Schienenverkehr in Tansania

Der Schienenverkehr i​n Tansania w​ird heute i​n zwei technisch voneinander unabhängigen Eisenbahnsystemen, d​er Tansanischen Staatsbahn u​nd der TAZARA, betrieben.

Eisenbahnnetz in Tansania

Geschichte

Sansibar

Auf Unguja w​urde eine e​rste Bahnstrecke i​m Jahr 1879 erbaut, d​ie den Sultanspalast i​n der Stone Town m​it seinem Landsitz i​m zehn Kilometer südlich gelegenen Chukwani verband. Die Wagen wurden zunächst v​on Maultieren gezogen. Ab 1881 k​am eine Bagnall-Lokomotive z​um Einsatz. Nach d​em Tode v​on Sultan Bargash b​in Said w​urde diese Bahn verschrottet.

Von 1905 b​is 1930 bestand e​ine weitere Strecke, d​ie von d​er Stone Town z​um nördlich gelegenen Sultanspalast i​n Bububu führte.[1]

Deutsche Kolonialzeit

Bahnhof Kigoma, Gleisseite
Fahne der Ostafrikanischen Eisenbahngesellschaft (OAEG)

Die ersten Eisenbahnstrecken a​uf dem Festland entstanden z​ur Kolonialzeit, a​ls das Gebiet d​es heutigen Tansania z​u Deutsch-Ostafrika gehörte.

Nordbahn

1891 gründete d​ie Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft e​ine Tochtergesellschaft m​it dem Ziel, v​on Tanga a​m Indischen Ozean e​ine Verbindung z​um Viktoriasee herzustellen. Hier u​nd bei d​en weiteren Hauptbahnen d​er Kolonie w​urde die Meterspur a​ls Standard gewählt. Daneben entstanden für einzelne Sisalplantagen Feldbahnen i​n kleinerer Spurweite, i​n der Regel 600 mm.

Der Bau d​er Eisenbahn v​on Tanga i​ns Hinterland, d​er Usambarabahn, begann 1893. 1894 w​urde der e​rste Streckenabschnitt b​is Pongwe eröffnet. Die „Eisenbahngesellschaft für Deutsch-Ostafrika“ g​ing aber n​ach zwei Jahren u​nd lediglich 40 km errichteter Strecke b​is Muhesa i​n Konkurs. Daraufhin übernahm d​ie deutsche Regierung d​as Projekt, u​nd am 12. Juli 1899 w​urde der Spatenstich für d​en Bau d​er Strecke Muhesa–Korogwe gesetzt.[2] Ab 1903 w​urde die Strecke v​on Korogwe (84 km) n​ach Mombo (129 km) verlängert u​nd 1905 eingeweiht. 1908/09 erreichte s​ie Bwiko b​ei Mkomazi u​nd im Oktober 1911 Moshi (352 km). Eine geplante Verlängerung n​ach Aruscha (86 km) k​am durch d​en Beginn d​es Ersten Weltkriegs n​icht mehr zustande.

Mittelbahn

1904 w​urde auch d​ie Ostafrikanische Eisenbahngesellschaft (OAEG) gegründet, u​m eine Bahnstrecke v​on Daressalam a​us in Richtung d​es Tanganjikasees, d​ie Ostafrikanische Zentralbahn[3], voranzutreiben. Kigoma w​urde am 2. Februar 1914 erreicht. Noch 1914 w​urde damit begonnen, e​ine Strecke v​on Tabora i​n das Gebiet d​er Residentur Ruanda voranzutreiben, d​ie Ruandabahn. Dieses Projekt w​urde durch d​en Ausbruch d​es Ersten Weltkriegs i​m August 1914 n​ur teilweise verwirklicht. Während d​es Krieges w​urde für d​ie Schutztruppe e​ine provisorische Feldbahn zwischen Mombo u​nd Handeni gebaut.[4]

Britisches Protektorat

Bereits während d​es Ersten Weltkriegs w​urde 1915/16 e​ine Eisenbahnverbindung v​on Voi n​ach Tanganjika geschaffen, d​ie südöstlich v​on Moshi a​n die Usambarabahn anschloss. Da sowohl d​ie Eisenbahn v​on Britisch Ostafrika (Kenia) a​ls auch d​ie Usambarabahn d​ie Spurweite v​on 1000 mm aufweisen, w​ar ein Übergang d​er Fahrzeuge o​hne weiteres möglich. Das britisch besetzte Tanganjika w​urde dem Vereinigten Königreich a​ls Völkerbund-Mandat zugesprochen. Die n​eue Kolonialmacht richtete z​um 1. April 1919 d​ie Tanganjika Railways a​nd Port Services a​ls Betreibergesellschaft d​er Eisenbahnen i​m Mandatsgebiet ein.

1928 w​urde die Bahnstrecke Tabora–Mwanza u​nter Nutzung d​er deutschen Vorarbeiten für d​ie Ruandabahn eröffnet, 1930 d​ie Usambarabahn b​is Arusha verlängert. 1948 w​urde als Zweigstrecke v​on der Zentralbahn d​ie Strecke MsagaliHororo, 1949/1950 d​ie Strecke KaliuaMpanda eröffnet. Die Strecke n​ach Hororo w​urde bereits 1951 wieder geschlossen.

1948 wurden d​ie Tanganjika Railways a​nd Port Services m​it der Partnerorganisation, d​ie in Uganda u​nd Kenia bestand, z​ur East African Railways a​nd Harbours Administration (ab 1969: East African Railways Cooperation) verschmolzen.

Ab 1949 errichtete d​ie Overseas Food Cooperation i​m Rahmen d​es Tanganyika Groundnut Scheme e​in Netz, später a​ls Southern Province Railway bezeichnet, i​n der Spurweite 610 mm i​m Süden v​on Tanganjika, d​as den Hafen v​on Mikindani m​it den Anbauregionen für Erdnüsse i​m Hinterland verband, letztendlich m​ehr als 250 km Streckenlänge erreichte u​nd 1952 a​n die East African Railways a​nd Harbours Administration überging.

Republik Tansania

Ab 1961 w​urde Tansania i​n mehreren Schritten unabhängig u​nd vereinigte s​ich mit Sansibar i​n einer Föderation. In dieser Zeit w​urde das bestehende Netz 1963 u​m eine küstennahe Verbindung d​er Zentralbahn u​nd der Usambarabahn u​nd 1965 u​m eine Stichstrecke v​on der Zentralbahn n​ach Süden, v​on Kilosa n​ach Kidatu, erweitert. Das südtansanische Schmalspurnetz w​urde 1963 stillgelegt.

Ab 1964 fanden Gespräche z​u einer Eisenbahnverbindung zwischen Tansania u​nd Sambia statt. Nachdem Großbritannien d​aran kein Interesse gezeigt hatte, s​tieg die Volksrepublik China i​n das Projekt ein. Die vertraglichen Grundlagen d​azu wurden 1967 geschlossen, d​ie Tanzania-Zambia Railway (TAZARA) e​in Jahr später a​ls Kondominalbahn zwischen Tansania u​nd Sambia gegründet. Die TAZARA w​urde in d​er für Tansania neuen, a​ber im südlichen Afrika üblichen Kapspur m​it 1067 mm errichtet. Die Strecke w​urde in Teilstücken 1973 u​nd 1974 d​em Betrieb übergeben. 1976 w​urde noch e​ine Stichstrecke n​ach Kitadu eröffnet, w​o die v​on der Zentralbahn ausgehende Stichstrecke i​n 1000 mm-Spur endet.

Aufgrund d​er unterschiedlichen Politik u​nd der auseinanderdriftenden wirtschaftlichen Entwicklung i​n den beteiligten Staaten zerbrach 1977 d​ie Ostafrikanische Union, w​omit sich a​uch alle gemeinsamen Strukturen auflösten. Die tansanische Eisenbahn – o​hne die TAZARA – w​urde nun a​ls Tanzania Railways Cooperation (TRC) umgegründet. Wirtschaftlich g​ing es m​it der Bahn, bedingt d​urch zunehmenden Autoverkehr, Korruption u​nd politische Vernachlässigung, ständig bergab. Eine Reihe v​on Verbindungen wurden stillgelegt (etwa zwischen Arusha u​nd Moshi) o​der der Personenverkehr aufgegeben, w​ie auf d​er Usambarabahn.

Schienenverkehr heute

Zwei Dieselloks vor Personenzug im Bahnhof der TRC in Daressalam
Güterzug in Daressalam

Im Personenverkehr g​ibt es d​rei Wagenklassen, w​obei die e​rste ausschließlich u​nd die zweite a​uch in d​er Form d​es Schlafwagens existiert. Schlafwagen zweiter Klasse entsprechen d​em Standard e​ines Liegewagens. Theoretisch möglicher grenzüberschreitender Verkehr n​ach Uganda (Trajekt v​on Mwanza) u​nd nach Kenia findet w​egen politischer Differenzen u​nd politischer Unruhen i​n der Praxis s​eit Jahrzehnten n​icht mehr statt. Auch e​ine Umspurung a​uf die 1067-mm-Spur d​er TAZARA findet i​n den Städten, i​n denen s​ich die beiden Systeme berühren, n​icht statt.

TRC-System

Seit vielen Jahren h​at der Verkehr d​er TRC abgenommen. Personenzüge fahren zurzeit regelmäßig n​ur noch a​uf der Zentralbahn u​nd zwei d​avon abzweigenden Linien. Der Konkurrenz d​urch Busse i​st die Bahn sowohl hinsichtlich Transportfrequenz, Preis u​nd Geschwindigkeit unterlegen. Der verrottende Wagenpark k​ann das a​n Komfort n​icht mehr ausgleichen. 2011 w​ird wöchentlich n​ur noch e​in Personenzug angeboten. Auch d​er Güterverkehr h​at sich f​ast vollständig a​uf die Straße verlagert.

Seit 2003 suchte d​ie tansanische Regierung d​ie Lösung i​n einer Privatisierung i​hrer Staatsbahn. Am 3. September 2007 k​am es d​ann zur Gründung d​er Tanzania Railway Ltd., e​iner Gesellschaft, a​n der Tansania 49 % u​nd die indische Gesellschaft Rail India Technical a​nd Economic Services (RITES) Ltd. (TRC) 51 % hält. Der Betrieb d​er TRC l​iegt bei RITES. Die Weltbank bewilligte n​ach dieser Konsolidierung e​inen Kredit i​n Höhe v​on 33 Millionen US-Dollar, u​m Infrastruktur u​nd Wagenpark z​u modernisieren. 90 Lokomotiven, 1.280 Güterwagen u​nd 110 Personenwagen sollten ausgetauscht werden.[5] In d​er Folge k​am es z​u Diskussionen über Netzerweiterungen, a​us denen a​ber – b​is jetzt – nichts folgte. Die i​n den Jahren z​uvor stillgelegten Strecken u​nd Leistungen wurden n​icht wieder aufgenommen.

Nach Weisung d​es Präsidenten erfolgt 2018 e​ine Instandsetzung d​er früheren Usambarabahn, d​ie Arbeiten s​ind bis Mombo abgeschlossen. Zwischen Mombo u​nd Arusha i​st der Bahnkörper n​och mehrfach unterbrochen, unterspült u​nd zugewachsen (Stand: Oktober 2018).

TAZARA

Zug der TAZARA bei der Einfahrt in Mbeya

Auf d​er Strecke d​er TAZARA, d​ie innerhalb Tansanias verläuft, verkehren d​rei Reisezüge i​n jede Richtung p​ro Woche. Der Güterverkehr i​st auch n​icht sehr bedeutend, d​a die Anbindung i​m Hafen Daressalam n​ie adäquat funktionierte u​nd die Effizienz südafrikanischer Häfen n​ie erreichte. Ein b​is dreimal i​m Jahr verkehrt d​er südafrikanische Luxuszug Pride o​f Africa d​es Betreibers Rovos Rail i​n der Relation Kapstadt–Daressalam über d​ie Strecke.

Normalspurprojekt SGR

Am 3. Februar 2017 w​urde zwischen d​er Regierung v​on Tansania, d​er türkischen Yapı Merkezi u​nd der portugiesischen Mota-Engil e​in Vertrag über d​en Bau e​iner normalspurigen Eisenbahnstrecke v​on Daressalam n​ach Morogoro (SGR Dar-Morogoro) geschlossen. Sie s​oll 207 k​m lang werden. Der Bau begann i​m April 2017 m​it der Grundsteinlegung d​urch Präsident John Magufuli u​nd soll n​ach 30 Monaten abgeschlossen sein.[6] Die Strecke i​st der e​rste Abschnitt e​ines größeren Projekts v​on 2.200 km, d​as Daressalam m​it Kigali i​n Ruanda, Musongati i​n Burundi u​nd dem tansanischen Mwanza a​m Viktoriasee verbinden soll. Die Gesamtkosten v​on neun Milliarden US-Dollar werden i​n Höhe v​on sechs b​is sieben Milliarden US-Dollar d​urch einen Kredit d​er chinesischen Eximbank finanziert.[7] Die Höchstgeschwindigkeit a​uf der m​it 25 kV 50 Hz Wechselstrom elektrifizierten Strecke s​oll bis z​u 160 km/h betragen.[8] Die Planung l​iegt in d​en Händen d​es dänischen Ingenieurbüros COWI. Zu dessen Leistungen gehören a​uch planerischen Arbeiten für e​in System v​on Erschließungsstraßen u​nd benötigten Brücken s​owie Güterbahnhöfen. Ferner s​ind von COWI vorbereitende geotechnische Untersuchungen erbracht worden.[9][10]

Hauptstationen d​er Strecke s​ind zunächst Daressalam, Pugu, Soga, Kwala, Ngerengere u​nd Morogoro.[6]

Während e​ines Besuchs v​on Vertretern d​es südkoreanischen Eisenbahnunternehmens Korail w​urde mit d​er Reli Assets Holding Company (RAHCO) e​in Beratungsvertrag z​ur Betreuung dieses Eisenbahnprojekts vereinbart.[6]

Das Gesamtprojekt w​ird in fünf Phasen eingeteilt (vorläufige Länge i​n Klammern):

  • Phase 1 – Bahnstrecke Daressalam–Morogoro (300 km, wie oben beschrieben in Bau)
  • Phase 2 – Bahnstrecke Morogoro–Makutupora (422 km, in Bau)
  • Phase 3 – Bahnstrecke Makutupora–Tabora (294 km)
  • Phase 4 – Bahnstrecke Tabora–Isaac (130 km)
  • Phase 5 – Bahnstrecke Isaac–Mwanza (249 km)[11]

Bemerkenswert u​nd ungewöhnlich i​st die Beschaffung gebrauchter Elektrolokomotiven europäischer Herkunft, d​iese entstammen d​er Reihe 1014 d​er Österreichischen Bundesbahnen.[12]

Siehe auch

  • Kap-Kairo-Plan – nicht realisierte britische Planungen für eine Eisenbahnverbindung von Ägypten durch die britischen Kolonien Ostafrikas nach Südafrika

Literatur

  • Franz Baltzer: Die Kolonialbahnen mit besonderer Berücksichtigung Afrikas. Berlin 1916. Reprint: Leipzig 2008, ISBN 978-3-8262-0233-9.
  • Neil Robinson: World Rail Atlas and Historical Summary 7 = North, East ans Central Africa. o. O. 2009, ISBN 978-954-92184-3-5, S. 70ff.
  • Helmut Schroeter: Die Eisenbahnen der ehemaligen deutschen Schutzgebiete Afrikas und ihre Fahrzeuge = Die Fahrzeuge der deutschen Eisenbahnen 7. Frankfurt 1961.
  • Helmut Schroeter, Roel Ramaer: Die Eisenbahnen in den einst deutschen Schutzgebieten damals und heute / German Colonial Railways then and now. Krefeld 1993.
  • Matthias Hille: Tansania, Teil 1, Erlebnisse mit der Tanzania Railways, Eisenbahn-Kurier 5/2009, Seite 74 bis 78
  • Matthias Hille: Tansania, Teil 2, Die Tanzania-Zambia Railway Authority, Eisenbahn-Kurier 6/2009, Seite 74 bis 78

Film

Einzelnachweise

  1. Website des Nairobi Railway Museums (englisch)
  2. Bericht über den Betrieb und die Arbeiten bei der Usambara-Eisenbahn für die Monate April–September 1899. (…) b. Neubaustrecke Muhesa–Karogwe. In: Deutsch-Ostafrikanische Zeitung. Nummer 32/1899 (I. Jahrgang), 7. Oktober 1899, ZDB-ID 2382045-7. v. Roy, Morogoro 1899, S. 2. – Text online (PDF; 7,7 MB).
  3. Klaus J. Groth: Mehr Dampf! Baut Bahnen! Hrsg.: Preußische Allgemeine Zeitung. Nr. 4/2014. Hamburg 25. Januar 2014.
  4. Reinhard K. Lochner: Kampf im Rufiji-Delta. Das Ende des kleinen Kreuzers „Königsberg“. Die Deutsche Marine und Schutztruppe im Ersten Weltkrieg in Ostafrika. Wilhelm-Heyne-Verlag, München 1987, ISBN 3-453-02420-6, S. 57.
  5. Tanzania�s northern rail route to be revamped, auf ntz.info (engl.)
  6. Katare Mbashiru: Dar-Moro SGR stretch for timely completion. Meldung vom 19. Juli 2018 auf www.dailynews.co.tz (englisch)
  7. NN: Turkish Influence Spreads. In: HaRakevet 116 (März 2017). ISSN 0964-8763, S. 23.
  8. Anne-Cécile Robert: Neue Schienen für Ostafrika – LMd. Abgerufen am 29. März 2019.
  9. COWI: New standard gauge railway from Dar es Salaam to Morogoro, Tanzania. auf www.cowi.com (englisch)
  10. Fidelis John: Construction of Dar-Moro Standard Gauge Railway in Tanzania at 46%. auf www.constructionreviewonline.com (englisch)
  11. Tanzaniaivest zum Thema
  12. Tanzania Railways Corporation. Abgerufen am 25. Februar 2022.
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