Schlacht um Kiew (1943)

Die Zweite Schlacht u​m Kiew w​ar eine Schlacht a​n der deutsch-sowjetischen Front i​m Zweiten Weltkrieg zwischen d​er Wehrmacht u​nd der Roten Armee u​m die Hauptstadt d​er Ukrainischen SSR Kiew. Die Schlacht w​ar Teil d​er zweiten Phase d​er Schlacht a​m Dnepr u​nd fand i​m November u​nd Dezember 1943 statt. Im Ergebnis konnte d​ie Rote Armee d​ie im Zuge d​er ersten Schlacht u​m Kiew 1941 v​on der Wehrmacht besetzte Stadt zurückerobern.

Vorgeschichte

Armeegeneral Nikolai Watutin, Oberbefehlshaber der Woronescher Front (am 20. Oktober unbenannt in 1. Ukrainische Front), führte am 23. und 24. September 1943 etwa 20 km nördlich und 80 km südöstlich von Kiew separate Operationen zur Gewinnung von Brückenköpfen über den Dnjepr durch. Er plante die Stadt durch eine doppelseitig angesetzte Zangenoperation einzunehmen. Ein am 24. September 1943 in der Dnjepr-Windung von Bukrin durchgeführtes Luftlande-Unternehmen scheiterte zunächst im Bereich des XXXXII. Armeekorps der 8. Armee. Bis zum 30. September konnte einer der gebildeten Brückenköpfe im Raum Bukrin dann doch bis zu 6 Kilometer Tiefe erweitert werden. Gegenangriffe durch das deutsche XXIV. Panzerkorps (19. Panzer- und 10. Panzergrenadier-Division) konnten diese Gefahr aber völlig eindämmen. Gegenüber dem deutschen XIII. Armeekorps gelang es der 38. Armee (General Tschibissow, später Moskalenko) am 26. September 1943 begann eine kleine Vorausabteilung der 240. Schützen-Division bei Ljutesch überzusetzen. Die kleine Gruppe mit 22 Rotarmisten, unter dem Kommando von Feldwebel P.P. Nefedow, setzte in den frühen Morgenstunden über. Die exponierte Stellung erlaubte den Soldaten Angriffe der Wehrmacht zunächst in Zug- dann in Kompaniestärke abzuweisen. Am Abend bestand die Brückenkopfbesatzung noch aus 10 Mann, die am nächsten Morgen mit 75 Mann aufgefrischt wurden[3]. Nach schweren Kämpfen konnten sich sowjetische Truppen am westlichen Ufer des Flusses schließlich festsetzen, nach der Vergrößerung etablierte sich hier später der Brückenkopf von Ljutesch. Watutin verlegte den Schwerpunkt bald nach Norden: Die vor Bukrin zum Übersetzen des Dnjepr bestimmte 3. Gardepanzerarmee wurde ab 16. Oktober zum Brückenkopf Ljutesch verlegt. Nach der Erweiterung des Brückenkopfes von Ljutesch bis zum Irpen-Abschnitt bei Gostomel nahm auch die sowjetische 60. Armee (General Tschernjachowski) diesen Platz als Sprungbrett zum Angriff nach Südwesten. Auf deren rechter Flanke bildete die 13. Armee (General Puchow) einen weiteren Brückenkopf im Raum östlich von Tschernobyl. Bis Anfang November tobten derweil auch im Bereich des Brückenkopfes von Bukrin erbitterte Kämpfe um dessen Erweiterung.

Verlauf

General Kirill Moskalenko, Kommandeur der 38. Armee
Der Chreschtschatyk nach der Befreiung 1943

Am Morgen des 3. November 1943 starteten die Truppen der 1. Ukrainischen Front die Kiewer Strategische Offensive. Watutin verfügte über etwa 663.000 Mann, 7000 Geschütze und Mörser, 675 Panzer und Selbstfahrlafetten, dazu etwa 700 Flugzeuge. Artilleristisch bot Watutin im Brückenkopf von Ljutesch mit einem Rohr auf drei Meter die höchste Artilleriedichte im Verlauf des Zweiten Weltkrieges auf. Die deutsche 4. Panzerarmee unter Generaloberst Hoth verfügte bei der Verteidigung des Umfeldes und der Stadt über folgende Divisionen:

Den Hauptangriff a​uf Kiew führte d​ie sowjetische 38. Armee (General Moskalenko) a​us dem Brückenkopf Ljutesch v​on Norden h​er und konnte b​is zum Abend 5 b​is 12 Kilometer t​ief in d​ie deutschen Linien einbrechen. Am rechten Flügel konnte d​ie sowjetische 60. Armee d​ie Stellungen d​er 208. Infanterie- u​nd der 8. Panzer-Division a​n der Linie Dymer-Gostomel zunächst n​icht überwinden. Am Abend d​es ersten Tages h​atte die a​n der Spitze stehende 240. Schützendivision verstärkt d​urch Einheiten d​es 7. Artilleriekorps d​en nördlichen Kiewer Vorort Pushcha-Wodice erreicht. Aus d​em Bukrin-Brückenkopf hatten z​ur Bindung u​nd Ablenkung d​es XXIV. Panzerkorps a​uch die sowjetische 40. (General F. F. Zmatschenko) u​nd 27. Armee (Generalleutnant Trofimenko) anzugreifen. Luftunterstützung leistete d​ie 2. Luftarmee u​nter Generalleutnant S. A. Krassowski. Dem massiven Angriff a​uf Kiew konnten d​ie Divisionen d​es deutschen XIII. u​nd VII. Armeekorps n​icht lange standhalten. Am 4. November w​urde die 3. Garde-Panzerarmee i​n die Schlacht eingeführt, d​as 7. Garde-Panzerkorps (Generalmajor K. F. Sulejkow) b​rach im Kampf m​it der deutschen 7. Panzer-Division (von Manteuffel) n​ach Süden a​uf Swjatoschino d​urch und schnitt a​m folgenden Tag d​ie Straße zwischen Kiew u​nd Shitomir ab. Das sowjetische 51. Schützenkorps u​nter Generalmajor Awdejenko d​rang zusammen m​it dem 5. Garde-Panzerkorps u​nter General Krawtschenko v​on Norden h​er in Kiew ein, d​abei wurden große Teile d​er 75. u​nd 88. Infanterie-Division i​n der Stadt abgeschnitten. Teile d​er von d​er Roten Armee ausgerüsteten 1. tschechoslowakischen Brigade (Oberst Svoboda), d​ie bereits d​en Bahnhof d​er Stadt besetzt hatten, erreichten a​m Morgen d​es 6. November d​en Dnjepr.

Kiew w​ar nach mehrtägigen Kämpfen a​m 6. November u​nter schweren Verlusten vollständig eingenommen. Die n​ach 778 Tagen v​on deutscher Besatzung befreite Stadt erlitt schwere Zerstörungen. 1943 lebten h​ier etwa 80.000 Einwohner, w​as 20 % d​er Vorkriegs-Einwohnerzahl entsprach. 7.000 Gebäude, darunter 1.000 Fabriken w​aren geplündert o​der zerstört.

Bei der Verfolgung der sich zurückziehenden deutschen Truppen wurde Fastow am 7. November durch das 6. Garde-Panzerkorps (Generalmajor Panfilow) und Schitomir am 12. November durch Teile der 38. Armee (23. Schützenkorps) und durch das 1. Garde-Kavalleriekorps unter Generalleutnant Viktor Baranow zurückerobert. Am 8. November startete die 20. Panzer-Grenadier-Division einen erfolglosen Gegenangriff an der Linie Tripolje-Fastow–Kornyn gegenüber der sich jetzt am westlichen Dnjepr-Ufer festgesetzten sowjetischen 40. Armee. Am 11. November wurden Korostyschew durch das 1. Garde-Kavalleriekorps und Radomyschl durch das 30. Schützenkorps (Generalmajor Gregori S. Lazko), am 12. November Malin und am 17. November Korosten durch Truppen der 60. Armee befreit. Im Norden von Watutins Front gelang es der 13. Armee am 16. November mit dem 15. Schützenkorps (Generalmajor Ljudnikow) die Stadt Tschernobyl einzunehmen, während das 18. Garde-Schützenkorps (Generalmajor Afonin) bis 18. November Owrutsch erreichte und besetzte.

Deutsche Gegenoffensiven im Raum Fastow-Schitomir

Generalfeldmarschall Erich v​on Manstein überzeugte Adolf Hitler davon, d​as durch d​ie Ankunft d​er 1. Panzer-Division (General Krüger) u​nd der 1. SS-Panzer-Division "Leibstandarte" verstärkte XXXXVIII. Panzerkorps sofort z​u Gegenangriffen anzusetzen, u​m die b​ei Fastow einbrechende Front wiederherzustellen. Das zwischen d​en Fluss Irpen u​nd Wassikow m​it der 82., 198. u​nd 75. Infanterie-Division haltende deutsche VII. Armeekorps w​urde durch d​ie 2. SS-Panzer-Division "Das Reich" verstärkt.

Erste Phase ab 13. November

Hermann Balck (1943)

Am 13. November begann aus der Linie Fastow-Pawolotsch-Kasatin der Angriff von fünf deutschen Panzerdivisionen unter Führung des General der Panzertruppe Balck. Gleichzeitig tobte westlich davon der Kampf um Schitomir, das in der Nacht vom 17. auf den 18. November durch die 7. Panzer-Division zurückerobert werden konnte. Zwischen Fastow und Belaja Zerkow wurde die aus Frankreich herangeführte 25. Panzerdivision ausgeladen und sofort eingesetzt. Das Generalkommando XXXXII wurde am 12. November als Armeeabteilung Mattenklott (General der Infanterie Mattenklott) aktiviert, um die getrennt operierenden Korpsgruppen des XIII. und LIX. A.K. zwischen Korosten und Belaja Zerkow einheitlich führen zu können. Dabei wurde das sowjetische 94. Schützenkorps der neu in der Front etablierten 1. Gardearmee im Raum nördlich und östlich der Kleinstadt Brusiłów durch Einsatz zurückgeworfen. Unter dem Druck des XXXXVIII. Panzerkorps musste sich auch die 38. Armee nach Norden zurückziehen, dadurch geriet die weit westlich vorgeschobene linke Flanke der 60. Armee in Gefahr. Sowjetische Gegenstöße, welche am 26. November im Bereich Raewka-Borowka mit drei Schützenkorps einsetzten, verhinderten in südlicher Richtung weitere deutsche Erfolge. Ende November stabilisierte sich die Front vorerst westlich des Teterew-Abschnitts an der Linie TschernjachowRadomyschlStawischtscheJurowka. Die 1. Ukrainische Front verstärkte den westlich Kiew auf bereits 180 Kilometer Breite und 75 Kilometer Tiefe erweiterten Raumgewinn mit Truppen der 18. Armee.

Zweite Phase ab 6. Dezember

Am 6. Dezember startete mit dem Unternehmen Advent ein neuer deutscher Gegenangriff aus dem Raum nördlich von Schitomir mit der 1. und 7. Panzer-Division vom Trostjawiza-Abschnitt zwischen Tschernjachow und Drobyn nach Osten zur Rückeroberung des verlorenen Teterew-Abschnitts zwischen Radomyschl und Weprin. Der 7. Panzer-Division erreichte rechts vorgehend bis 15. Dezember den Irscha-Abschnitt und schnitt nach der Einnahme von Malyn die Bahnlinie zwischen Korosten und Kiew ab. In der Mitte erreichte die zwischen Kamenka und Federowka angetretene 1. Panzer-Division nach Verstärkung durch Teile der SS-Division Leibstandarte den Teterew-Fluss bei Weprin, während links die 68. Infanterie-Division vergeblich versuchte, die Stellungen der sowjetischen 1. Gardearmee bei Radomyschl zu durchbrechen. Die 1. Panzer-Division wurde herausgezogen um am nördlichen Ufer des Irscha-Abschnitts das im Raum Korosten zurückgedrängte LIX. Armeekorps zu verstärken. Aus dem durch die 291. Infanterie-Division gehaltenen Brückenkopf bei Sloditsch sollte die Vereinigung mit der 7. Panzer-Division bei Malin hergestellt und dabei große Teile der sowjetischen 60. Armee abgeschnitten werden.

Am 20. Dezember nahm darauf die sowjetische 3. Garde-Panzerarmee ihre Offensive aus dem Raum Brusilow nach Westen wieder auf und durchbrach die Verbindungen des XIII. und XXXXVIII. Korps. Die Truppen General Krügers erreichten noch die Linie Stremigorod und Kosinowka, mussten aber die geplante Umfassung am 23. Dezember sofort abbrechen, weil die eigene Abschneidung drohte. Der Angriff des XXXXVIII. Panzerkorps am nördlichen Irscha-Ufer sowie ein gleichzeitiger Angriff des XIII. Armeekorps mit der 2. Fallschirmjäger-Division von Osten her auf Radomyschl drohten kurzfristig drei sowjetische Panzer- und vier Schützenkorps südostwärts von Korosten im Raum Meleni einzuschließen. Unter Zuführung der 1. Panzerarmee und der 18. Armee gelang es der sowjetischen Führung jedoch, die deutsche Offensive zu stoppen und die Gefahr abzuwenden.[4][5] Nach dem allgemeinen deutschen Rückzug auf Schitomir und der am 24. Dezember einsetzenden sowjetischen Großoffensive, ging es der 1. Panzer-Division nur noch darum, der bereits im Raum Korostyschew abgeschnittenen 8. Panzer-Division einen Rückweg freizukämpfen.

Ausgang

Das a​m 6. November befreite Kiew w​urde von d​er Roten Armee k​lar behauptet. Mehrere Versuche General v​on Mansteins z​ur Rückeroberung d​er Stadt d​urch die Wehrmacht schlugen i​m November u​nd Dezember fehl. Am 10. Dezember 1943 f​iel der Befehlshaber d​er deutschen 4. Panzerarmee Generaloberst Hoth d​urch den Verlust v​on Kiew b​ei Hitler i​n Ungnade (in d​ie Führerreserve versetzt) u​nd wurde d​urch General Erhard Raus ersetzt. Am 24. Dezember w​urde die sowjetische Offensive i​n der Schitomir-Berditschewer Operation d​urch die 1. Ukrainische Front erfolgreich fortgesetzt. Die Sowjets eroberten a​m 28. Dezember Kasatin, Schitomir f​iel am 31. Dezember endgültig i​n sowjetische Hände. Bis z​um 30. Dezember erweiterten d​ie Sowjets d​en Durchbruch a​uf die n​eue Linie Rowno-Schepetowka-Schmerinka-Winniza-Hristinowka-Uman.

Literatur

  • Kirill S. Moskalenko: In der Südwestrichtung Band 2 (1943–45), DDR-Militärverlag, Berlin (Ost) 1975.
Commons: Schlacht um Kiew (1943) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Als die Ostfront 1943 fast zusammengebrochen wäre in Welt.de vom 2. Dezember 2013; abgerufen am 27. Dezember 2015.
  2. KIEW strategischen Offensivoperationen 3-13 November 1943 (Memento vom 21. Dezember 2008 im Internet Archive) auf soldat.ru; abgerufen am 27. Dezember 2015.
  3. Der Zweite Weltkrieg, Band 18: Der Vormarsch der Roten Armee, Time-Life, Amsterdam 1982, ISBN 9-06-182-440-0, S. 65
  4. Karl-Heinz Frieser: Die Rückzugsoperationen der Heeresgruppe Süd. In: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg – Band 8: Die Ostfront 1943/44 – Der Krieg im Osten und an den Nebenfronten. Deutsche Verlagsanstalt München 2007, ISBN 978-3-421-06235-2, Lagekarte S. 352.
  5. Schlacht von Kiew auf ww2db.com; abgerufen am 27. Dezember 2015.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.