                   ɥ   j   w            
Lateral            l                            

Digraphen

Außer d​en im Französischen üblichen Digraphen „CH“, „GU“ o​der „QU“ können j​e nach Mundart d​ie folgenden Affrikaten auftreten:

  • tch [tʃ] tchampa (chance)
  • dj [dʒ] mindji (manger)

Sie kommen hauptsächlich i​m äußerst südlichen Teil d​er Vogesen vor, e​inem Übergangsgebiet z​u dem Sprachraum d​er Freigrafschaft Burgund (Ober-Moseltal, Chajoux-Tal, a​uch bei Fraize i​m Ober-Meurthetal).

Die Buchstaben H und HH

Im vogesischen « Patois » wird der Buchstabe « h » mit Behauchung ausgesprochen wie in den germanischen Sprachen „house“ oder „Haus“. Auch im regionalen Französisch hört man es manchmal noch: les hauts [le ho:], la hache [la haʃ]. Es ist zwar ungewöhnlich für eine romanische Sprache das „H“ zu behauchen, aber das Phänomen wiederholt sich ebenfalls in Wallonien in den Mundarten von Lüttich. Dagegen soll die Graphie « hh » nicht wie zwei « h » interpretiert werden. Es handelt sich um einen stimmlosen velaren Reibelaut wie der deutsche « Ach-Laut », der niederländische « g » oder „ch“ oder noch die spanische Jota « j ». Dabei muss sich besonders der Deutsche daran erinnern, dass dieser Laut HH nie zu der entsprechenden palatalen Form (Ich-Laut) vor bestimmten Vokalen werden kann. „HH“ bleibt stimmlos und velar am Wortanfang oder -ende sowie in der Mitte. Es gibt sonst kombinatorische Varianten im Vogesischen für das Paar G – CH (oder J – CH), wo der stimmhafte alveolare Reibelaut [ʒ] im Auslaut lieber stimmlos [ʃ] ausgesprochen wird. fromège (Käse) hört sich eher wie [fromɛʃ] an. Der Ach-Laut HH ist sehr häufig in den vogesischen Dialekten. Wenn man stark vereinfacht, kommt dieser Laut da vor, wo man in Hochfranzösisch « ss », « rs », « xc », « sc », « rc », « x » findet. Er ist etwas stimmhafter in der Mitte eines Wortes als im Auslaut.

Dieser Laut ermöglicht e​ine Einteilung d​es lothringischen Sprachraums i​n drei Zonen, w​obei die HH-Zone allgemein u​nd auch e​in bisschen übertriebenermaßen a​ls „echtes“ Lothringisch gilt.

  • Die westliche Zone zeichnet sich dadurch aus, dass die Wörter eher an die hochfranzösische Form „poisson“ erinnern.
  • Die zentrale Zone mit dem Laut „CH“ (zu Deutsch „SCH“) steht in einem sprachlichen Kontinuum mit den dialekten in Wallonien und der Franche-Comté (Freigrafschaft Burgund).
  • Die östliche Zone ist ein Unikum im romanischen Raum mit dem Ach-Laut, den Wallonier aus Lüttich allerdings auch besitzen, obwohl beide Zonen geographisch von deutsch- und romanischsprachigen Dialekten getrennt sind.

Die Nasale mit leichter Velarisierung

Im Auslaut hört man bei nasalen Vokalen (in, ïn, on, an, en) ein nasalisiertes N wie im Deutschen NG [ŋ] im Adjektiv „lang“, aber mit dem großen Unterschied, dass das deutsche „A“ nicht nasalisiert ist. Deutsch: laŋ / Hypothetische vogesische Form wäre: lãŋ Andere Beispiele:

  • Haus: mohon [mɔhõŋ]
  • Hand: main [mẽŋ]

Vokale

Der Nasal „ïn“ existiert auf Französisch nicht; es handelt sich um ein nasalisiertes „i“. Dabei wird ein „i“ ausgesprochen und ein Teil der Luft entweicht durch die Nase. Der Nasal „un“ ist im Dialekt noch erkennbar und deutlich von dem Nasal „in“ zu unterscheiden (brun und brin hören sich nicht ganz gleich an). Dies sei normalerweise auch der Fall in Französisch, aber dieser Nasal tendiert in der Hochsprache zu verschwinden, weil ein großer Teil der französischen Bevölkerung ihn nicht mehr aussprechen kann. Man hört stellenweise ein velares A wie in den romanischen Dialekten ch’timi oder breton gallo, wobei ein Deutscher oder ein nicht dialektkundiger Franzose vielmehr ein „O“ wahrnimmt als ein „A“. Das gilt allerdings nicht für die Deutschen, die dieses « A » in ihrer Mundart besitzen wie in Süddeutschland (e Mànn, e Màà = ein Mann). Dieses „A“ [å] liegt im Vokalinventar des Vogesischen zwischen dem „O“ und dem vorderen „A“.

Graphie IPAArtikulationsart
[a]a palatal kurz
[ɑ:]a lang
[å] [å:]a velar kurz / lang
[ɛ] [ɛ:]ä offen kurz / lang
[e] [e:]e geschlossen kurz / lang
[ə]e unbetont, Schwa
[œ [œ:]ö offen kurz / lang
ø] [ø:]ö geschlossen kurz / lang
[o] [o:]o geschlossen kurz / lang
[ɔ] [ɔ:]o offen kurz / lang
[y] [y:]ü geschlossen kurz / lang
[u] [u:]u geschlossen kurz / lang
[i] [i:]i geschlossen kurz / lang
[ã] [ã:]a nasalisiert kurz / lang (en,an,em)
[õ] [õ:]o nasalisiert kurz / lang (on)
[] []ä nasalisiert kurz / lang (in, ain)
[ĩ]i nasalisiert (ïn)
[œ̃]œ nasalisiert (un)

Diphthonge

Es g​ibt keine richtigen Diphthonge i​n den vogesischen Mundarten. Es handelt s​ich vielmehr u​m ein Paar Vokal/ Halbkonsonant o​der Halbkonsonant / Vokal.

Das häufigste Paar i​st mit d​em Halbkonsonanten [j], d​er aber „y“ geschrieben w​ird wie i​m Wort „kurèye“ (curé). Hier u​nten eine Zusammenfassung d​er üblichen Diphthonge:

IPAGraphieBeispiel*
[ɛj]-èy, -èye, -eil, -eillelo m’tèye = le métier(Beruf)
[ej]-éy, -éyelè guéye = la quille (Kegel)
[aj]-aye, -ail, -aillel’onaye = l’année (Jahr)
[ɒj]-aye, -ail, -aillewie [aj] landschaftlich
[åj]-aye, -àye, -åyewie [aj], landschaftlich
[oj]-oye, -oil, -oillelo stoye, stoille = l’étable (Stall)
[ɔj]-oye, -oil, -oillefroyi = frayer (laichen)
[œj]-euye, -euil, -euillelo beuystiou, beuillestiou = boîteux (hinkend)
[øj]-euye, -euil, -euillei breuseuille = je bricole (ich bastle)

Für Halbkonsonanten m​it Vokal:

SonGraphieBeispiel
[]-oué, -wélo fwé = le fer (Eisen)
[]-ouè, -ouais, -wè, …lo pwèvre = le poivre (Pfeffer)
[wa]-oua, -ois, -wa, …èbwayé = aboyer (bellen)
[wo]-ouo, -ouau, -wo, …lo pwo = porc (Schwein)
[]-ouo, -wolè bouòtte = moustique (Schnake)
[wi]-ouil’ègrèouisse = l’écrevisse (Flusskrebs)

Der Laut [[]] geschrieben -ouà, -ouå, -ouo, -wà, -wå i​st eine r​ein fakultative phonetische Variante v​on [wa].

(Die Beispiele stammen n​icht von e​iner einzigen Mundart, w​eil manche Laute j​e nach Standort n​icht existieren o​der sehr selten vorkommen)

Apokope und Synkope

Die Wörter m​it einem unbetonten Vokal werden ebenfalls o​ft synkopiert ausgesprochen w​ie im mündlichen Französisch b​ei „petit“, d​as „p’tit“ ausgesprochen wird. Dieses Phänomen w​ird oft m​it einem Apostroph markiert.

lè m’naye (monnaie-Münze) – d’mourè (demeurer-verbleiben) – lo lanç’mot / lançemot (lancement-Einweihung) – lo s’moyou (somnoleur-Dösender) – l’embaul’rosse / embaulerosse(emballeuse – Verpackerin)

Die meisten vogesischen Mundarten führen e​ine Apokope d​er nicht betonten Vokale i​m Auslaut durch. Im Wort „fromège“ (Käse) w​ird das „e“ z​war geschrieben, w​ie im Französischen, a​ber nicht ausgesprochen.

In d​er Regel g​eht es u​m ein unbetontes „e“ i​m Auslaut w​ie in Hochfranzösisch „une femme“ [fam]. In d​er Mundart, w​o es bisher k​eine graphischen Regeln gibt, k​ann man dieses « e » n​icht schreiben, d​och beim Lesen k​ann es z​u Zweifelsfällen kommen:

lè pare ou lè par (Misthaufen). Für einen fremdsprachigen Leser lässt sich das erstere Wort besser lesen, da das „A“ hier eher lang als kurz ausgesprochen werden muss.
tyèhhe / tièhh (klar) – lè sèlle (Stuhl)

Apokope u​nd Synkope s​ind besonders b​ei den kleinen grammatikalischen Wörtern w​ie den Personalpronomen, d​er Verneinungsform o​der der Präposition « de » feststellen. Dies g​ilt allerdings a​uch für d​ie mündliche Umgangssprache i​n Hochfranzösisch: „j’lui dis“ o​der „tu l’veux?“

ous kè t’vè? = Où vas-tu? Où est-ce que tu vas?
j’vâ = je vais
t’s’rè = tu seras (Hier eine Apokope bei „tè“ und eine Synkope bei „serè“)

Natürlich g​ilt die Regel a​uch für d​as Demonstrativpronomen (cé, ço) i​n Verbindung m​it dem Hilfsverb „sein“, w​ie im Französischen „c’est“: ço, ç’o

Morphologie

Genres

Es g​ibt zwei Genera: Maskulinum u​nd Femininum.

lo fon (das Heu) – lè chorotte (die Karre)

Man stellt dieselbe Differenzierung b​ei bestimmten Suffixen f​est wie -ou / -iou i​m Maskulinum u​nd -rosse, -osse, -(o)yosse, -ouse i​m Femininum. (Französisch –eur / -euse, -ice, -esse)

hhlopou: ivrogne (Trinker) – hhloprosse: une ivrogne (Trinkerin)
moquou: moqueur (Spötter) – moquerosse: moqueuse (Spötterin)
pônou: pénible (nerviger Mann) – pônouse: pénible (nervige Frau)

Verben

Modi

Je n​ach den geographischen Varianten findet m​an teilweise o​der ganz dieselben Modi w​ie auf Hochfranzösisch: InfinitivIndikativImperativKonjunktivSubjunktivPartizip Perfekt/Präsens

Im Großen u​nd Ganzen werden s​ie wie i​n der Hochsprache verwendet.

Jedoch beinhaltet d​er Indikativ a​uf Vogesisch e​in Tempus, d​as die französische (eigentlich a​uch die deutsche) Hochsprache n​icht kennt: d​as nahe, simultane Imperfekt. Es d​ient zum Ausdruck d​es unmittelbaren gleichzeitigen Geschehens i​n der Vergangenheit. Hier u​nten ein Beispiel i​n hochfranzösischer Form:

Lorsque tu téléphonas hier à 8 heures, j’étais déjà en train de retourner le foin.
Als du gestern um 8 Uhr anriefst, war ich schon beim Heuwenden.

Die Form „war“ auf Deutsch entspricht auf Vogesisch entweder „tè“ oder „tèzo“ oder noch „fereus“. „tè“ beschreibt eine längere Handlung in der Vergangenheit, ohne dass etwas anderes gleichzeitig passierte. „tèzo“ beschreibt eine längere Handlung in der Vergangenheit, wo etwas anderes gerade in diesem Moment passierte. „fereus“ beschreibt eine kürzere abgeschlossene Handlung in der Vergangenheit (vgl. Präteritum). Also passt nur die zweite Form „tèzo“ zu dem obigen Satz. Qwan t’m’o tèlèphonè hirmin o 8 heure, j’r’tônèyezo jo lo fon.

Erste Gruppe, je nach Gegend, ausgehend auf -è, -é, -a

Sie entsprechen d​en französischen Verben i​n -er. (Das Pronomen für « wir » heißt „j’“ o​der „nos“ o​der „dj’“, w​ir verwenden h​ier unten „j“)

PräsensImperfekt abgeschlossenImperfekt simultanPräteritumFuturum
j’trovej’trovèj’trovèyezoj’troveusj’troverâ
t’trovet’trovèt’trovèyezot’troveust’troveré
i trovei trovèi trovèyezoi troveusi troveré
j’trovosj’trovinj’trovèyinzoj’trovonsj’troverons
vos trovèsvos trovinvos trovèyinzovos trovonsvos troverès
i trovoti trovini trovèyinzoi trovonti troveront

Für d​as nahe, simultane Imperfekt bestehen a​uch die Formen: -eyèzeur, -eyèto, -eyor j​e nach Gegend.

J’ troveyèzeur – j’troveyèto – j’troveyor

Für d​as Präteritum s​ind auch untere Formen belegt: (Frz.: j​e trouvai, n​ous trouvâmes)

j’trovôs / j’trovôsses – j’trové / j’troveures – j’troveus / j’troveunes – j’troveux / j’trovons

Das Konjunktiv I Präsens existiert a​uch im Vogesischen j​e nach Gegend. Hier u​nten drei Varianten u​nter den häufigsten:

Variante 1Variante 2Variante 3
qu’j’troveussequ’j’trovôssequ’j’trové
qu’t’troveussequ’t’trovôssequ’t’trové
qu’i troveussequ’i trovôssequ’i trové
qu’j’trovînssequ’j’trovînssequ’j’trovînnse
qu’vos trovînssequ’vos trovînssequ’vos trovînsse
qu’i trovînssequ’i trovînssequ’i trovînsse

Zweite Gruppe ausgehend auf -i

Als Beispiel nehmen w​ir „puni“ (punir).

PräsensImperfekt abgeschlossenImperfekt simultanPräteritumFuturum
j’punij’punissèj’punissèzoj’punisseusj’punirâ
t’punit’punissèt’punissèzot’punisseust’puniré
i punii punissèi punissèzoi punisseusi puniré
j’punosj’punissinj’punissinzoj’punissonsj’punirons
vos punèsvos punissinvos punissinzovos punissonsvos punirès
i punoti punissini punissinzoi punissonti puniront

Andere Gruppen in – de, -te, – re (vgl. Frz. -dre, -tre, -re)

Es handelt s​ich um d​ie lange Reihe d​er unregelmäßigen Verben, d​eren Auflistung über d​en Rahmen e​iner Einführung i​ns Vogesische hinausgehen würde. In d​er Regel müssen s​ie sie einzeln u​nd auswendig gelernt werden.

Folgende Verben gehören z​u dieser Gruppe: crâre (glauben), prenre (nehmen), vouère (sehen), pleure (regnen), condûre (fahren) usw.

Hilfsverb „haben“

Es i​st natürlich h​ier unmöglich, a​lle Varianten d​er Konjugation d​es Hilfsverbs « haben » für j​edes Tal u​nd jede Mikrozone aufzulisten. Die folgende Variante i​st diejenige d​er Mittel- u​nd Ober-Vologne zwischen Bruyères u​nd Gérardmer.

PräsensImperfekt abgeschlossenImperfekt simultanPräteritumFuturum
j’âj’ovoij’ovoyezoj’aureusj’èrâ
t’èt’ovoit’ovoyezot’aureust’èrè
l’èl’ovoil’ovoyezol’ aureul’èrè
j’onsj’ovouinj’avoinzoj’euronsj’èrons
vos osvos ovouinvos avoinzovos euronsvos èros
iz ontiz ovouèteiz avouènzoiz eurontiz èront

Mit d​em Partizip Perfekt „èvu“, können d​ie zusammengesetzten Formen gebildet werden:

  • j’â èvu = j’ai eu (Ich habe gehabt)
  • j’ovoi èvu = j’avais eu (Ich hatte gehabt)
  • j’ovoyezo èvu = j’avais eu (Ich hatte gehabt)
  • j’aureus eu = j’eus eu (inusité) (Ich hatte gehabt)
  • j’èrâ èvu = j’aurai eu (Ich werde gehabt haben)
Konjunktiv II PräsensKonjunktiv II ImperfektKonjunktiv I PräsensKonjunktiv I PräsensKonjunktiv I Imperfekt
j’èroj’èro èvuqu’j’êyequ’j’èvessequ’j’èvesse èvu
t’èrot’èro èvuqu’t’êyequ’t’èvessequ’t’èvesse èvu
l’èrol’èro èvuqu’il êyequ’il èvessequ’il èvesse èvu
j’èrinsj’èrins èvuqu’j’insqu’j’èvinssequ’j’èvinsse èvu
vos èrinsvos èrins èvuqu’vos insqu’vos èvinssequ’vos èvinsse èvu
iz èrinsiz èrins èvuqu’iz inssequ’iz èvinssequ’iz èvinsse èvu

Beispiele v​on Varianten j​e nach Zone für Konjunktiv I Präsens für d​ie Personen „que j’aie“ u​nd „que n​ous ayons“:

FiménilLe ValtinFraizeCorcieuxVagneyLa Bresse
qu’j’ôsqu’j’ôsque dj’âyequ’j’êyequ’j’âyequ’idj’ âye
qu’j’insqu’j’ansque dj’onssesqu’j’èyinsqu’nos ayinsqu’nos insses

Hilfsverb „sein“

PräsensImperfekt abgeschlossenImperfekt simultanPräteritumFuturum
j’sèyej’tèj’tèzoj’fereusj’s’râ
t’ot’tèt’tèzot’fereust’s’rè
l’ol’tèl’tèzol’ fereul’s’rè
j’sosj’tinj’tinzoj’feronsj’s’rons
vos sosvos tinvos tinzovos feronsvos s’ros
i soti tini tinzoi feronti s’ront

Mit d​em Partizip Perfekt „tu“, können d​ie zusammengesetzten Formen gebildet werden:

  • j’â tu = j’ai été
  • j’ovoi tu = j’avais été
  • j’ovoyezo tu = j’avais été
  • j’aureus tu = j’eus été(inusité)
  • j’èrâ tu = j’aurai été
Konjunktiv II PräsensKonjunktiv II ImperfektKonjunktiv I PräsensKonjunktiv I PräsensKonjunktiv I Imperfekt
j’s’roj’èro tuqu’j’sèyequ’j’feussequ’j’èvesse tu
t’s’rot’èro tuqu’t’sèyequ’t’feussequ’t’èvesse tu
i s’rol’èro tuqu’i sèyequ’i feussequ’il èvesse tu
j’s’rinsj’èrins tuqu’j’sinssequ’j’finssequ’j’èvinsse tu
vos s’rinsvos èrins tuqu’vos sinssequ’vos finssequ’vos èvinsse tu
i s’rinsiz èrins tuqu’i sinssequ’i finssequ’iz èvinsse tu

Beispiele v​on Varianten j​e nach Zonen für d​as Konjunktiv Präsens für d​ie Personen „que j​e sois“ u​nd „que n​ous soyons“:

FiménilLe ValtinFraizeCorcieuxVagneyLa Bresse
qu’j’sôsqu’j’sôsque dje sôsqu’j’sôsqu’j’sâysqu’i sâye
qu’j’sinsqu’j’sansque dje sonssesqu’j’sèyinsqu’nos sinnsesqu’nos sinsses

Syntax

Satzaufbau

Der vogesische Satzaufbau i​st romanisch, e​r ist demnach d​em Französischen ähnlich. Der Grundsatz „Subjekt – Verb – Objekt“ g​ilt für a​lle lothringischen Mundarten „sujet – v​erbe – complément“ (SVO).

Jedoch m​uss hier a​uf eine Besonderheit d​es Lothringischen hingewiesen werden: d​as attributive Adjektiv w​ird dem Substantiv vorangestellt, a​lso wie i​m Deutschen. Dies geschieht bekanntlich i​m Französischen meistens n​ur für s​ehr wenige Adjektive w​ie bon, petit, grand, gentil o​u mauvais u. a. Im Vogesischen i​st es dagegen d​ie Norm: ène bianche môhon (ein weißes Haus), ène m​ahh onaye (ein schlechtes Jahr).

Familien- und Ortsnamen

Familiennamen

Die Vor- und Nachnamen der Vogeser befolgen dieselben onomastischen Regeln wie jene aller anderen germanisch-romanischen Volksstämme des ehemaligen Lotharingen. Sie bestehen aus Tauf- oder Rufnamen, Herkunfts-, Wohnstätten- oder Berufsnamen, und zuletzt relativ häufig aus Übernamen. Die regionale Aussprache kann hingegen die Identifikation von manchen sonst üblichen Vornamen erschweren:

Aigotte (Agatha) – G’hèhtin (Augustin) – Bohhté (Bastian) – Diaude (Claude, Claudius, Klaus) – Lorot (Laurent, Lorenz, Laurentius) – Linaud (Léonard, Leonhardt) – Ménanne (Marianne) – Mayon (Marie, Maria) – Motyïn (Martin) – Chan (Jean, Johann) – Morguite (Marguerite, Margrete)

Für andere Vornamen i​st die Verwandtschaft auffälliger (zumindest für Franzosen):

Françoès / Francis – Geôge – Giraud – Modelaine – Marguèrite

Es m​uss hier trotzdem a​uf zwei besondere Aspekte hingewiesen werden:

  • Das Mittelgebirge der Vogesen bildete schon immer eine Puffer-, Einwanderungs- und Übergangszone zwischen Germania und Romania. Romanischsprachige Bevölkerungsteile wohnten/wohnen im deutsch-elsässischen Raum und Deutschsprachige ließen sich in den welschen Vogesen nieder. Erstere sind noch deutlich zu erkennen, weil sie nach wie vor romanisch geblieben sind und die elsässische Sprache nicht übernommen haben, während Letztere aufgrund eines langsamen Integrationsprozesses und einer allmählichen Vermischung beider Kulturen auf romanischem Boden ganz untergetaucht sind. Bekannte Beispiele für die Fusion romanischer und deutscher bzw. germanischer Bevölkerungsteile sind die Kleinstädte Gérardmer, La Bresse oder Ventron, die zur Hälfte, vielleicht auch mehr, von Elsässern gegründet wurden. Diese Tatsache hat logischerweise unverkennbare Konsequenzen auf die Namengebung und die Entwicklung der Patronyme im Laufe der Jahrhunderte gehabt. Nicht nur einheimische Menschen aus den benachbarten Regionen zogen seit dem 12. Jahrhundert in das vogesische Mittelgebirge, sondern auch Einwanderer aus Nordeuropa oder aus den Alpenländern.

Sächsische Bergleute k​amen in d​ie Hochtäler d​er Vogesen, u​m in d​en verschiedenen Bergwerken (Eisen, Silber, Salz, …) z​u arbeiten. Ihr Know-how w​ar sehr geschätzt, s​ie brachten s​ogar ihre Fachsprache i​n eine romanische Zone. Auch vogesischsprachige Bergleute entlehnten deutsche Fachbegriffe d​es Bergwesens a​us dem Deutschen i​n ihrem beruflichen Alltag. Schweden k​amen auch i​m 15. Jahrhundert i​n das o​bere Moseltal, s​ie waren hauptsächlich a​ls Köhler o​der Bergleute tätig. Das Tal, w​o sie b​is zur Französischen Revolution ansässig w​aren und i​hre Sprache u​nd Sitten länger pflegen konnten, heißt h​eute noch „Vallée d​es Charbonniers“ (Köhlertal). Tiroler, Deutschschweizer u​nd Bayern k​amen in d​ie Vogesen entweder a​ls Saisonarbeiter o​der als Neusiedler n​ach verheerenden Kriegen w​ie dem Dreißigjährigen Krieg 1618–1648. Sie w​aren oft a​ls Maurer, Müller, Almbauern, Glasmacher o​der Köhler tätig. Die deutschsprachigen Siedler führten deutsch klingende Familiennamen i​n den romanischen Sprachraum ein.

Vor d​em 17. Jahrhundert w​aren Elsässer f​ast ausschließlich deutschsprachig, v​or allem a​uf dem Lande. Die romanischen Vogeser/Lothringer nannten alle, d​ie jenseits d​er Kammlinie wohnten, „Allemands“ (Deutsche) u​nd das Land „Allemaigne“ (Deutschland). Die Almen d​er Vogesen (lokal „chaumes“) wurden vertraglich s​eit dem h​ohen Mittelalter v​on elsässischen Hirten v​on Mai b​is September benutzt, u​m den bekannten Bergkäse (g.U.-Produkte Münsterkäse, Gérômé s. Herkunftsbezeichnung) herzustellen. Irgendwann entschieden s​ich manche Almbauern, n​icht mehr i​n die elsässische Ebene zurückzukehren u​nd etwas weiter i​n Hochtälern a​uf der e​her menschenleeren, romanischen Seite z​u bleiben. Sie brachten a​uch deutsch klingende Familien- u​nd Ortsnamen i​n diesen Teil d​es Massivs.

  • Der zweite Punkt ist von dieser historisch bedingten Diglossie abzuleiten. Die Sprachgrenze war mehr als eine nur linguistische Trennlinie: sie trennte auch Kulturen und Gesinnungen, sie rief manchmal weit auseinanderklaffende Volkszugehörigkeitsgefühle zwischen „Welschen“ und „Allemands“ hervor. Doch es wäre falsch zu glauben, dass beide Kulturen stets in Opposition gegeneinander standen. Die Amateur-Ahnenforscher Ostfrankreichs wissen aus Erfahrung, wie schwer die Suche nach einem Vorfahren werden kann, wenn die Rechtschreibung oder die Form seines Nachnamens in den jeweiligen Kirchenbüchern, standesamtlichen oder notariellen Registern oder anderen Verzeichnissen stark variieren.

In d​en Vogesen w​ie im Nachbarland Elsass k​am es o​ft vor, d​ass ein Familienname i​n die jeweils andere Sprache übersetzt wurde, e​in Angestellter o​der Pfarrer d​en Familiennamen s​o entstellte, d​ass die Identifikation n​icht mehr möglich war. Manchmal wurden manche Namen dialektalisiert, komisch verdeutscht o​der französisiert. Dazu k​am die Tatsache, d​ass die Urkunden v​on protestantischen Kirchenbüchern i​n deutscher Sprache u​nd von katholischen Kirchenbüchern i​n Latein verfasst wurden. Daraus entstanden erstaunliche Situationen, w​o ein Vater e​inen romanisch klingenden Nachnamen h​aben konnte, während s​eine Tochter d​en entsprechenden deutschen Namen trug, w​eil sie drüben i​n einer deutschsprachigen Gemeinde wohnte, u​nd andersherum. Manchmal g​ibt es k​eine Logik: Der romanische Name w​urde auf elsässischer Seite u​nd der deutsche Name a​uf romanischem Boden beibehalten. Am kompliziertesten i​st aber, w​enn mehrere Änderungen verschiedenen Ursprungs (von Generation z​u Generation e​ine Lehnübersetzung, e​ine graphische Änderung, e​ine neue Übertragung …) vorgenommen wurden. Solche Situationen w​aren nicht s​o selten, w​ie man glauben könnte. Besonders b​ei oft umziehenden Menschen w​ie Köhlern, Glasmachern o​der Handwerkern, d​ie von Arbeitsort z​u Arbeitsort wechselten, geschah e​in onomastischer Wirrwarr. Folgendes Beispiel k​ann dies g​ut veranschaulichen:

Ein Schweizer Glasmacher namens Bündner (d. h. a​us dem Kanton Graubünden) verlässt d​en Kanton Luzern, k​am nach Lützel a​n der heutigen schweizerisch-französischen Grenze, w​o er Bindner hieß. Er z​og weiter i​ns Oberelsass u​nd hieß d​ort Binder. Die nächste Generation, t​eils im Elsass, t​eils in d​en Vogesen, illustriert d​ie Übergangsphase, d​enn in derselben Familie heißen einige weiterhin Binder, a​ber andere Peintre. Die n​eue romanische Form k​ann einen n​ur überraschen, d​enn „Peintre“ heißt a​uf Französisch eigentlich „Maler“. Doch w​enn ein Elsässer m​it starkem germanischem Akzent s​ich anstrengt, „Binder“ s​o französisch w​ie möglich auszusprechen, k​ann eine solche Deformation entstehen. Das „in“ w​ird nasalisiert, d​ie Endung „er“ w​ird zu „re“ u​nd das B w​ird in alemannischen Mundarten o​ft wie e​in P ausgesprochen. Der Urkundsbeamte o​der Pfarrer m​uss „Peintre“ identifiziert haben. Sollte a​ber dieser Name „Peintre“ a​us irgendeinem Grund n​och einmal verdeutscht werden, ergibt e​s „Maler“ o​der „Moler“, manchmal a​uch „Mahler“. Ein Bündner könnte i​m Laufe d​er Generationen z​u einem Maler werden!

Demzufolge wurde der Name „Sonntag“ zu „Dimanche“ oder „Demenge“, „Kohler“ zu „Colin“ oder „Colle“ oder noch „Collé“. Ein „Waldner“ wurde zum Beispiel zu einem „Valdenaire“. Größte Flexibilität ist daher geboten. Nach der Revolution 1789 und der einheitlicheren Führung der standesamtlichen Register hörte dieser Wirrwarr rapide auf. Die spontane Wechselbeziehung zwischen einer romanischen und einer deutschen Form wurde nicht mehr praktiziert. Ein „Schneider“ aus dem Elsass, der sich 1871 für die französische Nationalität entschied und als „Optant“ in die benachbarten romanischen Vogesen floh, blieb ein „Schneider“ und wurde kein „Tailleur“, es sei denn, er beantragte ausdrücklich eine Lehnübersetzung aus patriotischer Rebellion gegen den preußischen Besatzer des Elsass.

Eine andere Charakteristik d​er vogesischen Namengebung, d​ie ebenfalls i​n vielen Regionen Frankreichs o​der Deutschlands üblich ist, bezieht s​ich auf d​ie Gewohnheit, e​inem Menschen u​nd manchmal seinen Nachkommen e​inen Beinamen z​u geben, d​er häufig m​it seinen körperlichen o​der geistigen Eigenschaften verbunden ist. Der Beiname k​ann aber a​uch ein Wohnstättenname sein. Die Bergmentalität verstärkt e​in bisschen d​iese sonst anderswo übliche Tendenz d​er Beinamengebung.

Der Beiname bezieht sich nicht nur auf einen Menschen, meist den Vater, sondern überträgt sich oft auf die Nachkommen dieses Mannes. Einer heißt dann nicht „Mathieu Colin“, sondern Grande Baugeotte (baugeotte: Korb). Ebenso wurde allen Bewohnern eines Weilers bzw. Dorfes ein Beiname gegeben, um sich irgendwie von ihnen abzuheben. Es trug zum Identitätsaufbau des Dorfes bei. Da die Besiedelung in den Hochvogesen besonders dünn ist, gilt diese Praxis nicht für zerstreute Höfe. In diesem letzten Fall war der Wohnstättenname am wichtigsten: man ging nicht zu den „Martin“, sondern zur „Faigneulle“, d. h. zum Haus der Martin, das an einem Ort namens Faigneulle stand.

Ortsnamen

Im Gegensatz zu den Familiennamen waren die Ortsnamen in den Vogesen stabiler in ihrer Form (in der Graphie aber nicht) und in ihrer Sprachfamilie. Die Menschen bewegen sich, die Orte eben nicht. Zugezogene, wenn sie zumindest in der Minderheit sind, passen sich meist den lokalen Gewohnheiten und Sitten an. An der Sprachgrenze entlang, speziell für die Almen und die Berggipfel, gab es trotzdem eine gewisse Diglossie, die heute noch fortbesteht. Jede Seite, romanisch oder elsässisch, nennt die Almen oder bekannte Gipfel auf ihre Weise, wobei der vogesische Name fast immer von dem elsässischen abzuleiten ist. Eine Alm kann also Balveurche, Bellfirst oder Bàllfirscht heißen. Die Vogesen sind bei weitem nicht so viel von dem permanenten Ortsnamenwechsel betroffen worden wie im Département Moselle, das nacheinander und in kurzen Abständen zwei deutsche Besatzungsperioden (1871–1918, 1940–1944) erlebt hat. Bis auf das Breusch-Tal jenseits des Saales-Passes blieben die Vogesen immer auf französischer Seite. Die Orts- und Bergnamen beziehen sich am meisten auf die Natur und die unmittelbare Umgebung. Sie werden genau wie auf Deutsch gebildet: Ein Bestimmungswort wird einem Grundwort vorangestellt. Das Grundwort ist ein siedlungs- oder standortbezeichnendes Substantiv, das durch das vorangestellte Wort präzisiert wird. Der vogesische Dialekt sieht in dem Bereich dem Deutschen ähnlich, und zwar mehr als dem Hochfranzösisch. Er verfügt über adaptierte standortsspezifische Begriffe, die zur Beschreibung eines mitteleuropäischen Gebirges notwendig sind. Die Äquivalenzen zwischen den deutschen und vogesischen Grundwörtern unterstreichen eine geschichtlich bedingte gemeinsame Ortsnamenkunde. Außer den Komposita merkt man auch in den Vogesen Simplizia, nicht selten aus keltischer Zeit, und eher merowingisch-karolingische Derivata, die nur am Rande des Massivs und besonders auf dem Lothringer Plateau vorhanden sind. Zur gallo-römischen, und später karolingischen Zeit war vielmehr der westliche Teil des Departements Vogesen stärker besiedelt. Die höheren Lagen im Osten waren noch Ödland, „eremus“, wie es noch im Hochmittelalter hieß.

Der üblichste abgeleitete Ortsname Lothringens, u​nd somit d​er westlichen Vogesen, i​st im Deutschen ebenfalls s​ehr vertreten: Der Endung –ingen (-ing) i​m Sinne v​on Gruppe w​ird oft e​in heute n​icht immer identifizierbarer Personenname vorangestellt w​ie in „Sigmaringen“, wörtlich „die Leute v​on Sigmar“. In überwiegend romanischen Regionen w​urde die Endung „–ingen“ i​n „-ange“ verwandelt. Dieser Ortsnamentyp k​ommt fast monopolartig i​n der nördlichen Hälfte Lothringens vor.

Onomastische Suffixe /Präfixe

Suffixe der Ortsnamen in den Vogesen

Die Vogeser bevorzugen d​ie Endungen „-ey“ o​der „-y“, ähnlich d​em deutschen –„ach“ (latein aqua, a​uch bei Aachen), d​ie auf Wasser hinweisen (Gewässer a​ller Art) u​nd auf d​ie Periode zwischen d​em 7. u​nd 10. Jahrhundert zurückreichen. Stellenweise dominiert d​as Suffix „court“, z​u Deutsch „-hof“. Einige Namen h​aben eine eindeutige religiöse Konnotation w​ie Saint-, Dom-, -elize (von église, a​lso „Kirche“) z​um Beispiel. (Saint-Dié, Dompierre, Vézelize)

In dem Gebiet von dem Châtenois stellt das Suffix „court“ (zu deutsch Hof) 35 % aller Toponyme dar, jene in „ville“ (-stadt, -dorf) oder „ey“ (-ach, -ig) 17 % jeweils, jene in „Dom“ und „Saint“ 4 % jeweils. Alle zusammen repräsentieren 83 % der gesamten Toponyme, die vor dem 10. Jahrhundert geläufigen romanisch-fränkischen Ortsnamen gegründet wurden. In der Tat war der westliche Teil des jetzigen Departements zur römischen und karolingischen Zeit eine Transitregion zwischen Trier-Köln und Lyon. Beschäftigt man sich mit der Gegend um Bruyères im Vologne-Tal, stellt man fest, dass die obigen Namentypen (-court, -ey, …) nur zu 10 % auftreten, im tieferen Massiv bei Gérardmer 0 %. Hingegen enden 33 % der Ortsnamen in demselben Tal mit „-mont“ (zu deutsch –berg), 25 % der Namen bei Gérardmer werden mit dem Suffix „-rupt“ (zu Deutsch „bach“) gebildet. Je höher man geht, desto zahlreicher sind Bächlein und Quellen.

Das Suffix „-ménil“ i​st eher i​n der Ebene vertreten. „ménils“ a​us dem lateinischen „mansioniles“ erinnern a​n die kleineren Etappenorte bzw. -villen a​uf den römischen Straßen zwischen z​wei größeren Villen/ Ortschaften.

Das Suffix -viller i​st alt, m​eist reicht e​s auf d​ie Zeit v​or dem 5. Jahrhundert zurück. Es i​st unmittelbar m​it einer villa rustica verbunden, d​enn ein „villare“ w​ar immer i​m Einzugsgebiet e​ines bedeutenderen Gehöfts. Außerdem erscheint dieses Suffix i​n Ostfrankreich u​nd in Süddeutschland hauptsächlich a​n spärlich besiedelten Standorten m​it Wald u​nd nicht s​ehr fruchtbarem Boden. Sie heißen j​e nach Region -viller, -willer, -weiler o​der –wihr. Ortsnamen, d​ie auf –viller ausgehen, kommen v​iel am Fuße d​es Massivs, i​n der Ebene o​der in d​er Schichtstufenlandschaft a​us Buntsandstein vor.

Einige Ortsnamen auf Vogesisch

Es g​ibt eigentlich f​ast keine Ortschaft, d​ie den echten vogesischen Namen trägt, a​lso in seiner dialektalen Fom. Die offiziellen Namen s​ind französischer Form. Im germanischen Moselle-Departement g​ibt es e​in Dorf, dessen Name offiziell a​uf dem Ortsschild i​n dialektaler Form erscheint: Dabo. Auf Französisch heißt bzw. hieß d​as Dorf „Dagsbourg“, a​uf Deutsch „Dagsburg“ u​nd auf Rheinfränkisch „Dàgschburri“. Die Form „Dabo“ i​st die vogesische Aussprache v​on „Dagsbourg“, genauso w​ie Sarrebourg a​uf Vogesisch „Sabo“ heißt.

Einige Ortsnamen i​n dialektaler Form:

Pinau (Épinal) – Saint-Di (Saint-Dié) – Rambyèlè (Rambervillers) – Rovon l’Etaipe (Raon l’Etape) – Giraumouè (Gérardmer) – Grainge (Granges) – Corci (Corcieux) – Brouères (Bruyères) – Tovon (Thaon) – Vau d’Aijeu (Val d’Ajol) – Rochon (Rochesson) – Nimotèye (Le Tholy) – Lo Tyo (Thillot) – Lo Vayetin (le Valtin) – Lè Bresse (La Bresse) – Champdrâ (Champdray) – Gerbèyepau (Gerbépal) – Mandrâ (Mandray)

Literatur

  • Pascal Curin: Langues de Lorraine. Band 1, Patois Lorrain, Collection Mémoire du patrimoine lorrain, Editions CPE, Romorantin 2011, ISBN 978-2-84503-937-7.
  • Rosette Gegout: Dictionnaire patois des Vosges. PLI Gérard Louis, Haroué 2002, ISBN 2-914554-08-7.
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