Sino-amerikanische Beziehungen
Die sino-amerikanischen Beziehungen bezeichnen die politischen Beziehungen zwischen China und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA). Die offiziellen Beziehungen zwischen beiden Ländern begannen Mitte des 19. Jahrhunderts. Nach der Gründung der Volksrepublik China im Jahr 1949 waren die Beziehungen zunächst vom Ost-West-Konflikt und dem Kalten Krieg geprägt. Nach dem Zerfall der Sowjetunion waren die beiderseitigen Beziehungen zunehmend von den wirtschaftlichen und politischen Gegensätzen bestimmt, die sich im Rahmen des kontinuierlichen Aufstiegs der Volksrepublik China als aufstrebende Großmacht ergaben. Außerdem spielte der Taiwan-Konflikt eine Rolle.
Vereinigte Staaten | Volksrepublik China |
Geschichtlicher Hintergrund
Anfänge bis zur Gründung der Republik China 1912
Der 14. Juni 1844 markiert den äußeren Beginn der offiziellen zwischenstaatlichen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und dem Kaiserreich China der Qing-Dynastie. Die Vereinigten Staaten hatten zwar schon zuvor (erstmals im Jahr 1784) Diplomaten mit konsularischem Auftrag nach China entsandt, jedoch hatten diese nie eine formelle Anerkennung seitens der chinesischen Regierung erhalten. Im Jahr 1844 (zwei Jahre nach dem Ende des Ersten Opiumkrieges) wurden erstmals konsularische US-amerikanische Vertretungen in den Städten Fuzhou (Foochow) und Xiamen (Amoy) eingerichtet. In den folgenden Jahren folgten weitere konsularische Vertretungen in anderen Städten Chinas, unter anderem in Shanghai 1847 und Peking 1861. Im Jahr 1862 richteten die Vereinigten Staaten eine permanente Gesandtschaft in Peking ein. Dies war möglich geworden, nachdem China im Vertrag von Tianjin 1858 gezwungen worden war, erstmals westlichen Diplomaten eine dauerhafte Niederlassung in der Hauptstadt Peking zu gestatten.[1]
Die Beziehung zwischen China und den USA ist im Vergleich zu Chinas Beziehungen mit ehemaligen europäischen Großmächten wie Frankreich, Großbritannien oder Russland sowie Japan weniger stark durch die Periode der 100 Jahre nationaler Demütigung geprägt, da die USA weniger stark zur Zeit von Chinas Schwäche im 19. Jahrhundert in China intervenierten und weniger Ungleiche Verträge erzwangen. Auch waren es die USA, welche maßgeblich zum Scheitern von Vorhaben der europäischen Mächte, China direkt unter sich aufzuteilen, mit ihrem Bestehen auf der Politik der offenen Tür (Open Door Policy) beitrugen. Ausgangspunkt für diese Politik der offenen Tür war der Wunsch der USA eines gleichberechtigten Zugangs zu China, seinen Märkten und seinen Ressourcen für alle Großmächte. Insbesondere John Hay, ein US-amerikanischer Staatssekretär, schickte im Jahr 1899 Briefe an alle Großmächte, in denen er sie darum bat, die territoriale und administrative Integrität Chinas anzuerkennen und eine unbeschränkte Verwendung für alle beteiligten Länder in den durch die Ungleichen Verträge bestimmten Häfen in den jeweiligen Einflusssphären der europäischen Kolonialmächte und Japans zu erlauben.
Republik China bis 1949
Mit der Xinhai-Revolution, die China in eine Republik umwandelte, stellten die Vereinigten Staaten vorübergehend vom 12. Februar 1912 bis 2. Mai 1913 die diplomatischen Beziehungen ein.[1] Ab den 1920er Jahren entwickelten sich Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und der 1912 ausgerufenen Republik China auf Basis der Gleichberechtigung. Vom 9. Dezember 1924 bis zum 25. Juli 1928 kam es erneut zu einer Unterbrechung der offiziellen Beziehungen. Danach erkannten die USA offiziell die Kuomintang-Regierung der Republik China an.[1]
Ab den 1930er Jahren wurde die politische Situation in Ostasien zunehmend von der japanischen Expansion bestimmt, die vor allem auf Kosten Chinas ging. Nach dem von Japan inszenierten Mukden-Zwischenfall vom 18. September 1931 besetzten japanische Truppen, ohne auf größeren Widerstand zu stoßen, die zu China gehörende Mandschurei und etablierten dort den von Japan abhängigen Staat Mandschukuo. Nach weiteren, durch die aggressive Politik des japanischen Militärs provozierten Zwischenfällen kam es ab 1937 zum Japanisch-Chinesischen Krieg. Japan besetzte weite Teile Chinas, stieß jedoch auf unerwartet hartnäckigen Widerstand der nationalchinesischen Truppen unter der Kuomintang-Regierung von Chiang Kai-Chek. Die vollständige Unterwerfung Chinas gelang nicht. Nach dem japanischen Überfall auf Pearl Harbor 1941 traten die Vereinigten Staaten an der Seite Chinas in den Krieg ein, der 1945 mit der bedingungslosen Kapitulation Japans endete.
Nach dem Krieg gehörte China unter Chiang Kai-shek zu den Siegermächten und den Gründungsstaaten der Vereinten Nationen. Die Republik China erhielt einen der fünf ständigen Sitze im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (neben den USA, der Sowjetunion, dem Vereinigten Königreich und Frankreich). Im chinesischen Bürgerkrieg zwischen der Kuomintang-Regierung und den Milizen der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), der nach dem Ende des Weltkrieges 1945 wieder aufflammte, waren – für den Westen – überraschenderweise die Kommunisten siegreich und konnten das gesamte chinesische Festland erobern („Loss of China“). 1949 wurde dort die Volksrepublik China mit dem Vorsitzenden der KPCh Mao Zedong als Staatsoberhaupt gegründet. Die nationalchinesische Kuomintang-Regierung konnte sich lediglich auf der Insel Taiwan behaupten und etablierte dort die Republik China auf Taiwan.
1949 bis 1972
Die USA erkannten zunächst die Volksrepublik China nicht an und sahen weiterhin die jetzt auf Taiwan beschränkte Republik China als legitime Vertreterin ganz Chinas an. Nach dem endgültigen ideologischen Bruch zwischen der Sowjetunion und der Volksrepublik China 1962 setzte ein allmähliches Umdenken in der amerikanischen Politik ein. Eine entscheidende Wende kam unter der Präsidentschaft Richard Nixons 1969–1974. 1972 besuchte Nixon als erster amerikanischer Präsident die Volksrepublik China im Rahmen der so genannten Ping-Pong-Diplomatie. Dem vorausgegangen war im Jahr 1971 die Resolution 2758 der UN-Generalversammlung, in der die Volksrepublik China als alleinige legitime Vertreterin Chinas anerkannt wurde. Die Volksrepublik erhielt den bisherigen Sitz der Republik China auf Taiwan im Sicherheitsrat und letztere wurde aus den Vereinten Nationen ausgeschlossen. Die Resolution war gegen die Stimme der USA beschlossen worden. Während Nixons Chinareise wurde das Shanghai-Kommuniqué beschlossen, das die bilateralen Beziehungen während des Kalten Krieges entspannte.
1978 bis 2016
Ab 1978 begann unter Deng Xiaoping die Phase der Reform- und Öffnungspolitik in der Volksrepublik China, die de facto eine Abkehr vom bisherigen planwirtschaftlichen System hin zu kapitalistischen Wirtschaftsformen bedeutete. Damit intensivierten sich auch die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den USA und der Volksrepublik. Eine politische Richtungsänderung in Richtung auf eine pluralistische Gesellschaftsform war damit nicht verbunden. Trotz einzelner Anzeichen der Liberalisierung in einigen Bereichen behielt die KPCH die politische Macht fest in ihrer Hand und verteidigte diese auch mit Waffengewalt gegen Demonstranten im eigenen Land, wie das Tian’anmen-Massaker am 3. und 4. Juni 1989 zeigte, das die US-amerikanisch-chinesischen Beziehungen vorübergehend erheblich belastete.
In der Republik China auf Taiwan ergab sich eine andere Entwicklung. Auch hier kam es ungefähr ab den 1970er Jahren zu einer starken wirtschaftlichen Entwicklung und das Land wurde zu den ostasiatischen sogenannten „Tigerstaaten“ gezählt. Parallel dazu kam es etwa ab den 1980er Jahren zu einer zunehmenden politischen Liberalisierung. Die Einparteienherrschaft der Kuomintang fand ein Ende und andere politische Parteien wurden zugelassen. Die autochthone Bevölkerung Taiwans bekam erstmals ein größeres politisches Mitspracherecht. Bei den Wahlen in Taiwan zeigte sich, dass nicht wenige Taiwaner ein geringes oder kein Interesse an einer Wiedervereinigung mit dem chinesischen Festland hatten. Dies provozierte die Volksrepublik China zu politischen und militärischen Drohgebärden gegenüber der Republik China auf Taiwan, was wiederum die Vereinigten Staaten auf den Plan rief, die zwar seit 1979 keine offiziellen diplomatischen Beziehungen zu dieser unterhielten, aber die Entwicklung einer demokratischen Gesellschaft mit Sympathie beobachteten.
Zu einer Verschlechterung des Verhältnisses zwischen der Volksrepublik China und den Vereinigten Staaten haben in den letzten Jahrzehnten die Territorialkonflikte im Chinesischen Meer beigetragen. Verschiedene Staaten erheben hier territoriale Ansprüche auf kleinere, größtenteils unbewohnte Inseln, mit dem Hintergrund, sich die zugehörigen Seegebiete zu sichern. In diesen werden Rohstoffvorkommen vermutet. Die USA haben weder die Ansprüche Taiwans noch die der Volksrepublik China oder anderer Staaten anerkannt, eine Freiheit der Meere und der Schifffahrtswege gefordert und mehrfach Marineeinheiten in die Gewässer entsandt, was wiederum zu chinesischen Protesten führte.
Ab 2016
Der 2016 gewählte Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump, war im Wahlkampf wiederholt durch kritische Äußerungen gegenüber der chinesischen Wirtschaftspolitik aufgefallen, die er als einseitig Interessen bevorzugend bezeichnete. Unter seiner Präsidentschaft brach Anfang 2018 ein offener Handelskonflikt zwischen beiden Staaten aus. Die Vereinigten Staaten warfen der Volksrepublik die Missachtung geistigen Eigentums, unfaire Bedingungen im gegenseitigen Handel sowie Technologiediebstahl vor.
Mit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie bediente sich Trump Ressentiments, da er China für den Ausbruch der Pandemie und die daraus resultierenden Folgen verantwortlich machte.[2] Im weiteren Verlauf der Pandemie reduzierten beide Staaten die im Land zugelassenen Auslandskorrespendenten aus dem jeweiligen anderen Staat.[3]
Die US-Navy entsandte im Juli 2020 die Flugzeugträgerkampfgruppen der USS Nimitz und USS Ronald Reagan zu sogenannten Freedom of Navigation-Fahrten in die von China beanspruchten Gebiete im Südchinesischen Meer. US-Außenminister Mike Pompeo bezeichnete Chinas Gebietsansprüche als illegal.[4][5] Die USA ordneten im Juli 2020 die Schließung des chinesischen Konsulats in Houston an, weil Gesetze und Vorschriften der USA von chinesischen Diplomaten missachtet worden seien. Einzelheiten wurden nicht mitgeteilt. Die US-Regierung wirft generell chinesischen Agenten versuchten Datendiebstahl vor. Daraufhin verfügte China die Schließung des US-Konsulats in Chengdu. Aus Sicht von China sind die Beziehungen zu den USA so schlecht wie seit 1979 nicht mehr.[6] Weitere Streitpunkte sind der Umgang Chinas mit den Uiguren und die Proteste in Hongkong 2019/2020. Wegen der Uiguren verhängten die USA Sanktionen gegen China,[7] wegen des Vorgehens in Hongkong wurden ebenfalls Maßnahmen ergriffen und beispielsweise die Hongkong-Menschenrechts- und Demokratieverordnung vom US-Kongress beschlossen.
Siehe auch
Literatur
- Rush Doshi: The Long Game: China’s Grand Strategy to Displace American Order. Oxford University Press, New York 2021, ISBN 978-0-19-752791-7.
- Ryan Hass: Stronger: Adapting America’s China Strategy in an Age of Competitive Interdependence. Yale University Press, New Haven 2021, ISBN 978-0-300-25125-8.
- Øystein Tunsjø: The Return of Bipolarity in World Politics: China, the United States, and Geostructural Realism. Columbia University Press, New York 2018, ISBN 978-0-231-54690-4.
- Nina Hachigian (Hrsg.): Debating China: The U.S.-China Relationship in Ten Conversations. Oxford University Press, New York 2014, ISBN 978-0-19-997387-3.
- Richard Rosecrance, Steven E. Miller (Hrsg.): The Next Great War? The Roots of World War I and the Risk of U.S.-China Conflict. MIT Press, Cambridge 2014, ISBN 978-0-262-02899-8.
- Steven P. Feldman: Trouble in the Middle: American-Chinese Business Relations, Culture, Conflict, and Ethics. Routledge, London 2013, ISBN 978-0-415-88448-8.
- Evan S Medeiros: Strategic Hedging and the Future of Asia-Pacific Stability. In: China's International Relations in Asia, herausgegeben von Li Mingjiang, Routledge, London 2010, Band I, Seiten 62–81.
- Yuwu Song (Hrsg.): Encyclopedia of Chinese-American Relations. McFarland & Co, Jefferson 2009, ISBN 978-0-7864-4593-6.
- Robert G. Sutter: Chinese Foreign Relations, Power and Policy since the Cold War. Rowman & Littlefield Publishers, Inc., New York 2008, Kapitel 6, Seiten 155–188.
- Chenghong Li: Increasing Interdependence between China and the US and its Implications for Chinese Foreign Policy. In: New Dimensions of Chinese Foreign Policy, herausgegeben von Sujian Guo und Shiping Hua, Lexington Books, New York 2007, Seiten 203–232.
- Wang Jisi: China’s Search for Stability with America., In: Foreign Affairs, Vol. 84, Nr. 5, September/Oktober 2005, Seiten 39–48.
- Liu Ji: Making the Right Choices in Twenty-first Century Sino-American Relations. In: Chinese Foreign Policy, Pragmatism and Strategic Behavior, herausgegeben von Suisheng Zhao, M. E. Sharpe, New York 2004, Seiten 243–255.
- Ingar Solty: Die China-Politik der USA zwischen Einbindung und Eindämmung. In: Das Argument 296, 54. Jg., Nr. 1/2, Seiten 69–81.
Einzelnachweise
- A Guide to the United States’ History of Recognition, Diplomatic, and Consular Relations, by Country, since 1776: China. Office of the Historian der U.S. Regierung, abgerufen am 2. Juni 2018 (englisch).
- UN-Generaldebatte: Trump greift China scharf an. Abgerufen am 17. Februar 2021.
- Georg Fahrion: China gegen den Westen: Wie China die freie Presse mundtot macht. In: DER SPIEGEL. Abgerufen am 17. Februar 2021.
- Konfrontation China-USA im ÜberblickFocus vom 25. Juli 2020, abgerufen am 25. Juli 2020
- USA verschärfen Streit mit China um Südchinesisches Meerstern.de vom 14. Juli 2020, abgerufen am 25. Juli 2020
- Reaktion auf Houston: China lässt US-Konsulat in Chengdu schließen
- Streit über Uiguren – USA verhängen Sanktionen gegen China