Taking Sides – Der Fall Furtwängler
Taking Sides – Der Fall Furtwängler ist ein Film des ungarischen Regisseurs István Szabó aus dem Jahr 2001 nach dem 1995 uraufgeführten Bühnenstück Taking Sides des britischen Autors Ronald Harwood über die Frage, ob und wie viel der deutsche Dirigent Wilhelm Furtwängler von den nationalsozialistischen Verbrechen gewusst hat. Der englische Ausdruck „Taking Sides“ bedeutet auf deutsch etwa „Stellung beziehen, Partei ergreifen“.
Film | |
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Titel | Taking Sides – Der Fall Furtwängler |
Originaltitel | Taking Sides |
Produktionsland | Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Österreich |
Originalsprache | Englisch, Russisch, Französisch, Deutsch |
Erscheinungsjahr | 2001 |
Länge | 110 Minuten |
Altersfreigabe | FSK 12 JMK 12[1] |
Stab | |
Regie | István Szabó |
Drehbuch | Ronald Harwood |
Produktion | Yves Pasquier Jeremy Isaacs Maureen McCabe Rainer Mockert Jacques Rousseau Rainer Schaper Michael von Wolkenstein |
Kamera | Lajos Koltai |
Schnitt | Sylvie Landra |
Besetzung | |
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Handlung
Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wird der deutsche Stardirigent Wilhelm Furtwängler mit einem Berufsverbot belegt und im Rahmen der Entnazifizierung vom amerikanischen Major Steve Arnold über seine Karriere im Dritten Reich befragt. Arnold ist bemüht, Furtwängler eine Komplizenschaft mit dem nationalsozialistischen Regime nachzuweisen. Dem Verhör wohnen David Wills, dessen deutsch-jüdische Familie vor Hitler geflohen war und der nun Leutnant bei der US-Army ist, und die junge Emmi Straube als Sekretärin bei. Wills, ein glühender Verehrer Furtwänglers, ist erschrocken über die Härte, mit der Major Arnold das Verhör gegen den sensiblen Künstler führt. Emmi, deren Vater zum Widerstand gegen Hitler gehört hatte, stimmt ihm bei. Furtwängler verharrt auf seinem Standpunkt, Kunst und Politik hätten nichts miteinander zu tun, und beteuert, er sei nie NSDAP-Mitglied gewesen und habe in seinem Orchester verfolgte Juden beschäftigt, um sie vor ihrer Deportation zu retten. Major Arnold, „ein Kunstbanause reinsten Wassers“[2], bleibt jedoch überaus misstrauisch und will Furtwängler um jeden Preis in einem Schauprozess als Nazi-Kollaborateur anklagen.
Kritiken
„István Szabó wirft mit seiner neuerlichen Sezierung eines Künstlerschicksals während der Nazi-Zeit viele wichtige Fragen auf, wobei er über weite Strecken überzeugend aufzeigt, wie unmöglich es sein kann, eindeutig Partei zu ergreifen. Dabei versäumt er es, sich tiefer mit der übergeordneten Schuldfähigkeit des Künstlers auseinander zu setzen.“
„Der Opportunist, der im Dritten Reich sich selbst der Nächste war, und der Gerechtigkeitsfanatiker, der nicht zur Differenzierung in der Lage ist – Szabó postiert beide auf dünnem Eis. Antworten verweigert der Film konsequent bis zum Schluss; stattdessen entlässt er den Zuschauer lieber mit den Fragen, die ein weißes Taschentuch stellen kann, das in Zeitlupe über eine Hand wischt.“
„Der ungarische Regisseur Szabó inszeniert die peinliche Befragung als subtiles, psychodramatisches Kammerspiel. Furtwängler hat seinem Inquisitor wenig mehr entgegenzusetzen als seinen idealistischen Kunstbegriff. Im Angesicht der politischen Verantwortung will er sich auf seine Berufung zu Höherem zurückziehen. Ein Weltbild in verdächtiger Nähe zum Herrenmenschenmythos, dem Szabó mit unerwarteter Parteinahme begegnet.“
„Stellan Skarsgård, Harvey Keitel, Moritz Bleibtreu und Birgit Minichmayr erhellen auf faszinierende Weise den tragischen Konflikt, in den der leugnende Opportunist ebenso gerät wie der eifernde Gerechtigkeitsfanatiker. Ein reines Ärgernis ist allerdings die Darstellung des sowjetischen Kulturoffiziers Alexander Dymschitz durch den 66-jährigen Oleg Tabakow. Der hochgebildete, hochkultivierte Germanist Dymschitz […] wurde nicht nur natürlichen Verbündeten wie Bertolt Brecht und Walter Felsenstein zum Freund und Helfer gegen stalinistische Administratoren, er wollte auch, aus ehrlichem Respekt vor der deutschen Kultur, minderbelasteten Nazimitläufern wie Furtwängler eine Chance zum Neuanfang bieten. István Szabó jedoch lässt den Feingeist zum plumpen, bis zur Komagrenze saufenden Russentölpel degenerieren. Offenbar müssen bestimmte Klischees heutzutage bedient werden. Und sei es um den Preis der historischen Wahrheit.“
Auszeichnungen
- Die Deutsche Film- und Medienbewertung FBW in Wiesbaden verlieh dem Film das Prädikat besonders wertvoll.
- Stellan Skarsgård wurde 2001 als bester Darsteller für den Europäischen Filmpreis nominiert.
- Stellan Skarsgård und István Szabó erhielten 2002 auf dem Festival Internacional de Cine de Mar del Plata den Darstellerpreis bzw. den Preis für die beste Regie.
Weblinks
- Taking Sides – Der Fall Furtwängler in der Internet Movie Database (englisch)
- Taking Sides – Der Fall Furtwängler in der Online-Filmdatenbank
- Taking Sides – Der Fall Furtwängler bei Rotten Tomatoes (englisch)
- Taking Sides – Der Fall Furtwängler bei filmportal.de
- Kritik des Films aus der Chicago Sun-Times von Roger Ebert (englisch)
Einzelnachweise
- Alterskennzeichnung für Taking Sides – Der Fall Furtwängler. Jugendmedienkommission.
- Renate Holland-Moritz: Himmel, Hölle und fragwürdige Genies. Kino-Nachlese der 52. Internationalen Filmfestspiele in Berlin. In: Eulenspiegel, 48./56. Jg., Nr. 04/02, ISSN 0423-5975, S. 62 f., hier S. 63.
- Taking Sides – Der Fall Furtwängler. In: Lexikon des internationalen Films. Filmdienst, abgerufen am 2. März 2017.
- Tamara Dotterweich: Eine Frage der Verantwortung (Memento vom 25. Juli 2003 im Internet Archive). In: Nürnberger Zeitung, 20. März 2002.
- Manfred Müller: Das Stockhausen-Syndrom. In: Der Spiegel vom 8. März 2002, abgerufen am 28. Mai 2012.